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"christlich" und "biblisch"

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crepuscularray
Themenstarter
Beiträge : 33

In Instagram steht ein Satz: "Viele wollen sich "christlich" verhalten, aber nicht biblisch." Ich habe den Inhalt nicht verstanden. Bitte mir erklären. Nenne auch bitte zwei Beispiele. Vielen Dank!

Antwort
88 Antworten
Jack-Black
Beiträge : 4211

@crepuscularray In Instagram steht ein Satz:

Super Quellenangabe! 👍 🤡 

 

"Viele wollen sich "christlich" verhalten, aber nicht biblisch." (...) Bitte mir erklären.

Es kommt vermutlich ganz darauf an, wer den Satz in welchem Kontext sagt. Zählt sich der Sprecher selbst zu den "Vielen", dann hält er es für wichtiger, sich gemäß einem bestimmten Verständnis von "christlich" zu verhalten, als sein Handeln strikt entlang beinem bestimmten Bibel-Verständnis auszurichten.

 

Rechnet er sich aber - einem üblichen Verständnis des Gleichnisses vom breiten und vom schmalen Pfad gemäß - nicht zu den Vielen, sondern zu den Wenigen, dann hält er das Wort "christlich" wohl eher für eine Wischiwaschiwort, das auf alle zutrifft, die nicht die einzig wahre Wahrheit, so wie er (und seine wenigen Kollegen) begriffen haben. Diese einzig wahre Wahrheit ist dann vermutlich das, was er aus der Bibel heraus, bzw. in sie hineininterpretiert.

 

Kurz: der Satz kann auf zwei einander direkt entgegengesetzte Weisen interpretiert werden, je nachdem, wer ihn wem gegenüber in welchem Zusammenhang mit welchem Zweck äußert.

Unter "biblisch verhalten" kann man sowohl verstehen, dass sich jemand nicht nur einzelne Bibelpassagen herauspickt, um sein Verhalten zu rechtfertigen, sondern alle, auch die "unbequemen" Passagen als gleich maßgeblich betrachtet.

Exegetisch ist das zwar Quatsch, weil manche Bibelpassagen ganz einfach einander logisch widersprechen und man sich mindestens in diesen Fällen für die eine und wider die andere Bibelpassage entscheiden muß. Aber es lassen sich ja nach 2000 Jahren apologetischer Exegesen-Gymnastik zu praktisch jeder Bibelpassage die unterschiedlichsten Verständnismöglichkeiten finden, sodass jemand zumindest mit hohem sophistischem Geschick (oder sich auf die Dummheit seiner Zuhörer verlassend) behaupten kann, einander widersprechende Bibelpassagen widersprächen sich gar nicht, sondern müssten nur so und so auf "geistliche Art" verstanden werden, wozu es freilich der Hilfestellung des Heiligen Geistes bedürfte...

In der Praxis ist es meist so, dass, da alle Christen zumindest von sich meinen, ihre Weltanschauung basiere auf der sich in den Bibeltexten findenden Offenbarung, sich in Fällen, wo sie intern unterschiedlicher Meinung über einen beliebigen Gegenstand sind, sie der jeweiligen Gegenseite vorhalten, gar nicht wirklich auf Basis der Bibel (= Gottes Wort) zu argumentieren. Im Grunde halten sie sich dann, nur formal umgeschwurbelt,  gegenseitig vor: "Ich nehme die Bibel, also das Wort Gottes, also Gott selbst, ernst, du nimmst sie nicht ernst!"

Da die Gegenseite sich jedeoch ebenfalls als christlich versteht und es zu kompliziert und diskurstechnisch riskant ist, zu erläutern und zu definieren, was "christlich sein" eigentlich bedeute, greift man zum rhethorischen Trick der Begriffsverschiebung:

Das Wort christlich wird ja ohnehin im Alltagsgebrauch selten streng verwendet, sondern nur vage, indem damit ein paar Tugenden, Marotten oder Untugenden konnotiert sind wie: friedlich, ehrlich, vergebend, duldsam, brav, verklemmt, hoffnungsvoll, naiv, altmodisch gekleidet... Kurz: die Klischees, "wie se nu mal sind, die Christen". Wenn nun der eine Christ dem anderen Christen nicht das Christsein absprechen will (weil aus solchen Aktionen gern mal echter Streit, Beleidigtsein, Klagen oder, historisch nachgewiesenermaßen, auch mal veritable Kriege resultieren), verschiebt man den Bedeutungsinhalt von "christlich" genau da hin: in's Klischeehafte. Damit unterstellt man dann der christlichen Gegenseite, sie vertrete nicht eigentlich die wahre Lehre Jesu Christi, bzw. Gottes, sondern nur irgendwelche wenig substantiellen Sekundärtugenden und Klischees.

Da wird dann "biblisch" zum neuen, wahren "christlich". Ein semantischer Kniff, nichts weiter.

Nenne auch bitte zwei Beispiele.

Gleiches Beispiel für beide Positionen:

A: "Ich glaube nicht, dass Sündern von Gott ewig (also ohne zeitliche Begrenzung) in die Hölle geworfen werden."

B: "Aus Sicht der vielen, die keine Ahnung haben und sich dem Zeitgeist anbiedern, mag das eine christliche Position sein, aber in der Bibel an der Stelle XYZ steht eindeutig, dass die Hölle existiert und dass manche Sünder ewig darin leiden werden! Du schließt dich also einer möglichen Mehrheitsposition von Christen an, aber das ist unbiblisch und somit glaubst du den Vielen mehr als Gott!"

Umgekehrt:

A: "Ich glaube aufgrund der Stelle XYZ, dass es eine Hölle gibt, in welcher Sünder für ihre Taten ewig werden leiden müssen!"

B:"Das ist eine biblizistische Betrachtungsweise, die erstens nur von ein paar Radikalinskis vertreten wird, und sich zweitens zu sehr an den Wortlaut klammert, aber die christliche Kernidee (für die es ja auch haufenweise Bibelpassagen gibt) eines gnadenvollen, versöhnlichen und liebenden Gottes ignoriert. Indem du zu sehr am Buchstaben klebst, ignorierst Du den inhaltlichen Kern des Christentums, der in der Liebe besteht. Und endlose Strafe läßt sich unmöglich mit der Liebe Gottes zusammen denken!"

 

 

 

 

 

Ceterum censeo, dass das Alignmentproblem gelöst werden muss.

jack-black antworten
3 Antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 23895

@jack-black 

Zum Beitrag

Im Post an Lucan ist der link.  Wenn man auf der entsprechenden Seite etwas weiter runterscrollt (kann man auch ohne einloggen bei Instagramm lesen) steht dieser angefragte Satz als oberster in einer Phrasensammlung.

Ich habs gefunden, dann sollte dir das auch möglich sein.

Es kommt vermutlich ganz darauf an, wer den Satz in welchem Kontext sagt.

Gute Anmerkung. Denn einfach so in den Raum gestellt, kann sich jeder denken was er will und ihn für Unfug oder Nachdenken anregend halten.

Den Rest deiner Predigt habe ich jetzt nicht gelesen.

deborah71 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4211

@deborah71 Den Rest deiner Predigt habe ich jetzt nicht gelesen.

 

😀

jack-black antworten
Channuschka
(@channuschka)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 4795

@jack-black Also, inhaltlich hast du mit vielem recht, bei manchem könnte ich auch widersprechen.

Aber deine Worte könntest du wenigstens im Bereich "Authentisch Christsein" mit etwas mehr Rücksicht auf diejenigen wählen, die sich als solche sehen. Denn das du sehr von außen und dem ganzen sehr skeptisch gegenüberstehend argumentiert ist sehr offensichtlich.

Und falls du mehr Reaktionen willst. Wähl einfacherer Sätze und schreib kürzere Beiträge. Dann hat man auch mehr Lust, es zu lesen. Nicht in jedem Zusammenhang ist eine (pseudo)wissenschaftliche Erörterung eine sinnvolle Antwort - und nicht in jedem Zusammenhang möchte ich auf eine solche inhaltlich reagieren. Hier z.B. möchte ich das nicht.

channuschka antworten


Channuschka
Beiträge : 4795

@crepuscularray 

Der Satz unterstellt einfach, dass "biblisches" Verhalten ein größeres Opfer fordert als ein Verhalten das gemeinhin als "christlich" angesehen wird.

Zum Beispiel: Nächstenliebe ja, aber allen Besitz aufgeben lieber nicht.

channuschka antworten
lhoovpee
Beiträge : 3027

@crepuscularray 

Ich kenne diesen Satz vor allem von evangelikalen Christen, die sich von traditionellen Landeskirchen abgrenzen wollen. Die Landeskirchen hätten sich angeblich von der biblischen Lehre entfernt. Nur die *FügeFreikircheXYZEin* verhalte sich biblisch und somit richtig. Mit "biblisch" ist dann eben jede Interpretation von *FügeFreikircheXYZEin* gemeint.

Eher selten sind damit aber auch christliche Traditionen gemeint, die nicht in der Bibel selbst vorkommen, aber sich in den Kirchen etabliert haben, wie z.B. Weihnachten feiern oder den Gottesdienst Sonntags um 10 Uhr starten zu lassen. 

lhoovpee antworten


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