Nur christlich oder nicht zuallererst jüdisch?
Hallo,
vor über 30 Jahren habe ich noch erlebt, dass ein Ältester in einer freien Gemeinde sinngemäß zu mir meinte, „wir Christen“ seien jetzt Gottes Volk. (Ich hoffe sehr, dass er das inzwischen anders sieht)
Die Begriffe altes und neues Testament sind für uns Christen normal.
Pharisäer steht als negativer Begriff für herzlose Gesetzlichkeit und Heuchelei.
Selbst stört mich das bereits länger und ich fühle mich da mit einigem unwohl. Bin ich doch als Heidenchristin bloß eingepfropft und darf an Jesu Opfer teilhaben. Gott sein Volk nie verstoßen oder ersetzt.
Gestern habe ich mal angefangen, mir auf Bibel TV die Reihe „Die Bibel aus jüdischer Sicht“ anzusehen und ich gestehe, dass auch für mich einiges was die inzwischen verstorbene Ruth Lapide, möge ihre Erinnerung ein Segen sein, so sagte, arg herausfordernd ist. Aber es fordert eben heraus und ich habe schon viele neue Denkanstöße erhalten und einiges gelernt.
Was ich sagen möchte, nach meiner Wahrnehmung fehlt mir häufig in christlichen Kreisen die Anerkennung des jüdischen Erbes und das Bewusstsein, dass die Juden unsere älteren Geschwister sind.
Ich würde das hier gerne mal zur Diskussion stellen. Auch was ihr von der oben erwähnten Sendereihe haltet.
@ga2 Pharisäer steht als negativer Begriff für herzlose Gesetzlichkeit und Heuchelei.
Ich frage mich, ob es da nur eine Ansicht auf jüdischer Seite gibt. Da gibt es sicher Menschen, die Jesus komplett ablehnen, dann erwarte ich, dass die messianischen Christen Jesus annehmen - aber unter denen vermute ich solche, die das Evangelium und den neuen Bund als "Alter Bund 2.0" betrachten, aber dass es sicher auch einige gibt, die den neuen Bund als wirklich Neuen Bund betrachten.
Jesus hatte seine ganz spezielle Sicht auf die Pharisäer und aber auch spezielle Erfahrungen mit dieser religiösen Gruppierung:
https://www.bibleserver.com/search/LUT/Pharis%C3%A4er
Wenn man da mal durchscrollt, wird einem nicht besonders viele positive Aspekte auffallen.
Wenn also die Pharisäer irgendwie gemocht werden, dann hat das Ursachen. Und wenn ich mir grad auch in den USA ansehe, was für theologische Gruppierungen da Oberhand bekommen, dann sehe ich wie das langsame Aufkeimen der zarten Pflanze "Evangelium" mal wieder zertrampelt wird, durch Heiligungsbewegungen, durch Werkgerechtigkeit und in der Folge dann Richtgeist und Verurteilungen.
Es gibt auch fromme Kreise in Deutschland, die so drauf sind, die sich für besonders fromm und gut halten - und die haben meist auch für die Pharisäer Verständnis.
Das Problem hier: Es ist offenbar die radikale neue Ausrichtung des neuen Bundes nicht verstanden worden. Man tut so, als sei das Evangelium ein um Menschen aus den Nationen erweiterter Alter Bund - mit Gesetzen, die immer noch mit verdammender Wirkung angenommen werden.
So wird dann erreicht, dass es garantiert kein Himmelreich geben wird. Denn so ein System bringt die Voraussetzungen dafür nicht mit, weil es jede kleine Pflanze gleich wieder mit Gesetzlichkeit zertrampeln wird. Da bricht etwas aus, da gibt es etwas Gelingen, da geht dann etwas schief - und schon sind die Geier da und zerlegen alles, was mal so zart angefangen hat: Ich habe es ja schon immer gewusst. Die haben ja damals schon dies oder jenes gemacht. Man hätte auf mich hören sollen ...
Und dann reibt Satan sich die Hände, weil Christen es nicht blicken und es einfach nicht gebacken kriegen.
Das Evangelium ist radikal, wie auch der Kreuzestod Christi und die Auferstehung eine radikale Veränderung mit sich brachte. Jesu Blut ermöglicht es uns, das Gesetz als Kompass zu nutzen und uns frei zu bewegen. Wir brauchen nicht in Tunnelsystemen mit harten Wänden rumvegetieren - wir können leben, wir können lieben und wir können so die Welt transformieren und Jesus verkündigen, ihn in uns zu anderen bringen.
Keiner hat mehr das Recht zu verurteilen - nicht einmal wir uns selber. Aber keiner hat auch mehr das Recht, andere zu verurteilen. Da ist kein Raum mehr für Hass, da ist kein Raum mehr für Überheblichkeit, da ist kein Raum mehr auf Vergleichen mit anderen - aber da ist viel Raum, um auf Jesus zu blicken und in seinem Sinne und unter seiner Führung ganz große oder auch ganz kleine Dinge zu tun - je nach dem, wie ich im Glauben gereift bin und welche Aufträge ich durch den Heiligen Geist erhalten.
Ich verstehe ja die Pharisäer Fans: der alte Bund brachte Grundlagen mit für streng hierarchische Systeme, für totalitäres Herrschen, für ordnende Eingriffe. Es gibt Menschen, die ziehen das so vor. Aber so leben sie nun mal an Jesus vorbei. Sie bauen menschengemachte Systeme und wundern sich, dass diese Jesu Verheißungen nicht erfüllen. Ja sie verbieten sogar ein Anstreben von den Verheißungen, die Jesus uns gemacht hat, sie diskutieren sie weg, sie verdrehen Gottes Wort, um dieses Zerrbild von Kirche aufrechterhalten zu können.
Dieser Geist hatte sich schon ganz bald wie Mehltau auf das Evangelium gelegt. Politiker erkannten, welches Potenzial in so einem entkräfteten Evangelium lag, um Menschen zu manipulieren, um auf einfache Weise und mit wenig Aufwand, kriecherische Untertanen zu bekommen.
Auf eine Weise ist das sicher auch mit intaktem Evangelium eine gerechtfertigte Perspektive, denn Jesus hat nie nach weltlicher Macht verlangt oder diese angestrebt. Aber er hat den Kaiser auf den Platz verwiesen, der ihm zusteht, wenn er darum bemüht war, in die geistliche Welt, in Gottes Reich hineinzuwirken - und sei es nur, um diese Dimension manipulativ zu nutzen.
Kaiser Augustus hatte ein totalitäres System geschaffen, bei dem vermutlich bis in die Gedanken hinein Menschen ausgespäht wurden. Gottes Gesetze waren da völlig ausreichend, um die Gesetze zu erfüllen - mit ein paar speziellen Extras wie Tempelsteuer oder Veränderungen in Bezug auf die Lebensformen wie die zuvor noch mögliche Vielehe - aber die war damals wohl schon eher auf dem Rückzug. Das war schon noch zu bewältigen.
Die Pharisäer sprangen auf dieses Boot auf und forderten dieselben Dinge wie der Kaiser aus geistlicher Perspektive und mit ähnlich richtendem Unterton. Das hatte das Potential jede Gottesbeziehung zu ruinieren, Gott in eine Position hineinzudrängen, wo er nicht sein wollte. Das, was helfen sollten, zu Schaden zu kommen und auf Gottes Wegen zu bleiben, wurde derart missbraucht, dass die Herzenshaltung, die Gott dabei wünschte, schier unmöglich war. Keiner kann die Ebene der Liebe bewahren, wenn Gutes-tun mit der Knute erzwungen wird.
Jesus hat uns gelehrt, wie gute Nachfolge gelingt - und da sehe ich aus den worten Jesu keine Option im Weg der Pharisäer.
Augustinus, der eine etwas wildere Zeit hinter sich hat, der verheiratet war und ein Kind gezeugt hat, der in eine extreme griechisch-philosophische sehr asketische Sekte hineingeraten war (Mani), die ihn wohl mehr prägte als wie er selber wahrhaben wollte.
Er verlies Frau und Kind und nahm von den alten Mani-Kumpels in die feine Gesellschaft eingeführt und durch seine Helikopter Mutter Monica in diese Position gedrängt jene Stelle an, in der er mit seinen theologischen Überlegungen das ganze Mittelalter auf der christlichen Seite theologisch prägen sollte.
Hier brachte er dann theologische Vorstellungen der Pharisäer grundlegend mit ein und führte so die Macht-dienende Kirche mit theologischen Konstrukten, die nicht nur die christlichen Vorstellungen, sondern auch die Augustuschen Machtprinzipien miteinander verbanden, in ein Gottesbild und ein Ideal ein, das die Welt vom Weg des Himmelreichbauens wegbrachte.
Auf diesen Weg scheinen sich jetzt wieder mächtige amerikanische Christen begeben zu haben. Die Calvinisten sind es eh, denn Calvin hat im Grunde genommen die Augustinischen Konzepte aufgewärmt und wirkt mit Richtgeist Vorverurteilung und trennender Ausrichtung verheerend in die christliche Welt hinein. Dabei muss man jedoch Calvin in Schutz nehmen: Er hat erkannt, dass seine Prädestination nicht zu Vorverurteilungen führen dürfe, weil das zum einen Christen nicht zusteht, solche Entscheidungen zu treffen noch ein Christ am Äußeren in das Herz eines Menschen schauen können. Aber weil es machtpolitisch so praktisch war, haben dann irgendwann seine Nachfolger das etwas umgedeutet.
Du siehst, lieber Goldapfel, ich kann da wirklich kein gutes Stück an de Theologie der Pharisäer erkennen. Ja, sie sind die Braven - aber sie sind auch die Ängstlichen, die Dämpfenden (selbst, wo wir definitiv nicht dämpfen dürfen!), die Kontrollierenden und Beschränkenden. Damit können sie schöne menschengemachte Kirchen und sozialen Konstrukte schaffen, denen eins gemein sein dürfte: Gottesferne. Denn aufrichtige und umfassende Liebe kann in so einem Umfeld nicht gedeihen und auf von Gott geleitete Wege kann man sich auf so einem Fundament ja auch auf keinen Fall einlassen. Um alles kontrollieren zu können, muss alles durch Menschen geschehen, muss alles genau geplant sein. Dumm nur, das man so niemals auch nur in die Nähe zu Himmelreich kommt. In den blasen mag es für die propagandistisch Verblendeten nett sein. Aber so, wie man in die Nähe der Grenzen kommt, erahnt, was Gott wirklich mit den Christen vorhat, droht die Blase, in der man sich da befindet, zu platzen. Und es mag dann eine harte Zeit folgen - aber es ist das eine Befreiung!

Guten Abend, da wäre ich skeptisch :
"Augustuschen Machtprinzipien miteinander verbanden, in ein Gottesbild und ein Ideal ein, das die Welt vom Weg des Himmelreichbauens wegbrachte" Da hätten die Pforten der Hölle ja doch Jesus seine Ekklesia überwunden - das kann unmöglich sein :). Ca. 1100 Jahre ein völlig falsches Verständnis in der Christenheit bezüglich dem "Reich Gottes" wäre das eigentlich schon gewesen, ein Worst Case...Das hätte doch jeden jüdischen Abfall im alten Testament in den Schatten gestellt. Verstehst Du wie ich meine? Wenn von aussen klar Erkennbare und Differenzierbare Christenheit in so etwas wie dem Reich Gottes völlig auf dem falschen Dampfer gewesen wäre, das passt doch nicht zu den Verheißungen Christi für die Gemeinde. Andere Gemeinschaften traten nur sporadisch zutage und hatte auch keine Einheitliche Theologie oder Struktur. Außer die Ortodoxen, aber die waren ja nach Augustin noch lange vereint.
Bezüglich der Eingangsfrage würde ich sagen (ohne Theologische Hintergründe eindeutig zu kennen)
Israel als "Bund" gibt's nicht mehr - wir haben den neuen.
Israel als von Gott gegründete Ethnische Gruppe gibt es noch und die Floriert regelrecht.
Das zweite muss vermutlich in den neuen Bund finden.

w@kappa Da hätten die Pforten der Hölle ja doch Jesus seine Ekklesia überwunden - das kann unmöglich sein :). Ca. 1100 Jahre ein völlig falsches Verständnis in der Christenheit bezüglich dem "Reich Gottes" wäre das eigentlich schon gewesen, ein Worst Case...
Worst Case wäre, wenn das nie bemerkt worden wäre. Aber Du hast schon recht: Die Christenheit ist über Jahrtausende der vollen Höhe und Breite des Evangeliums betragen worden. Teilweise sieht es für mich so aus, dass eher Maßnahmen ergriffen wurden, um die Menschen davon abzuhalten, Gottes Wort zu lesen und Jesu Worte wirklich zu verstehen, denn als diese bekannt zu machen und umzusetzen. Hätte man das getan, würde die Welt heute besser aussehen: Weniger Leid, mehr Frieden und Freude, eine höhere auch technologische Entwicklung.

Kleiner Nachtrag mit Literaturempfehlungen:
1) Heidnisches Christentum?: Über die Hintergründe mancher unserer vermeintlich biblischen Gemeindetraditionen Taschenbuch – 8. April 2010, von Frank Viola (Autor), George Barna (Autor), Andrea Perret (Übersetzer)
2) Zeiten der Wiederherstellung: Fundamente für ein authentisches Christsein, von Mike Dowgiewicz (Autor), Sue Dowgiewicz (Autor)
Diese zwei Bücher waren für mich absolut hilfreich, um zu sehen, wie sich die Christenheit und insbesondere die christlichen Gemeinden und ihre Gemeindekultur seit dem Urchristentum entwickelt haben.
Es wird deutlich, wie viele externe Elemente hineingekommen sind und wie die das christliche Miteinander entscheidend verändert haben.
Als Beispiel: Es ist sicher schön, wenn jeder Gottesdienst wie eine Krönungsfeierlichkeit für einen römischen Diktator gefeiert wird - allein der Ehre wegen, die Jesus da zukommt. Aber es ist das etwas anderes als der Gottesdienst z.B. im Haus der Lydia, wo die Gemeinde in der größeren Wohnung eines Gemeindegliedes zusammenkommt und jeder etwas zum Gottesdienst beiträgt. Aus dem Miteinander, der Gemeinsamkeit wurde eine frontale Aufführung, ein Expertenteam, das die Gemeindeglieder in der Unmündigkeit hält und Inhalte bestimmt, definiert, was richtig ist und mehr präsentiert denn moderiert.
Das ist eine andere Welt und das Christsein bekommt da einen anderen Anspruch. Ich meine, dass da viel verloren ging. Aber das ist eben nur ein Beispiel - es gibt da soooo viel mehr.
Das Christentum, das sich um das geistige Himmelreich kümmern sollte, übernahm quasi das zerfallene römische Reich - und dieser Übergang wurde theologisch von Augustinus ausgestaltet. Dass dabei dann politische Aspekte in die religiöse Agenda mit hineinkam, war klar. Dass aber das Evangelium einer Option zur Verurteilung und zur Klassifizierung von Liebe (ordo amoris) geopfert wurde, war fatal.
Solche theologischen Aspekte können verblassen, wenn es nicht immer mal wieder Menschen gibt, die diese schrägen Konzepte ausgraben und zum Standard erheben wollen. Calvin hat es gemacht und aktuell versucht die amerikanische Ultrarechte sich dieses praktische Tool zum Manipulieren und Betrügen der Christen wieder zu aktivieren.
Ich kenne wenige wirklich biblisch fundierten Aufbrüche. Ich denke da vor allem an die Waldenser und die Mennoniten. Beide gelangten auf der Flucht irgendwann in die Schweiz, verloren da ihren natürlichen und gut fundierten Glauben, weil sie stark calvinistisch beeinflusst wurden. Bei den Mennoniten ging das so weit, dass sie sich ihrer ostfriesischen Heimat kaum noch erinnern, aber dafür oft genug genau sagen können, wann und wo ihre Familie in der Schweiz ihre Ursprünge hat.
Welche Gemeinden jetzt wohl durch die neue calvinistische Welle platt gemacht werden ....

@goodfruit Glaubst Du denn wirklich, dass Generationen von Christen komplett auf dem Holzweg waren?

@chai Glaubst Du denn wirklich, dass Generationen von Christen komplett auf dem Holzweg waren?
Ja, da bin ich mir sogar ziemlich sicher. Wer sich mal mit der Geschichte der Waldenser beschäftigt, der wird da eine Gemeinschaft vorfinden, die die Bibel wörtlich genommen haben und die verschiedene Fehlentwicklungen der katholischen Kirche nicht mitmachen wollten. Sie sind auf das Übelste verfolgt worden. Ohne sie, wäre der Kern des Evangeliums möglicherweise irgendwann verloren gewesen.

Veröffentlicht von: @goodfruit@chai Glaubst Du denn wirklich, dass Generationen von Christen komplett auf dem Holzweg waren?
Ja, da bin ich mir sogar ziemlich sicher. Wer sich mal mit der Geschichte der Waldenser beschäftigt, der wird da eine Gemeinschaft vorfinden, die die Bibel wörtlich genommen haben und die verschiedene Fehlentwicklungen der katholischen Kirche nicht mitmachen wollten. Sie sind auf das Übelste verfolgt worden. Ohne sie, wäre der Kern des Evangeliums möglicherweise irgendwann verloren gewesen.
Die Geschichte der Waldenser ist ja schon eine Weile her.
Ich selber bin in einer landeskirchlichen Gemeinschaft aufgewachsen und da war sicher nicht alles gut.
Aber ich würde nicht behaupten, dass die komplett auf dem Holzweg waren.
Da wurde der Glaube schon sehr ernst genommen. Mir war's manchmal eher zu ernst.

Hm, versuche es doch mal aus katholischer Sicht des Mittelalters zu sehen. Im Mittelalter hätte man das Selbstverständnis einer globalen Kirche, das war völlig normal. Man glaubte Real das katholische Verständnis wäre die seit den Aposteln und Kirchenvätern überlieferte Wahrheit, die es zu schützen galt.
Dann gab es immer wieder die Erfahrung, das mit den Schriften diverse Sektiererei (auch nach heutigem üblichen oder protestantischen Verständnis) betrieben wurde.
Die meisten Leute konnten eh nicht lesen (Ein Buch nützte ihnen erstmal nichts) und man konnte ihnen aus der Bibel alles mögliche Erzählen. Man kann auch heute noch -wenn man es will- alles mögliche herauslesen oder -reinlesen oder gar mutwillig verfälschen beim Übersetzen. Das ist komplex.
Auch der Irre Mörder David Koresh aus den 90ern bezog sich auf die Bibel.
Damals waren Bücher extrem teuer, kaum jemand hatte eine zum "Abgleich" Zuhause. Mit einer Bibel "bewaffnet" und bösen Willens, hätte man mit der absoluten Mehrheit der Menschen Heräsie und Schindluder betreiben können.
Deshalb schützte die katholische Kirche im Westen wenn man so will, das "Monopol". Nicht weil man die Schriften den Gläubigen nicht "gönnte", sondern weil sie schnell verdreht werden können oder aus dem traditionellen Kontext gerissen werden. Sola Scriptura als Prinzip gab es ja vor Luther gar nicht meines Wissens.
Heute ist das anders. Wer will hat eine Bibel Zuhause und per Knopfdruck können Theologien und Entstehung der Gemeinden und Kirchen geprüft werden.
Man darf auch nicht vergessen das Zentrum des katholischen Glaubens bzw. das Gewichtigste ist die gefeierte Kommunion, das Abendmahl, nicht die Lehre. In der Messe begegnet man Christus, an seinem Tisch. Natürlich gepaart mit Heiligung - die auch so vermittelt wurde. Ich bin mir nicht sicher aber ich glaube im Protestantischen liegt das Gewicht auf dem Wort. Ich will damit sagen daß es aus katholischer Sicht im Mittelalter vertretbar war, aus Gründen der Ordnung die Zugänglichkeit der Schriften zu überwachen oder einzuschränken.
Liebe Grüße, Eddie

@kappa Hm, versuche es doch mal aus katholischer Sicht des Mittelalters zu sehen. Im Mittelalter hätte man das Selbstverständnis einer globalen Kirche, das war völlig normal. Man glaubte Real das katholische Verständnis wäre die seit den Aposteln und Kirchenvätern überlieferte Wahrheit, die es zu schützen galt.
Das kann ich nachvollziehen und das stimmt sicher auch so. Allerdings hat die Kirche Entwicklungen durchgemacht, die sie von zentralen Aussagen und Bedeutungen des Evangeliums entfernt haben.
Wir haben bei Kaiser Konstantin diese Vereinnahmung durch den römischen Staat (und da war ja erst der Anfang einer entsprechenden Entwicklung). Schon bei Konstantin kam eine Vermengung von Jesus Christus und Sol invictus zustande. An dem Punkt steigen die Adventisten schon aus. Irgendwann war dann ja auch der Sonntag die christliche Entsprechung des Sabbat. Ich weiß nicht, ob dieser Shift um einen Tag so bedeutsam ist. Aber man kann es als theologische Aussage deuten und es ist das einerseits ein Abdriften vom Evangelium und andererseits eine Hineinnahme von heidnischen Inhalten.
Von der Sorte kam noch ne ganze Menge dazu. Die Kirche verweltlichte mehr und mehr. Die Kirche verlor den Laien als Nachfolger Christi - die Laien fanden sich mehr in der Rolle der Nachfolger einer Kirche wieder.
Dazu kommt, dass die Kirche bei der Wahl ihres Machterhaltungsbestecks auf bewährte Methoden zurückgreift, die einmal Kaiser Augustus eingeführt hat. Der Kirchenstaat war ein Terrorstaat mit Inquisition als sichtbarster Hinweis darauf. Das hatte nichts mehr mit "Himmelreich bauen" zu tun. Da konnte man auch die Bergpredigt nicht mehr drin finden. Das war nur noch ein beinharter Machtapparat.
So etwas hat Konsequenzen. Auf Terror und Denkverbot folgt in der Regel kultureller Niedergang. Das war damals nicht anders. Da, wo das Mittelalter als leere Epoche wahrgenommen wird, kommt zum Ausdruck, was passiert ist. Man hatte kulturell fertig. Nichts ging mehr, nichts passierte mehr - und die arabische Welt hatte die christliche Welt komplett überholt.
Das erste Nennswerte, was diese zerfallene Welt zustanden brachte, waren üble rein destruktive Aktionen: die Kreuzzüge. Irgendwie erinnert mich das an Russland. Außer Zerstörung bekommen die nichts gebacken. und die Ursachen sind dieselben: stark zentralisierter Terrorstaat mit Denkverboten. Gute Nacht Kultur!
Bei den Kreuzzügen bemerkten die Christen aber, dass woanders in der Welt die Zeit nicht so stehengeblieben war wie bei ihnen. Neue Technologien und Techniken wurden da entdeckt - d.h., es waren die Entdeckungen anderer, die jetzt in die heruntergekommene Kultur des Mittelalters Einfluss nahmen. Sie dürften auch mit die Vorbereitung der Renaissance beflügelt haben.
Das Evangelium brachten die Kreuzritter aber ganz sicher nicht mit. Dafür brauchte es Gruppierungen wie die Waldenser, die es verbreiteten und die damit die Zeit der Reformation vorbereiteten. Luthers Mentor war wohl von den Waldensern beeinflusst.
Luther störte sich ja vor allem auch an Äußerlichkeiten, am dekadenten Leben im Vatikan. Der Erlasshandel war ja auch eine theologische Unmöglichkeit, aber ein guter Trick, den ganzen Pomp zu finanzieren.
Vom Evangelium war die Kirche da jedenfalls schon meilenweit entfernt. Wo war die Feindesliebe? Wo war der Zwang zur Vergebung (als einziges Problem, das einer Errettung für die Ewigkeit nach Jesus im Wege stehen konnte? Wo war die Nächstenliebe? Wo war die Achtung vor dem Nächsten, die Bereitschaft, sich selber kleiner zu machen? Wo war die Bereitschaft in Not zu teilen? Wurden die von Jesus in der Bergpredigt eingeführten Kriegstechniken eingesetzt? War es dieser Mix aus Liebe und Schläue, der Konflikte überwand?
Die Kirche war zum gigantischen, in seinen starren Formen eingefrorenes Monster geworden. Sie passte nicht mehr zum Mann aus Nazareth und seinem Weg, Jünger zu machen, die von ihm gestiftete Errettung und Befreiung zu leben.
Damals waren Bücher extrem teuer, kaum jemand hatte eine zum "Abgleich" Zuhause. Mit einer Bibel "bewaffnet" und bösen Willens, hätte man mit der absoluten Mehrheit der Menschen Heräsie und Schindluder betreiben können.
Erinnert mich irgendwie an die theologischen Ansätze eines J.D. Vance - denn genau das praktiziert er ja.
Es gibt aber noch andere Wege, Glaubensinhalte weiterzugeben. Wo ist zum Beispiel der Lehrer, der den Menschen lehrt, die Stimme des Vaters oder des Herrn zu hören? Wo hört man nicht nur biblische Erzählungen, sondern erfährt von der praktischen Umsetzung, die mehr ist, als nur ein reformiertes oder geformtes Mindset.
Ich sehe die Probleme wirklich, wie ich sei formuliert habe. Und ich habe große Befürchtungen, wenn jetzt wieder Calvins Lehren ins Zentrum rücken - oder gleich Staatsmodelle ala Augustus aufgesetzt werden sollen. Das macht nicht great, das macht kaputt und dumm!

@goodfruit Ja man kann schon sagen irgendwann waren nur noch die Mönche / Pfarrer und wenige andere des Lesens mächtig. Luther wollte mit der Übersetzung ins sächsische den Menschen die Möglichkeit geben die Bibel zu lesen. Da gab es dann als Nebeneffekt neue Schule, denn die Leute musste ja erst einmal lesen können um die Bibel zu lesen. Die Leute konnten damals eher die Bilder lesen und verstanden Dinge, die man heute erklären muss.
Dazu gehören liturgische Farben. Wir haben in unserem Kirchenfenster Gänseblümchen und Löwenzahn, das verstand man in der Gotik. Heute? nun das Gänseblümchen ist mit einem roten Fleck Jesus hat sich wo verletzt, manchmal auch Maria - siehe das Lied Maria durch ein Dornwald ging. Löwenzahn mit Bezug auf Maria die Löwenmutter, der Stamm Juda hat den Löwen als Wappentier, daher auch Jerusalem.
@ga2 Es gibt Gemeinden die verbreiten die Nachricht die auch ein Denkanstoß ist, das Judentum ist die Wurzel.
Die Wurzel trägt dich, nicht du die Wurzel.
Das mit der Ablösung des Judentums durch das Christentum ist eigentlich überholt. Mit gefällt das Papst Johannes Paul II der Juden als ältere Geschwister bezeichnete.

Mit gefällt das Papst Johannes Paul II der Juden als ältere Geschwister bezeichnete.
Ich liebe die Verbundenheit zu und mit den Juden. Ich würde mir wünschen, wir wären Geschwister. Aber wenn ich mir in Jesu Worten ansehe, was Menschen zu Kindern Gottes macht, dann gibt es da ein großes Problem ...

@goodfruit Nun ich denke es ist der gleiche Gott und daher ist eine Judenmission nicht nötig. Vor kurzem hat Johannes Gerloff auf youtube eine Sendung zu messianischen Juden hochgeladen. Es gab da eine Diskussion auch in christlichen Foren da man einen Stand messianischer Juden auf dem evangelischen Kirchentag nicht zugelassen hat. Den Kirchentag zu kritisieren scheint für manche auch ein Sport zu sein. Anscheinend hat der Zentralrat der Juden in Deutschland hier Befürchtungen der Judenmission.
Gerloff schlägt vor Gott zu fragen, ob Judenmission für einen ein Weg wäre, er ist also nicht grundsätzlich dagegen. Er kennt gar Leute die sind inzwischen in hebräisch-sprachigen christlichen Gemeinden. Es gibt da orthodoxe und sogar eine römisch-katholische, oder lateinische wie man dort sagt.
Mir fällt da wieder ein Witz ein.
Der Pfarrer und der Rabbi haben auch über Jesus diskutiert.
Wir sind also einig wenn Jeschua wieder kommt ist es für dich ein unbekannter Sohn Davids für mich Jesus Christus.
Meint der Rabbi. Ja, aber ich frag ihn ob er schon mal da war.
Danke schon mal für eure Antworten. Ich bin auf noch mehr Sichtweisen gespannt und werde euch etwas später mit etwas mehr Ruhe und Zeit antworten.
sinngemäß zu mir meinte, „wir Christen“ seien jetzt Gottes Volk. (Ich hoffe sehr, dass er das inzwischen anders sieht)
Ich würde aus dieser Aussage nur das 'wir' und 'jetzt' streichen, und dann kann ich voll dahinter stehen, "Christen sind Gottes Volk".
Johannes Kapitel 10 macht den Sack zu. Jesus sagt dies zu den Pharisäern, "Ich bin der gute Hirte; ich kenne meine Schafe, und meine Schafe kennen mich [...] Aber ihr gehört nicht zu meiner Herde, wie ich euch schon gesagt habe, und darum glaubt ihr nicht. Meine Schafe hören auf meine Stimme." Und dann kannst du dir noch Hesekiel, Kapitel 34 gönnen.
Ob jemand zu Gottes Volk gehört, hängt nicht davon, zu welchem Volk jemand gehört. Und das ist bereits im Alten Testament so. Abraham war kein Jude, und das ist ja genau der Punkt, den Paulus macht, Zugehörigkeit zu Gott ist nicht vom Gesetz und von der Abstammung abhängig.
Was nun dein Ältester in deiner Gemeinde vertritt, ist eine Sicht, dass die Gemeinde Gottes, das Volk Israel ersetzt hat und Gott Israel verworfen hat. Diese Ansicht teile ich nicht, Gott hat mit Israel einen eigenen Plan, aber es gibt nur einen Namen und einen Weg, durch den wir gerettet werden und der lautet nicht Israel.
Was jetzt aber die jüdische Sicht betrifft, es gibt sicher einige wertvolle Punkte, von denen wir profitieren können. Aber ansonsten gebe ich nicht viel auf die Meinung von Menschen, von denen Gott immer und immer und immer wieder sagt, dass sie nichts auf die Reihe kriegen, stur und uneinsichtig sind. Was für einen Wert hat, eine Meinung welche Gott grundsätzlich nicht versteht oder verstehen will?
Kann man ein Lehrgebäude, welches den leidenden Knecht, aus Jesaja 53 auf das Volk Israel bezieht, ernst nehmen?
Dazu kommt, dass die Lehrmeinung des Judentums, wie wir es heute kennen, sich parallel zum Christentum entwickelt hat. Es ist also nicht älter als das Christentum und es gibt sogar die Meinung, dass sich das Judentum (wie wir es heute kennen) in der Abgrenzung und Apologetik zum Christentum entwickelt hat, also reaktionär und jünger ist.
Juden sind also nicht unsere weisen älteren Geschwister, sondern die schwarzen Schafe der Familie, die lieber ihr eigenes Ding machen, als auf den Vater zu hören.
- gestrichen -
Bitte zuerst die offenen Fragen beantworten.
MfG fr 🙂 sch80-mod