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Wenn Kinder andere Kinder ermorden

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Katy-III
Themenstarter
Beiträge : 42

Hallo zusammen,

ich möchte doch mal das Thema ansprechen, das mich in in den letzten Tagen sehr belastet:

Ihr erinnert Euch sicher an den Mord an der 12-jährigen Luisa, die von ihren beiden besten Freundinnen erstochen wurden - beide 12 und 13 Jahre alt - dann die Quälattacke eine ganzen Gruppe von Kindern gegen ein lernbehindertes Kind in Heide, mit Auswüchsen, die ich hier nicht schildern will, dann in den USA ein 14-jähriger Junge, der ein 13-jähriges Mädchen mit über 70 Messerstichen getötet hat, obwohl sie eigentlich Freunde waren. Oder in den USA die junge Teenagerin, die an einer Schule 6 Kinder und eine ältere Frau erschossen hat - mit zwei Sturmgewehren! (Quelle: alles focus-online)

Mich erschreckt und erschüttert das zutiefst und es lässt mich in einer Weise ratlos zurück, die mir Angst macht. Immer wenn ich jetzt zwei oder mehr Kinder auf der Straße sehe, frage ich mich fast automatisch, wer von denen wohl auch noch im Kindesalter zum Mörder wird 😕 Ich empfinde diese Impulse als erschreckend und ich ermahne mich, das alles nicht so nahe an mich ranzulassen. Aber das ist leichter gesagt als getan.

Kommt das nur nur mir so vor oder gibt es tatsächlich eine eskalierende Gewaltbereitschaft unter Kindern - eine Gewaltbereitschaft, die in ihren Ausmaßen fast noch das Gewaltpotential so mancher erwachsenen Gewalttäter in den Schatten stellt? Und noch was: die beiden Mörderinnen von Luisa können strafrechtlich nicht belangt werden, weil sie noch Strafunmündig sind. Ist das richtig? Reicht da eine Standpauke oder zwei Wochen Fernsehverbot (Beispiele)? Aus meiner Sicht - Nein, aber ich weiß auch nicht, ob meine Meinung hier richtig ist.

Wie seht Ihr das - wie geht Ihr damit um. Ja, ich bete zu Jesus immer wieder deshalb, aber meine Seele sucht total nach Antworten.

Grüssle von Katrin

 

 

 

 

Antwort
37 Antworten
Queequeg
Beiträge : 5682

@katy-iii 

Ich weiß nicht, ob das wirklich ein neues Phänomen ist oder heutzutage nur bekannter wird.

In jedem Fall ist der Hintergrund, dass diese Kinder nicht einfach "von Natur aus" böse sind, sondern schon in frühester Kindheit - möglichweise schon vor der Geburt - ein mörderisches Lebensklima erlebt haben.

Und was Strafe betrifft: Ich kann nirgendwo erkennen, dass Strafe etwas wirklich verändert hätte. Diese Kinder - und auch erwachsene Straftätet - brauchten einen Lebensrahmen, in dem eine Veränderung ihrer Persönlichkeit Sinn macht, d.h. in allererster Linie, dass sie überhaupt als Personen anerkannt und geliebt werden. Sicher schwierig bei einem, der schon Straftäter geworden ist.

Ich erinnere mich an die Aussage einer Mutter in Amerika, deren Sohn ermordet wurde. Sie hat den Mörder im Gefängnis oft besucht und ihn letztlich als Sohn anerkannt. Vor seiner Hinrichtung sage sie: "Ein Sohn ist mir durch den Mord genommen worden, dann hat Gott mir in seinem Mörder einen zweiten Sohn geschenkt. Und den ermordet jetzt mein Staat".

queequeg antworten
10 Antworten
Katy-III
(@katy-iii)
Beigetreten : Vor 1 Jahr

Beiträge : 42

@queequeg 

Hallole 😀 

sondern schon in frühester Kindheit - möglichweise schon vor der Geburt - ein mörderisches Lebensklima erlebt haben.

also, in einem weiterführenden Bericht wurde eine Nachbarin zitiert, die meinte, daß die beiden Mörderinnen "sehr gut erzogen" seien. Mmh - da frage ich mich natürlich, warum die Mädchen so handeln konnten? ...

Vor seiner Hinrichtung sage sie: "Ein Sohn ist mir durch den Mord genommen worden, dann hat Gott mir in seinem Mörder einen zweiten Sohn geschenkt. Und den ermordet jetzt mein Staat".

Das hat mich sehr beeindruckt, aber ich bin mir gerade nicht sicher, ob positiv oder negativ. Aber es fordert mich auch dazu heraus, darüber nachzudenken, ob meine Haltung zu der Frage, was völlige Vergebung ausmacht, wirklich vollumfänglich ist. Ich kann mir im Hier und Jetzt eine solche Haltung für mich nicht vorstellen und aus Deiner Schilderung kann ich nicht ableiten, wie das entstanden ist. Aber ich zolle dieser Mutter meinen tiefsten Respekt. Und ich werde über diese Haltung noch eine Weile nachdenken.

Diese Kinder - und auch erwachsene Straftätet - brauchten einen Lebensrahmen, in dem eine Veränderung ihrer Persönlichkeit Sinn macht, d.h. in allererster Linie, dass sie überhaupt als Personen anerkannt und geliebt werden.

Das klingt mir zu idealisiert. Denn es gibt keine perfekten Beziehungen. Die drei Mädchen waren nach Aussage von anderen, auch weiterer Nachbarn, "beste Freundinnen", haben viel miteinander gespielt und Zeit miteinander verbracht - also, da gab es keine sichtbare Ablehnung oder Lieblosigkeiten. Und es gibt viele Menschen, die Ablehnung, Mobbing und diverse Kränkungen, auch über einen langen Zeitraum, erleiden müssen und die trotzdem nicht zum Mörder werden. Ich denke, daß da andere Faktoren eine finale Rolle spielen.

Aber danke für Deine Antwort - es tut mir sehr gut, darüber reden zu können.

Grüssle 😀 

 

 

 

katy-iii antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@katy-iii 

Ich finde gut, wie Du auf mein Posting eingegangen bist und kann Deine Gedanken auch gut nachvollziehen.

Mein Beispiel mit der Mutter des ermordeten Sohnes sollte ja keine Handlungsanweisung oder dogmatische Forderung an einen Menschen sein, der sich der christlichen Lebenshaltung verpflichtet fühlt. Aber es ist eben offenbar eine Möglichkeit. Und so wie das in dem Bericht ausführlich dargestellt wurde, war das wirklich enorm beeindruckend. Diese Frau hatte ja anfangs ohne Ende gelitten und war voller Wut auf den Mörder. Aber ich weiß nicht mehr wie, ich meine, es war erstmal nur so etwas wie Neugier, wie so ein Mensch, der Mörder ist, ist, hatte sie ihn im Gefängnis besucht und dann gemerkt, dass er punktgenau so ein Mensch ist, wie jeder andere auch, auch wie ihr Sohn.

Von da an kam sie ihm menschlich immer näher und ließ ihn immer mehr an sich heran.

Ich denke, das ist ein universelles Prinzip, dass, wenn man sich selbst die Offenheit zugestehen kann, einen anderen Menschen so zu verstehen, wie er für sich selbst ist, dann auch ein ungemein weites Verständnis eröffnet wird und Vorurteile und Aversionen schmelzen wie Schnee in der Sonne.

Hierzu ist unbedingt empfehlenswert der Film "Dead Man Walking" in dem ein von Anfang bis Ende wirklich abgrundtief unsympathischer Mörder in der Todeszelle von einer Nonne betreut wird. Obwohl er nichts von seinem Unsympathisch-Sein verliert, wird er paradoxerweise bis zum Ende immer sympathischer. Eine Elternpaar der ermordeten jungen Frau war bis zu seiner Hinrichtung und danach noch voller Hass. Aber der Vater des ermordeten jungen Mannes hatte dann auch seine hassvolle Position völlig verlassen und war  - ganz am Rande zwar - bei seiner Beerdigung dabei. Ein kolossal beeindruckender Film

Ich habe ihn vor vielen Jahren mit den erwachsenen Töchter einer bosnischen Flüchtlingsfamilie, die unsägliches im Krieg erlebt hatten, gesehen. Eine der Töchter war auch voller Hass auf Serben und sagte, sie würde einem ins Wasser gefallenen serbischen Kind nicht mal die Hand reichen oder einen Rettungsring zuwerfen. Als wir das Kino verließen, haben alle wie die Schlosshunde geheult und sie sagte unter Tränen, dass sie jetzt sogar einem solchen Kind hinterher springen würde, um es zu retten.

Andererseits erinnere ich mich an einen Fall aus den 60-er Jahren, als das Kind eines Stern-Reporters ermordet worden war und es landauf-landab für den Mörder hieß "Rübe ab". Der Reporter hatte dann in einem Bewegenden Kommentar dagegen argumentiert. Mit dem Erfolg, dass er für seine Haltung dann selbst Morddrohungen bekam.

 

queequeg antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@katy-iii 

"daß die beiden Mörderinnen "sehr gut erzogen" seien"

Das besagt leider nichts. Zum einen, weil man überhaupt nicht abschätzen kann, was hinter der "guten Erziehung" steckt - ob diese nicht z.B. alle möglichen Verletzungen und sonstige Belastungen verbirgt. Zum anderen liegt dieser Problematik ja nicht einfach ein verfehltes Verhalten zugrunde. Es sind ja bei solchen Taten ganz basale Persönlichkeitsanteile "defekt", die noch weit vor einem Verhalten etabliert werden. Und da kann es z.B. trotz und entgegen aller äußerlich scheinbar "guten Erziehung" subtile Destruktionen im schon frühen Leben des Kindes geben, die einem Beobachter kaum auffallen. Stichwort hierzu: Paradoxe Kommunikation, bei der gesprochene Worte genau das Gegenteil besagen, wie die damit verbundene Handlung, z.B. wenn eine Mutter sagt, "komm zu mir, ich will in den Arm nehmen" und sich gleichzeitig umdreht und geht. Das ist aber nur ein harmloses Beispiel. Ist so etwas durchgehend Der Beziehungsstil in einer Familie, dann können die Kinder noch so "gut erzogen" sein, sie leben auf einer sehr brüchigen Basis ihrer Selbstwertgefühle.

Paradoxerweise haben es da Kinder, die erkennbar liebloser "gehalten" und weniger gut erzogen wurden leichter, weil für sie sozusagen die Fronten klar sind. Die Kinder in ersten Beispiel leben beständig in der Ungewissheit, ob jetzt das eine, was sie mit dem Erwachsenen erleben oder das andere richtig ist. Deshalb können sie, wie ja offenbar bei den beiden Mädchen auch, sehr enge Kontakte zu jemandem geknüpft werden, der dann durch Nichtigkeiten ganz abrupt ins Gegenteil fällt.

queequeg antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

Um Missverständnissen vorzubeugen: Solche frühen negativen Einflüsse auf Kinder weisen nicht auf "böse Eltern" hin, sondern eher sogar auf das Gegenteil, nämlich auf Eltern, die in ihrem Bewusstsein und bewussten Handeln durchaus liebevoll sind, aber im eigenen Hintergrund - zu sich selbst und der Welt, in der sie leben und eben auch den Kindern - sehr ambivalent sind. Eine Folge z.B., wenn die Frau oder der Mann eigentlich gar keine Kinder wollen, sich das aber bei ihrem Selbstbild nicht zugestehen können. Kompensatorisch sind sie dann oft über-liebevoll, was dann aber eben nur die eine Seite der dann "paradoxen Kommunikation" darstellt. Die andere Seite ist dann ganz überwiegend nur sehr subtil wirksam und ziemlich selten offen, dann aber oft im Stile eines unerklärlichen und unangemessenen aggressiven Durchbruchs.

Mit einer Frau in einer solchen Situation fing meine berufliche Weichenstellung an. Sie sollte wegen unerfüllten Kinderwunsches in der Klinik körperlich untersucht werden. Im Vorgespräch erzählte sie mir ausführlich und in leuchtendsten Farben, wie schön es wäre, wenn sie ein Kind bekommen würde oder sogar mehrere. Die Untersuchung ergab, dass es körperlich nicht den mindesten Grund gab, dass sie nicht schwanger wurde. Im Nachgespräch dann wurde deutlich, dass sie aufgrund ihrer eigenen kindlichen Erfahrung und ihrer partnerschaftlichen Situation alle möglichen Wünsche der Welt haben konnte, aber nicht wirklich einen Kinderwunsch. Ihr Körper war mit seiner Verweigerung einer Schwangerschaft offenbar weiser als ihr Verstand. Wäre sie unter den Gegebenheiten doch schwanger geworden, wäre sie vermutlich auch eine vordergründig besonders liebevolle, im Kern aber nichtsdestotrotz ablehnende Mutter geworden.

Das hatte mich damals dazu veranlasst, die seelischen Zusammenhänge wichtiger zu bewerten als die körperlichen Gegebenheiten.

Würde diese Frau sich in Therapie begeben und ergründen, was es mit ihrer tief verborgenen Ablehnung, Mutter zu sein, auf sich hat, könnte sie die Gründe bearbeiten und vermutlich beseitigen und dann tatsächlich eine gute Mutter sein - die das nicht permanent sich und anderen unter Beweis stellen müsste, sondern einfach wäre.

queequeg antworten
Katy-III
(@katy-iii)
Beigetreten : Vor 1 Jahr

Beiträge : 42

@queequeg 

 

erstmal Danke für Deine drei Ergänzungen. Den Film kenne ich nicht, aber ich hab schon davon gehört. Mir geht es hier vor allem um die Untersuchung der Motivlage von zwei eigentlich wohlerzogenen Kindern, einen solchen unglaublich blutrünstigen brutalen Mord an einer Freundin zu begehen - oder der 14-jährige Junge in den USA - oder die Quälattacke eine ganzen Gruppe von Kindern gegen ein einzelnes behindertes Kind und die sich über viele Stunden hinzog. Was treibt Kinder an, solche Taten zu begehen?

Und da hat mir Deine dritte Ergänzung schon sehr viel weitergeholfen. Der Begriff "paradoxe Kommunikation" ist bei mir hängen geblieben.

Ich kann mir gut vorstellen. daß diese paradoxe Kommunikation schwere Schäden anrichten kann, besonders wennn es um die allgemeine Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern geht. Wenn Kinder keine Glaubwürdigkeit erleben bei den Menschen, die ihnen am nächsten stehen und die eigentlich ihre Vorbilder sind. Wenn nichts so ist, wie es scheint.

Ja, ich denke, ich habe schon ein paar gute Antworten gefunden hier - Danke auch Dir 🙂 

Und Grüssle 

katy-iii antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@katy-iii 

"Motivlage von zwei eigentlich wohlerzogenen Kinder"

Ich verstehe den Wunsch, die Motive kennen und verstehen zu wollen. Wir sind aus wohlbegründetem Sicherheits-Interesse darauf programmiert, Situationen verstehen zu können, um damit richtig umgehen zu können. Wenn eine bösartige Handlungsweise eines Menschen nicht verstehbar ist, dann könnte sie ja in jeder Situation von jedem ausgehen, wie Du ja eingangs auch angedeutet hast. Dann könnte es auch der Nachbar sein oder der Typ an der Supermarktkasse hinter mir oder irgend jemand, der einem begegnet. Oder, wen überhaupt nicht klar ist, wie es bei bislang völlig unauffälligen Menschen so etwas Böses vorkommen kann, dann könnte es ja auch, Gott bewahre, einem selbst so gehen, dass man Dinge tut, die man nie tun dürfte.

Es gibt also eine Reihe von Gründen, hier Gewissheit haben zu wollen.

Nur, ich fürchte, es wird sie nicht geben. Wie schon die Polizeiexperten ganz am Anfang, als der Verdacht sich erhärtet hatte, gesagt haben, dass die Motive der Mädchen vermutlich so seien, dass ein Erwachsener sie nicht versteht.

Wenn meine Vermutung, dass bei den Mädchen eine "frühe Störung" - d.h. eine seelische Störung, die lange vor dem dritten Lebensjahr angefangen hat - dahinter steckt, dann liegt der Grund von allem in einer Entwicklungsphase des Menschen, in dem er noch keine Sprache hat, um das, was ihn bewegt, zu formulieren. Er kann es nur quasi hilfsweise mit irgendwelchen Körpersignalen. Das bedeutet dann auch, dass Probleme, die auf diesem Boden wachsen nicht in Wort gefasst werden können, und das was man dann doch glaubt zu wissen und doch irgendwie in Worte fasst, sind dann untaugliche Versuche.

Es ist dann so, als wollte man einen Satz in eine Sprache übersetzen, die man gar nicht spricht und nur die Sprachmelodie kennt. Die kann man nachahmen und dann hört es sich so an, aber es ergibt keinen Sinn.

Vor Jahren hatte mal Desiree Nosbusch einen Franzosen in solch einem "Französisch" interviewt. Nach ersten erkennbaren Irritationen des Mannes, der natürlich nix verstehen konnte, weil es nix zu verstehen gab, hatte er dann auf jede ihrer Fragen treu geantwortet - was ihm gerade einfiel. Das war eine lustige Situation. Aber auf gleicher Grundlage gibt es Situationen, die alles andere als lustig sind.

Ich fürchte daher, dass die Mädchen, selbst wenn sie wollten, nicht wirklich ihre Motive angeben können, weil ihnen, wie gesagt die Sprache und damit auch die entsprechenden inneren Bilder fehlen. Alles, was sie sagen könnten, wären irgendwelche Denkschablonen, die sie im Laufe ihres Lebens erlernt haben, die aber nicht das abbilden, was wirklich in ihnen geschah.

queequeg antworten
Katy-III
(@katy-iii)
Beigetreten : Vor 1 Jahr

Beiträge : 42

@queequeg 

Hallo 😀 

Deine Antwort hier ist wirklich sehr interessant und ich habe eine Weile daran herumdenken müssen. In den ganzen Antworten gibt es so viele Aha-Momente, aber es gibt auch Argumente, die "unvollständig" wirken, obwohl sie es wahrscheinlich nicht sind. Eines hier bei Dir:

Ich fürchte daher, dass die Mädchen, selbst wenn sie wollten, nicht wirklich ihre Motive angeben können, weil ihnen, wie gesagt die Sprache und damit auch die entsprechenden inneren Bilder fehlen.

Das versuche ich nachzuvollziehen. Da bringen zwei Mädchen ihre beste Freundin um - aber sie wissen mutmasslich nicht, warum? -- Das ist ein harter Brocken für mich und ich wehre mich dagegen, das für möglich zu halten. Kann es nicht auch eher so sein, das ihnen nie beigebracht wurde, jeden anderen Menschen und dessen Leben als so wertvoll und schützenswert anzusehen, wie ihr eigenes?

Das ihnen nie verboten wurde, andere Kinder zu schlagen, z.B. im Sandkasten oder in der Schule? - das diese eigentlich richtige gewaltlose Erziehung aber manchmal das Gegenteil bewirkt, nämlich die "Tolerierbarkeit" von Gewalt, um das Kind nicht zu maßregeln, obwohl klare Grenzen das viel wichtigere Signal wären?

Grüssle Katrin

 

 

 

katy-iii antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21585

@katy-iii 

Das versuche ich nachzuvollziehen. Da bringen zwei Mädchen ihre beste Freundin um - aber sie wissen mutmasslich nicht, warum? -- Das ist ein harter Brocken für mich und ich wehre mich dagegen, das für möglich zu halten.

Ich erlebe es selber immer wieder, dass Kinder und Jugendliche in diesem Alter nicht in der Lage sind, ihre Gefühle einzuordnen. Sie können zwar ganz grob sagen, ob sie sich "gut" oder "schlecht" fühlen.

Sie können es aber nicht genauer beschreiben, ob es jetzt "Wut" ist, "Traurigkeit" oder "Eifersucht". Solche Gefühle benennen und einordnen zu können ist Teil des Erwachsenenwerdens... und ich habe das Gefühl, dass selbst manche Erwachsene da noch Schwierigkeiten haben.

Womöglich - man muss mit Schlussfolgerungen hier ja immer vorsichtig sein - war es ihnen auch aus diesem Grund nicht möglich, eine angemessene Reaktion zu gestalten und sind auf maximale Konfrontation gegangen.

Fehlende Empathie halte ich in dieser Konstellation für zwingend... aber auch das mag nur Wunschdenken meinerseits sein. Andernfalls würde die Tat noch monströser erscheinen.

Mir persönlich hilft es in solchen Fällen, zumindest eine Möglichkeit in Betracht zu ziehen, also zu sagen: "Ja, das könnte es gewesen sein".

Ich erinnere mich an eine Kollegin, die von Zeit zu Zeit völlig ausrastete und offensichtlich psychologische Probleme hatte. Ich habe dann etwas über Borderline gelesen und bin zu dem Schluss gekommen: Ja, das könnte hier zutreffen.

Nun bin ich kein Psychologe und sehe mich auch nicht in der Lage, aufgrund weniger Ereignisse eine korrekte Diagnose zu stellen. Aber die Vorstellung, dass "Borderline" hier eine Erklärung sein könnte, hat mir im Umgang mit dieser Kollegin geholfen (Ich habe meine Schlussfolgerung natürlich nicht weiter erzählt, es war nur für mich persönlich eine Hilfe).

So ähnlich ist das jetzt auch hier... wir werden eh nie erfahren, was für Diagnosen hier genau gestellt wurden. Aber dass es Erklärungen gibt, das steht außer Frage. Und je nachdem, was hier zutrifft, werden dann hoffentlich auch die richtigen Entscheidungen getroffen.

 

lucan-7 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@katy-iii 

Ja, Deine Skepsis kann ich gut verstehen. Solch ein Verhalten der Kinder sprengt ja jede normale Alltagserfahrung. Aber ich erinnere nochmal an die Aussagen eines Polizeisprechers kurz nachdem sich der Verdacht erhärtet hatte: Er hat gesagt, dass man als Erwachsener ide Motive der Mädchen vermutlich nicht wird verstehen können.

Klar, wenn wir als Erwachsene mit erwachsenem Verständnis an die Frage herantreten, so wie wir es bei einem erwachsenen Straftäter tun würden, dann werden wir keine einleuchtenden Antworten bekommen. Ich will versuchen, es etwas verständlicher zu machen.

Die Entwicklung des Nervensystems, zu dem ja auch zentral unser Gehirn gehört, fängt schon im Embryo an, ist aber erst so kurz dem 20. Lebensjahr völlig abgeschlossen. Wobei es sich auch dann immer noch lebenslänglich in sehr kleinem Umfang verändert. Erst so etwa ab dem 16. Lebensjahr bekommen die jungen Menschen ein Empfinden dafür, dass die Folgen ihrer Handlungen auch etwas mit ihnen selbst zu tun haben und die Wirklichkeit der Folgen anders ist als in (Computer-)Spielen und Geschichten.

In dem Alter der beiden Mädchen "wissen" Kinder schon, was Tod ist, aber wenn sie jemanden töten, dann ist dann spielt das faktisches Wissen keine Rolle, sondern irgendeine Emotionalität in deren Verständnis der Tod eines Menschen nur ein Momentanes "er oder sie ist jetzt nicht mehr da" bedeutet. D.h. im Rahmen dieses emotionalen Verständnisses der Situation wird der Tod des anderen überhaupt nicht als das verstanden, was er nach erwachsenem Verständnis ist - das endgültige Auslöschen des Lebens eines anderen.

Wohlgemerkt: Wenn Du die Kindern auf Ebene des Wissen fragst, wirst Du die richtigen Antworten bekommen. Aber dieses intellektuelle Wissen ist noch nicht verbunden mit dem emotionalen Wissen. Beides wird in unterschiedlichen Arealen des Gehirns generiert. Die emotionalen Anteile unserer Persönlichkeit in den Tiefen des Limbischen Systems, das dem rationalen Denken völlig entzogen ist. Und die eher vernunftgesteuerten Anteile unseres Gehirns finden sich auf der Oberfläche des Stirnhirns.

Von den Tiefenschichte des Gehirns gehen jede Menge Nervenbahnen zum Stirnhirn und beeinflussen damit unser Denken, aber nur sehr wenige vom Stirnhirn zu den tiefen Schichten, weshalb z.B. Appelle an die Vernunft bei starken emotionalen Reaktionen auf etwas überhaupt keinen Erfolg haben.

Diese Verpflechtung der neuronalen Verbindungen fängt erst ungefähr mit 14 an und ist so um die 20 einigermaßen abgeschlossen. Gibt es aber vorgeburtlich oder sehr frühe (bis zum 3. Lebensjahr) Traumatisierungen (z.B. das "Schütteln" von Babys), dann kann die Hirnreifung nachhaltig gestört sein, so dass sich die im Stirnhirn befindlichen Zonen der "reifen Persönlichkeit" nur sehr unvollkommen entwickelt, vor allem dann auch im Bereich von Beachtung ethischer Normen oder Empathie.

"Erziehung" ist in dem Problemfeld fast zu vernachlässigen. Sie kann eigentlich nur bestehende Konstellationen verstärken. Wenn ein Kind die vorgeburtliche und frühe Phase seiner Kindheit ohne Traumatisierung und dem Gefühl liebevollen Angenommen-seins durchlebt, wird es kaum gravierende Probleme bereiten und auch später kaum an destruktive Einflüsse (Banden usw.) binden. Auch eine Vielzahl negative Erfahrungen kann die ursprüngliche positive Welterfahrung nicht zerstören.

Hat ein Kind aber eben doch solche Traumata erlitten (die Mutter lehnt ihre Schwangerschaft und damit das Kind ab, sie findet nach der Geburt keine emotionale Beziehung zu dem Kind, das Kind wird emotional und/oder sozial vernachlässigt oder misshandelt oder missbraucht), dann ist die Gefahr sehr groß, dass es sich in irgendeiner Weise antisozial entwickelt. Eine Vielzahl positiver Erfahrungen über lange Zeiträume können hier zwar stützend wirken, aber solche Menschen sind immer in Gefahr, auf irgendeine Weise für sich oder andere destruktiv zu werden.

Beide Entwicklungen kann man verstehen, wenn man bedenkt, dass das Erlebte praktisch in die neuronale Netzwerkstruktur des Gehirns eingeprägt wird und allenfalls noch minimal beeinflusst aber nicht grundlegend verändert werden kann.

queequeg antworten
Queequeg
(@queequeg)
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Beiträge : 5682

@katy-iii 

"Wenn nichts so ist, wie es scheint."

Ja, das ist schlimm. Woran sollen sich Kinder orientieren, wenn es keinerlei Sicherheit gibt und alles das nächste Mal ganz anders sein kann, als dieses Mal? Und das eben nicht nur, wenn Kinder zumindest ansatzweise reflexionsfähig sind, sondern von Anfang an.

Einer meiner Patienten war Arzt - ich sage nachher erst welcher Fachrichtung -, der zu mir kam, weil er kurz vor dem Rentenalter zunehmend den Eindruck hatte, sein (Berufs-)Leben völlig verfehlt zu haben.

Nach ziemlich langwieriger Aufarbeitung seiner Lebenserfahrung, bei der er auffällig gerne immer wieder auf die Zeit so ab der Vorpubertät zurückkam und sich an vorher lange an nichts erinnern konnte, kam es dann eines Tages doch zum Vorschein: Wenn er - nach Meiner seiner Mutter "frech" war, schimpfte sie mit ihm, beschimpfte ihn und ließ sich dann mit den Worten "ich bin jetzt tot" auf den Boden fallen, wo sie geraume Zeit liegen blieb. Wie er sich heute noch als über 60-jähriger heulend erinnerte, tanzte er stundenlang (wahrscheinlich eher minutenlang) um seine "tote Mutter" rum, rüttelte an ihr, nahm sie in den Arm und wollte sie unbedingt lebendig machen.

Irgendwann stand sie dann auf machte einige Hausarbeiten und kam dann zu ihm und nahm ihn ganz zärtlich in den Arm und machte Spaß mit ihm, als wäre nichts geschehen.

Das war eine mächtig harte Nuss, die dieser Mann da geknackt hatte und ihm wurde klar, warum er fürchtete, den Sinn seines Berufes verfehlt zu haben: Er war zwar Arzt geworden, also jemand, der anderen helfen will. Aber das konnte er ja gar nicht. Eine tote Mutter kann man nicht zum Leben erwecken. Also ist Pathologe geworden, der nur mit Toten zu tun hat. Und auch da hatte er keinen einzigen wieder zum Leben gebracht.

Wir konnten nicht eruieren, warum die Mutter so gehandelt hatte. Aber das war letztlich für ihn auch nicht mehr so wichtig. Im nächsten Schritt begriff er dann, dass er in gewisser Weise tatsächlich seinen beruf verfehlt hatte - er wollte nicht wirklich aus sich selbst heraus Pathologe werden, sondern hatte die Weichen so gestellt, um das Problem der Vergangenheit zu lösen (das, was der neurotische Konflikt war). In dem dann noch folgenden Schritt konnte er dann aber auch realisieren, dass er auch als Pathologe - als Facharzt für nicht lebende Menschen - ein großer Helfer war. Das hat ihn dann erkennbar mit sich versöhnt.

So können die Ambivalenzen der elterlichen Einflüsse wirken, dass sie das ganze Leben eines Menschen bestimmen und ihn in eine Richtung treiben, in die er eigentlich gar nicht gehört. Was dieser Mann erlebt hatte war noch vergleichsweise harmlos. Aber mit ein paar bösartigen Einflüssen in seinem späteren Alter hätte auch bösartiges bei ihm herauskommen können. Man kann sich fast denken, was.

 

queequeg antworten


Jack-Black
Beiträge : 3635

Kommt das nur nur mir so vor oder gibt es tatsächlich eine eskalierende Gewaltbereitschaft unter Kindern - eine Gewaltbereitschaft, die in ihren Ausmaßen fast noch das Gewaltpotential so mancher erwachsenen Gewalttäter in den Schatten stellt?

Mir kommt in Fällen, in denen sich Kinder asozial, brutal oder einfach nur unhöflich verhalten, immer der Spruch in den Sinn, den sich alle Eltern hinter die Ohren schreiben sollten: "Man kann seine Kinder so gut erziehen, wie man will. Am Ende machen sie einem immer alles nach."

Ich meine gestern oder vorgestern gelesen zu haben, dass sich laut Polizeistatistik die Kriminalitätsrate von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren tatsächlich signifikant erhöht habe. Woran genau das liegt, darüber wird wohl gerade gerätselt. Dass es in irgendeinem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen könnte und den gesellschaftlichen Reaktionen (Lockdown, Maskenpflicht, viiiiele Schulstundenausfälle...) darauf stehen könnte, erscheint mir intuitiv erstmal plausibel, aber Intuition ist ja keine sonderlich sichere Methode...

 

die beiden Mörderinnen von Luisa können strafrechtlich nicht belangt werden, weil sie noch Strafunmündig sind. Ist das richtig?

 

Ja.

Reicht da eine Standpauke oder zwei Wochen Fernsehverbot (Beispiele)?

Reichen für was? Als Strafe? Strafen sind kein Selbstzweck. Sie sollen beispielsweise dazu dienen, dass Straftäter nicht wiederholt straffällig werden. Sie sollen einen gewissen Abschreckungseffekt erzielen. Sie sollen auch helfen, den "Rechtsfrieden" zu erhalten (in meinen Augen ein ziemlich vages, bzw. schwer zu definierendes Gut, aber dieser Punkt ist gesellschaftspolitisch durchaus von Belang).

Wenn wir sagen, dass jemand nicht strafmündig sei, dann verpflichten wir uns dazu, diese Person nicht zu bestrafen auf eine Weise, die z.B. dem Abschreckungseffekt dienen soll. Weil die Strafmündigkeit ja etwas mit der Schuldfähigkeit zu tun hat: wer mangels kognitiver Fähigkeiten nicht erkennen kann, dass ein Verhalten falsch ist, sei es, weil er besonders dumm, unter Drogeneinfluß stehend oder eben als Kind noch nicht einsichtig genug ist, der ist schuldunfähig.

Wie mit den Täterinnen in diesem Fall zu verfahren sei? Keine Ahnung. Mir fehlen sämtliche Informationen, um dazu was Kompetentes sagen zu können. Es steht stark zu vermuten, dass hier Fachleute (Psychologen, Mitarbeiter des Jugendamts/der Jugendfürsorge) hinzugezogen werden und dass man die Mädels nicht einfach mit einem "Dududu!" und zwei Wochen Fernsehverbot (eine der pädagogisch dämlichsten Strafen überhaupt: man adelt damit das Fernsehglotzen) in ihr altes, völlig aus dem Ruder gelaufenes, Leben zurückkehren lassen wird.

Immer wenn ich jetzt zwei oder mehr Kinder auf der Straße sehe, frage ich mich fast automatisch, wer von denen wohl auch noch im Kindesalter zum Mörder wird 😕

Das liegt allerdings weniger an den Kindern, sondern an der Art, wie wir in unserer Gesellschaft unsere Aufmerksamkeit steuern (lassen). Die Gefahr, dass in solchen Situationen eins der Kinder wohl selbst noch in nächster Zeit zum Mörder wird, dürfte vermutlich ungefähr so hoch sein wie die, dass Dir vom nächsten Haus, an dem Du vorbei gehst, ein Dachziegel auf den Kopf fällt. Nein, ich korrigiere mich: sie dürfte niedriger sein. 😉 Wenn Du Dich von solchen "Nachrichten" Deinem Gefühl nach allzu häufig "anfassen" läßt, statt dass sie Dich vielleicht motivieren, etwas Konstruktives zu tun (z.B. ehrenamtlich zu arbeiten in Brennpunktschulen* etc.) solltest Du solche Boulevardmedien wie focus-online vielleicht noch stärker meiden - denn dann verzerren** sie Deinen Blick auf die Normalität offensichtlich. Du persönlich hast keinen Vorteil, wenn Du solche Berichterstattung verfolgst, sondern nur den Nachteil, besorgter und schlechter gelaunt in die Welt zu schauen - sogar auf spielende Kinder, die doch im Normalfall - wenn's net so oan Höllenlärm verzapfen tun täten, diese Drecksgören, die solln's dahoam bleibn und net hier die Leit in Woahnsinntreiben  verdamminochamoa! 😖 - ein erfreulicher Anblick sind... 😉

 

 

 

 

* Ich komme da drauf, weil eine Bekannte von mir sich in einem Verein engagiert, der in so einer Brennpunktschule dafür sorgt, dass die Kinder mittags was Warmes zu essen bekommen: sie kocht, organisiert Spenden (nervt lokale Geschäftsleute mit "Bettel-Anrufen" oder holt Sachspenden von Lebensmittelgeschäften oder sogar vom Bauern ab), wäscht ab und putzt die Essensräume - gemeinsam mit einem halben dutzend anderer ehrenamtlicher Helfer. Manchmal schimpft sie ganz schön - mal über knickrige Spender, mal über mißlungene Kochversuche, mal über die anderen Ehrenamtlichen und am liebsten natürlich über die Halbzeitkraft, die als befehlshabende Köchin angestellt wurde von dem Verein... 😉 Als ich sie mal in ihrem Geschimpfe unterbrach mit der Frage, warum sie sich diesen ganzen Streß denn eigentlich antue, war ihre Antwort (zusammengefasst... 😉 ) : "Na, wieso wohl? Guck dir die kleinen Stöpsel doch mal an, aus was für Familien die kommen! Die sollen doch nicht später alle zu Verbrechern werden, oder? Das fängt aber schon damit an, dass man einem Mitschüler das Pausenbrot klaut, weil man halt zuhause kein Frühstück gekriegt hat und die feine Mama und Pascha-Papa einem auch nix mit in den Ranzen gesteckt haben. Ausserdem - wenn Du da ein fettes Lächeln geschenkt bekommst, wenn das Kind einen zweiten Apfel als Nachtisch in die Hand gedrückt bekommt, wenn der erste zu schnell weg war - das kann Dir keiner mit Geld aufwiegen.

 

** machen wir uns nichts vor: Genau das ist ihr Geschäftsmodell: sie wollen uns ja nicht informieren, sondern sie wollen an uns verdienen und  ballern uns daher mit emotionalem Gedöhns zu, damit wir aus dem Augenwinkel die geschaltete Werbung mit aufnehmen.

jack-black antworten
1 Antwort
Katy-III
(@katy-iii)
Beigetreten : Vor 1 Jahr

Beiträge : 42

@jack-black 

Hi Jack, also, Deine Antwort hat mir gut getan - einfach, weil sie ein bisschen humorvoll geschrieben ist und auf mich deshalb eine entspannende Wirkung hatte. 😀 

Nur, die Mädchen kommen wohl aus recht gutem Hause und sind nach Meinung einer Nachbarin "gut erzogen".

Die Gefahr, dass in solchen Situationen eins der Kinder wohl selbst noch in nächster Zeit zum Mörder wird, dürfte vermutlich ungefähr so hoch sein wie die, dass Dir vom nächsten Haus, an dem Du vorbei gehst, ein Dachziegel auf den Kopf fällt.

So haben die Menschen aus dem Ort vorher sicher auch gedacht. Ich glaube nicht, daß sich jemand sowas vorstellen konnte und am wenigsten die Leute, welche die Mädchen kannten.

Da sind noch ein paar Aussagen in Deinem Post, die mich erstmal zum Nachdenken anregen. Da sage ich später noch was dazu.

Grüssle 😀 

 

 

katy-iii antworten
Lucan-7
Beiträge : 21585

@katy-iii 

Wie seht Ihr das - wie geht Ihr damit um.

Ich sehe dieses Thema von zwei Ebenen.

Da ist zum einen die persönliche Ebene. Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal vom Fund der Leiche des Mädchens gehört habe, und für mich stand relativ schnell fest: Irgendein Perverser geht hier um und tötet kleine Kinder... hoffentlich finden sie den Kerl bald! Denn wer sollte es sonst gewesen sein als irgendein Triebtäter?

Dann hörte ich, dass zwei Mädchen im Verdacht standen... 12 und 13 Jahre alt. Und ich war völlig fassungslos. Das war nur schwer zu verarbeiten... und für einen Moment dachte ich, dass es doch viel einfacher wäre, wenn es irgendein Erwachsener gewesen wäre, das könnte man zumindest einordnen... auch wenn es dem armen Opfer gar nichts hilft.

Also Kinder, die ein Kind getötet haben. Viel hat man nicht gehört. Aus dem, was man so erfahren hat, ging es wohl um eine Nichtigkeit. Ich habe versucht, mir das auch Berichten und Gerüchten zusammenzureimen... anscheinend ging es um Eifersucht oder etwas ähnliches. Um etwas, das in diesem Alter sehr wichtig ist, wenn auch für Erwachsene eher unverständlich. Sie wollten Rache, haben das zu zweit geplant, haben das arme Mädchen brutal erstochen... und dann so getan als wenn nichts passiert wäre. Sie sind zurück zu ihren Familien, haben falsche Spuren gelegt und einfach weitergemacht.

Die Polizei konnten sie nicht täuschen, so dass nach kurzer Zeit alles rauskam.

Was ich dann schnell gemerkt habe... das mich Gefühle an dieser Stelle nicht mehr weiterbringen. Natürlich wollte ich Strafe für die Mädchen, was sonst? Sie müssen weggesperrt werden, wie kann so etwas ungesühnt bleiben? Strafunmündig... die ziehen einfach in eine neue Stadt, und das war's? Ein Mord... und keine Konsequenzen?

An der Stelle wusste ich dann, dass ich eine neue Ebene brauche. Etwas nüchterner, nicht so emotional... denn das führt hier nicht weiter. Denn natürlich ist es nicht so einfach. Natürlich lässt man die nicht einfach so woanders zur Schule gehen als wenn nichts gewesen wäre. Zwar wird es keine juristische Strafe geben... aber natürlich werden diese Mädchen untersucht. Und irgendetwas ist da ja gewaltig schief gelaufen.

Eine solche Gefühlskälte ist für dieses Alter wohl kaum normal. Hier wird es also psychologische Gutachten geben... und die werden nicht zuletzt darüber entscheiden, ob man die Beiden überhaupt wieder unter Menschen bringen kann, oder ob sie nicht generell eine Gefahr darstellen, sprich: Ob sie nicht in einer geschlossenen Abteilung untergebracht werden.

Und ich habe mich auch gefragt, wie wohl die Eltern und die Angehörigen der beiden Mädchen empfinden. Was würde ich als Vater denken, wenn ich erfahre dass meine kleine Tochter ihre beste Freundin kaltblütig erstochen hat? Wie könnte ich mit so etwas fertig werden?

Es ist daher richtig, dass jetzt sowohl die Täterinnen wie auch die Angehörigen in der Obhut des Staates sind und betreut werden. Mehr ist kaum möglich, und ich kann nur hoffen, dass hier kluge und richtige Entscheidungen getroffen werden. Und ich habe Respekt vor jenen Leuten, die diese Entscheidungen jetzt auf sich nehmen und diese vor ihrem Gewissen verantworten müssen... wie immer die auch ausfallen mögen.

 

 

 

lucan-7 antworten
5 Antworten
Katy-III
(@katy-iii)
Beigetreten : Vor 1 Jahr

Beiträge : 42

@lucan-7 

Hi Lucan 😀 

und für einen Moment dachte ich, dass es doch viel einfacher wäre, wenn es irgendein Erwachsener gewesen wäre, das könnte man zumindest einordnen... auch wenn es dem armen Opfer gar nichts hilft.

ja, ganz genauso geht und ging es mir auch. Das ist für mich am schwersten zu ertragen.

Sie wollten Rache, haben das zu zweit geplant, haben das arme Mädchen brutal erstochen... und dann so getan als wenn nichts passiert wäre. Sie sind zurück zu ihren Familien, haben falsche Spuren gelegt und einfach weitergemacht.

Ja, Du zählst hier all das auf, was mich so extrem beschäftigt - es ist diese unfassbare kriminelle Energie, die hier zum Tragen kam, die sich geradezu ausgelebt hat. Ich frage mich echt, was diese Mädchen angetrieben hat, es wirklich komplett durchzuziehen. Dass sie nach dem ersten Stich nicht erschrocken zurück gewichen sind, daß sie die Schreie ihres Opfers "bis zum Schluß" ausgehalten haben - was für eine blutrünstige Gewaltorgie, was für eine Entschlossenheit - es ist zutiefst verstörend. 😥

Was ich dann schnell gemerkt habe... das mich Gefühle an dieser Stelle nicht mehr weiterbringen. Natürlich wollte ich Strafe für die Mädchen, was sonst? Sie müssen weggesperrt werden, wie kann so etwas ungesühnt bleiben? Strafunmündig... die ziehen einfach in eine neue Stadt, und das war's? Ein Mord... und keine Konsequenzen?

Ganz genau - damit komme ich auch nicht klar. Das kriege ich nicht auf die Reihe.

und die werden nicht zuletzt darüber entscheiden, ob man die Beiden überhaupt wieder unter Menschen bringen kann, oder ob sie nicht generell eine Gefahr darstellen, sprich: Ob sie nicht in einer geschlossenen Abteilung untergebracht werden.

Das ist ja noch der andere Aspekt - sie sind eine potentielle Gefahr für jeden anderen, der mit ihnen unbeobachtet zusammen kommt. Auch in solchen geschlossenen Einrichtungen müssten sie von allen anderen Mitbewohnern separiert bleiben, damit sie keine Gelegenheiten bekommen, wieder gewalttätig zu werden. Diese Mädchen haben mit dem Mord an ihrer Freundin auch ihr ganzes Leben verloren.

Und ich habe mich auch gefragt, wie wohl die Eltern und die Angehörigen der beiden Mädchen empfinden. Was würde ich als Vater denken, wenn ich erfahre dass meine kleine Tochter ihre beste Freundin kaltblütig erstochen hat? Wie könnte ich mit so etwas fertig werden?

Das ist völlig richtig. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was in den Eltern vorgeht. Ich habe selbst einen Sohn. Der ist jetzt zwar schon 34 Jahre alt, aber ich bin inzwischen auch Oma. Meine Enkelin ist jetzt 5 Monate alt und ich hatte schon Momente, da hatte ich Angst davor, dass sie mal Täter oder Opfer wird. Aber solche Gedanken muss ich sofort vertreiben, denn mit solchen Ängsten kann man nicht leben.

Mehr ist kaum möglich, und ich kann nur hoffen, dass hier kluge und richtige Entscheidungen getroffen werden. Und ich habe Respekt vor jenen Leuten, die diese Entscheidungen jetzt auf sich nehmen und diese vor ihrem Gewissen verantworten müssen... wie immer die auch ausfallen mögen.

Ganz genau. Ich bin dankbar dafür, dass es solche Fachleute gibt, daß es Menschen gibt, die diese Verantwortung auf sich nehmen. Und das ist sicher auch für sie eine extreme Herausforderung.

Danke Lucan, für Deine für mich sehr hilfreiche Antwort, denn Du hast fast alles von dem formulieren können, wofür ich keine Worte gefunden habe. Du hast mir sehr geholfen - Danke 😀 

und Grüssle von mir

 

 

 

 

katy-iii antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21585

@katy-iii 

Ich frage mich echt, was diese Mädchen angetrieben hat, es wirklich komplett durchzuziehen. Dass sie nach dem ersten Stich nicht erschrocken zurück gewichen sind, daß sie die Schreie ihres Opfers "bis zum Schluß" ausgehalten haben - was für eine blutrünstige Gewaltorgie, was für eine Entschlossenheit - es ist zutiefst verstörend.

Das ist wohl wirklich das Verstörendste an der Sache. Es ist so völlig außerhalb jeder Norm.

Nun bin ich kein Fachmann für solche Dinge. Aber ich habe von Menschen gehört, die offensichtlich über nur wenig oder gar keine Empathie verfügen. Das heißt, es kümmert sie tatsächlich nicht im geringsten, wie andere Menschen empfinden. Sie kennen nur den eigenen Nutzen und sonst nichts. Ich stelle mir so eine Existenz sehr arm vor... aber wir müssen uns wohl der Tatsache stellen, dass es so etwas gibt.

Ich bin natürlich nicht in der Position, hier so etwas wie ein Gutachten zu erstellen - aber der Verdacht liegt wohl nahe, dass es sich bei den beiden Mädchen um solche Personen handelt. Und zusätzlich noch um solche, die darüber hinaus sehr nachtragend sind. Und so kamen wohl einige sehr ungünstige Umstände hier zusammen.

Menschen, die solcherart empathielos sind, sind oft manipulierend und wirken dadurch zunächst sehr freundlich. Meistens fügen sie sich auch gut in die Gesellschaft ein... kritisch wird es, wenn sie Beziehungen eingehen, weil diese oft toxisch sind. Und da kenne ich Beispiele aus dem persönlichen Umfeld, wo genau das der Fall ist (Und das weiß ich inzwischen recht genau, nachdem sich die Personen nach vielen Jahren endlich getrennt haben).

Wenn zu so einer Empathielosigkeit aber auch noch Aggression oder gar Sadismus hinzukommen, dann wird es wirklich übel - und das sind dann solche Leute, die tatsächlich weggesperrt werden müssen.

Ob das auf die beiden Mädchen in dieser Form zutrifft oder nicht vermag ich natürlich nicht zu sagen. Und ich ertappe mich auch bei dem Wunsch, sie mögen doch bitte weggesperrt werden... aber das ist nicht an mir zu urteilen, und es wäre auch nicht sachlich begründet.

Es hat aber wirklich etwas beängstigendes an sich, was so in der Psyche mancher Menschen vor sich geht...

 

Danke Lucan, für Deine für mich sehr hilfreiche Antwort, denn Du hast fast alles von dem formulieren können, wofür ich keine Worte gefunden habe. Du hast mir sehr geholfen - Danke

Gerne doch... freut mich, das von dir zu hören 😉

 

 

lucan-7 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@lucan-7 

"Menschen ..., die offensichtlich über nur wenig oder gar keine Empathie verfügen..."

Ja, die gibt es. Sie wurden früher gemütsarme Psychopathen genannt. Heute ist die Bezeichnung schwieriger - am ehesten "dissoziale Persönlichkeit" oder als Störung "maligner Narzissmus". Aber das sind Feinheiten, die hier keine Rolle spielen müssen. Allen Konzepten liegt zugrunde, dass es bei diesen Menschen strukturelle und vor allem funktionelle Anomalitäten des Gehirns gibt. Es wird vermutet, dass frühe Hirntraumatisierungen wie z.B. durch das "Schütteln" von Babys, diese Veränderungen bewirken.

Die neuro-psychiatrische Grundlage dieser Störung erklärt auch die außerordentlich schwierige Behandlungssituation, weil sie zwar im Sinne eines Trainings begrenzt Fertigkeiten entwickeln können, auf Situationen adäquat zu reagieren. Aber da sie selbst keinen emotionalen Zugang zu dem Problem oder den Gefühlen anderer Menschen haben, bleibt das sehr an der Oberfläche. Sie haben auch kaum Gefühle für sich selbst und können sie, wenn überhaupt, nur sehr unvollkommen verbalisieren.

"der Verdacht liegt wohl nahe, dass es sich bei den beiden Mädchen um solche Personen handelt"

Das sehe ich anders. Ich glaube nicht, dass man in dem Alter 12-13-14 schon abschätzen kann, dass sich der/die Betreffende zu einer psychopathischen oder dissozialen Persönlichkeit entwickelt. Selbst wenn es z.B. in der Kindheit die Trias Bettnässen, Tiere quälen und Brandstiftung gegeben hat, was man bei fast allen Serienmördern - zumindest in Amerika - gefunden hat, bedeutet es nicht, dass dieses Kind auch Serienmörder wird. Man findet es eben nur retrospektiv bei so gut wie allen Tätern. So kann man auch bei den Mädchen in dem Alter ohnehin solch eine Diagnose nicht stellen und auch nicht mit einiger Sicherheit sagen, dass sie in ihrem Erwachsenenalter Psychopathen sein werden.

"Es hat aber wirklich etwas beängstigendes an sich, was so in der Psyche mancher Menschen vor sich geht..."

Ja, das allerdings.

queequeg antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21585

@queequeg 

Das sehe ich anders. Ich glaube nicht, dass man in dem Alter 12-13-14 schon abschätzen kann, dass sich der/die Betreffende zu einer psychopathischen oder dissozialen Persönlichkeit entwickelt.

Solche Prognosen sind wohl schon vor Ort mit den betreffenden Personen schwer genug - eine "Ferndiagnose" ist hier so oder so nicht möglich.

Aber dass es hier eine Entwicklung in die falsche Richtung gegeben hat ist wohl offensichtlich. Fehlende Empathie erscheint mir hier wahrscheinlich, ist aber sicher nicht die einzige Möglichkeit. Und inwiefern sich da noch etwas entwickeln kann ist sicher auch individuell verschieden. Mit 12 und 13 Jahren ist man in der Persönlichkeitsentwicklung allerdings schon recht weit fortgeschritten, das heisst in der Regel verfügt man über ein gewisse Basis. Das ist es ja auch, was den Fall so erschreckend macht.

lucan-7 antworten
MikeFromMUC
(@mikefrommuc)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 476

Danke, @lucan-7 für diese ausgewogene Sichtweise.

Als Vater berührt mich die Tat extrem, wenn ich mir vorstelle, daß eines meiner Kinder das Opfer ist. Ich empfinde mit den Eltern des ermordeten Mädchens, wohl wissend, daß man ihr Leid gar nicht ermessen kann, sofern man nicht selbst ein Kind auf diese Weise verloren hat.

Ich denke aber auch an die Angehörigen der beiden Mädchen, die als Täter im Verdacht stehen. Ich denke schon seit vielen Jahren darüber nach, wie es wohl den Eltern und Freunden von Mördern ergeht.

Ich wuchs in einem kleinen Städtchen auf in einem Hochhaus, in dem sich alle Nachbarn gut kannten und gegenseitig unterstützten. Eine Familie hatte einen Sohn, nennen wir ihn Franz. Franz war ein ganz normaler Bub, weder besonders frech noch besonders artig. Er übernachtete einmal problemlos bei uns, als seine Eltern ein paar Tage weg waren. Die ganze Familie war sehr geschätzt.

Vor etwa 15 Jahren, als ich schon lange nicht mehr in dem Städtchen lebte, erfuhr ich, daß Franz in England seine Frau brutal ermordet hatte. Die englische Presse berichtete ausführlich. Auf youtube kann man noch ein Video seiner Vernehmung bei der Polizei sehen. Er wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. In Deutschland wurde darüber nicht berichtet. In meinem Städtchen war darüber nichts bekannt geworden. Nur in der nächsten Nachbarschaft wußte man Bescheid, und dort wurde aus Rücksicht auf die Eltern nicht groß darüber getratscht.

Ich habe seitdem oft über Franz nachgedacht, wie es ihm im Gefängnis ergeht. Ob er seine Tat bereut oder ob er so gefühllos wie im youtube-Video geblieben ist. Englische Gefängnisse sind schrecklich. Wie ist es, einen großen Teil seines Erwachsenenlebens hinter Gittern zu verbringen? Schwer vorzustellen. Und wie wird es sein, wenn er freikommt? Die Welt verändert sich in 20 Jahren sehr.

Ich habe viel über seine Eltern nachgedacht. Wie ist es, wenn der eigene Sohn ein brutaler, gefühlloser Mörder ist? Er ist doch immer noch ihr Sohn. Haben sie ihn besucht? Sprechen sie über die Tat? Suchen sie die Schuld bei sich? Schreiben sie ihm? Oder haben sie jeden Kontakt abgebrochen? Ich habe die Eltern seitdem nicht mehr gesehen. Soweit ich weiß, sprechen sie mit niemandem über ihren Sohn und leben wie früher. 

Mich beschäftigt das immer wieder. Wenn Franz in ein paar Jahren freikommt und vielleicht nach Deutschland zurückkehrt, wie würde ich reagieren, falls ich ihm jemals begegne? Könnte ich normal mit ihm sprechen, ohne ständig an seine Tat zu denken? Meine Kinder haben im Religionsunterricht gerade die Zehn Gebote durchgenommen und fragen mich, welches für mich das Wichtigste ist. Schwierig. Aber "Du sollst nicht töten" ist für mich besonders stark, denn einen Toten kann man nicht lebendig machen und ihn um Verzeihung bitten. Das können meine Kinder nachvollziehen - auch ohne selbst schon strafmündig zu sein.

Nehmen wir an, die beiden verdächtigten Mädchen sind wirklich die Täter. Irgendwann sind sie alt genug, um die Schwere ihrer Tat zu verstehen. Nehmen wir an, sie werden nicht bestraft und können als Erwachsene frei leben. Können Sie das wirklich? Ist die Schuld nicht so groß, daß sie sie immer verfolgen wird?

Wie gehen die Eltern damit um? Können sie ihre Töchter noch unbefangen in den Arm nehmen, sie trösten und sagen "Es wird schon wieder gut"?

Wenn sie irgendwann einmal einen Mann finden, ihn lieben und heiraten wollen - erzählen sie ihm von ihrer Tat? Wenn sie ihn anlügen, belastet das ihr Gewissen und ihre Partnerschaft nicht zusätzlich? Und selbst wenn er davon weiß und das akzeptiert, wie gehen die Nachbarn und Freunde damit um? Denn es wird rauskommen. In ihrer Stadt, in ihrer Schule weiß doch jeder, um wen es geht. 

Ich bin froh, daß ich nicht selbst betroffen bin - weder bei Franz in meiner Geschichte oben, noch bei der aktuellen Tat. Ich bin froh, daß ich nicht entscheiden muß, was mit den Täterinnen geschieht. Ich vertraue auf die Verantwortlichen. Den Täterinnen und ihre Familie wünsche ich, daß sie mit Gottes Hilfe einen Weg finden, mit der Tat und ihren Folgen umzugehen.

mikefrommuc antworten


BeLu
 BeLu
Beiträge : 5079

@katy-iii Gewalt unter Kindern ist kein neues Phänomen. Ob es tatsächlich mehr geworden ist oder ob nur mehr berichtet wird, finde ich schwer einzuschätzen. Ich denke aber, dass über einen Fall wie den in Heide zum Beispiel früher gar nicht überregional berichtet worden wäre. Über Mordfälle ja, aber über Quälattacken (oder wie auch immer man das nennen mag) eher nicht. Bei der Schulgeschichte in den USA, die du hier erwähnst, frage ich mich gerade, auf welche Schulschießerei du dich da beziehst. Bei dem Fall, der vor ein paar Tagen durch die Medien ging, war es nämlich kein Teenager, sondern eine erwachsene Person, die da geschossen hat. 

Wie dem auch sei, natürlich sind die Fälle entsetzlich und der Ruf nach einer Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters irgendwo auch nachvollziehbar. Aber was bringt es, Kinder z.B. zur Strafe jahrelang wegzusperren? Soll die Strafe ein Vergeltungsbedürfnis befriedigen oder geht es um eine erzieherische Wirkung, oder meint man, diese Kinder stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar? Wenn es um eine erzieherische Wirkung geht, welche Art von erzieherischer Wirkung ist realistischerweise zu erwarten? Und welches Alter wäre für die Strafmündigkeit denn angemessen?

Vor rund 30 Jahren wurden in GB zwei Zehnjährige wegen Mordes an einem Zweijährigen verurteilt. Die beiden kamen nach acht Jahren wieder frei, haben also ihre gesamte Jugend im Gefängnis verbracht. Ist das angemessen?

belu antworten
6 Antworten
Katy-III
(@katy-iii)
Beigetreten : Vor 1 Jahr

Beiträge : 42

@belu 

Hallo BeLu,

Bei der Schulgeschichte in den USA, die du hier erwähnst, frage ich mich gerade, auf welche Schulschießerei du dich da beziehst. Bei dem Fall, der vor ein paar Tagen durch die Medien ging, war es nämlich kein Teenager, sondern eine erwachsene Person, die da geschossen hat.

biite sieh es mir nach, aber die Links funktionieren vielleicht nicht. Ich hab das hier noch nicht raus. Auch finde ich bei focus-online keine Archiv-Funktion, dehalb habe ich die Berichte aus anderen Medien entnommen.

https://www.rtl.de/cms/usa-14-jaehriger-toetet-mitschuelerin-13-mit-114-messerstichen-anklage-nach-erwachsenen-recht-4820271.html

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/schuesse-an-christlicher-schule-in-nashville-mindestens-drei-kinder-tot-a-136a677f-48f8-4e57-87c3-2b875aa28c31

Aber was bringt es, Kinder z.B. zur Strafe jahrelang wegzusperren? Soll die Strafe ein Vergeltungsbedürfnis befriedigen oder geht es um eine erzieherische Wirkung, oder meint man, diese Kinder stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar?

Es bringt bestimmt etwas, mit den gewählten Maßnahmen den Kindern zu vermitteln, daß sie etwas gänzlich Inakzeptables oder Untolerierbares getan zu haben. Das sie eine Grenze überschritten haben, die kein Mensch in keinem Alter überschreiten darf. Und wenn dazu gehört, daß sie in einer geschlossenen Einrichtung auch über einen längeren Zeitraum untergebracht werden, dann ist das aus meiner Sicht völlig richtig. Und Ja, ich kann mir eher überhaupt nicht vorstellen, daß von Kindern, die einen solchen grauenvollen Mord begehen konnte und spwohl davor, als auch danach eine ungeheure kriminelle Energie bewiesen haben, keine Gefahr mehr für die Gesellschaft darstellen.

Und wer will die Verantwortung dafür übernehmen, irgendwann zu entscheiden - ab jetzt sind die Kinder harmlos. Woran könnte man das erkennen? -- Ich kann mir das echt nicht vorstellen.

Grüssle Katrin

 

katy-iii antworten
BeLu
 BeLu
(@belu)
Beigetreten : Vor 22 Jahren

Beiträge : 5079

@katy-iii 

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/schuesse-an-christlicher-schule-in-nashville-mindestens-drei-kinder-tot-a-136a677f-48f8-4e57-87c3-2b875aa28c31

Wie ich bereits sagte, es war eine erwachsene Person, die da schoss (28 Jahre alt, steht sogar in dem verlinkten Artikel). 

Es bringt bestimmt etwas, mit den gewählten Maßnahmen den Kindern zu vermitteln, daß sie etwas gänzlich Inakzeptables oder Untolerierbares getan zu haben. Das sie eine Grenze überschritten haben, die kein Mensch in keinem Alter überschreiten darf. Und wenn dazu gehört, daß sie in einer geschlossenen Einrichtung auch über einen längeren Zeitraum untergebracht werden, dann ist das aus meiner Sicht völlig richtig.

Du würdest also auch befürworten, einen sagen wir mal Sechsjährigen wegzusperren?

belu antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@katy-iii 

"Es bringt bestimmt etwas, mit den gewählten Maßnahmen den Kindern zu vermitteln, daß sie etwas gänzlich Inakzeptables oder Untolerierbares getan zu haben. Das sie eine Grenze überschritten haben, die kein Mensch in keinem Alter überschreiten darf."

Ich verstehe Deinen Einwand. Aber er ist geprägt von erwachsen-rationalem Denken, das im Kind noch in keiner Weise stattfindet - und selbst beim Erwachsenen kaum funktioniert.

Ich empfehle Dir das angezeigte Video, in dem Prof. Roth sehr anschaulich und verstehbar darstellt, wie unser Gehirn sich entwickelt und arbeitet. Er hat vor allem viel mit jugendlichen Straftätern gearbeitet.

https://youtu.be/wqMIC2QSN10

© 2013 www.dasGehirn.info

Wie entstehen die psychischen Prozesse im Gehirn , die uns empfindungsfähig und – schlussendlich – zum Menschen machen? Diese Frage versucht Biologe Prof. Gerhard Roth in seinem Vortrag aus der Veranstaltungsreihe "Hirnforschung, was kannst du? Potenziale und Grenzen" von Gemeinnütziger Hertie-Stiftung und Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu beantworten.

queequeg antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@belu 

„was bringt es, Kinder z.B. zur Strafe jahrelang wegzusperren?“

Ich denke, es bringt nichts. Erstens kann man nicht davon ausgehen, dass Kinder, die getötet haben, es auch wieder tun und zweitens hätte es sicher keine präventive Wirkung. Die Aussicht auf Strafe für irgendein Verhalten, ist in keinem Bereich der Gesellschaft ein wirksames Instrumentarium. Wäre es wirksam, würde man in Gefängnissen und Erziehungseinrichtungen gähnende Leere vorfinden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Und international zeigt es sich, dass in Ländern mit schweren Bestrafungen die Verbrechensrate höher ist als in den liberalen Ländern.

Der Ausgangspunkt der Frage, wie man auf solche Vorkommnisse wie dem Mord durch die beiden Mädchen reagieren soll, ist die Sozialisation dieser Kinder. In welches Lebensumfeld sind sie hineingeboren? Wie hat sich ihre Welt dargestellt? Wie angenommen und geliebt konnten sie sich empfinden? Welchem Wert ihrer selbst konnten sie von anderen vermittelt erfahren?

Und - nicht zu vergessen - wie war die Schwangerschaft der Mutter? Hat sie das Kind gerne bekommen und sich über ihre Schwangerschaft gefreut? Hatte sie während der Schwangerschaft besonderen Stress zu verkraften gehabt? Hatte sie oder das Kind nach der Geburt besonderen Stress, z.B. durch einen Vater, der das Kind ablehnte oder nicht wirklich annahm.

Alle diese Faktoren begründen einzeln nicht solche eine Tat. Aber in ihrer Kombination können sie erklären, wie überhaupt ein Kind eine Situation so empfindet, dass es automatisch - ohne darüber nachzudenken oder überhaupt darüber nachdenken und verschiedene Alternativen abwägen zu können - auf eine Weise reagiert, die für einen anderen Menschen tödlich ist. Das gelingt selbst den wenigsten Erwachsenen. Wie soll das dann ein Kind leisten?

Ich fürchte, wenn man sie jetzt irgendeiner harten Strafe aussetzt, produziert man damit genau das, wovor man sich schützen will.

Nein, nicht Strafe ist angesagt, nicht Härte, sondern jede Menge spürbare Liebe für diese Kinder.

queequeg antworten
RosaWolke
(@rosawolke)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 8

@queequeg - hier müssten auch hirnorganische Faktoren mit betrachtet werden. Es können auch in der Pubertät und Vorpubertät bereits Anzeichen künftiger psychopathischer Persönlichkeitsstörungen auftreten.

Trifft eine genetische Disposition auf entsprechende Umweltfaktoren und treffen obendrein zwei junge Menschen mit einer ähnlichen Persönlichkeitsstruktur aufeinander, dann ist eben nicht auszuschließen, dass die Lage (extremst selten, als Ausnahme aber doch) eskaliert. 

Strafe, Rache, Wiedergutmachung egal in welcher Form sind hier logisch falsche Ansätze. Zum liebevollen Umgang gehört aber gewiss die multifaktorelle Ursachenforschung, ein konsequenter, sprich Halt und Sicherheit gebender Umgang und eine Unterstützung selbst verantwortliches Leben und Selbstakzeptanz zu erlernen. 

Die Form der Umsetzung ist dabei wohl das Schwierigste.  

 

rosawolke antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@rosawolke 

"hier müssten auch hirnorganische Faktoren mit betrachtet werden"

Natürlich, das habe ich vorher ja auch schon beleuchtet.

Die entwicklungsgeschichtlich generierten hirnorganischen Strukturen mit ihren funktionellen Ausprägungen bilden die Basis der Persönlichkeitsentwicklung, die dann fortlaufend durch spätere Erfahrungen modifiziert werden.

Dazu gehören dann auch ganz wesentlich die Erfahrungen mit anderen Menschen - durch Ablehnung vor allem von wichtigen primären Bezugspersonen und durch Anerkennung sekundärer Bezugspersonen in Gangs oder anderen gesellschaftlich randständige Gruppen. 

queequeg antworten
RosaWolke
Beiträge : 8

Ja, ich hab das erst hinterher entdeckt dass du da auch schon drauf eingegangen bist. 

Da es das Hellsehen noch nicht gibt, weiß natürlich niemand etwas vorher über die genetische Ausstattung von Menschen und was - mal laienhaft ausgedrückt -dann durch negative Erlebnisse und diverse äußere Einflüsse „angeschubst“ werden kann. 

 

rosawolke antworten
4 Antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@rosawolke 

"Da es das Hellsehen noch nicht gibt"

Das ist auch gut so. Aber ich fürchte, so wird es nicht bleiben. Die Vorstellung, dass z.B. über eine banale Blutuntersuchung genetische Dispositionen für Krankheiten aber auch Charaktereigenschaften untersucht werden können, finde ich schon gruselig. Was würde dann mit einem Kind geschehen, bei dem festgestellt würde, dass es entsprechend seiner genetischen Merkmale mit großer Wahrscheinlichkeit ein Verbrecher wird? Von Anfang an und lebenslang einsperren? Und würde Menschen, die eine solche genetische Disposition aufweisen, verboten, sich zu vermehren?

queequeg antworten
RosaWolke
(@rosawolke)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 8

@queequeg - ja, das wäre sehr problematisch, dann würde jeder gleich sein Etikett „gefährlich“ verpasst bekommen.

Auch wenn man unter positiven Bedingungen solche Menschen von Kind an unterstützen könnte. Keine zu heftigen Frustrationen zu Anfang, sondern langsam steigern, Unterstützung beim Aufbau der Impulskontrolle, auch checken wie viele Stresshormone ausgeschüttet werden, und mit dem jungen Menschen trainieren wie er da selbst gegensteuern könnte. Und manchmal könnte man sich vielleicht sogar ein klein wenig von der Behandlung von ADHS abgucken.  

Sehe ich mir allerdings an, dass viel weniger knifflige Aufgaben in der Erziehung von der öffentlichen Hand an die Wand gefahren werden, ist mein Optimismus bezüglich einer sinnvollen Unterstützung recht verhalten. 

rosawolke antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5682

@rosawolke 

"solche Menschen von Kind an unterstützen"

Das wären die positiven Möglichkeiten, die aber meines Erachtens die denkbaren negativen nicht aufwiegen können. Zumal ja, wenn solche Vorhersagen mittels verschiedener Techniken möglich sind, nicht nur Einzelpersonen davon betroffen wären, sondern eine Vielzahl. Und mit Sicherheit würden solche Verfahren der Selektion dann nicht nur bei möglichen zukünftigen Straftätern erfolgen, sondern bei allen Menschen, die irgendein unerwünschtes Verhalten entwickeln könnten.

Es gibt ja bereits - zumindest in Amerika - die Erkenntnis, dass so gut wie alle Serienmörder bis in die späte Kindheit Bettnässer waren und als Kinder Tier gequält und Brände gelegt haben. Diese Trias kann man bei diesen Tätern retrospektiv fast immer nachweisen. Prospektiv kann man aber keineswegs davon ausgehen, dass Kinder, bei denen man alle drei Merkmale findet, später Serienmörder werden.

Mir ist aber nicht bekannt, dass bei Kenntnis dieser Zusammenhänge ein prophylaktisches Unterstützungsprogramm für Familien, in denen es zu solchen Auffälligkeiten eines Kindes gekommen ist, angeboten würde.

queequeg antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21585

@queequeg 

Was würde dann mit einem Kind geschehen, bei dem festgestellt würde, dass es entsprechend seiner genetischen Merkmale mit großer Wahrscheinlichkeit ein Verbrecher wird?

Ich fürchte, dass sich KI auf diese Frage hin trainieren lässt. Dann gibt es Wahrscheinlichkeitsprognosen, wann jemand voraussichtlich zum Verbrecher wird.

 

 

 

lucan-7 antworten


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