Familie, Freundscha...
 
Benachrichtigungen
Alles löschen

Familie, Freundschaft und Politik

Seite 1 / 2

Suzanne62
Themenstarter
Beiträge : 7672

Habt ihr auch den Eindruck, dass es immer schwieriger wird, über brisante politische Themen einigermaßen sachlich und höflich zu diskutieren?

Dass das in den "sozialen" Medien so ist, das ist ja nichts Neues. Von einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, wird ja v.a. auf Facebook mehr beleidigt und gepöbelt als sachlich debattiert.

Gewisse Themen - wie etwa Lützerath, der Ukraine-Krieg und der Umgang mit der Corona-Pandemie werden z.T. hoch emotional geführt und da wird der Mitdiskutierende, der anderer Meinung ist, schnell zum Feind, dem gegenüber man jeglichen Anstand und jeglichen Respekt fallen lassen kann.

Das alles ist aber, wie gesagt, nicht neu. Ich bin auf FB ebenso wie in Online-Diskussionsforen (einschließlich j.de) schon übel angegangen worden wegen meiner Meinungen zu den genannten Themen sowie meiner Weigerung, die WM in Qatar zu boykottieren - das reichte von absurden Unterstellungen ("Leute wie du machen mit ihrem Lifestyle das Böse in der Welt erst möglich") über Beleidigungen bis hin zu üblen Beschimpfungen und Drohungen.

Obwohl ich politischen Differenzen nie so viel Bedeutung beimessen mochte, dass ich deshalb Leute blocken oder mich von ihnen "entfreunden" wollte, habe ich auf FB in ein paar Fällen keine andere Möglichkeit mehr gesehen.

Der Grund dafür waren nicht die unterschiedlichen Meinungen als solche, sondern - s.o. - Beleidigungen und Drohungen.

Wenn erwachsene Menschen nicht mehr in der Lage sind, andere Meinungen auszuhalten, nicht mehr bereit sind, Kompromisse einzugehen und es zu akzeptieren, wenn demokratische Entscheidungsprozesse zu anderen Ergebnissen führen als man sich gewünscht hätte, dann sehe ich da ein ernstes Problem für die Demokratie.

Was ich aber noch viel problematischer finde ist, dass dieser verbiesterte und rechthaberische "Diskussions"stil aus dem internet immer mehr in reale Leben herüberschwappt.

Es macht mich fassungslos, wenn ich mitbekomme, dass Menschen, die sich z.T. schon lange kennen, gegenseitig die Freundschaft kündigen oder Familienangehörige den Kontakt abbrechen, weil jemand die "falsche" Partei gewählt hat oder weil man bei einem politischen Thema unterschiedlicher Auffassung ist. Leider habe ich das in meinem Umfeld mehrfach erlebt - zuerst wegen des Umgangs mit Corona (da ging es um die Maßnahmen wie Lockdown, Schulschließungen und Ausgangssperren, später um Impfungen), seit Februar wegen des Ukraine-Kriegs und die Frage, ob Deutschland da Waffen liefern soll und wenn ja, welche und zuletzt um Lützerath.

Zu all diesen Themen habe ich eine Meinung. Die Menschen, die mir lieb und wichtig sind haben auch eine - und teilweise eine völlig andere als ich.

Aber für mich kann das kein Grund sein, ihnen meine Zuneigung und meinen Respekt zu entziehen oder gar den Kontakt zu ihnen abzubrechen. Im "extremsten" Fall meide ich bestimmte Themen, wenn ich merke, dass eine sachliche und höfliche Diskussion nicht möglich ist.

Aber ich möchte der Politik nicht die Macht geben, in mein Privatleben hineinzuwirken und es kaputt zu machen.

Wie seht ihr das? Ist es für euch denkbar, eine Freundschaft aus politischen Gründen zu beenden oder gar den Kontakt zu einem Familienmitglied abzubrechen?

Oder hat jemand euch schon mal die Freundschaft aufgekündigt, weil eure politische Ausrichtung ihm nicht mehr genehm war? 

Antwort
9 Antworten
Kintsugi
Beiträge : 831

Wenn die Beziehung zu Freunden oder Familie gut ist und eine starke Vertrauensbasis besteht, diese auch meine Sicht der Dinge stehen lassen können so wie ich die ihre, habe ich kein Problem damit, wenn sie andere Ansichten haben.

Es gibt allerdings tatsächlich gewisse Grenzen, bei denen ich den Kontakt nicht mehr pflege, das sind vor allem deutlich geäusserter Rassismus, generelle Verachtung von Frauen, Relativierung der Schoah und eine Haltung, die sehr deutlich zeigt, dass dem Gegenüber am Allgemeinwohl wirklich gar nichts gelegen ist.

Tatsächlich beobachte ich ähnliche Entwicklungen, wie Du sie oben beschrieben hast. Dagegen schütze ich mich, indem ich sehr genau überlege, in welchen „sozialen“ Medien ich mich überhaupt (noch) bewege und mit welchen Menschen in meinem Umfeld ich wirklich einen engen Kontakt pflegen möchte und was ich wem erzähle. 

 

kintsugi antworten


mmieks
 mmieks
Beiträge : 1125

@suzanne62 ich bin zwar auf facebook registriert, habe aber die letzten 2 jahre kaum was offizielles geschrieben, aber private nachrichten mit meinen freunden, die alle "real" sind. an poltischen themen beteilige ich mich kaum, auch hier auf jesus.de nicht. von meiner familie schreibt auch niemand irgendwo im internet. also lebe ich auf einer provokationsfreien insel. im komkreten umfeld gibt es diese diskussionen durchaus ... auf "österreichische schwerpunKte" thematisiert  😀 😎 

mmieks antworten
1 Antwort
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@mmieks 
Für die "politischen" Themen hab ich einen 2. Account bei FB

Hab ich angelegt, nachdem linke Extremisten anfingen, mir nahestehende Menschen anzupöbeln, zu bedrohen und vor mir zu "warnen"  

deleted_profile antworten
Lucan-7
Beiträge : 21528

@suzanne62 

Wie seht ihr das? Ist es für euch denkbar, eine Freundschaft aus politischen Gründen zu beenden oder gar den Kontakt zu einem Familienmitglied abzubrechen?

Sicher. Wenn meine Freunde plötzlich bei irgendwelchen Naziaufmärschen mitmarschieren würden oder wenn meine Frau zur religiösen Fanatikerin mutieren würde, dann wäre da wohl kaum eine weitere enge Beziehung möglich. Ich denke, es gibt wohl für jeden eine rote Linie, ab der es einfach nicht weitergehen kann - denn Freunde sind ja gerade Freunde, weil sie bestimmte Eigenschaften nicht haben.

Und manche politischen Ansichten lassen sich nun einmal nicht allein auf die "Politik" beschränken, also um die Frage wie man gute Politik für die Menschen gestaltet, sondern sagen auch etwas über den Charakter eines Menschen aus. Und da wird es dann halt schnell grenzwertig.

Nehmen wir als Beispiel nochmal die WM in Katar. Da wurde dir vorgeworfen, durch deine Haltung eine schlechte Entwicklung zu begünstigen. Manche haben das so gesehen, andere nicht.

Der entscheidende Punkt ist aber, dass dir meines Wissens niemand unterstellt hat, dass du diese schlechten Entwicklungen auch beabsichtigst. Du hast ja nicht geschrieben, dass es dir egal ist, dass da Menschen auf der Baustelle sterben - du warst lediglich der Ansicht, dass es keine Auswirkungen hat, ob du nun den Fernseher einschaltest oder nicht oder ob du dich für die Spiele interessierst.

Und darüber kann man natürlich diskutieren.

Völlig anders wäre die Situation, wenn da jemand der Ansicht wäre, das ausbeuterische System in Katar wäre doch auch etwas für Deutschland, da könnte man doch Flüchtlinge auf Baustellen schuften lassen und ausbeuten, und wenn dann Leute sterben, dann wäre das auch gut, weil das dann weitere Flüchtlinge abschreckt.

Das wäre dann nicht mehr zu akzeptieren, und es würde einiges über den Charakter dieser Person aussagen.

Gewisse Themen - wie etwa Lützerath, der Ukraine-Krieg und der Umgang mit der Corona-Pandemie werden z.T. hoch emotional geführt und da wird der Mitdiskutierende, der anderer Meinung ist, schnell zum Feind, dem gegenüber man jeglichen Anstand und jeglichen Respekt fallen lassen kann.

Ja, allerdings geht es da ja meist gar nicht um eine "Diskussion", sondern um eine Selbstverortung. Man will sich vergewissern, zu welcher Gruppe man selbst gehört und wohin die "Anderen" gehören. Um Argumente geht es da gar nicht, es geht nur um die eigene Darstellung.

 

 

 

lucan-7 antworten
1 Antwort
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5649

@lucan-7 

"wenn meine Frau zur religiösen Fanatikerin mutieren würde"

Ja, so etwas gibt es. Mit am skurrilsten, was ich mitbekommen habe, war die Situation eines Mannes, dessen Ehefrau ohne erkennbaren Anlass im Verlauf einer kurzen Entwicklung plötzlich "fromm" geworden ist. Sie hing alle möglichen frommen Sprüche und Bildchen in der Wohnung auf und sprach von sich aus so gut wie nur noch über religiöse Themen. Er nahm das erstmal so hin, auch noch, dass sie bei jeder Frage - z.B. ob sie zusammen zum Chinesen oder Italiener essen gehen sollten - meinte, sie müsse erst einmal Jesus fragen, was jetzt richtig ist. Als sie dann aber, bevor sie intim wurden, mit ihm zusammen (!) beten wollte, ist bei ihm die Schnur gerissen und er plante die Trennung von ihr.

Er kam dann zu mir, weil er die ganze Entwicklung nicht verstand und ihn durchaus Schuldgefühle wegen seines Trennungswunsches quälten. Es stellte sich dann aber - nicht überraschend - heraus, dass seine Schuldgefühle überhaupt nichts mit seiner Frau zu tun hatten, sondern urältesten Ursprungs waren und überdies möglicherweise sogar diese merkwürdige Entwicklung seiner Frau überhaupt erst in Gang gesetzt hatten.

queequeg antworten


Gelöschtes Profil
Beiträge : 18002

@suzanne62

Veröffentlicht von: @suzanne62

Aber für mich kann das kein Grund sein, ihnen meine Zuneigung und meinen Respekt zu entziehen oder gar den Kontakt zu ihnen abzubrechen. Im "extremsten" Fall meide ich bestimmte Themen, wenn ich merke, dass eine sachliche und höfliche Diskussion nicht möglich ist.

 

Ja, so sehe ich das auch.

Wrong or right, my brother 

 Meine Freund, meine Familie

Bei Corona gab es einen Fall das ein Freund meinte gehen , den Kontakt abbrechen zu müssen, weil er mit meiner Haltung nicht klar kam. Dann muss man ihn halt frei, lassen. Richtige Freunde sind wie ein Bumerang, man lässt sie los, sie fliegen und  irgendwann kommen sie zurück. In diesem Fall hat  es knapp 2 Jahre gedauert 

Ansonsten war es wenn, so wie Du schreibst.  Man diskutiert bestimmte Themen nicht bzw. meidet sie und konzentriert sich auf das was verbindet.

  "Aber ich möchte der Politik nicht die Macht geben, in mein Privatleben hineinzuwirken und es kaputt zu machen."

Ich war 17 Jahre mit einer strammen (SED-) ex- DDR Kommunistin verpartnert. Wir hatten eine Menge interessanter Diskussionen am Anfang aber man hat sich, wie Du schreibst, auf das konzentriert was verbindet.
Und gescheitert war  es nicht an ideologischen Gründen..   

deleted_profile antworten
Suzanne62
Themenstarter
Beiträge : 7672
Veröffentlicht von: @lucan-7

Um Argumente geht es da gar nicht, es geht nur um die eigene Darstellung.

Den Eindruck habe ich mitunter auch. Das erklärt natürlich z.T., warum diese "Diskussionen" so erbittert geführt werden und dann ganz schnell in ein Freund-Feind-Denken abgleiten.

suzanne62 antworten


Seite 1 / 2
Teilen:

Hey du!

Dieses Forum ist für dich kostenlos.
Das funktioniert nur, weil uns treue Menschen regelmäßig mit ihrer Spende unterstützen.
Bist du dabei?