Mitte & Weite - katholische Berührungen
Ein Thema, das ich gerne mit Euch teilen möchte ...
Als Christ beschäftigt mich seit meiner Jugendzeit die Frage, wie sich die MITTE (meiner eigenen evangelisch-konfessionellen Glaubensgrundierung in Christus & im Evangelium) verhält zur Frage der WEITE (d.h. der Offenheit & Bereicherung, der interkonfessionellen Ökumene, des inter-religiösen Dialogs).
Der Protestantismus ist oft abgrenzend, evangelikaler Glaube oft ausschließend, leider.
Im Katholizismus - und damit meine ich NICHT die römisch-katholische Doktrin & Institution, sondern den Kat-holos *weltumspannenden* Geist - begegnet mir dagegen (merkwürdiger Widerspruch oft) eine Weite & ein Farbenreichtum des gelebten Glaubens AN und IN CHRISTUS, der mir gut tut.
Ich lese gerade viel von Tomàs Halík, großartig.
Und bin Drewermann, (Glaube & Psychoanalyse), Hugo-Enomiya Lassale (Priester in Japan & Zen-Meister), Bede Griffiths (Priester in einem christlichen Ashram), Richard Rohr & David Steindl-Rast (Christlicher Glaube & Spiritualität), Ernesto Cardenal & Leonardo Boff (Befreiungstheologie), Hans Küng & Anselm Grün ... undundund ... SEHR DANKBAR für die Bereicherungen meines Glaubens und meiner Christus-Beziehung.
Bin gespannt, was resonanzt und Danke für Rückmeldungen 🙂
L'Chaim
Also ich bin selbst Katholisch. Woher soll der offene Geist denn kommen, wie ist das gemeint.
Ich habe es tatsächlich auch ab anderer Stelle mal gehört das die Katholische Kirche eher "inkludierend"? Wäre und nicht exklusiv oder so
Aber Theologisch nachvollziehen kann ich das nicht, die Lehre im Katechismus ist recht streight.
Mit der "Weite" habe ich gemeint, dass die "katholische Welt" - was immer Rom, das Lehramt, die institutionelle Hierarchie auch an Enge & Autorität verkörpert, da bin und bleibe ich schön "evangelisch frei!" 😉 - ein breites Spektrum an Glaubensformen bietet.
Die Namen, die ich in den Ring warf, stehen dafür, auch wenn sie mit Rom in Konflikt kamen - sie haben ja bleibend ihren Radius und verkörpern "Katholizismus" ...
Nehmen wir als Beispiel Indien & Japan: Im evangelischen Raum wurde lange alles, was an Meditation, ZEN-Praxis etc. auftauchte, als fremdreligiös, als abzulehnen, als gefährlich angesehen ... Leute wir Pater Bede Griffiths, William Johnston SJ, Hugo Enomiya-Lassale haben da segensreiche Brücken und Räume geschaffen, als katholisch praktizierende Christen.
Ebenso denke ich an Drewermann, Küng, L.Boff, E. Cardenal u.a. die zwar "offiziell" von Rom verworfen wurden, aber weiterhin katholisch bleiben/geblieben sind in ihrem Glaubensverständnis, ihrer Theologie und ihrer praktizierten Frömmigkeit - als Ökumeniker, Befreiungstheologen, Psychotherapeuten ...
Der ganze Bereich katholischer Mystik, die dem Pietismus nicht fern ist - z.b. Theresa von Avila und ihre Gottesliebe.
Oder Anselm Grün (Lebensratgeber im Glauben) und Richard Rohr (Enneagramm, Ken Wilber)- die als Ordensleute ihren Weg gehen und Brücken schlagen.
Ich kann es wiederum nur andeuten - und mit meiner Wahrnehmung und meinem Empfinden verbinden, dass (oft eben im Gegensatz zu vielen Abgrenzungen, Berührungsängsten und Verengungen im evangelischen und evangelikalen Raum) die katholische Glaubenswelt die CHRIST-liche Mitte und die Weite (durch Inklusivität und Inkulturation) verbindet ...
Vielleicht das noch, zur Veranschaulichung: In meinen frühen Glaubensjahren habe ich meine christlichen Bücher nur von bestimmten Verlagen gekauft (ABC-Team, Brunnen etc.), weil das im Rahmen meiner Glaubenswelt war ... Was habe ich gestaunt, als mir in einer katholischen Buchhandlung, mit einer bunten Fülle an christlichen Bezügen, ein paar innere Türen aufgingen ... Und ich mal anfing, auch in katholischen Kirchräumen zu sitzen und bei mir und vor Gott zu sein - und nicht nur in der vertrauten Bibelstunde, Gebetsgemeinschaft und eigenen Stillen Zeit zu Hause.
So genug, ich hoffe, das erläutert es etwas.
L'Chaim
Guten Morgen, jetzt verstehe ich was Du meinst . Ja es ist richtig, es gibt da sehr viele Akzente.
Aber wie du gemerkt hast ist nicht alles im Einklang mit katholischer Lehre.
Zumindest wenn es um Elemente fremder Religionen geht sollte man da Vorsichtig sein. Ich hätte da bedenken mit fernöstlichen Elementen. Was man nicht unbedingt zum Leben braucht aber im Falle eines Irrtums möglicher Weise schwere Auswirkungen hätte, das lass ich besser.
Grundsätzlich ist aber die Mystik oder das übernatürliche ein fester Bestandteil des Glaubens:). Ich finde das auch sehr wichtig das man diese Dinge nicht abtut, weil sie ja auch in der Bibel und Überlieferung einfach fest verankert sind. Wenn man das ganze ausklammert fehlt den Menschen etwas.
Grüße Eddy
Vielleicht ist nicht katholisch oder evangelisch das 'Problem', sondern eben die Glaubensgemeinschaften, die sich bewusst 'enger' fassen und (nach meiner Sicht der Dinge), gar nicht 'weit' sein wollen.
Ich meine z.B. die Gemeinschaften, in denen heute noch (oder wenigstens vor ein paar Jahren) noch drüber diskutiert wurde, ob ein Schlagzeug im Gottesdienst ok ist oder ob kurze Haare bei Frauen ok sind oder ... (Du kennst es bestimmt).
@chai nunja in den Schriften sieht man schon auch das immer vor Abspaltungen und Irrlehren gewarnt wird. Ganz egal kann es auch nicht sein was geglaubt wird. Die Bibel ist eben keine Bedienungsanleitung, das macht es heute schwer.
Ja, das stimmt wohl ...
(Nicht) Wollen, (Nicht) Können, (Nicht) Dürfen, (Nicht) Brauchen - ein spannendes Feld im Blick auf den Glauben jedes Einzelnen und jeder Kirche/Gemeinde/Gemeinschaft 😉
Was den einen zu eng (Klaustrophobie), ist den anderen zu weit (Agoraphobie) - d.h. es gibt wohl auch im Glauben sowohl das Bedürfnis nach klaren Raum-Vorgaben und Abgrenzungen, wie auch das Bedürfnis nach großräumiger Offenheit und einem weiten Himmel ...
Als Ergänzung zu meinen "katholischen Berührungen": Früher hatte ich wenig Sinn für sakrale Räume, Liturgie & Ritus, religiöse Symbolik. Gottesdienst ging (geht) halt auch in ner Garage, auf Apfelsinenkisten und mit Klampfe, wenn die aufgeschlagene Bibel dabei ist ... Heute verstehe ich viel mehr (und kann mich davon berühren lassen), dass zum Zuhause-sein für Katholiken eben auch das Sakral-Sinnliche gehört ... und ich setze mich gerne mal in eine katholische Kirche, schaue mich um, genieße ein Stück den Abstand zum profanen Leben "da draußen vor der Tür" 😉
L'Chaim
@chai und andere:
Ja, diese Schubladen nerven ... auch wenn ich die selber auch anwende ... kaum beschreibe ich was, was in mir vorgeht, zack, holt einer n Schild oder ne Schublade raus ... *gnarf* ...
Wie wäre es, wir würden einfach über Gott reden, über das, was wir mit ihm erleben?
@neubaugoere Vor Schubladen ist niemand sicher. Und sie helfen ja auch ein Stückweit, sich die Welt einzuteilen.
Die Frage ist, wie streng ich da einsortiere.
Ein Beispiel von einer meiner 'frommen Schubladen' - ich gehe schon davon aus, dass ein Pfingstler oder ein Charismatiker anders drauf ist als ein sehr unregelmäßiger Besucher unserer evangelischen (oder auch katholischen) Stadtkirche. Und die Pietisten sind manchmal auch etwas 'speziell'.
Damit sage ich nicht, dass der Stadtkirchen-Besucher kein Christ ist oder sein kann, aber nach meiner bisherigen Erfahrung sind die Glaubensformen halt unterschiedlich.
Ja ... und wie schön kann es sein, wenn man andere Glaubensformen (mit denen man zuvor gar keine Berührung hatte oder die man vielleicht sogar verurteilt und abgelehnt hat) als Bereicherung erleben kann - so geht es mir jedenfalls.
In einem Buch von Kuylman-Hoekendijk ("Christen nach Maß? Ein Plädoyer für die Vielfalt") las ich mal den guten Satz: "Wir sind uns in unserer Verschiedenartigkeit geschenkt!"
L'Chaim
liebe neubaugoere,
danke für diesen Satz. Den finde ich ganz arg wichtig. Christus wurde als Mensch
geboren, ganz einfach in einem Stall.
Und ob jetzt ein Mensch evangelisch ist, freikirchlich, evangelikal, charismatisch, katholisch....
Wir Menschen, leider auch ich, mache da gerne Unterschiede.
Am wichtigsten ist doch aber, das Christus die Mitte meines Lebens ist........
Ob ich jetzt als Kind getauft bin, als erwachsener Mensch......
Christus die Mitte, kein Buddha oder sonst was.
Dann ist unser Leben gelungen., es wird nicht mehr scheitern. Dann muss ich nicht
mehr darum ringen, Gott, andere Menschen, mich selbst, zufrieden zu stellen.
In Christus sind wir frei, mein Leben unabhängig von der Frage zu gestalten, ob
ich es gut genug mache. In Christus und mit Christus einfach nur leben.
Christus nach folgen, mit meinem Verstand, Herzen, Gefühlen..............
Vieles wird gelingen, ich darf es genießen, gute Auswirkungen für mich selbst,
andere Menschen, Tiere haben........
Auch wenn manche meiner Pläne, Hoffnungen, Erwartungen ..............misslingen.........
Das ändert nichts daran, das ich ein von Gott geliebtes Kind bin und bleibe.
Das kann ich nie mehr verlieren. Eigentlich müssten wir uns da nicht immer
solche Sorgen machen. Auch mein Leben mit Christus auch mal genieße,
bevor ich für mich selbst, in Beziehung zu Menschen oder Tieren, ungenießbar
werde.
liebe Grüße,
Alltagsdialoge ...
"Hilfe, ich will hier raus!!!" ... "Psst, hat da Jemand was gesagt??? ... Ach, nee, war wohl nix!" ... "Doch, hör mal, da schon wieder ..."
"Och Mönsch, da doch nich - wie oft hab ich Dir schon gesagt, das kommt in die andere Schublade, die da drüber!"
"Es wäre schön, wenn Du endlich mal die Schublade reparierst, sie klemmt seit Wochen ... Ich krieg die kaum noch auf!"
😉
@awhler Küng sehe ich kritisch mit seinem Weltethos. Er war ja mal Professor für römisch-katholische Theologie und ich glaube die Römisch-Katholische Kirche hat ihm nahegelegt diese zu verlassen.
Vor Jahren war ich mal zu eime Vortrag über Esotherik und da wurde gesagt bei Anselm Grün ist viel bhuddistisch-esoterisches. Wir hatten Grün in unserer Kirche zu einem Konzert mit Bittlinger und was er so sagte war auch so allseeligmachend und nicht auf Christus oder den Ewigen konzentriert.
Wenn Du Anselm Grün liest, kann es wohl sein, dass Dir Manches fremd vorkommt, es Dir zu allgemein - Du schreibst *allseligmachend* - vorkommt und Du das vermisst (sprachlich, inhaltlich) was Dir wichtig und vertraut ist ... Ich finde Manches auch ein bisschen zu sanft und "ratgebermäßig".
Aber unbestritten ist er durch und durch Christus-bezogen und manchmal sogar richtig konservativ - z.B. in der Auseinandersetzung mit Willigis Jaeger, der ganz auf ZEN gepolt ist und das Dialogische im Gottesverhältnis sehr relativiert ... (Stw. budhistisch-esoterisch)
Küng war in der Tat mit der Amtskirche entfremdet bzw. sie von ihm. Aber in seinen Büchern finde ich viel hilfreiche Theologie ... Und die Suche nach einem "Weltethos" - d.h. die Frage, wie die Menschheit kultur- und religionsübergreifend in Fragen von Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung Konsens & Verpflichtung finden können - finde ich auch prima ...
.........
AN DIESER STELLE allen Antwortenden mit ihren Beiträgen & Sichtweisen ein Danke!
Als Katholikin gefällt mir, dass mir die Kirche die Freiheit gibt, mich spirituell zu entwickeln und in der Erkenntnis Gottes zu wachsen. Ich sehe, dass Gott jeden Menschen dort abholt, wo er steht, und ihn von dort zu sich führt. Dafür bin ich dankbar. Ein tamilischer Christ bringt andere Voraussetzungen mit als ein Psychotherapeut wie Eugen Drewermann, und doch hat beides seine Berechtigung.
Apropos Drewermann: seine Erkenntnisse entwickelten sich aus einem psychotherapeutischen Ansatz heraus, meine Erkenntnisse aus der Liebe zu Jesus, aus Vertrauen und Hingabe. Ganz erstaunt sehe ich, dass Drewermann zu denselben Erkenntnissen gekommen ist wie ich. Ist das nicht wunderbar, wie jeder ganz individuell geführt wird?
Das Buch von Richard Rohr über das Enneagramm hat mir damals sehr weitergeholfen in der Selbsterkenntnis und auch, meine Nächsten zu verstehen. Mir ist da zum ersten Mal bewusst geworden, dass Menschen unterschiedlich „ticken“ und dass ich bis dato alle nach meinen eigenen Strukturen beurteilt und behandelt hatte. Das Enneagramm wird ja allgemein unter Christen als esoterisch angesehen. Er bezieht es aber auf Christus und auf die Wandlung und Vervollkommnung des Menschen durch Christus und den heiligen Geist und macht es damit zu einem urchristlichen Werkzeug zur Selbsterkenntnis.
Es kommt halt nicht auf die Form an sondern auf den Geist, der darin steckt. Dasselbe gilt ja auch für das Jesus-Gebet, das ich praktiziere. Von der Form her erinnert es an die Mantra-Meditationen, die man von den östlichen Religionen kennt. Der Inhalt, der Geist, ist aber Jesus Christus und so führt es zu Jesus Christus.
Vielen Dank für Deine Antwort und die persönlich geschilderten Bezüge und Erfahrungen!
Meine ersten Berührungen als Christ mit der Meditation (ich weiß garnicht, ob es die Bücher noch gibt, wahrscheinlich nur antiquarisch) waren von einem Klemens Tilmann (Anleitung zur Meditation), einem katholischen Autor und erschienen im *Benzinger*-Verlag ...
Gute Wünsche für Dich -L'Chaim!
@awhler Von Klemens Tilman habe ich auch ein Buch da "Führung zur Meditation". Das ist ein ziemlich ausführliches Werkbuch zur Meditation und richtet sich eher an Lehrende. Ich suchte Antworten auf solche Fragen wie "Du meditierst? Wie "machst" du das". Gar nicht so einfach zu erklären, das.
L'Chaim towim u'leShalom!
Hallo AWHler,
ich bin nach konfessionslosen Jahren seit ungefähr 2005 Mitglied in der württ. ev. Landeskirche. Ich bin auch ein Mensch, der sich gerne unabhängig von Konfession ansprechen lässt und muss sagen, dass ich auch einige Stimmen aus dem kath. Bereich kenne, die mich immer wieder inspirieren und in den letzten 30 Jahren inspiriert haben.
Es ist ja ein Weg, den man geht und was heute ist, ist aus dem geworden, was vorher war.
Wegbegleiter waren und sind für mich auch Hans Küng, Anselm Grün, Günther Weber, Notker Wolf, Eugen Drewermann, Tomas Halik, David Steindl-Rast, Hubertus Halfas. Im Grunde schätze ich Stimmen, die mich in die Weite führen, mir neue Gedankenfelder öffnen.
Ein kleines (oder eigentlich gar kein so kleines) Erlebnis war, als ich mal wieder unsicher war, ob ich mich überhaupt noch Christ nennen darf, maximal Kulturchrist vielleicht, weil mein teilweise eher evanglikales Umfeld mich wegen fehlender Elemente, die aus deren Sicht notwendig sind, um sich Christ nennen zu dürfen, mich mal wieder verunsicherte.
Das war dann die Trauerfeier von Hans Küng. Weil in der Kirche in Tübingen aufgrund der Corona-Bestimmungen nur wenige Menschen teilnehmen konnten, wurde sie im Südwestrundfunk und im Internet übertragen und ich habe auch daran teilgenommen. Das war so ein berührender Moment, wo mir klar wurde, dass ich sehr wohl Christ bin.
Danke für dieses Thema.
Und Dir Dank für das Posting 🙂
Ja, Steindl-Rast und Hubertus Halbfas (Symbol-Didaktik) fallen auch noch in meinen Radius der hilfreichen Wahrnehmung.
Was Du ansprichst, trifft einen Kern: Die strikte Definition, wer eigentlich ein "Christ" ist (bekehrt, wiedergeboren, gerettet) nach evangelikalem Verständnis, das für sich in Anspruch nimmt, das einzig richtige (und damit auch aus-schließende) Verständnis zu sein ...
Wie schön, dass Du berichten kannst, vom befreienden Erleben (Trauerfeier Küng).
L ' Chaim