Als Christ glaubhaft die Bundeswehr überstehen- wie ging das?
Ein Freund von mir war in den 80ern beim Bund. Nun berichtet er hin und wieder von Sprüchen, Alk und sogenannten 'Herrenmagazinen', was dort alles völlig normal war. Er bestätigte mir also alle Vorurteile, die ich früher hatte. Genährt durch Zugabteile mit lauten, dem Alkohol zusprechenden Soldaten, wenn ich am Wochenende unterwegs war, sowie einem großmäuligen, dem Alkohol zuviel zusprechenden Stiefbruder, der Zeitsoldat war.
Meine Frage jetzt an diejenigen, die beim Bund waren: Wie war das bei euch? Wie seid ihr damit klar gekommen? Alles kein Problem? Alles nicht so schlimm? Übertrieben? Sehe ich das zu negativ?
Oder sind seine Berichte nicht zu verallgemeinern? Dass die Sprüche so manchen Ausbilders weit unter die Gürtellinie gingen, sehr viel Alkohol konsumiert wurde, die jungen Männer scheinbar unter ständigem Hormonstau standen und Pornografie normal war?
Hat euch die Zeit verändert? Musstet ihr stark innerlich kämpfen, manches Verhalten eben nicht mitzumachen oder habt ihr manches gegen euer Gewissen gemacht oder toleriert, um da durch zu kommen? Oder wart ihr innerlich so gefestigt, dass das alles kein Problem war?
Vielleicht traut ihr euch, zu antworten. Danke.
@goldapfel Ich war ebenfalls in den 80ern beim Bund als Wehrdienstleistender. Dass da Sprüche gefallen sind, die unter der Gürtellinie waren, dass viel Alkohol getrunken wurde und Pornografie konsumiert wurde, kann ich durchaus bestätigen. Allerdings war damals der Bund noch in der Hauptsache eine reine Männerdomäne heranwachsender junger Männer. Ist doch völlig normal, dass die vieles ausprobieren und dabei auch über die Stränge schlagen.
Was Sprüche angeht, habe ich erlebt, dass insbesondere rassistische Sprüche damals (noch) nicht kritiklos hingenommen wurden. Die Sauferei fand ich in ihren Auswüchsen nicht so lustig eher peinlich, obwohl auch ich da die eine oder andere Flasche zu viel hatte. Aber man war nicht gezwungen bis zum Exzess mitzumachen. Durch die Pornografie hatte ich beim Bund ein Aha-Erlebnis, weil ich zum ersten Mal auf einem Foto zu sehen bekam wie Geschlechtsverkehr aussieht. Mit den schematischen Zeichnungen, die mir in der Schule gezeigt wurden, konnte ich nie so richtig was anfangen.
Wie dem auch immer sein mag. Ich persönlich fand die Zeit beim Bund verlorene Zeit und würde jedem empfehlen diesem Verein nicht beizutreten. Ich habe auch versucht nachträglich (während ich da war) zu verweigern, aber ohne Unterstützung von außen, den Rest der Tage halt abgesessen.
Danke für deine ehrliche und offene Antwort und Meinung. 🙂
@goldapfel das war so. Maßbandsaufen. Pornomagazine aller Coleur in der Wachstube. War selbst 1988-1989 15 Monate, plus dann rund 5 Monate Wehrübungen, am Ende SG. Eine extrem wichtige Zeit, nachdem ich die Schule in der 12ten geschmissen hatte.
Wurde im Januar eingezogen (nachdem ich drum gebeten hatte), also mit Leuten die eher weniger intellektuell unterwegs sind, aber die ich dann doch sehr mochte.
Da gab es auch so Dinge wie Flaschenkegeln, die anderen Irren stellten Bierflaschen mir in die Stube und zertrümmerten die mit einem Stahlhelm, ich konnte dann schaue, wie ich durch die Scherben ohne Schuhe durchkam. War in Engstingen, Münsingen, Reutlingen, Sigmaringen und Ulm/Donau, so sah ich einiges...
BW und Bekehrung waren die wichtigsten Ereignisse in meinem Leben. Und das ich später jemanden sehr nettes/tolles kennenlernte 🙂
Danke auch für deinen Bericht. 🙂
Das, was du als Flaschenkegeln beschreibst, finde ich schon heftig 😯
Freut mich, dass du jemand nettes kennengelernt hast. Ich wünsche dir, dass das hält 😊
@goldapfel ich mir auch 😊 😊
@goldapfel Niemand wird gezwungen die Zeit zwischen Dienstschluss und Zapfenstreich nach dem Abendessen mit Biertrinken zu verbringen. Ich war in der Grundausbildung in Bayern, Bier ist da Grundnahrungsmittel, morgens um sechs mussten aber alle nüchtern sein. Ich hatte einen Kameraden bei denen war in der Grundausbildung Alkoholverbot.
Wir hatten in der Grundausbildung auch einen Besuch beim Standortpfarrer es gibt für einen Standort oder ggf. mehrere Standorte einen evangelischen und einen katholischen Geistlichen mit unterschiedlichen Angeboten. Die katholischen machten Wallfahrten, es gibt Standorte mit Bibelkreisen. Jemand aus unserer Gemeinde war Ende der 60er in der Pfalz, also Weingegend. Er hatte dort Kontakte zur EC-Jugend. Es wird auch niemand gezwungen schmuddelige Zeitschriften zu lesen.
Freizeitbeschäftigung war sicher immer ein Thema und für viele war es eben zusammen zu sitzen und gerade in der Grundausbildung war es für manche der Zapfenstreich gut. Das hiess um 10 Uhr musste Meldung gemacht werden z.B. Stube 107 mit 6 Mann belegt, 5 Mann in den Betten, Stube gelüftet und gereinigt. Da durfte kein leerer Bierkasten herumstehen und freitags kein leerer Kasten im Schrank sein. Man musste also auch früh genug mit der geselligen Runde aufhören um alles aufzuräumen, zu lüften, Mülleimer leeren war wichtig und wurde kontrolliert, waschen umziehen ins Bett gehen. Also kurz nach 9 gings da los.
Von der geforderten Disziplin in Bezug auf Ordnung, hat man mir auch berichtet. Das hielt die jungen Männer dennoch nicht davon ab, Mist zu machen, solange die Zeit zum Ordnung schaffen noch reichte.
Es freut mich für dich, dass du damals moralisch und charakterlich schon so weit gefestigt warst. 🙂 Da sind die Leute wahrscheinlich sehr unterschiedlich.
Das mit dem Alkoholverbot finde ich tatsächlich gut. Aber vermutlich nicht so weit verbreitet? Das mit Standortpfarrern wusste ich so nicht. Das kann sicherlich eine Unterstützung sein, wenn man da nen Draht zu kriegt.
@goldapfel Alkoholverbot in der Grundausbildung, danach gibt es sowas nicht, habe ich an keinem der Standorte gesehen.
Saufen war toleriert, aber wie Du schreibst, morgens zum Appell musste alles so sauber sein, dass eine Chirurgieperson sofort auf dem Boden hätte operieren wollen, unter Tränen ob der perfekten Sauberkeit.
Was ich mich immer wieder mal frage, wie die Bundeswehr es hinkriegt (oder auch nicht) heute Männlein und Weiblein auseinanderzuhalten, d.h. dass es da nicht wilden Orgien kommt, sind ja alle jung, die Hormone jödeln...
Wenn ich sehe wie spitz die Bande damals war, die sind dann schonmal Mittwochs schnell Abends heimgefahren, wegen Freundin und olalala... Bis dann Madame keinen Bock auf warten hatte und sich einen anderen Galan geangelt hatte...
@der_alte Von den Leuten mit denen ich zusammen war ist praktisch keiner am Mittwoch nach Hause, denn wir waren schlau. Die Küche hat ein Budget und man wusste, mittwochs fahren viele nach Hause, also gab es da auch abends warmes Essen. Spaghetti z.B. und zwei Teller waren auch möglich. Sonst gab es Wurst und Käse. Nach der Grundausbildung als Buffet und reichlich. Einmal pro Woche gab es mittags ein Essen das weniger schmeckt, dann war es nebenan im Mannschaftsheim voll.
@goldapfel das hat mit damals nichts zu tun. Wenn man für sich sagt ich trinke nur ein Bier oder zwei dann geht das.
Wer so wenig Hirn hat das nicht zu akzeptieren und zu saufen das sind dann Leute mit denen man nicht zusammen sein muss. Nach der Grundausbildung gab es Leute die haben mich in ihre Stube geholt und die wussten ich trink nur ein Bier.
Wir hatten dann auch eine Kneipe entdeckt in die wir öfter gingen, also 1 x pro Woche. Für 10 DM gab es 1/2 Hähnchen und eine große Cola / Spezi. Wir hatte ja nur 11,50 bzw. nach der Beförderung 13 DM am Tag.
Das
Wenn man für sich sagt ich trinke nur ein Bier oder zwei dann geht das.
nennt sich Selbstdisziplin, aber das ist vielleicht nicht allen so gegeben. Gerade in dem Alter. Also kannst du auch sicherlich dankbar sein, dass du sie hattest und später Leute hattest, die dich so akzeptierten, mit denen es passte. 🙂
@goldapfel
Ja, solche Themen wie Alkohol, Pornografie und sexistische bzw. allgemein menschenverachtende Sprüche sind mir auch begegnet. Ich vermute aber, dass es Unterschiede in der „Heftigkeit“ gibt, auch abhängig von der Einheit, in der man gelandet ist. Bei mir zum Beispiel war das kein riesiges Thema. Vielleicht lag es auch der Zeit (kurz vor dem Mauerfall), dass hier bereits etwas mehr Sensibilität herrschte.
Viele meiner Wehrpflicht-Kameraden kamen wie ich frisch vom Abitur, und uns erschien dieses Gebaren auch eher lächerlich, so dass das in meinem direkten Umfeld keine große Rolle spielte.
Die Bundeswehrzeit hat mich aber auf jeden Fall verändert in dem Sinn, dass ich mir zunehmend Gedanken machte darüber, ob und wie ich in einem Ernstfall meine Aufgaben als Soldat wahrnehmen könnte. Das führte schließlich zu einem Umdenken bei mir und zur Wehrdienstverweigerung nach einigen Monaten, verbunden mit einigem Aufwand und einer mündlichen Verhandlung. Es war Teil eines wichtigen Entwicklungsschritts meines Glaubens und meiner Überzeugungen. Ich hatte einige gute Gespräche mit meinen damaligen Kameraden und Vorgesetzten, die dieser Entscheidung überwiegend mit Respekt begegneten.
@jackson04 bei mir war es im Januar und da sind eben diese Persone nicht so dabei, sondern Arbeiter, Handwerker, die etwas rauher sind.
War dann auch mal bei einer Wehrübung bei der Fallschirmtruppe, da ging es auch ganz gut wild zu.
@goldapfel Ich war 1989 als Wehrpflichtiger beim Bund, genau zu der Zeit, als die Mauer fiel. Ich hatte damals viel Angst, daß es ernst werden könnte. Zum Glück verlief alles friedlich.
Ich habe weder täglichen Alkohol noch Pornos noch Sprüche unter der Gürtellinie als alltäglich oder normal erlebt. Ja, wer wollte, hat gesoffen. Aber ich hatte keinerlei Nachteile im Kameradenkreis, daß ich nicht saufen wollte. Es gab genügend Kameraden, die das ebenso hielten.
Wir mußten alte Lieder singen beim Marschieren. Ein Text war aus meiner Sicht übel sexistisch. Das habe ich meinem Vorgesetzten gesagt. Erfolg: die betreffende Strophe wurde nicht mehr gesungen.
Gelernt habe ich beim Bund, Dienstvorschriften zu lesen und zu meinem Vorteil anzuwenden. Wenn etwas geschrieben steht, kann der Vorgesetzte nicht umhin, sich damit zu befassen. So bekam ich den einen oder anderen Tag Sonderurlaub.
Du fragst, ob mich die Zeit verändert hat. Ich fand es besonders schwer, auf Pappkameraden zu schießen. So eine Zielscheibe ist doch viel leichter hinzunehmen als die Silhouette eines Menschen. Darüber habe ich lange nachgedacht und für mich entschieden, daß die Bundeswehr nicht mein Weg ist.
Beeindruckt hat mich außerdem, Wache mit fertig geladener Pistole oder Gewehr zu schieben. Nachts am Zaun entlang patrouillieren - und was würde man machen, wenn wirklich jemand über den Zaun steigt?
Mein bester Freund ist Berufssoldat bei der Bundeswehr. Damals habe ich viel mit ihm diskutiert. Ich akzeptiere, daß er eine andere Entscheidung getroffen hat als ich. Ich finde es gut, daß es Menschen gibt, die im Ernstfall unser Land verteidigen. Die sollen bestens ausgerüstet und trainiert sein. Ich verurteile keinen dafür. Mich selbst würde der Ernstfall aber in einen gewaltigen inneren Konflikt stürzen.
@mikefrommuc Die Frage zu schießen, wenn es nicht um Pappkameraden oder Zielscheiben geht stellten sich viele, das häufiger als sexistisches oder vollgesoffen, denn vollgesoffen habe ich niemand gesehen. Wer darüber nachgedacht hat, dem war es klar, wir würden uns wehren.
Zur Wache: Bei der Vergatterung wurde uns immer gesagt: die eindringende Person ist am Verlassen zu hindern, also ist auf die Beine zu zielen. Die Person sollte sich auch im umzäunten Bereich befinden, damit das Vergehen eindeutig ist.
Es wurde auf den Jedermannparagraphen hingewiesen, der besagt jeder der bzw. die eine Person bei einer Straftat bemerkt kann diese festnehmen. Das gilt auch im zivilen Bereich.
Wir haben oft gesagt, bei der Wache steht man mit einem Bein im Gefängnis mit einem im Friedhof.
Vor zwei Wochen habe ich der ARD Mediathek einen Bericht über einen Mord in einem Munitionslager im Saarland vor rund 50 Jahren gesehen. Von der Wachmannschaft hat nur einer überlebt.