Totenkult in der katholischen Kirche?
Ich hoffe, es gibt hier in der Community katholische Brüder und Schwestern oder Fachkundige, die mir antworten können. Ich war kürzlich in Pisa und habe dort die Kathedrale über einen Seiteneingang besucht. So gelangte ich in den Bereich einer Kapelle, in der sich mir ein unheimlicher Anblick bot: Vom Kirchengestühl aus ist der Altar zu sehen, hinter dem ein erhobener gläserner Sarkophag mit einem Leichnam steht. Wie ich später recherchieren konnte, handelt es sich bei dem Toten um den Heiligen Raineri, der im 12. Jahrhundert lebte und im 17. Jahrhundert zum Schutzheiligen der Stadt Pisa erklärt wurde. Sein Leichnam wurde exhumiert und ausgestellt. Vor dem Altar werden täglich Messen gehalten.
Für mich ergeben sich daraus 2 Fragen:
1) Pflegt die katholische Kirche einen Totenkult, der im Grunde alle zu Heiligen erklärte Menschen einschließt, da diese angerufen werden dürfen? Jeder Tag des Kalenders hat seinen eigenen Heiligen, seine eigene Heilige.
2) Ist ein zum Heiligen erklärter Mensch dadurch zum Eigentum der katholischen Kirche geworden, die dann mit seinen sterblichen Überresten machen kann, was sie will, z.B. Reliqien anfertigen, öffentlich ausstellen, Geld damit verdienen?
Hier ein Video, das zeigt, was ich meine, ab min. 5:20 hinter den Altarkerzen zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=ARSAF2nB2bU
Falls es ein geeigneteres Forum für diese Fragen gibt, bin ich für Hinweise dankbar.
Veröffentlicht von: @arcangelPsychologisch kann ich das Bedürfnis, möglichst nahe an so einer beeindruckenden Persönlichkeit zu sein, durchaus verstehen. Aber ich habe eben auch gemerkt, wie dieser Kult von Jesus ablenkt. Denn anstatt die Nähe unseres Herrn zu suchen, richtet man seinen Blick auf den Heiligen.
Ich glaube, dass viele Christen des Bedürfnis nach jemandem haben, der (oder die) ihnen eine "Brücke" zu Gott baut oder ihnen auf dem Weg zu Gott nahe steht. Für viele ist GOTT einfach zu groß, zu weit, zu gewaltig, der HEILIGE GEIST zu unerklärlich, zu unverständlich und JESUS zu heilig, zu lange her, zu fern und ebenfalls zu göttlich.
Also ist es ihnen wichtig, von Menschen (Menschen wie du und ich) zu wissen, die letztlich etwas Besonderes waren, besonders nach Gottes Geboten gelebt hatten, als Christen etwas Besonderes geleistet hatten und die dadurch zu "Heiligen" wurden. Denn der Kontakt zu solchen Heiligen fällt ihnen leichter als der Kontakt zu Jesus, weil sie quasi "Ihresgleichen" sind/waren.
Ich will mich nicht in theologische Diskussionen darüber verlieren, dass letztlich alle Menschen vor Gott gleich (weil alle Sünder) sind, kann aber für mich persönlich akzeptieren, dass manche Christen Heilige verehren. Ich selbst darf anderer Meinung sein und mich mit Heiligenverehrung zurück halten.
Kritisch wird es aber in meinen Augen, wenn diese Heiligen (oder auch Maria) schon so weit Gegenstand einer geradezu gottesähnlichen Verehrung sind, dass Jesus nur noch als "Anhängsel" betrachtet wird. Denn dadurch wird die eigentliche christliche (frohe) Botschaft geradezu "ad absurdum" geführt und falsche Prioritäten gesetzt.
Ähnlich sehe ich es auch, wenn in manchen Häusern ein sogenannter "Herrgottswinkel" in der Stube errichtet oder (innen oder außen) eine Heiligenfigur aufgestellt wird, und dann diese Heiligenfigur, der geschnitzte Jesus am Kreuz oder eine Ikone nicht nur zur Meditation dient, sondern selbst Gegenstand der Anbetung wird. Denn schon die nichtchristlichen Römer hatten ihre Hausgötter, deren Statuen sie aufstellten und die sie verehrten und anbeteten.
Die Heiligen der römisch-katholischen Kirche hatten eine besondere Beziehung zu Gott und sollen als Vorbild dienen.
Inwiefern sollte ihre Beziehung besonders gewesen sein? Hat Gott Lieblingskinder, die er bevorzugt behandelt?
Das Konzept der Heiligen ist per se nicht so abwegig. Die Idee, dass jeder Christ, auch wenn er bereits verstorben ist, im Herrn lebendig ist, und damit nach wie vor Teil der Gemeinde ist, kann man vertreten. Die Frage, die sich aber stellt; warum sollte Gott ein Gebet, welches von einem Heiligen an stellvertretend vor Ihn gebracht wird, mehr gehört schenken, als wenn dieses Gebet direkt an Gott gerichtet wird. Ich denke dahinter steckt die gleiche Psychologie wie bei denjenigen, die lieber den Pfarrer/Prediger/Priester bitten für sich beten zu lassen, in der Hoffnung das ihr Anliegen mehr Erfolg hat. Irgendwie steckt da der Gedanke dahinter, dass man selbst nicht heilig/gut genug ist, um von Gott erhört zu werden und wenn nur ein heiligerer/besserer Mensch als man selbst zu Gott betet, das jeweilige Anliegen mehr Erfolg hat.
Diese zu denken, findet sich nicht nur in der katholischen Kirche wieder, sondern sie begegnet mir in allen Denominationen.
Aber zu den Reliquien, dies ist eine Adaption eines heidnischen Götzenkultus, es gibt keinerlei christliche theologische Rechtfertigung dafür.
Ich war diesen Sommer in San Maurice und habe die Reliquien eben dieses Heiligen gesehen. https://de.wikipedia.org/wiki/Mauritius_(Heiliger)
Psychologisch kann ich das Bedürfnis, möglichst nahe an so einer beeindruckenden Persönlichkeit zu sein, durchaus verstehen. Aber ich habe eben auch gemerkt, wie dieser Kult von Jesus ablenkt. Denn anstatt die Nähe unseres Herrn zu suchen, richtet man seinen Blick auf den Heiligen.
Nicht lustig machen. Lieblingskinder klingt so.
Es gibt einfach Leute die Dinge aus dem Glauben getan haben, die sie zu Vorbildern machen, das führt zu den Namensgebungen der Päpste oder auch der Mönche und Nonnen.
Jemand der seinen Mantel teilt wie Martin ist ein Vorbild in Nächstenliebe.
Josef Ratzinger hat sich Benedikt zum Vorbild genommen: Benedikts Ordensregeln waren auch eine Antwort auf die sich auflösende spätantike Gesellschaft: in die Unruhe und Auflösungstendenzen jener Zeit brachte er ein Prinzip ein, das dem Zeitgeist widersprach und das gerade deshalb dauerhaft wurde: die Beständigkeit, ein Innehalten in der Zeit der Völkerwanderungen. Dazu kam, dass in den Klöstern alle Menschen aufgenommen wurden und als gleich galten; der Unterschied zwischen zivilisierten
Römern und barbarischen
Germanen war aufgehoben. Benedikt war Pragmatiker, aber seine Regel wurde zum Modell einer zukünftigen Gesellschaft: nachdem nicht nur die Römer und Griechen, sondern auch die Germanen getauft waren, sollten die Menschen brüderlich miteinander umgehen und zusammen leben - und das Kloster dafür das Modell sein.
Quelle: Ökumenisches Heiligenlexikon.
So finden sich einige die ein besonderes Verhältnis zu Gott hatten. Aus neuerer Zeit Dietrich Bonhoeffer.
Papst Franziskus hat Mutter Theresa als Vorbild herausgehoben.