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Als Christ glaubhaft die Bundeswehr überstehen- wie ging das?

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Goldapfel
Themenstarter
Beiträge : 1986

Ein Freund von mir war in den 80ern beim Bund. Nun berichtet er hin und wieder von Sprüchen, Alk und sogenannten 'Herrenmagazinen', was dort alles völlig normal war. Er bestätigte mir also alle Vorurteile, die ich früher hatte. Genährt durch Zugabteile mit lauten, dem Alkohol zusprechenden Soldaten, wenn ich am Wochenende unterwegs war, sowie einem großmäuligen, dem Alkohol zuviel zusprechenden Stiefbruder, der Zeitsoldat war.

Meine Frage jetzt an diejenigen, die beim Bund waren: Wie war das bei euch? Wie seid ihr damit klar gekommen? Alles kein Problem? Alles nicht so schlimm? Übertrieben? Sehe ich das zu negativ?

Oder sind seine Berichte nicht zu verallgemeinern? Dass die Sprüche so manchen Ausbilders weit unter die Gürtellinie gingen, sehr viel Alkohol konsumiert wurde, die jungen Männer scheinbar unter ständigem Hormonstau standen und Pornografie normal war?

Hat euch die Zeit verändert? Musstet ihr stark innerlich kämpfen, manches Verhalten eben nicht mitzumachen oder habt ihr manches gegen euer Gewissen gemacht oder toleriert, um da durch zu kommen? Oder wart ihr innerlich so gefestigt, dass das alles kein Problem war?

Vielleicht traut ihr euch, zu antworten. Danke.

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38 Antworten
der_alte
Beiträge : 1235
Veröffentlicht von: @mikefrommuc

Beeindruckt hat mich außerdem, Wache mit fertig geladener Pistole oder Gewehr zu schieben. Nachts am Zaun entlang patrouillieren - und was würde man machen, wenn wirklich jemand über den Zaun steigt? 

Ich hätte wahrscheinlich geschossen. Weiss noch was uns bei einer Wachausbildung gesagt wurde, was man machen soll, wenn der zwei Mann als Geisel genommen würde: Nicht verhandeln. Sagen er solle die Geisel ruhig töten, dann hätte man freies Schussfeld oder versuchen einen Kopfschuss zu setzen (was aber nur im Film klappt...).Da die da auch Wachen für ein Atomwaffenlager ausbildeten, irgendwo verständlich, zu sagen, nicht sofort aufzugeben.

War auch mal in einem Munitionslager, da schoben wir nachts Wache/liefen Streife.

der_alte antworten


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Beiträge : 18002

@goldapfel 

Ich war zu Anfang der 70-er Jahre beim Bund. Ich wollte zur Luftwaffe und zwar an einen möglichst entfernten Standort. 
Denn ich hatte damals keine feste Freundin und wollte so weit raus, dass ich mit gutem Grund die Wochenenden über von Zuhause fortbleiben konnte.

So kam ich als Hesse an den Alpenrand, in eine Kompanie, die überwiegend aus Norddeutschen bestand. Und weil die anderen an den Wochenenden auch nicht heim kamen, entwickelten sich unter uns Freund- und Kameradschaften, die teilweise heute noch nach so vielen Jahren bestehen. Wir machten in kleiner Gruppe Bergtouren in den Alpen, besuchten in München das Oktoberfest, außerdem Musicals wie Anatevka und Hair und schütteten uns manchmal auch einige Biere zu viel in die Kehle. Ja, und die "Hasengasse" in Augsburg habe ich auch kennen gelernt...

In Augsburg besuchten wir (in Uniform - zum Leidwesen der dortigen männlichen Jugend) die damals angesagte Disco "Big Apple" und setzten nachts die Maximilianstraße unter Persil-Schaum, weil einer von uns in bierseligem Zustand unbedingt in einem der schönen Brunnen baden wollte.

In unserer Staffel gab es auch eine Kellerbar, die nach Zapfenstreich nur für das Stammpersonal geöffnet war. Nun, wirklich trocken war die Luft dort nie. Aber im Nachhinein denke ich, dass fast immer, wenn (überwiegend männliche) Jugendliche (und manchmal auch Ältere) zusammen sind, die gleichen Rituale ablaufen, sich die Gespräche um stets ähnliche Themen kreisen und dass Alkohol eine Rolle spielt. Da konnte es schon vorkommen, dass mal jemand unter dem Tresen landete - aber nur selten war jemand so blau, dass es total peinlich wurde. 

Ansonsten kann ich sagen, dass das soziale und kirchliche Angebot in unserer Kaserne gut war. Es gab ein Soldaten-Freizeitheim mit guten Programmangeboten und einen Standortpfarrer, den wir mehrmals kontaktierten und der uns auch über einige seelische und moralische Hürden hinweg half. 

Aber vielleicht lag das auch am Image unserer Truppengattung. Nicht zuletzt soll ja mal ein General eine Ansprache so begonnen haben: "Soldaten des Heeres, Männer der Marine, meine Herren von der Luftwaffe..."

Meinem (damals vielleicht noch nicht ganz so ausgeprägtem) "Christsein" hat die Zeit jedenfalls nicht geschadet. Im Gegenteil - ich erinnere mich an manche Jahre meiner Jugend (vor dem Wehrdienst), in denen ich wesentlich stärker "über die Stränge geschlagen" bin. Insgesamt überwiegen immer noch die positiven Eindrücke.

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1 Antwort
Goldapfel
(@goldapfel)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 1986

@bepe0905 Danke für deinen Bericht. 🙂

goldapfel antworten
Jack-Black
Beiträge : 3630

@goldapfel 

Als ich die Überschrift las, dachte ich, es gehe darum, wie es Christen schafften, in einer Institution mitzumachen, deren Sinn und Zweck es war, im Kriegsfall gegen das fünfte Gebot zu verstoßen. Nun merke ich aber, dass es Dir eher um die christlichen Themen Drogen und Sex geht:

Dass die Sprüche so manchen Ausbilders weit unter die Gürtellinie gingen, sehr viel Alkohol konsumiert wurde, die jungen Männer scheinbar unter ständigem Hormonstau standen und Pornografie normal war?

Das ist insofern witzig, als ich in den frühen Achtzigern ja meinen Zivildienst machte und eins meiner Hauptmotive darin bestand, der Langeweile und besinnungslosen Sauferei beim Bund ebenso zu entkommen wie der Aussicht, mit fünf oder mehr Wichsern eine Stube teilen zu müsen.

Solche Motive konnte ich freilich in meinem Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nicht angeben. Daher sog ich mir damals irgendwelche Gewissensgründe aus den Fingern - darin war ich so erfinderisch, dass ich sogar für zwei meiner Kumpels, die's nicht so mit dem Verfassen von Aufsätzen hatten, deren Anträge gleich mit verfasste.

Ich weiß noch, dass ich bei denen beiden vor allem christliche Argumente verwendete, und zu diesem Zweck allerhand Bibelverse raussuchte zum Zitieren. Immerhin bestand damals ja die Möglichkeit, dass man, falls der schriftliche Antrag bei der Behörde nicht überzeugend genug erschien, noch vor eine Komission hätte geladen werden können, um dort im Kreuzverhör die Gewissensgründe nochmal darzulegen.

In solch einem Fall hätte ich meinen Kumpels geraten: "Stell dich einfach da hin und sag: "Ich kann nicht an der Waffe dienen, sie ist ein Tötungsinstrument! Gott hat mir verboten zu töten. Wenn ich als Kriegsdienstleistender eine Waffe in die Hand nehmen würde, würde ich damit zu Gott sagen: ich bin bereit, dein Gebot zu brechen, wenn ein Mensch mir das befiehlt. Wir sollen aber Gottes Gebote höher achten als die der Menschen! Ausserdem war Jesus immer an der Seite der Schwachen, Armen und Kranken, und insofern entspricht der Zivildienst ganz der praktischen Nachfolge Christi.""

Das erschien mir sicherer - und leichter zu spielen, als wenn sie im Fall eines Falles meine vor allem polit-philosophischen Argumente (die ich in meinem eigenen Antrag verwendet hatte) mündlich vor der Komission hätten vertreten müssen.

Nun: sämtliche Anträge wurden positiv beschieden. Gut für meine Kumpels; ich nahm's mit einer Prise Bedauern zu Kenntnis, da ich als chronischer Profilneurotiker gar nicht ungern vor so einer Komission aufgetreten wäre (aber hey - das hätte ja dann doch einen gewissen Aufwand bedeutet und am Ende hätte ich da "durchfallen" und doch noch zum Kriegsdienst eingezogen werden können).

Wie auch immer: Damals war der Umstand, dass all die dezidierten Christen-Kerle in meiner Umgebung so überhaupt keine Probleme damit zu haben schienen, den Dienst an der Waffe zu schieben, für mich ein Beleg für deren Scheinheiligkeit: Einen eigenen Gebetsraum von der Schulleitung einzufordern und sich gleich den ersten Bartflaum bis zum langen Paulus-Bart zauselig auswachsen lassen - aber dann sich bereiterklären, auf Befehl andere Leute totzuschießen?! Na super, ganz großes ethisches Kino!

Dass diese Leute gleichzeitig auch bereit waren, sich in dieses Dauerkoma aus Langeweile und Schnaps zu begeben, bedachte ich nicht. Darin, Alkohol und Pornos zu meiden, liege der Kern christlicher Werte?! Als Atheist hatte man eine höhere Meinung vom Christentum.

 

 

p.s.: Der Zivildienst (in einer Jugendherberge) war mit die beste Zeit meines Lebens. Einer meiner Mit-Zivis, den ich übrigens sehr gern mochte,  soff leider auch übermäßig, aber da wir alle unsere eigenen Zimmer hatten, betraf mich das nicht sonderlich: ich konnte ihn meiden, wenn er mal wieder blau wie der Himmel war.

Ein anderer Mitzivi hatte jede Menge "Herrenmagazine" im Angebot, aber damals war ich noch zu verklemmt, um sein Angebot, mir da jederzeit was ausleihen zu dürfen, anzunehmen. Die Schatten der verpaßten Gelegenheiten werden immer länger, könnte man vielleicht dazu anmerken; andererseits bot der Zivi-Job jede Menge Möglichkeiten, interessante Frauen in meinem Alter kennenzulernen, die als Betreuerinnen irgendwelche Jugendgruppen begleiteten. Mit einer von denen stehe ich heute noch, über drei Jahrzehnte später, im Briefkontakt. 🙂

jack-black antworten
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Goldapfel
(@goldapfel)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 1986

@jack-black 

Hi,

es geht mir eher um Alkoholmissbrauch, demütigende Sprüche von Vorgesetzten, Sexismus und Pornografie. Und den Leuten kann man vielleicht nicht unbedingt so ausweichen. Das Ausmaß war mir nicht so bewusst.

🙂 

Mit dem Thema "Dienst an der Waffe" und womöglich töten zu müssen als Christ, hab ich mich schon vor Jahrzehnten auseinander gesetzt. 

Die paar Christen, die ich früher kannte, hatten alle aus Gewissensgründen verweigert. Im Laufe der Jahre erweiterte sich mein Radius und ich lernte andere Meinungen zum Dienst bei der Bundeswehr kennen, die ich meist stehen lassen kann ohne ihnen zuzustimmen. Also ist das für mich soweit geklärt. Und hier lese ich ja auch von Leuten, die während ihrer Zeit verweigert haben oder wollten.

Danke ansonsten für deinen interessanten Bericht. 🙂 

 

goldapfel antworten
MikeFromMUC
(@mikefrommuc)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 462

@jack-black Siehst Du das heute anders? Das geht aus Deinen Worten nicht hervor. 

So wie ich Dich verstehe, hast Du früher alle Christen, die ihre Wehrpflicht erfüllten, für scheinheilige Wichser gehalten. Gleichzeitig hast Du bei Deiner Verweigerung gelogen und andere Motive als Deine wahren angegeben. Richtig?

mikefrommuc antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3630

@mikefrommuc So wie ich Dich verstehe, hast Du früher alle Christen, die ihre Wehrpflicht erfüllten, für scheinheilige Wichser gehalten.

Ehrlich gesagt ist Wichser für mich kein Schmähbegriff, sondern eine Tätigkeitsbeschreibung, insofern: nein, ich hielt sie nur (sofern sie sonst ihr Christ-Sein als etwas moralisch Erhabenes betonten) für scheinheilig.

 

Gleichzeitig hast Du bei Deiner Verweigerung gelogen und andere Motive als Deine wahren angegeben. Richtig?

 

Stimmt formal betrachtet ganz und inhaltlich betrachtet zur Hälfte, ja. Mein primäres Motiv für die Verweigerung war tatsächlich, dass ich auf das Wehrpflichtigendasein keinen Bock hatte: die von der Threaderstellerin angeführten Aspekte für abstoßend zu halten, dafür braucht man kein Christ zu sein und ich meine, dass der Gedanke, dass es für Christen aufgrund dieser Aspekte besonders schrecklich gewesen sein könnte, zum Bund zu gehen, in sich schon scheinheilig ist. Gesoffen wird unter Christen meiner Erfahrung nach ebenso wie unter Nicht-Christen. Und dass im Bible-Belt laut Statistik die Porno-Streamingdienste besonders hohe Nachfrage befriedigen, hatte ich in anderem thematischen Zusammenhang schon mal nachrecherchiert. Kurz: es ist eher unbegründet, anzunehmen, dass christliche Männer signifikant größeren Abscheu gegenüber diesen Dingen hätten und daher unter besonderem Druck beim Dienst in der Bundeswehr gestanden hätten.

Mein erstes persönliches Motiv hinsichtlich dieser Aspekte (ich habe bis zu meinem dreißigsten Geburtstag nie mehr als vielleicht ein halbes Glas Wein oder ein Radler getrunken, war also bis dahin nie betrunken und habe auch keine anderen Drogen genommen - aber nicht, weil ich dagegen "moralische Gründe" gehabt hätte, sondern weil ich eher der verklemmte Typ mit Angst vor Kontrollverlust war, und aus ähnlichem Grund verabscheute ich Pornografie: ich kannte sie ja nicht mal 😀 ) wäre als Begründung selbstverständlich nicht akzeptiert worden. Das heißt aber nicht, dass die in meinem Antrag vorgebrachten Gründe gelogen gewesen wären. Die "christlichen Gründe" die ich bei meinen Kumpels in die Anträge schrieb, hab ich in meinem eigenen Antrag nicht erwähnt. Allerdings bezog ich mich u.a. auf Raskolnikow (hätte ich nicht verweigern wollen, hätte ich keine diesbezügliche Ratgeberliteratur konsultiert und wäre vermutlich erst viel später in meinem Leseleben auf Dostojewski getroffen) und die in diesem Roman transportierte Botschaft, dass das Töten eines Menschen ein No-Go ist, wird ja von ihm selbst als genuin christlich dargestellt und verstanden. Heute würde ich durchaus kritisch-humanistischer argumentieren, da ich nicht denke, dass es christlichen Glaubens bedarf, um zu so einer ethischen Position zu gelangen. Aber es mag sein, dass ich unter Bezug auf Raskolnikow behauptet haben könnte, meine eigene Gewissensentscheidung habe auch eine christliche Grundlage (de facto bin ich mit sechzehn aus der Kirche ausgetreten und empfand mich damals keineswegs mehr als Christ). In dem Punkt könnte ich also tatsächlich gelogen haben: dass mein Vorbehalt gegen das Töten von Menschen auf einem christlichen Fundament stünde. Aber ich bin der Ansicht, dass es sich da - rein moralisch betrachtet - um eine gerechtfertigte Lüge handelte, erzwungen durch die eigentlich skandalöse Zumutung, meine Gewissensentscheidung überhaupt begründen zu müssen. Ich sah damals nicht ein und ich sehe auch heute noch nicht ein, inwieweit es ethisch gerechtfertigt sein sollte, das Gewissen eines Menschen, der sich weigert, das befohlene Töten von Menschen zu lernen, zu "prüfen". Das glatte Gegenteil wäre meiner Ansicht nach angebracht: Leute, die sich zu Soldaten ausbilden lassen, sollten vorher ganz genau daraufhin überprüft werden, inwiefern man ihnen überhaupt dieses gefährliche Handwerk beibringen darf. Sie sollten darauf getestet werden, inwiefern sie intellektuell und moralisch fähig wären, im worst case szenario dem Kadavergehorsam zu widerstehen und beispielsweise bei ungerechtfertigten Befehlen den Dienst zu verweigern.

In meinen Augen ist es der Idee der Menschenwürde widersprechend, Leute gegen ihren Willen zu Soldaten auszubilden. Damals sah ich's genau so und daher hatte ich in meinen Augen das natürliche Recht, hier zu lügen.

Damals spielte ich sogar mit dem Gedanken, total zu verweigern, weil ich nicht nur den konkreten Dienst an der Waffe ablehnte, sondern das ganze System, in welchem halt die Zivildienstleistenden im Kriegsfall auch hätten herangezogen werden können, die für das Kriegsführen notwendige Infrastruktur zu gewährleisten. Dazu war mir aber erstens das Opfer, das ich für meine Überzeugung hätte bringen müssen, schlicht zu groß: juristische Streitigkeiten und mit gewisser Wahrscheinlichkeit Gefängnis...

Zweitens ging ich davon aus, dass Deutschland nicht in absehbarer Zeit einen Krieg führen werde, der eine solche Heranziehung nötigt machen würde. Also würde ich als Zivildienstleistender gar nicht an so einem Krieg mitwirken müssen. Da ich prinzipiell die Idee, als Staatsbürger etwas zum Allgemeinwohl beizutragen, nicht verkehrt fand und allen Ernstes Lust auf so einen Zivildienst hatte (aus meinem Traum, bei einer Otterzuchtstation im Harz eine Zivi-Stelle zu bekommen, wurde am Ende aber nix; solche Stellen waren rar und als nutzloser, der keine praktische Lehre wie z.B. als Schreiner, abgeschlossen hatte, kam man da nicht mal auf die "Nachrückerliste" 😉 ), wog dieser Verzicht, meiner politisch-moralische Überzeugung konsequent bis zum Letzten treu zu bleiben, nicht wirklich schwer.

War ich da scheinheilig? Nö, eigentlich nicht. Denn ich hab eigentlich selten so getan, als hätte ich die richtige Moral gepachtet und sei ein leuchtendes Vorbild. Weltenrettung hab ich Zeit meines Lebens anderen überlassen. Und ich wäre auch nie auf die Idee verfallen, meinen Schulkameraden oder Freunden auszureden, zum Bund zu gehen nach dem Motto: "Kannst du das denn mit deinem Gewissen vereinbaren?"

Aber wenn einer daherkommt, der sein Christsein wie ein moralisches Sonderfeature hochhält, und dann sich nicht mal um das eine der zehn Gebote schert, das ich für das beste halte - dann nehme ich mir die Freiheit, so jemanden als scheinheilig zu verachten.

jack-black antworten
MikeFromMUC
(@mikefrommuc)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 462

@jack-black Vielen Dank für Deine lange, offene und ehrliche Antwort.

Deine Aussage über die Scheinheiligkeit hast Du ja noch ziemlich relativiert. Aber auch mit allen Einschränkungen finde ich Deine Worte wie ein Bumerang. Du weißt doch gar nicht, was die inneren Motive der "Scheinheiligen" waren. Du unterstellst ihnen eine Position, nennst die Position scheinheilig und erhöhst damit Dich selbst, weil Du nicht so scheinheilig bist. So kommt es bei mir jedenfalls an. 🤔   Weiter unten sagst Du noch, daß Du es eigentlich nur auf die Christen beziehst, die sich sonst wie Heilige aufführen, aber bei dieser Frage keine christlichen Argumente für den Wehrdienst anführen können - ja, da verstehe ich Deine Haltung. Was mich nur irritiert, ist die pauschale Aussage über alle Christen beim Bund, weil Du mit einer handvoll Christen schlechte Erfahrungen gemacht hast.

Denkst Du, daß Du mit Deinen wirklichen, inneren Motiven eine Chance gehabt hättest, die Gewissensprüfung zu bestehen? Dein primäres Motiv "keinen Bock zu haben" halte ich zwar für sehr verständlich, aber kaum ausreichend.  Aber lassen wir es gut sein, ich denke, das wird dann doch zu persönlich für so ein öffentliches Forum. 

Worauf ich hinauswill, ist vor allem die Frage: Wie löst Du den ethischen Konflikt, wenn Dein Land, Deine Heimat, Deine Familie angegriffen wird? Stell Dir vor, 1989 wäre die Situation eskaliert, Rußland hätte Truppen aufmarschieren lassen, und die Bundeswehr hätte ihre Soldaten zur Grenzsicherung geschickt. Wärst Du froh gewesen, daß die Bundeswehr das Land verteidigt? Hättest Du zu den Waffen gegriffen, wenn die Rote Armee einmarschiert wäre?

Ja, ich habe auch lange geglaubt, daß dieser Fall nicht eintritt. Spätestens seit dem Jugoslawien-Krieg habe ich gemerkt, daß Kriege auch vor unserer Haustür stattfinden können. Der Überfall auf die Ukraine ist noch drastischer, weil es zeigt, daß niemand sicher sein kann.

Hat die Ukraine das Recht, wehrfähige Männer einzuziehen? Mit welchen Argumenten kann sich ein ukrainischer Christ seiner Pflicht entziehen? Hätte er das Recht, zu desertieren? Warum rümpfen viele Menschen die Nase über ukrainische wehrfähige Männer, die flüchten, statt ihr Land zu verteidigen? Müßten wir sie als Christen nicht sogar auffordern, zu desertieren? 

(Das sollen keine rhetorischen Fragen sein. Ich bin bei dem Thema noch sehr unentschlossen. Mich interessiert Deine Meinung wirklich. Und die der anderen Mitleser auch.)

mikefrommuc antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21574

@mikefrommuc 

Hat die Ukraine das Recht, wehrfähige Männer einzuziehen? Mit welchen Argumenten kann sich ein ukrainischer Christ seiner Pflicht entziehen? Hätte er das Recht, zu desertieren? Warum rümpfen viele Menschen die Nase über ukrainische wehrfähige Männer, die flüchten, statt ihr Land zu verteidigen? Müßten wir sie als Christen nicht sogar auffordern, zu desertieren?

Ich sehe es ähnlich wie Jack - ich denke nicht, dass der christliche Glaube in so einer Situation wirklich so entscheidend ist. Die Bibel lässt sich hier verschieden auslegen, und am Ende ist es eine persönliche Entscheidung.

Zudem bedeutet ein Krieg die Aufkündigung der normalen zivilisatorischen Normen. Es gibt zwar nach wie vor ethisch eindeutig falsche Enscheidungen, wie das grundlose Töten Unbeteiligter, aber der Rahmen für "richtige" Entscheidungen wird verzerrt und ist nicht mehr vollumfänglich anwendbar.

Denn einen anderen Menschen zu töten ist falsch - im Krieg aber nicht mehr, weil dieses Prinzip aufgehoben wird. Dieselbe Tat, die mich in einem normalen Rahmen zum Mörder und Verbrecher macht, macht mich in einem Krieg zum "Helden" und "Retter".

Die Anwendung eigener ethischer Normen funktioniert in diesem neuen Rahmen nicht mehr. Ich würde es so ausdrücken, dass es keine "richtigen", "guten" Entscheidungen mehr gibt... sondern nur noch Entscheidungen, die weniger falsch sind als Andere.

Dass wir die "Nase rümpfen" über ukrainische Männer, die flüchten, habe ich allerdings noch nicht mitbekommen... ich habe durchaus Verständnis dafür, auch wenn ich mir gleichzeitig wünsche, dass die ukrainische Armee die Russen vertreiben wird.

 

 

 

lucan-7 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3630

@mikefrommuc Was mich nur irritiert, ist die pauschale Aussage über alle Christen beim Bund

Ich darf mich da mal selbst zitieren:

(...) der Umstand, dass all die dezidierten Christen-Kerle in meiner Umgebung so überhaupt keine Probleme damit zu haben schienen, den Dienst an der Waffe zu schieben, [war] für mich ein Beleg für deren Scheinheiligkeit (...)

 

Meinem Sprachverständnis nach hab ich mich damit nicht pauschal auf alle Christen beim Bund bezogen.

Denkst Du, daß Du mit Deinen wirklichen, inneren Motiven eine Chance gehabt hättest, die Gewissensprüfung zu bestehen?

Nochmal: ich hatte durchaus mehrere Motive, den Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu stellen. Darunter auch das "Keinen Bock auf Bund"-Motiv und es wog schwer. Jedoch war es kein eigentliches Gewissensmotiv. Meine Gewissensmotive waren andere und ich hab sie oben schon recht ausführlich dargelegt. Das Problem bei der ganzen Gewissensprüfungsangelegenheit bestand allerdings in ihrer bloßen Existenz: als wenn man in das Gewissen eines Menschen hineinschauen könnte, und als wenn nicht eher das Gewissen jener, die bereit waren, sich zum Töten auf Befehl ausbilden zu lassen, viel erforschenswerter wäre als umgekehrt. Es gab ja auch seitens des deutschen Staates Motive dafür, solch eine Möglichkeit auf Kriegsdienstverweigerung einzuräumen. Und zwar nicht gerade ehrenhafte Motive: es ging anfangs (zu der Zeit, wo noch jeder Kriegsdienstverweigerer vor die Gewissensuntersuchungskommission geladen wurde) nur darum, den Anschein zu wahren, man achte die individuellen moralischen Standpunkte. Tatsächlich mußte man damit klar kommen, dass es bestimmte Leute wie z.B. die Zeugen Jehovas, gab, die sich nicht ohne Gewalt zum Kriegsdienst zwingen ließen - und dass man solche Leute inzwischen, mit dem verlorenen WK2 und dem schändlichen Naziregime im Rücken, nicht einfach einknasten oder am besten gleich erschießen konnte als Beispiel für andere potentielle "Drückeberger". Gleichzeitig gab es das praktische Motiv, dass Wehrdienstpflichtige, die man wider ihre innersten Überzeugungen zum Dienst an der Waffe verpflichtete, höchst unsichere Kantonisten waren: Man konnte bei ihnen davon ausgehen, dass sie im Ernstfall ohne jedes Zögern die erstbeste Gelegenheit zur Fahnenflucht nutzen (das hab ich übrigens ganz offen in meinem Antrag so für den Fall, dass ihm nicht stattgegeben werde, angekündigt) und sich - wo möglich - auch sonst nur wie Sand im Getriebe verhalten würden. Wollte man solche Leute überhaupt in der Truppe? Leute, die nicht nur, wie es der Regel entsprach, recht unmotiviert Dienst nach Vorschrift schieben, sondern am Ende gar die restliche Kampfmoral der Kameraden mit ihren pazifistischen Ideen unterminieren könnten? Wer hatte also mit der Heuchelei hinsichtlich der eigentlichen Motive angefangen? Ich Kriegsdienstverweigerer oder der Staat, der sich anmaßte, mein Gewissen beurteilen zu können?

Um also nochmal auf Deine Frage

Denkst Du, daß Du mit Deinen wirklichen, inneren Motiven eine Chance gehabt hättest, die Gewissensprüfung zu bestehen?

zurückzukommen: Ich hatte mein Gewissen geprüft und bei dieser Prüfung war herausgekommen, dass es für mich nicht ethisch korrekt sei, mich zum Töten auf Befehl ausbilden zu lassen. Was nun meine Chance auf Bestehen der Gewissensprüfungs-Inszenierung des Staates angeht: Da es sich da eben um nichts anderes als eine Inszenierung handelte, sehe ich gar keinen Grund, warum ich mir so eine Frage hätte stellen sollen oder heute stellen sollte: die Antwort liegt ja auf der Hand, falls Du damit das "Keine Bock auf Bund"-Motiv meinst. Selbstverständlich hätte man mich durchfallen lassen.

Und daher verschwieg man solche Motive, ungeachtet dessen, ob sie im individuellen Fall an erster, zweiter oder erst zwounddrölfzigster Stelle standen, selbstverständlich in dieser Situation. Es sei denn, man war ein Idiot. 😀

Worauf ich hinauswill, ist vor allem die Frage: Wie löst Du den ethischen Konflikt, wenn Dein Land, Deine Heimat, Deine Familie angegriffen wird?

Nicht, indem ich auf Befehl töte. Es gibt Krieg? Ich geh nicht hin. Erstens, um nicht selbst getötet zu werden, zweitens, um nicht andere zu töten.

Statt dessen fliehe ich in der Hoffnung, irgendwo auf der Welt einen Platz zu finden, wo sich die Leute nicht gegenseitig abmurksen. Da bin ich komplett unheldisch und insbesondere völlig unnationalistisch und unpatriotisch.

 

Stell Dir vor, 1989 wäre die Situation eskaliert, Rußland hätte Truppen aufmarschieren lassen, und die Bundeswehr hätte ihre Soldaten zur Grenzsicherung geschickt. Wärst Du froh gewesen, daß die Bundeswehr das Land verteidigt? Hättest Du zu den Waffen gegriffen, wenn die Rote Armee einmarschiert wäre?

Warum hätte die Rote Armee einmarschieren sollen? Was sollen solche absurden hätte-hätte-Fahrradkette-Szenarien? Aber ich will mich nicht um eine Antwort drücken, indem ich die Frage als dumm hinstelle. Also: ob ich "froh gewesen" wäre, kann ich nicht ehrlich beantworten, weil ich nicht weiß, was Du mit der Formulierung "das Land verteidigt" meinst. Meinst Du: wäre ich froh, wenn die Bundeswehr die auf der anderen Grenzseite aufmarschierten Truppen  in Grund und Boden kartäscht hätte? In dem Fall: sicher nein.

Meinst Du: Wäre ich froh, wenn die Bundeswehr einfach nur ebenfalls aufmarschiert wäre und allein dadurch die Rote Armee (merkst Du, dass Du von Rußland statt von der Sovjetuntion oder dem Warschauer Pakt oder der DDR sprichst?) am Grenzübertritt gehindert hätte? In dem Fall: vermutlich ja.

Beachte dabei bitte, dass ich damals kein großer Fan der Deutschen Einheit war. Ich hatte nichts gegen sie, aber ich sah sie als keinen Wert, den man per organisiertem Massenmord hätte "verteidigen" müssen.

Am Tag, als die Mauer fiel, war ich übrigens zufällig gerade selbst in Berlin (wir hatten eine Freundin zum Flughafen begleitet) und konnte das ekstatische Feuerwerk, das da abbrannte, mangels patriotischer Musikalität nur mäßig genießen. Die ostdeutschen Landsleute, die da durch die Löcher in der Wand kamen, wirkten auch mich nicht so despotisch unterdrückt, dass ich auf den Gedanken gekommen wäre, man hätte ihre Befreiung vom kommunistischen Joch auch mittelst militärischer Gewalt gewährleisten sollen.

 

Ja, ich habe auch lange geglaubt, daß dieser Fall nicht eintritt. Spätestens seit dem Jugoslawien-Krieg habe ich gemerkt, daß Kriege auch vor unserer Haustür stattfinden können.

Gut, dass Du den Jugoslawienkrieg selbst erwähnst, sonst hätte ich das tun müssen. 😀

Denn dieser Krieg war und ist bis heute für mich ein (un)schöner Beleg, wie fragwürdig diese ganze Nummer von der reinen Verteidigungsfunktion der Bundeswehr von Anfang an war. Da wurde dann ausgerechnet von rotgrüner Regierungsseite (die Grünen hatte ich vorher gewählt!) die Ausschwitz-Karte gezogen und über Hufeisenpläne gelogen um zu legitimieren, dass deutsche Soldaten in einen Krieg zogen, der ganz gewiß nicht der Verteidigung meines Landes, meiner Heimat, meiner Familie diente: man hatte die Bundeswehr, man hatte den Anspruch, in der Welt wieder "eine wichtigere Rolle zu spielen", also konnte man sie ja dann auch einsetzen und - gemeinsam mit "unseren alliierten Freunden" - Serbien ohne konsistente völkerrechtsmäßige Begründung angreifen. Militärische Gewalt als "normales Instrument der Politik". Macht, was ihr wollt - aber ohne mein aktives Mittun!

Hat die Ukraine das Recht, wehrfähige Männer einzuziehen?

Wer fragt in solchen Fällen nach "Recht"? Die ukrainische Regierung tut's halt, weil sie's kann und weil es in ihrem Interesse liegt.

Mit welchen Argumenten kann sich ein ukrainischer Christ seiner Pflicht entziehen?

Welcher Pflicht? Der zum Dienst an der Waffe? Du gehst also schon davon aus, dass die Frage, die Du vorher stelltest, schon mit ja beantwortet werden muß? Anders ließe sich ja eine solche "Pflicht" nun gar nicht herleiten.

Gemäß meinen ethischen Grundpositionen ist kein Mensch dazu verpflichtet, sich auf Befehl anderer in Lebensgefahr zu begeben oder gar andere Menschen zu töten. Ich bestreite daher das Vorliegen einer solchen Pflicht: sie verstößt gegen den Kern des Menschenwürde-Gedankens. Insofern brauchen auch ukrainische Christen keinerlei Argumente in diesem Zusammenhang.

Warum rümpfen viele Menschen die Nase über ukrainische wehrfähige Männer, die flüchten, statt ihr Land zu verteidigen?

Weil kritisches Denken wenig verbreitet ist und die Blödsinnigkeit des  "dulce et decorum est pro patria mori" sich per ständig neuer Bombardierung reaktionärer Propaganda in den Köpfen der Leute als zustimmungsfähig festgesetzt hat. Wäre ich ein ukrainischer "wehrfähiger" Mann, ich würde auf flüchten. Allerdings bin ich ein deutscher und darüberhinaus inzwischen wohl auch nicht mehr wehrfähiger Mann, und als solcher profitiere ich davon, wenn die ukrainischen Männer (und auch Frauen) meinen strategischen Feind Putin unter Einsatz ihres Lebens bekämpfen.

Heißt: ich rümpfe nicht die Nase, wenn die Ukrainer flüchten/desertieren, denn Naserümpfen ist Ausdruck moralischen Abscheus, und ein solches empfinde ich nicht. Aber es liegt in meinem egoistischen Interesse, dass sie's nicht tun.

An der Stelle beginnt in meinen Augen die Sache eigentlich erst spannend zu werden.

Müßten wir sie als Christen nicht sogar auffordern, zu desertieren?

Das macht Ihr Christen mal unter Euch aus, die Beantwortung dieser Frage liegt nicht in meinem Kompetenzbereich. 🙂

 

jack-black antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3835

@jack-black  Irgendwie bin ich gerade kurz davor die Unterlagen der Militärseelsorge heraus zu holen.Was man aber mit den Einsätzen im Kosovo und Afghanistan gemerkt hat. Die Nachfrage an Seelsorge ist gestiegen. Gottesdienste werden stärker besucht und im Kosovo war es gut einen Pfarrer mit zu haben. Muslime legen wert darauf, dass jemand seinen Glauben vertritt. Eine Truppe die einen Pfarrer dabei hat wurde gleich postiver gesehen. Wobei der Pfarrer zu dem wir geschlossen geführt wurden in der Grundausbildung wert darauf gelegt hat keine militärischen Rang zu haben, in den USA sind die Militärpfarrer Teil der Truppe mit Offiziersrang, Beförderungen etc., in Deutschland werden die Pfarrer von ihren Kirchen entstandt. Die Stelle wird also ausgeschrieben wie eine normale Pfarrstelle.

Was will ich sagen. Es gibt sehr viele Christen in der Bundeswehr und gerade im Ausland ist der Pfarrer sehr wichtig. In den USA habe ich einen Bericht gesehen ist er gerade für die Familien da und es gibt einige Kinder die vom Pfarrer des Fliegerhorstes getauft wurden.

 

jigal antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3630

@jigal Was will ich sagen. Es gibt sehr viele Christen in der Bundeswehr und gerade im Ausland ist der Pfarrer sehr wichtig.

Ja. Und?! Ich verstehe gerade nicht, warum Du das als Antwortbeitrag auf mein Posting schreibst. Hab ich irgendwo behauptet, es gäbe nicht "sehr viele Christen in der Bundeswehr"?

jack-black antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3835

@jack-black ich antworte in der Regel auf den letzten Beitrag. Ich weiss das ist für manche Leute hier ein Problem, ich bin fortlaufende Foren gewöhnt.

jigal antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3630

@jigal okay, danke für die Erläuterung.

jack-black antworten


MikeFromMUC
Beiträge : 462
Veröffentlicht von: @goldapfel

Mit dem Thema "Dienst an der Waffe" und womöglich töten zu müssen als Christ, hab ich mich schon vor Jahrzehnten auseinander gesetzt. 

Magst Du die verschiedenen Positionen zusammenfassen und auch Deine Position dazu erzählen? Das würde mich interessieren. Was würdest Du zum Beispiel aktuell einem ukrainischen Christen raten?

mikefrommuc antworten
4 Antworten
Goldapfel
(@goldapfel)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 1986

@mikefrommuc 

Ganz kurz: Bevor ich Christin wurde, hab ich eher die feministische 'Emma'- Schiene vertreten und meinte, Bund sollte auch für Frauen offen sein. Fand Bundeswehr aber persönlich eigentlich nicht gut, sicherlich auch deswegen, weil ich Soldaten mit laut und Alkohol zusammen brachte, was ich aus biografischen Gründen schwierig fand. Außerdem war ich schon relativ jung einige Male auf Ostermärschen mit dabei. Was prompt zu Ärger mit einer Verwandten führte, die meinte, mit 14 und ohne einen Krieg erlebt zu haben, könnte ich nicht gegen Krieg sein, weil ich nicht wüsste, was Krieg wäre. 😀 Ich muss allerdings dazu sagen, dass sie in sehr jungen Jahren die Bombardierung Dresdens erlebt hatte.

Inzwischen halte ich die Bundeswehr, bzw. eine Armee leider nicht mehr für unabkömmlich. Obwohl ich entsetzt war und immer noch bin, als ich zu Beginn des ersten Irak Krieges in einem christlichen Magazin einige Stimmen amerikanischer Christen mitbekam, die sich dafür aussprachen. Das fand und finde ich mit dem heutigen Wissen sehr bedenklich.

Verschiedene Positionen: 

Christen die verweigerten: immer hauptsächlich aufgrund des "Du sollst nicht töten". Und dass Jesus selbst als friedlich angesehen wurde. (Wobei das Land damals ja unter römischer Besatzung stand. Er hat nur keinen Aufstand gegen die Römer angezettelt, es gab keinen Krieg). Die Verweigerer haben übrigens meistens mit Behinderten oder sonst in der Pflege gearbeitet. Also schon auch Dienste, wo "Hintern abwischen" oder Windeln wechseln dazugehörte. Also wirklich Dienst am Menschen. Ich weiß allerdings nicht mehr, ob man sich da selbst bewerben konnte.

Pro Wehrdienst: Verantwortung für sein Land und seine Mitmenschen übernehmen, schützen, der Obrigkeit gehorchen, weil von Gott eingesetzt. Bundeswehr war ja nicht für den Angriffskrieg gedacht, sondern zu Verteidigungszwecken. Dass Bundeswehr Soldaten auch in Einsätzen dienen müssen, die nicht der direkten Verteidigung Deutschlands dienten, sondern im Bündnisfall, war ja lange außerhalb der Vorstellung der meisten, denke ich. Und das Deutschland damals war ja keine Diktatur mehr und kein agressiver Staat. 

Letztlich würde ich rückblickend sagen, dass es immer davon abhing, welche Einstellung man zur Bundeswehr hatte und ob man selbst sich als fähig sah, zu schießen, wenn man angegriffen wird. 

Einem ukrainischen Christen kann ich nur raten, ,-wenn mir das als Frau in Deutschland überhaupt zusteht-  das mit seinem Gewissen aus zu machen und zu beten. Das muss letzten Endes jeder. Sich zu überlegen, was es bedeutet, eine Waffe in die Hand zu nehmen und ggfs jemand zu töten oder nicht. Und welche Konsequenzen das haben würde. Wobei ich nicht weiß, ob Ukrainer im passenden Alter überhaupt eine Wahl haben. Anders als der 20jährige Sohn von Melnyk, der m.W. in Deutschland studiert.

 

goldapfel antworten
der_alte
(@der_alte)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 1235

@goldapfel also laut und Alkohol stimmt bei mir und meinem dortigen Umfeld. Bei der Bundeswehr gibt es kein Problem *mit* Alkohol, eher eines *ohne* 🙂 Also da wo ich war.

Im persönlichen Umfeld gab es auch eine, der hatte eher gewisse Gründe als Gewissensgründe.

Hatte da nie Problem zu der damaligen Zeit, war vor der Bekehrung, hätte auch heute keines, ausser dass es nun gemischt-geschlechtlich ist, das wäre nix für mich.

Würden sie mich nochmals holen, würde ich gehen, bin aber ja nun etwas zu alt und auch ausgemustert, da müsste es schon zu sowas wie einem "Volkssturm" kommen. Dann hiesse es wieder: Mit der Waffe in der Hand zum Dienst am Vaterland (Mutterland).

Mein Opa wäre "ballistisch" gegangen wenn ich verweigert hätte, ich denke mal der hätte mich aus der Reihe seiner mit ihm verwandten mental ausge-x-t.

Er mochte den Krieg nicht, war verwundet worden, aber sein einziger Enkel als Verweigerer. Also das hätte ihn umgehauen. Der erwartete auch militärischen Haarschnitt und war schon muffelig als ich damals einen noch zarten Bart hatte.

Verweigerer sah er als nutzbringend an, aber sein Enkel sollte es dann sicher nicht sein, der war dann auch sicher stolz als zum SG befördert wurde, was er noch erlebte.

der_alte antworten
Goldapfel
(@goldapfel)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 1986

@mikefrommuc zwei Aspekte noch.

Zunächst zum sechsten bzw. fünften Gebot: Im hebräischen wird da wohl eine Verbform gebraucht, die mit Töten aus Heimtücke o.ä. zusammen geht. Also müsste die Übersetzung eher heißen, "Du sollst nicht morden". Es geht wohl eher nicht ums grundsätzliche töten. Ob ich Soldat werde, weil ich die "Feinde" am liebsten alle töten würde, das sogar geil finde, oder weil ich mich in der Verantwortung für andere sehe, vielleicht auch, um ein disziplinierter Soldat zu sein, einer, der lieber nicht töten würde, es aber notgedrungen tut.

Natürlich kann man sagen, Jesus forderte auf, seine Feinde zu lieben. Ich frage mich nur, ob das bedeutet, dass man sich jedem Unterdrücker/Bedränger vollständig ausliefern soll und alles mit sich machen lassen muss? Hätte man Deutschland im dritten Reich gewähren lassen sollen? Also hätten amerikanische, englische und französische und russische Christen alle desertieren sollen, dazu aufgefordert werden sollen?

Viel wichtiger noch finde ich, wenn du überlegst, ob man ukrainische Christen zur Flucht auffordern soll, den Gedanken, dass wir dann nicht nur sämtliche Verweigerer aufnehmen müssten, sondern uns auch mit aller Kraft gegen jegliche Waffenlieferung und für Verhandlungen einsetzen müssten, bis er Konflikt entschieden ist. Das wäre dann konsequent. Auch, sämtliche Ukraine Flüchtlinge in Deutschland möglicherweise dauerhaft zu integrieren. 

Es stellt sich mir weiterhin dann die Frage, ob ich die israelische Armee noch gut heißen kann, Waffenlieferungen nach Israel? 

Darum sage ich, jeder muss es mit seinem Gewissen  vor Gott ausmachen und sich auch über die Folgen klar sein, nicht zu schießen, nicht zu kämpfen, wenn ein Kriegsfall eingetreten ist. Ebenso wie damit, im Notfall jemand anderen das Leben zu nehmen. Wobei die Frage ist, ob nicht derjenige, der den Krieg beginnt, derjenige ist, der auch seine eigenen Soldaten mordet und der Soldat, der verteidigt "nur" tötet. 

Natürlich ist es legitim, im Kriegsfall Angst zu haben und nicht mit kämpfen zu wollen. Auch dass man Angst um seine Kinder hat. Nur schade, wenn man gleichzeitig danach ruft, dass man die Ukraine verteidigen müsse, seine eigenen Kinder aber sicher weiß. 

 

 

goldapfel antworten
MikeFromMUC
(@mikefrommuc)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 462

@goldapfel Vielen Dank, das ist eine gute, ausgewogene Antwort.

Ich wollte gerade ein bißchen über die Kirche lästern, daß sie nicht viel zu dem Konflikt sagt. Aber auf der EKD-Seite habe ich viele, sehr differenzierte Aussagen gefunden. Gut, daß ich vorher nachgeschaut habe! Da gibt es auch Antworten zu den Fragen, die ich weiter oben gestellt habe.

mikefrommuc antworten
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Beiträge : 18002
Veröffentlicht von: @goldapfel

Letztlich würde ich rückblickend sagen, dass es immer davon abhing, welche Einstellung man zur Bundeswehr hatte und ob man selbst sich als fähig sah, zu schießen, wenn man angegriffen wird. 

Letztlich kann jeder diese Frage nur persönlich (und auf seine Person und Lebenssituation bezogen) beantworten.

Auch ich war in meiner Jugend stark 68-er geprägt und lehnte Militär und Kriegsdienst ab. 
Dabei musste ich feststellen, dass diese Haltung keineswegs auf alle zutraf. Denn als es in unserer Schule damals in Ethik- oder Sozialkundeunterricht zu einer Umfrage kam, wer verweigern und wer "zum Bund" gehen wolle, war ich der einzige unserer Klasse, der den Wehrdienst ablehnte. Die meisten Mitschüler fanden es OK, mal für 18 Monate beim Bund 'ne ruhige Kugel zu schieben.

Inzwischen ging die Diskussion (68er Jahre) weiter und das Verweigern des Wehrdienstes wurde leichter. Und aus irgendwelchen Gründen fand später noch mal die fast gleiche Umfrage statt. Und siehe da - auf einmal fanden fast alle den Dienst beim Bund "out", anstrengend und überhaupt nicht mit ihren friedensbewegten Überzeugungen vereinbar und wollten nun verweigern. 

Das wiederum fand ich bedenklich, denn auch damals schon war ich der Überzeugung, dass Abschreckung durchaus eine Form der Friedenssicherung sein kann. Und außerdem bin ich eher der Typ, der eher das Gegenteil von dem sucht, was alle wollen. Und dies bestärkte mich in meiner Absicht, nun doch zur Bundeswehr zu gehen. Schließlich hätte ich als Wehrpflichtiger auch noch nach Antritt zum Wehrdienst verweigern können. 

Es kam anders und da ich ungern nur "halbe Sachen" mache und eher den Standpunkt "wenn schon - denn schon!" befürworte, verpflichtete ich mich für zwei Jahre. Ich wollte was Vernünftiges aus der Sache machen, was mich dann auch später im Zivilleben evtl. weiterbringen könnte. Ergebnis: vom überzeugten Verweigerer wurde ich zum Ausbilder und später Reserveoffizier. 

Dabei sehe ich mich auch heute noch als ziemlich friedlichen und friedensbewegten Menschen - aber als einen, der im Ernstfall bereit wäre, zur Waffe zu greifen, Flugzeuge zum Einsatz zu leiten eine Truppe zu führen und auch selbst zu schießen.
Aber gerade der Dienst bei der Bundeswehr hat meine Aufmerksamkeit geschärft und meine Bemühungen um ein friedliches, von Toleranz geprägtes Zusammenleben deutlich verstärkt. Ich finde es entsetzlich, wenn Kinder mit Waffen spielen (ob mit echten Waffen im USA oder Afrika oder mit Spielzeugrevolvern). Und so Kampfspiele am PC oder solche "Ballerspiele" wie Gotcha lehne ich grundsätzlich ab und denke von den Spielern "... sie wissen nicht, was sie tun".

Aber - wie geschrieben - diese Entscheidungen muss jeder für sein Leben selbst treffen. Und das sollte man ganz bewusst tun und dann auch dazu stehen!

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MikeFromMUC
Beiträge : 462
Veröffentlicht von: @jack-black

Das macht Ihr Christen mal unter Euch aus, die Beantwortung dieser Frage liegt nicht in meinem Kompetenzbereich.

Das verwirrt mich nun doch sehr in einer Ecke des Forums mit dem Titel "Authentisch Christsein". Ich fände es schön, wenn Du dazu beiträgst oder wenn Du Interesse an dem Aspekt Christsein zeigst. So kommt es mir vor, als ob Du Spaß an der Provokation hast.

mikefrommuc antworten
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