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Mit dem Sterben leben - oder was heißt "es soll alles getan werden"? Was ist Menschenwürdiges Leben für euch?


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Heyda,

ich hab das Privileg, mich bisher nur freiwillig mit dem Tod und dem Sterben auseinander gesetzt zu haben, und rede hin und wieder mit Menschen, die sich da noch nicht so viele Gedanken drum gemacht haben.

Da höre ich immer wieder so Sätze wie "Es soll alles versucht werden", "alle möglichen Therapien sollten gemacht werden"... mit der Hoffnung, lange etwas vom Leben zu haben.

Dabei fehlt es häufig an der Auseinandersetzung und dem Bewusstsein, was das in der Praxis heißt - und dass das in der Regel ALLES heißt, aber NICHT, dass man sein Leben wie vorher weiter leben kann.

Es ist empfehlenswert, sich Gedanken darüber zu machen, was für einen selbst menschenwürdiges Leben bedeutet, darüber mit Angehörigen und Partnern zu reden und bestenfalls das schriftlich festzuhalten, um im Notfall ÄrztInnen die Arbeit zu erleichtern und sie wissen, was das Ziel ist - und auch die Angehörigen davon entlastet werden, mutmaßen zu müssen, was man jetzt eigentlich für sich selbst wollte.

Ich bin potentiell Organspender.

Ich weiß, dass ich nicht im Bett vor mich hinsiechen möchte. Aber ich tue mich schwer damit, mir konkret vorzustellen, was menschenwürdiges Leben ist. Wie sieht das für euch aus?

Um mal Konkret ein Beispiel für die Tragweite zu geben: Man stelle sich vor, ein Mensch bekommt eine Sepsis (wir sind super im Behandeln von Blutvergiftungen, aber wir in Deutschland erkennen sie in der Regel zu spät und es gibt daher im europäischen Vergleich mehr Tote dadurch) - dann kommt es in der Regel zu Blutgerinnungsstörungen, die im Zweifel die Versorgung der Gliedmaßen unmöglich macht und im Koma entschieden werden müsste: Ist es im Interesse dieser Person, dass alles daran gesetzt wird, sie am Leben zu halten und sicher ohne Gliedmaßen bei sehr unsicherer Prognose über Funktionen des Zentralnervensystems dann weiter leben zu müssen? Oder wäre es eher in ihrem Sinne, den Dingen ihren Gang zu lassen?

Das soll keine Diskussion um Sterbehilfe oder ähnliches werden, auch nicht um Organspende. Ich wünsche mir eure persönlichen Ansichten über eure Version davon. Ohne Fingerzeig.

Sowas wie eine Patientenverfügung wird schließlich nur für sich selbst geschrieben und andere dürfen einem nicht Sagen, was da gefälligst drin zu stehen hat 😉

 

Kleiner Aufhänger: Was "Alles soll getan werden" bedeutet: https://www.instagram.com/reel/CvhujOWIXAw/?utm_source=ig_web_button_share_sheet&igshid=MzRlODBiNWFlZA==

 

 

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Lucan-7
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@streptococcus 

Sehr schwieriges Thema.

Ich habe in meinem engeren Bekanntenkreis eine Person, die an Demenz leidet. Vor vielen Jahren haben wir über genau dieses Thema gesprochen, und sie sagte mir: "So möchte ich auf keinen Fall leben, da will ich lieber, dass es vorher zu Ende geht!"

Und jetzt ist sie in genau dieser Situation. Hilflos, kaum in der Lage sich selbst anzuziehen, unfähig sich etwas zu essen zu machen. Sie sitzt den ganzen Tag da und starrt die Wand an. Und das ist genau das, was sie auf keinen Fall wollte und meinte, dass sie dann lieber sterben würde.

Aber die Person, die das vor vielen Jahren sagte, gibt es nun nicht mehr. Und Demenz oder nicht, es gibt immer noch viele schöne Momente. Sie freut sich jedesmal, wenn ich sie mit dem Hund besuchen komme und wir spazieren gehen. Oder wenn ich Schokolade mitbringe.

Was zählt jetzt also... das, was die Person mir sagte, als sie noch bei klarem Verstand war? Oder die Person, wie sie jetzt ist, wo sie zwar in allen Bereichen stark eingeschränkt ist, aber eben immer noch schöne Momente hat, wenn auch nur kurz?

Hätten wir damals einen kurzen Blick in die Zukunft gehabt, und hätte diese Person einen Blick auf sich selbst werfen können in diesem Zustand, dann hätte sie wohl klar gesagt, dass sie das ablehnt und sich womöglich auch für Sterbehilfe ausgesprochen. 

Aber die Person, die sie jetzt ist, sieht die Sache in ihrem eingeschränkten Blickfeld anders.

Deshalb ist es auch so schwer, da im Vorfeld Entscheidungen zu treffen. Natürlich gibt es da noch sehr viel härtere Fälle, mit Schmerzen, Bettlägerigkeit und ohne Aussicht auf schöne Momente. Und natürlich gibt es auch Fälle, wo der Tod eindeutig eine Erlösung und die bessere Wahl ist, wenn man eine solche hat.

Es gibt aber auch sehr viele Grenzfälle. Und ich weiss nicht, aus welcher Perspektive man diese am Besten beurteilt... das ist im Grunde unmöglich.

 

lucan-7 antworten
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(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 26156

@lucan-7 es geht ja nicht um Sterbehilfe sondern im Sinn der Patientenverfügung um die Anweisungen an deinen potentiellen Arzt in einer lebensgefährlichen Situation. Wir können viele Leben retten, aber es ist halt nicht nur Segen sondern auch Fluch. Und daher ist es ja sinnvoll zu sagen, xy (z. B. Beatmet werden) will ich nicht.

 

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Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24816

@streptococcus 

es geht ja nicht um Sterbehilfe sondern im Sinn der Patientenverfügung um die Anweisungen an deinen potentiellen Arzt in einer lebensgefährlichen Situation. Wir können viele Leben retten, aber es ist halt nicht nur Segen sondern auch Fluch. Und daher ist es ja sinnvoll zu sagen, xy (z. B. Beatmet werden) will ich nicht.

Das läuft doch irgendwie auf das Gleiche heraus. Ich rede ja auch nicht davon, Demenzkranke ab einem gewissen Stadium einfach umzubringen. Aber wenn sie dann in eine lebensgefährliche Situation kommen... ist das Leben dann erhaltenswert oder nicht?

Das ist auch dann noch kaum zu entscheiden, wenn man die Entscheidung des Betroffenen, welcher diese Jahre zuvor im geistig fitten Zustand getroffen hat, kennt und weiss, dass er sich sich dagegen entschieden hätte.

 

lucan-7 antworten
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(@deleted_profile)
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@lucan-7 ich habe meine Oma vor Augen, die mit multiorganversagen darum bettelte, sterben zu dürfen, endlich in Ruhe gelassen zu werden. (Sie wurde mangels Verfügung nicht in Ruhe gelassen, sie war nicht glücklich hinterher)

Oder meinen Opa: im KH, Verfügung vorhanden aber vergessen anzugeben. Er erlitt nachts einen Herz-Kreislauf-Stillstand und wollte nicht wiederbelebt werden. Er wurde wiederbelebt, mit irreparablen Hirnschäden erlangte er das Bewusstsein nie wieder. Mir verschaffte es Zeit, mich zu verabschieden, aber ich glaube, er hätte das wirklich nicht gewollt.

Ich denke schon, dass man über sowas Entscheidungen treffen kann, die auch später im eigenen Interesse sind.

Vielleicht ist aber meine Perspektive auch anders, weil es für mich auf andere Art realer ist - ich sehe halt oft, was das dann bedeutet.

Und bei Widerspruch wird sie ja am Ende nicht umgesetzt.

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Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24816

@streptococcus 

Ich denke schon, dass man über sowas Entscheidungen treffen kann, die auch später im eigenen Interesse sind.

Ich habe gehört, dass Patientenverfügungen im Zweifel ignoriert werden. Niemand kann einen Arzt verklagen, der einen Patienten am Leben hält - sehr wohl aber, wenn er den Patienten sterben lässt.

Wenn die Verfügung da nicht wirklich eindeutig ist (Und das sind sie oft halt nicht), dann wird auf jeden Fall wiederbelebt. Schon weil die Mediziner sich da selber absichern müssen.

 

lucan-7 antworten


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@streptococcus 

Wie auch Lucan schon schreibt: ein schwieriges Thema, das möglicherweise TRIGGERN kann.

Auch in meiner Verwandtschaft gibt es eine Person (nur wenig älter als ich), die an fortschreitender Demenz leidet. 
Noch hat sie (bzw. ihre Familie) es dank der Medikamente gut im Griff und ihr Leben, ihren Alltag kann man durchaus als lebenswert bezeichnen. Bis auf einige Aussetzer, Erinnerungslücken, Verständnisprobleme funktioniert alles noch so einigermaßen. 
Aber es wird nicht mehr besser werden - im Gegenteil. Und diese Gewissheit bedrückt uns alle. 

Davor hätte ich Angst, dass es mich ebenfalls treffen könnte. Besonders deshalb, weil man den fortschreitenden geistigen Verfall selbst nicht so merkt wie ihn die Umwelt erkennt. Sehr wahrscheinlich ist es allerdings nicht, denn Demenz kam in unserer eigenen Familie bisher nicht vor. Mein Vater wurde 86 Jahre, meine Mutter 100 Jahre alt - also muss auch ich mich möglicherweise noch auf einige Herausforderungen gefasst machen...

Bei rein körperlichen Gebrechen sehe ich die Sache mit weniger Befürchtungen, solange ich noch handlungsfähig bin und der Kopf gesund bleibt. Aber grundsätzlich geht es mir wohl so wie den meisten Menschen: ich möchte - wenn es soweit ist - lieber abtreten  wie ein Baum, der vom Blitz getroffen wird - als dahin zu modern wie ein morsches Stück Holz.

Das heißt aber auch, dass ich mir auch einen ganz bewussten Abgang in die "große schwarze Kiste" vorstellen kann, falls ich eines Tages merke, dass ich meinem Umfeld, also meiner Familie zur Last falle. Aber das alles sind ganz persönliche Überlegungen und das wird (vielleicht) einmal eine ganz persönliche Entscheidung sein, die jeder für sich selbst treffen muss. Und die große Frage dabei bleibt auch: wie wird eine solche private Entscheidung die Mitmenschen (Partnerin, Kinder, Verwandte und Freunde) treffen, wie werden diese damit umgehen?

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Lucan-7
(@lucan-7)
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@bepe0905 

Das heißt aber auch, dass ich mir auch einen ganz bewussten Abgang in die "große schwarze Kiste" vorstellen kann, falls ich eines Tages merke, dass ich meinem Umfeld, also meiner Familie zur Last falle. Aber das alles sind ganz persönliche Überlegungen und das wird (vielleicht) einmal eine ganz persönliche Entscheidung sein, die jeder für sich selbst treffen muss. Und die große Frage dabei bleibt auch: wie wird eine solche private Entscheidung die Mitmenschen (Partnerin, Kinder, Verwandte und Freunde) treffen, wie werden diese damit umgehen?

Diese Erfahrung mit der Demenz hat mich auch sehr nachdenklich gemacht. Grundsätzlich gäbe es da auch für mich eine Grenze, wo ich sagen würde: Bis hierher und nicht weiter.

Nur liegt diese Grenze dummerweise jenseits dessen, was für mich eine bewusste Entscheidung im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte wäre... denn so lange ich die noch habe betrachte ich das Leben ja auch noch als lebenswert. In dem Moment, wo es das nach meinen Maßstäben nicht mehr wäre hätte ich aber nicht mehr die geistige Kraft, diesbezüglich eine Entscheidung treffen zu können.

Diese Entscheidung müsste dann von Anderen getroffen werden... und das halte ich nicht für zumutbar.

lucan-7 antworten
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Ich glaube, ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Also angenommen, ihr habt eine akute Erkrankung/Unfall, was würde dann eurem Willen entsprechen? Unter welchen Vorzeichen würdet ihr auf Lebenserhaltende Maßnahmen verzichten wollen? Oder wollt ihr alles?

 

Im Fall von Demenz wäre die Überlegung vielleicht: was soll im Fall von akuten, lebensbedrohlichen Erkrankungen getan werden?

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Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24816

@streptococcus 

Ich glaube, ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Also angenommen, ihr habt eine akute Erkrankung/Unfall, was würde dann eurem Willen entsprechen? Unter welchen Vorzeichen würdet ihr auf Lebenserhaltende Maßnahmen verzichten wollen? Oder wollt ihr alles?

Ich muss gestehen, dass ich zwischen Sterbehilfe und dem Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen keinen wirklich großen Unterschied sehe... zwar leitet man im zweiten Fall das Sterben nicht bewusst und aktiv ein, aber die Entscheidung über Leben und Tod bleibt die gleiche.

lucan-7 antworten
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(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 26156

@lucan-7 nein, das ist ein himmelweiter Unterschied!

Ärztliche Maßnahmen sind per Definition eine Körperverletzung und dürfen daher nur in Übereinstimmung mit dem (mutmaßlichen) Patientenwillen und bei Vorhandensein eines im Rahmen des möglichen liegenden Therapieziels durchgeführt werden.

Gibt es kein Therapieziel, dass erreichbar ist, darf nicht behandelt werden. Ein Therapieabbruch ist so gesehen nur das beenden einer Körperverletzung und _keine!_ Sterbehilfe.

 

I'm ungünstigen fall sieht es heute oft noch so aus: Klassisch sterbende werden mit Infusionen und Magensonden "behandelt", der Körper kann aufgrund des von ihm selbst eingeleiteten Sterbeprozesses nichts mehr anfangen, es bilden sich Ödeme, der Prozess wird unnötig in die Länge gezogen und nicht selten geht das mit unnötigem Leid einher. Wegen genau dieses Missverständnisses. Menschen sterben nunmal. Es selbst verursachen und es geschehen lassen und ggfs sinnvoll begleiten sind grundverschiedene Sachen!

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Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 25222

@streptococcus 

Zum Beitrag

Danke für diesen wichtigen Klartext 👍 

Das ist den meisten nicht bewusst, wie ein beginnender Sterbeprozess sich zeigt.
Natürlich ist es nicht einfach, jemanden gehen zu lassen. Vielleicht hilft dein Text vielen zum Loslassen.

deborah71 antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24816

@streptococcus 

Menschen sterben nunmal. Es selbst verursachen und es geschehen lassen und ggfs sinnvoll begleiten sind grundverschiedene Sachen!

Juristisch gesehen mag der Unterschied gravierend sein, in der Konsequenz geht es in beiden Fällen um eine Entscheidung, die Leben oder Tod bedeutet.

Einen unwiderruflich sterbenden Menschen um jeden Preis am Leben zu halten halte ich für unsinnig... nur ist es in der Realität ja nicht immer so eindeutig und das Ergebnis auch nicht unbedingt klar abzusehen. Wäre das so, dann hätten wir längst eindeutige Richtlinien.

lucan-7 antworten
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(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 26156

@lucan-7 es braucht diese Richtlinien nicht, weil sie uns den Entscheidungsrahmen abnehmen. Ich habe die Freiheit zu entscheiden, was mit meinem Körper getan werden soll. Genau so, wie ich entscheide, ob ich zur Darmkrebsvorsorge gehe, regelmäßig zum pap -abstrich gehe, mich impfen lassen oder überhaupt nie zum Arzt gehe.

Ich weiß halt nicht, was ich für den Ernstfall will.

Bei 8 min Kreislaufstillstand ohne laienreanimation wird das Outcome in jedem Fall so ausfallen, dass ich das nicht will (wie im Video). Nur die vielen Zwischentöne 😬

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Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24816

@streptococcus 

es braucht diese Richtlinien nicht, weil sie uns den Entscheidungsrahmen abnehmen. Ich habe die Freiheit zu entscheiden, was mit meinem Körper getan werden soll.

Genau das meinte ich mit "Richtlinien". Das bedeutet, dass wir bestimmte Situationen definieren, und dann entscheiden, ob wir in so einer Situation behandelt werden wollen oder nicht.

Das kann man für bestimmte, sehr eindeutige Fälle sicher vorher festlegen.

Aber viele Situationen sind halt nicht so eindeutig... und wir reden ja von Fällen, wo wir selber auch nicht gefragt werden können. Mein Beispiel mit der Demenz macht es da noch mal schwieriger, weil man da selbst auch gar nicht mehr entscheiden kann.

lucan-7 antworten
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(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 26156

@lucan-7 Achso, ich dachte, du meinste rechtlich verbindliche Richtlinien, die im Sinn von Leitlinien festgelegt und befolgt werden müssen.

Ja natürlich kann man nicht alles vorher genau definieren, gerade bei jungen, gesunden Menschen braucht es daher eine flexiblere Lösung in Form einer Vorsorgevollmacht mit eben einen Pampflet, in dem steht, was man sich für sich selbst als lebenswertes Leben vorstellt. Und wir sind erwachsen und müssen dann halt damit leben bzw. nicht mehr leben, dass wir die wenigen schönen Momente, die es viellcith noch geben wirde, nicht erleben werden.

Dafür bleiben uns aber auch die unschönen erspart - und es ist ja ein unglaubliches Privileg, darüber nachdenken zu können. An anderen Orten wären wir ja ohnehin schon tot.

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Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24816

@streptococcus 

Achso, ich dachte, du meinste rechtlich verbindliche Richtlinien, die im Sinn von Leitlinien festgelegt und befolgt werden müssen.

Ja natürlich kann man nicht alles vorher genau definieren, gerade bei jungen, gesunden Menschen braucht es daher eine flexiblere Lösung in Form einer Vorsorgevollmacht mit eben einen Pampflet, in dem steht, was man sich für sich selbst als lebenswertes Leben vorstellt.

Es braucht beides: Klare und rechtlich verbindliche Richtlinien, die dem Arzt Sicherheit geben, und innerhalb derer man dann seinen Willen formulieren kann.

Je "flexibler" das Ganze dann gestaltet ist, desto weniger kann sich der Arzt dann darauf verlassen.

Wenn jemand ganz profan formuliert: "Ich möchte nicht mehr wiederbelebt werden, wenn zu erwarten ist, dass ich keine Freude mehr am Leben habe!", dann ist das zwar emotional verständlich - aber juristisch völlig schwammig und angreifbar. Kein Arzt könnte sich auf so eine Formulierung verlassen, auch wenn jeder irgendwie versteht was gemeint ist.

Deshalb sind diese Vorsorgevollmachten ja auch so schwierig. Ich bin das mal alles mit meinen Eltern durchgegangen... eine echte Absicherung für alle denkbaren Situationen haben wir trotzdem nicht.

lucan-7 antworten
Deborah71
(@deborah71)
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@lucan-7 

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Eine zusätzliche Möglichkeit sind z.B. Handyvideos, in denen die betroffene Person  das, was ich speziell wichtig ist, klar ausspricht. Wir hatten diese Hilfe bei Schwiegervater, der sich vorher geweigert hatte, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung auszufüllen. Er war der Überzeugung, dass das Wort seiner Frau genügen würde.

Nach seinem Ableben  haben wir dann für Schwiegermutter die Dinge bei ihrem Arzt angesprochen und er hat ihr dann die wesentliche Dinge erklärt, damit sie die Papiere ausfüllen konnte und er ihr ihre Entscheidungsfähigkeit zu dem Zeitpunkt bestätigt hat.

Ihr Ableben fiel in die Zeit der stärkeren Coronabeschränkungen und sie war Umstände bedingt in eine weiter entfernte Klinik gekommen. Erst hatte man an eine behandelbare Erkrankung gedacht, dann aber stellte sich beginnendes Organversagen heraus.

Wir scannten die Papiere und übersandten sie und so waren die Ärzte und wir auf der sicheren Seite mit den zu treffenden Entscheidungen. Die krasseste Frage war, ob sie wiederbelebt werden soll, wenn sie in der fraglichen Nacht sterben sollte.

Wir hatten eine dreifache Unterstützung für die Entscheidung:
a) in den Papieren stand, dass sie es nicht wollte.

b) sie hatte mehrere Wochen vorher begonnen zunehmend davon zu reden, dass sie sterben wolle (88 Jahre, wurde zunehmend schwächer und begann das Essen zu verweigern)

c) beim letzten Hausarztbesuch gab er eine dezente Vorwarnung und ich bestätigte ihm das Verstehen. Danach hatte ich im Gebet Gott gefragt, wie es nun aussieht und er gab den Eindruck in meine Gedanken: "Sie ist bereits im Sterbeprozess" ich fragte: "Wie lange wird es noch dauern?" Die Antwort war: "ca. 8 Tage".  Und genauso ist es dann gekommen und wir waren nicht unvorbereitet.

Also haben wir Schwiegermutters Wunsch entsprochen und eine Wiederbelebung abgelehnt, weil es sie nur gequält hätte und sie das langsame Organversagen länger hätte aushalten müssen.

deborah71 antworten
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Beiträge : 26156

@deborah71 das klingt stimmig und als wäre es auch für euch eine Begebenheit,mit der Frieden schließen leicht fällt? ❤️

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Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 25222

@streptococcus 

Zum Beitrag

Ja, es war sehr erleichternd, gab Sicherheit und wir haben immer gewünscht, dass sie es leicht hat und gut aufgefangen wird. Die diensttuenden Ärzte waren sehr fürsorglich, mit ausgezeichneter Kommunikation und wir hatten guten Kontakt.

In mir steht immer noch ein Gefühl der Ehrfucht auf, das dieses "Gespräch" mit Gott begleitet hat und wie sehr er die Dinge gelenkt hat.

 

deborah71 antworten
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Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 26156

@streptococcus 

Also angenommen, ihr habt eine akute Erkrankung/Unfall, was würde dann eurem Willen entsprechen? Unter welchen Vorzeichen würdet ihr auf Lebenserhaltende Maßnahmen verzichten wollen? Oder wollt ihr alles? 
Im Fall von Demenz wäre die Überlegung vielleicht: was soll im Fall von akuten, lebensbedrohlichen Erkrankungen getan werden?

Meine Frau und ich sind im Moment gerade dabei, solche grundsätzlichen Überlegungen schriftlich festzuhalten. 
Dazu gehören einerseits im finanziellen Bereich vorgezogene Schenkungen ("vererben mit warmen Händen"), Testament, 
Kontovollmachten,
und im ganz persönlichen Bereich Betreuungsvollmachten und Patientenverfügungen. 
Für mich steht jedenfalls fest: wenn meine Körperfunktionen nur noch mit Hilfe von Apparaten und Magensonden in Richtung "existenzverlängernder Maßnahmen" erhalten werden und keine Aussicht auf nachhaltiger Besserung besteht, verlange ich die Abschaltung solcher Hilfsmittel.

 

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Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4883

@streptococcus Also angenommen, ihr habt eine akute Erkrankung/Unfall, was würde dann eurem Willen entsprechen?

Dass man mich möglichst rasch und am besten mit wenig Schmerzen (also einer ordentlichen Portion Schmerzmitteln) sterben läßt. Und wenn der Herr Doktor den Sterbe-Prozess beschleunigt, handelt er ebenfalls in meinem Interesse.

jack-black antworten
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@jack-black In deinem aber nicht in seinem 😉

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Veröffentlicht von: @lucan-7

Nur liegt diese Grenze dummerweise jenseits dessen, was für mich eine bewusste Entscheidung im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte wäre... denn so lange ich die noch habe betrachte ich das Leben ja auch noch als lebenswert. In dem Moment, wo es das nach meinen Maßstäben nicht mehr wäre hätte ich aber nicht mehr die geistige Kraft, diesbezüglich eine Entscheidung treffen zu können.

genau so sehe ich es auch

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@streptococcus 

Hi, interessantes Thema und ich hab da auch eine eigene Erfahrung dazu.

 

Meine Schwester Rita, ist etwas zurückgeblieben. Damals war es sehr schwer eine Schule zu finden, gab es eine (irgendwie) war sie nicht imstande mitzuhalten. So blieb sie damals der Schule fern, wuchs auf und half dann nach und nach im Haushalt. leider wurde Sie dann immer mehr von meiner Mutter seelisch verletzt. Besonders dann, als meine Mutter Pflege brauchte. Sie machte das über 20 Jahre durch und erschöpfte immer mehr. Auch wenn andere hier und da unterstützt haben. Aber eine Erholung war nie da. Dann bekam Sie eine Parkinsonerkrankung und kam selbst ins Pflegeheim. Es wurde immer schlimmer mit ihr und bekam kein Essen herrunter. Sie starb langsam und dahinsiehend dahin. Das hat sich auf mein Glaubensleben stark eingewirkt. Was habe ich für sie gebetet, auch habe ich ihr vorher von Gott erzählt und die Beziehung versucht mehr zu vertiefen.  Sie hat irgendwie gern gelebt und auch gern gegessen. Das "Gott" sie so grausam hat dahinsiehen und sterben zu lassen, ging nicht in mein Kopf und Herz hinein. Kurzum, sie hat es nicht verdient so würdelos zu sterben. Billigste Pflege, im Krankenhaus weggeschoben und zurück ins Heim. Letztendlich starb sie auch noch an einer Sepsis. Ich habe dann im Herzen den Glauben verloren. Mein Bruder starb mit 15 als ich 9 war. Ein unnützes und verlorenes Leben.....für nichts. warum dürfen böse lange Leben und die, die nichts getan haben "verrecken"?

Die einzige Verfügung, die wir als Geschwister (eine Vollmacht) war, das sie keine Magensonde bekommt. Auch der Arzt riet davon ab. Trotzdem hat es über ein Jahr Siehtum bedeudet. 

Trotzdem, in diesem Fall, wer entscheidet über einen etwas geistig zurückgebliebenen Menschen? Ich für meinen Verständnis würde mich für eine Sterbehilfe entscheiden, wenn es keine Möglichkeit gibt und ein qualvolles Siehtum mir nicht erspart bleibt. 

Dann frage ich mich. Macht es Sinn, jemanden eine Leber zu spenden, der ein chronischer Alkoholiker ist? Eine Lunge für einen Raucher der nicht aufhören will? Ist das nicht Verschwendung? 

Ich bin für Sterbehilfe. Als alter Christ war ich mal dagegen, aber jetzt denke ich anders.

Ich bin nicht explizit gegen Organspende, aber nicht für Leute ab 60 und an unverbesserliche.

Ich bin für (auch wenn es nervt) mehr Aufklärung über Sepsis, Fettleibigkeit und anderes. Dumm nur das ich immer noch Raucher bin und es alleine schaffen muss damit aufzuhören. Gott lässt mich auch da im Stich...*lach*.... Aber ich kämpfe mich immer wieder durch.

 

Sind jetzt mal so meine Gedanken. 

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(@deleted_profile)
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Und ich habe mal eine Doku über ein junges Mädchen gesehen. Sie hatte eine schwere Entzündung am Knie und es drohte eine schwere Sepsis (mit Tod). Sie entschied sich für eine Amputation. Sie ist heute glücklich. 

 

Und eine andere Geschichte

 

https://www.rahm.de/rahmheldin-ramona-vierfachamputation-nach-sepsis-infektion/

 

 

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@meriadocDas mit deiner Schwester habe ich im Forum ansatzweise gelesen... Was für ein Leid! Da eine richtige Entscheidung zu treffen, ist wahrscheinlich ziemlich unmöglich!

 

Es gibt mehrere Organspenderdateien - so wird prinzipiell kein Organ von unter 65 Jährigen (vielleicht waren es 60, aber es gibt eine Grenze) an einen Menschen über dieser Grenze vergeben - es muss schon halb wegs zusammen passen. weil du es gerad sagst.

ich kann mir auch nciht vorstellen, dass es bei der Vergabe unberücksichtigt bleibt, ob jemand alkoholiker ist oder Kette raucht? Aber das ist halbwissen 😉

Was gesundheitliche Bildung angeht, stehen sehr viele europäische Nachbarn deutlich besser da 🙄 es braucht noch viel Aufklärung 🙁

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