Hallo Community!
Yuval Noah Harari ist israelischer Historiker und Hochschullehrer, der an der hebräischen Universität Jerusalem lehrt und als Schriftsteller von populärwissenschaftlichen mehr philosophischen Werken zur Geschichte der Menschheit wichtige Impulse in der aktuellen Diskussion um Zukunftsperspektiven setzt.
Bekannt wurde er mit dem Werk "Eine kurze Geschichte der Menschheit", das sicher viele im Bücherregal haben. Sein Ansatz ist der, die Geschichte ganzheitlich zu betrachten. Er interessiert sich für die großen Linien und das, was die Entwicklungen treibt.
Dabei macht er nicht an der Gegenwart halt, sondern entwickelt aus seinem Ansatz heraus Visionen in die Zukunft hinein. Das ist zunächst einmal intellektuell interessant und auch notwendig, weil es immer Ideen sind, die die Geschichte treiben und auf diesem Gebiet sehe ich große akademische Defizite in unseren Tagen. So ist er dann einigermaßen allein auf weiter Flur, was seinem Ansatz so natürlich eine gewissen Macht verleiht.
Und diese Macht, die noch weiteren Faktoren gestützt wird, ist es, die mich zu diesem Thread getrieben hat. Yuval Noah Harari gilt als "Hausprophet des Silikon Valley", ihm wird eine Nähe zu Klaus Schwab nachgesagt, auch wenn ich ihn im Team Young Global Leaders des WEF nicht finden konnte. Immerhin gibt es auf der Webseite des WEF eine Kurzbiographie von ihm: https://www.weforum.org/people/yuval-noah-harari/ Nach 2020 kam da allerdings kein neuer Impact.
Warum glaube ich nun, dass die Lehren der Yuval Noah Harari aktuell so beachtenswert und gefährlich sind?
Mit Elon Musk befindet sich ein Vertreter des Silicon Valley in nächster Nähe des mächtigsten Mannes der Welt - des amerikanischen Präsidenten. Und dieser Präsident wurde von reichen Vertreter der Silicon Valley Bubble mit ins Amt gebracht. Somit ist naheliegend, dass die Konzepte des Yuval Hoah Harari dort Beachtung finden und möglicherweise verwendet werden, um Zukunft zu gestalten. Zwar sieht es so aus, als würde Donald Trump mit seinem stark nationalistisch geprägten Ansatz eine komplett andere Richtung einschlagen - aber das Umfeld, das die Gedanken des Yuval Noah Harari weitergeben könnte, ist sehr präsent.
Warum ist das gefährlich?
Yuval Hoah Harari versucht in seiner Vision der Zukunft die technische Entwicklung, die Möglichkeiten von Maschinen und damit auch von Menschen sehr stark zu berücksichtigen.
In seinem Vortrag auf dem WEF 2020 gibt er hier einen Einblick
https://www.weforum.org/stories/2020/01/yuval-hararis-warning-davos-speech-future-predications/?_x_tr_sl=en&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp
Die Übersetzung des Artikels gelang leider nur mit dem russischen Service Yandex: https://translated.turbopages.org/proxy_u/en-de.de.e9cc1c16-677a8b0a-de851e73-74722d776562/https/www.weforum.org/stories/2020/01/yuval-hararis-warning-davos-speech-future-predications/
Google scheiterte kläglich an dem Versuch bzw. verweigerte die Übersetzung.
Hier die großen Punkte des Vortrags als Bullet-List:
- Moderne Technologie ersetzt den Menschen und nimmt ihnen die Arbeit ab. Es entsteht eine große Kaste von Menschen, die als nutzlos gelten müssen.
- Es wird Länder geben, die die Daten besitzen und es wird Länder geben, die zu Datenkolonien degradiert werden. China und die USA sind da aktuell führend.
- Daten schaffen eine Grundlage für Macht. Sie können dafür sorgen, dass man billiger produziert, als der andere es kann oder aber Daten schaffen Macht über Menschen, weil alle Fehler und Eskapaden von einzelnen Persönlichkeiten gespeichert sind.
- B x C x D= AHH : Biologisches Wissen x Rechenleistung x Daten = Fähigkeit, Menschen zu hacken. Die geheime Seele wird zum hackbaren Tier.
- Die menschliche Freiheit kann durch KI untergraben werden. Wir geben Entscheidungen in die Hand von AI. Und das machen wir schon jetzt, wenn wir personifizierte Werbung oder Vorschläge auf Amazon etc. uns beeinflussen lassen.
- AI kann viel größer werden als menschlicher Verstand und so können Menschen die Entscheidungen der AI nicht mehr nachvollziehen.
- Die Revolution aus Biochech und Infotech geben Machthabern eine neue Möglichkeit, Himmel und Hölle zu schaffen, deren Konzeptionierung Philosophen nicht mehr nachvollziehen können.
- auf dem Bereich der Biologie kann es zu der Fähigkeit von Menschen können, neu zu schöpfen, nach einem "intelligent design" den Menschen neu zu kreieren, was Intelligenz und Disziplin fördern könnte und bei dem die Fähigkeit zu Mitgefühl, Sensibilität und Spiritualität verlorengeht.
- "Mein Land zuerst" Ansatz (Nationalismus) schafft Kriege. Wir brauchen Globalisierung für den Frieden. Idealbild Fussball WM: Nationen treffen sich und folgen gemeinsamen Regeln, um sich unter diesen Regeln gegenseitig zu messen. Das alles in friedlichem und harmonischem Miteinander.
- Eine Globale Ordnung braucht verantwortungsvolle Führer (= das WEF), das macht, dass wir nicht nur in globaler Gemeinschaft leben, sondern dafür sorgt, dass jeder dazu beiträgt, diese Gemeinschaft zu erhalten.
Das war 2020. Inzwischen sind wir ein paar Bücher von Yuval Hoah Harari weiter. Sie beinhalten eine Geschichte auf der Grundlage der Entwicklung von Informationsnetzwerken und auch ein Buch mit dem Titel "Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen".
Der Mensch wird zu Gott. Er kann neu schaffen und er kann gottgleich herrschen. Und in der schönen neuen Welt werden die meisten Menschen nicht mehr gebraucht werden. Was mit dieser Klasse nutzloser Mensch tun?
Yuval Hoah Harari erwartet eine posthumanisitsche Gesellschaft voll mit technologischer Kontrolle. Die Algorithmen geben eine neue Ethik vor, der jeder sich zu beugen hat. Verloren ist da nichts, da Yuval Hoah Harari das Ich, das Selbst und seine Freiheit als Illusion begreift.
Soweit so schrecklich.
Meine Kritik an dem Ansatz des Yuval Hoah Harari ist vielfältig.
- Ich sehe sein Menschenbild ungenügend begründet. Ich würde dem das Menschenbild der Bibel entgegenstellen, wo die Menschen mit Freiheit ausgestattet sind und wo es zwar Gesetze und Regeln gibt, aber durch das Blut Christi weder ein Recht noch überhaupt die Möglichkeit einer Verurteilung auf der Grundlage geistiger oder ungeschriebener Gesetze. Werden die Gesetze klassisch juristisch wirksam, so muss jedem Urteil ein ereignisoffenes und faires juristisches Verfahren mit Anhörung des Beschuldigten vorangehen.
- Ich sehe die Einschätzung der technischen Möglichkeiten stark überbewertet. Biotechnologie ist eine von ihren Möglichkeiten stark überschätzte Technologie. Erfolge sind selten und noch seltener ohne heftige Nebenwirkungen. Kunstfleisch ist sehr energieintensiv in seiner Herstellung und benötigt Input von krebserzeugenden Einflüssen, um das Kunstgewebe überhaupt wachsen zu lassen. Anreicherung von schädigenden Möglichkeiten in einem Virus wird kaum ein Killervirus schaffen, weil jede zugefügte Eigenschaft Kosten hat - zum Beispiel auf die Möglichkeit, der Verbreitung. Auf der anderen Seite sind die neuen "Impfstoffe" kaum in der Lage effektiv zu schützen. Menschengemachte Geschöpfe werden immer Qualgeschöpfe mit heftigen Unzulänglichkeiten sein. Das Funktionieren und die Möglichkeit natürlicher Geschöpfe ist sehr komplex und wir sind weit entfernt davon, es zu verstehen. Das Aufklären des menschlichen Genoms hat wenig dazu beigetragen den Menschen zu verstehen - allein, weil die Vielfalt der darin enthaltenen Möglichkeiten nicht verstanden sind und die Interaktion mehrerer Geschöpfe immer komplexitätsstiftend und möglichkeitserweiternd hinzukommt.
- Ich sehe die Möglichkeiten von KI stark überschätzt. Der Mensch ist bei weiten zu komplex, um von KI verstanden zu werden. Das Element der persönlichen Freiheit und damit der Möglichkeit, komplett unvorhersagbare Reaktionen zu zeigen, gehört da zu den Features, die eine umfassende Hackbarkeit vermeiden. Nehmen wir noch das Wissen um die Manipulationsmöglichkeiten von KI hinzu, so kann der Mensch bewusst Entscheidungen der Maschine ablehnen. Die KI, die ich aktuell nutze halte ich für sehr hilfreich. Sie gibt mir wichtige Inspiration aber niemals einen Inhalt, der unüberprüft für sich stehen kann. Dazu ist die Gefahr, Unfug für wahr zu halten, viel zu groß. Und diese Gefahr wird mit jeder Halluzination, die Ki dem globalen Internetwissen hinzufügt, größer und nicht kleiner.
- Ich sehe das extreme Überflüssigwerden von Menschen als übertrieben. 1982 war ich in der Oberstufe. Neben mir saß ein Schulfreud, dessen Vater grade seine junge Firma an IBM verkauft hatte. Diese Firma hatte Software zur Erstellung von Steuererklärungen etc. entwickelt. Nun war sein Vater in dem Prozess des Anlegens von viel Geld und mit ihm seine Familie und da bekam man als Schulfreund etwas mit. Damals ging er davon aus, dass wegen der Möglichkeiten der Computer die Arbeit weniger werden würde und daher investierte er in Freizeitaktivitäten - Sportstudios etc. Klar kam das in gewissem Umfang, aber die Arbeit ist nicht so viel weniger geworden, dass wir nicht wissen, was wir mit der Freizeit tun sollten. Ganz ähnlich war meine persönliche Einschätzung, dass wir wegen der digitalen Möglichkeiten viel Papier sparen würden, ein Irrtum. Das Gegenteil war der Fall. Ein kleiner Fehler im Skript - korrigiert und neu ausgedruckt - fertig. In Tippex-Zeiten hätte die Lösung anders ausgesehen.
- Ich sehe Alternativen zu dem Lebensinhalten der nutzlosen Klasse, die Harari sieht (Drogen und Computerspiele): Die Menschen könnten spirituell, z.B. im Glauben wachsen und so als geistige Größe wertvollen Beitrag zum Besserwerden der globalen Verhältnisse leisten. Sie könnten kunstfertige Produkte fertigen. Sie könnten eine neue Kultur schaffen, die mit geringen Mitteln große Dinge schafft.
- Harari berücksichtigt nicht, dass es eine neue Wirtschaft mit neuem Bedarf an Menschen geben könnte. Hier eine Betrachtung eines möglichen kommenden Kondratieff-Zirkusses, der zahlreiche neue Arbeitsfelder schaffen würde:
https://www.kondratieff.net/the-sixth-kondratieff
- Wer glaubt, der Mensch könnte gottgleich werden, hat offenbar Gott noch nicht kennengelernt.
Insgesamt halte ich Lehren von Yuval Hoah Harari als sehr stark von dem Elfenbeinturm, in dem er sich wohl befindet, geprägt. Das Ausschließen von Menschen vom Produktionsprozess ist auch keine fatale Notwendigkeit, sondern eine politisch geförderte Entscheidung. Bei der Bewertung von Unternehmen, ist eine großer Anteil an Leistung, die für den Gesamterfolg des Unternehmens von Menschen ausgeht, ein belastendes Element. Warum gibt es die Wirtschaft? Ist sie für den Menschen oder ist der Mensch für die Wirtschaft? Ich halte hier ein Umdenken für nötig und auch für möglich. Die Entscheidung, was gefördert wird und was nicht, ist auch eine politische.
Hier eine Kritik des christlichen Oxford-Mathematikers Dr. John Lennox:
https://legitim.ch/gut-zuhoeren-der-verwirrte-wef-vordenker-yuval-noah-harari-erklaert-was-die-globalisten-mit-den-nutzlosen-essern-vor-haben/
Lennox kritisiert das Geschichtsbild von Harari. Dazu eine Überlegung von mir: Der Ansatz der Betrachtung langfristiger Entwicklungen, ist immer in der Gefahr, dass nicht die Realität das Bild formt, sondern dass ein Bild, das jemandem gekommen ist, auf die geschichtlichen Vorgänge angewendet wird und die Realität in dieses Narrativ gepresst wird. Das scheint Harari zumindest zum Teil passiert zu sein.
Lennox kritisiert auch das Menschenbild des Yuval Hoah Harari, das hier deutlich wird (Zitat aus dem Link oben):
„Wir erlangen jetzt wirklich göttliche Macht über Schöpfung und Zerstörung, so wie Gott in den alten Religionen die Macht hatte, Tiere, Pflanzen und Menschen nach seinen Wünschen zu erschaffen. Nun erhält die Menschheit im 21. Jahrhundert mit Bioengineering und künstlicher Intelligenz diese göttliche Macht, Leben zu erschaffen und herzustellen.“
Harari zufolge werden die Hauptprodukte der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts nicht Dinge wie Textilien, Fahrzeuge und Waffen sein. „Die wichtigsten Produkte werden Körper, Gehirne und Köpfe sein. Wir lernen, das Leben zu gestalten … wir rüsten uns wirklich zu Göttern auf“.
Es handelt sich nicht um eine absolut sichere Technologie, sie ist nicht deterministisch und wir können immer noch etwas dagegen tun, sagte er. „Aber wenn wir nicht aufpassen, könnten wir innerhalb des nächsten Jahrhunderts – sagen wir innerhalb von hundert Jahren – erleben, dass sich die Menschheit in biologische Kasten aufspaltet … Mit dem Aufkommen der Biotechnik könnte es möglich sein, wirtschaftliche Ungleichheit in biologische Ungleichheit zu übersetzen, und dann … werden wir erleben, dass sich die Menschheit in Kasten aufspaltet.“
Mein Resümee:
Es ist gut, dass es überhaupt noch Visionäre gibt, die sich Gedanken über zukünftige Entwicklungen machen.
Es ist nicht gut, dass wir auf diesem Feld meist nur den Entwurf von Dystrophien finden und keine positiven Aussichten oder Modelle.
Kennt jemand positive Visionen im Sinne einer offenen Gesellschaft, die kooperativ auf gutes Wachstum, gegenseitige Hilfe und Achtung mit dem Ziel eines besseren Lebens und des Überwindens von Problemen setzt?
Seid Ihr interessiert an Zukunftsgestaltung?
Wie informiert Ihr Euch diesbezüglich?
Tut ihr vielleicht aktiv etwas, um dahingehend das "Gute" anzustreben?
Glaubt Ihr, dass die überkommenden Kräfte (Politiker, Parteien, Wirtschaft, große Firmen) in der Lage sein werden, dieses Land oder vielleicht sogar die Welt zu einem besseren und lebenswerteren Ort zu machen?
Seht Ihr aufkommende Kräfte, die hier erfolgreich sein könnten?
Ich würde mich freuen, wenn ihr trotz dieses gigantisch langen Beitrags, Euch an eine Diskussion beteiligen würdet.
Liebe Grüße
GoodFruit