Benachrichtigungen
Alles löschen

Autistische Kinder und Jugendliche


Ungehorsam
Themenstarter
Beiträge : 3336

Greta Thunberg, eine Autistin, hat eine weltweite Schülerbewegung ins Rollen gebracht. Kritiker werfen ihr nun vor, daß sie aufgrund ihrer Behinderung zu viel Angst beim Thema Klimawandel entwickelt und sowieso überreagiert oder sogar in psychiatrische Behandlung gehört. Sie sei daher nicht ernst zu nehmen.

Bei meinem Sohn wurde in der Grundschulzeit Autismus diagnostiziert. Das war für uns als Eltern zunächst ein großer Schock.
Ich hatte da den Film "Rain Man" vor Augen, wo Dustin Hoffmann einen erwachsenen Autisten spielt, der ziemlich gestört ist.
Dieser Film ist hochgradig klischeehaft, denn die Wirklichkeit und vor allem mein Sohn (inzwischen 19 Jahre alt) sind ganz anders. Autismus ist vor allem keine Krankheit, sondern eine Entwicklungsstörung. Sie zeigt sich bei jedem Betroffenen anders. Wer meint, wie Autisten sind, weil er einen kennt, hat keine Ahnung. Jeder Autist ist anders. Manche haben erstaunliche Fähigkeiten, andere nicht.
Übertriebene Ängstlichkeit scheint ein häufiges Symptom zu sein. Mein Sohn war anfangs auch ängstlich. Während einer Mutter-Kind-Kur bekam er Therapie. Danach schien die Ängstlichkeit besiegt.
Inzwischen scheint sich die Entwicklungsstörung einigermaßen ausgewachsen zu haben. Mein Sohn macht erfolgreich eine Berufsausbildung in seinem Wunschberuf in einem Berufsbildungswerk. An Werktagen lebt er im Internat und macht dort erste Schritte zur Selbstständigkeit. Er hat auch Freunde gefunden, mit denen er gern zusammen ist. Wir freuen uns sehr, daß nach der schwierigen Schulzeit nun Entspannung eingetreten ist.

Kann jemand von ähnlichen Erfahrungen berichten?

Antwort
11 Antworten
Anonymous
 Anonymous
Beiträge : 0

Ich bin Dir dankbar, dass Du dies hier schreibst, denn Greta wird ja jetzt gerne von manchen Menschen als psychisch gestört hingestellt.
Das als Legitimation dafür, dass sie nicht richtig tickt und alle, die sich auch für den Klimaschutz einsetzen, auch einen an der Waffel haben.

Ich kenne persönlich zwei Leute mit Asperger, und die sind beide auf einem bestimmten Gebiet hochbegabt.

Generell finde ich es sehr schwierig, da Aussagen zu treffen, weil, wie Du schreibst, jeder Mensch da anders ist und, soweit ich das weiss, auch die Froschung zum Thema Autismus und/oder Asperger längst nicht abgeschlossen ist.

Vielleicht muss man auch einfach mal wegkommen von diesen raschen Einteilungen, was normal ist und was krankhaft.

Schön, dass es Deinem Sohn gutgeht!

Anonymous antworten
1 Antwort
Ungehorsam
(@ungehorsam)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 3336

Ich danke dir für deine klaren Worte.

Was den Betroffenen am wenigsten hilft, ist Stigmatisierung, so wie es bei Greta nun versucht wird.

ungehorsam antworten


Tagesschimmer
Beiträge : 1248

Wenn sich jemand so exponiert, gibt es immer Leute, die mit Dreck werfen wollen. Da ist Autismus ja ein gefundenes Fressen. Ich sehe also in diesem Fall einfach eine prominente Person, die angegriffen wird - wie leider meistens an einer unfairen Stelle.

Mich freut auch, dass dein Sohn dabei ist, gut in seinem Leben anzukommen. Ob mit oder ohne Autismus ist das für junge Leute nicht so einfach.

Veröffentlicht von: @ungehorsam

Übertriebene Ängstlichkeit scheint ein häufiges Symptom zu sein.

Ich habe etliche Kinder mit frühkindlichem Autismus kennengelernt, denen den Umständen entsprechend gut geholfen wurde. Für diese Einrichtungen und Fachleute kann man wirklich dankbar sein.

Eine besondere Sensibilität an einzelnen Stellen, manchmal auch Schreckhaftigkeit hatten die Kinder alle. Ich führe das darauf zurück, dass sie als Kleinkinder natürlich verunsichert waren. Es hat bei allen lange gedauert, bis sie sich die Vorgänge um sich herum gut erklären konnten und schließlich sogar in der Lage waren, selbst eine Wirkung nach ihren Wünschen auszulösen. Sie haben bestimmt viel Hilflosigkeit und Verwirrung erlebt, auch wenn ihre Umgebung liebevoll war.

Bei einem Asperger Autisten habe ich die Verarbeitung anders erlebt. Er wurde so aggressiv und manipulierend, dass er trotz sehr guter Leistungen das Gymnasium verlassen musste. Leider haben sich seine Eltern nie der Diagnose gestellt, sodass der Junge alleine mit seiner abweichenden Wahrnehmung klarkommen musste.

Veröffentlicht von: @ungehorsam

Autismus ist vor allem keine Krankheit, sondern eine Entwicklungsstörung. Sie zeigt sich bei jedem Betroffenen anders.

Ja, völlig verschiedene Verläufe und Schicksale. Ich finde es auch wichtig, den Menschen kennenzuleren, den vieles ausmacht und der zusätzlich vielleicht auch Autismus hat. Wenn eine Entwicklungsstörung diagnostiziert wurde, darf man aber durchaus von einer Krankheit sprechen. Das schließt sich nicht aus. Manchmal ist das gerade die Voraussetzung, besondere Hilfen zu bekommen.

tagesschimmer antworten
3 Antworten
invar_vigandun
(@invar_vigandun)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 322
Veröffentlicht von: @tagesschimmer

darf man aber durchaus von einer Krankheit sprechen.

Autismus ist aber nun mal keine Krankheit; es gilt als Behinderung. Das ist schon ein Unterschied.

invar_vigandun antworten
Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1248

Ok, danke, hab jetzt nochmal gegooglet. Mir war der Unterschied nicht bekannt. Ich habe mal gelernt, dass eine Diagnose, die sich im ICD10 wiederfindet, immer eine Krankheit umschreibt.

tagesschimmer antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @invar_vigandun

Autismus ist aber nun mal keine Krankheit; es gilt als Behinderung. Das ist schon ein Unterschied.

Ich vermute mal das auch viele Betroffene das Wort "Behinderung" eher ungern in den Mund nehmen weil "geistige Behinderung" ja gesellschaftlich als "voll debil" verstanden wird.

Anonymous antworten
invar_vigandun
Beiträge : 322

Ich bin Autistin, inzwischen 37 😊 Diagnostiziert erst mit 32, da "leichtere" Formen in den 80ern und 90ern noch nicht gut zu diagnostizieren waren. Ich hatte große soziale Schwierigkeiten in der Schule, habe aber dann auch Freunde gefunden. Inzwischen bin ich Mutter eines fast 16jährigen Kindes, arbeite an der Universität und mache meinen Doktor in Germanistik.

Ich hoffe, dein Sohn macht weiter so - für viele Autisten ist auch ein unabhängiges Leben bzw. ein Leben mit nur kleinen Hilfestellungen möglich.

"Auswachsen" tut sich der Autismus allerdings nicht - aber man lernt, damit umzugehen, sich selbst und seine Umwelt besser zu verstehen und entsprechend zu handeln.

invar_vigandun antworten
3 Antworten
Ungehorsam
(@ungehorsam)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 3336

"Auswachsen" tut sich der Autismus allerdings nicht

Da habe ich mich ungeschickt ausgedrückt - natürlich hast du recht. Aber wie ich eingangs schon schrieb, macht er jetzt Schritte in die Selbstständigkeit und wirkt auch nicht mehr so gehemmt wie vor der Pubertät. Seine Umgebung tut ihm gut, und das merkt man.

ungehorsam antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @invar_vigandun

Ich bin Autistin, inzwischen 37 😊 Diagnostiziert erst mit 32, da "leichtere" Formen in den 80ern und 90ern noch nicht gut zu diagnostizieren waren. Ich hatte große soziale Schwierigkeiten in der Schule, habe aber dann auch Freunde gefunden. Inzwischen bin ich Mutter eines fast 16jährigen Kindes, arbeite an der Universität und mache meinen Doktor in Germanistik.

Darf ich fragen wie das sein konnte dass das erst so spät diagnostiziert wurde und wie sich diese sozialen Schwierigkeiten in der Schule so äußerten?

Anonymous antworten
Tineli
 Tineli
(@tineli)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 1380

Die schwere Form des Autismus, der sog. "frühkindliche Autismus" oder Kanner-Autismus ist eine schwere Behinderung, die meist in den ersten 3 Lebensjahren diagnostiziert wird. Diese Kinder sind einfach so auffällig, dass schnell klar ist, dass da was "nicht stimmt".

Die leichteren Formen, unter dem Begriff Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst (dazu gehört auch das Asperger-Syndrom oder der sog. Hochfunktionierende Autismus) sind weniger auffällig. Diese werden häufig später diagnostiziert, waren früher auch längst nicht so im Blick. Solche Kinder bzw. Erwachsene wirken eher "kauzig" oder "komisch", ein bisschen "eigenbrödlerisch", aber kommen je nach Ausprägung genug im Leben klar, dass man nicht immer an eine Störung denkt. Dann hängt es von den Eltern und natürlich auch von anderen Personen ab, die mit dem Kind zu tun haben, ob es zu einer Diagnose kommt oder nicht.

Dazu kommt, dass das Asperger-Syndrom erst in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vermehrt Aufmerksamkeit bekommen hat, so dass auch Ärzte und Psychiater das oft nicht ge- und erkannt haben. D.h. selbst wenn sich Eltern an Ärzte gewandt haben, haben sie nicht immer eine Diagnose bekommen.

Unser Sohn, in den 90ern geboren, hat auch eine Odyssee hinter sich, bis er die Diagnose erhalten hat. Von den ersten Auffälligkeiten (erste ärztliche Untersuchungen im Alter von ca. 4 Jahren) bis zur Diagnose im Alter von ca. 13 Jahren verging eine lange Zeit, in der wir immer wieder Ärzte und Therapeuten konsultierten.

Wie das bei invar_vigandun war, kann ich dir natürlich nicht sagen, das waren jetzt allgemeine Informationen dazu.

Gruß, Tineli

tineli antworten


Tineli
 Tineli
Beiträge : 1380

Die Anfeindungen gegenüber Greta Thunberg entspringen nur dem Wunsch, ihre Aktion schlechtzumachen. Der Klimawandel ist eine reale Gefahr, und zwar ganz massiv. M.E. ist sie die größte und globalste Gefahr für uns und die nachfolgenden Generationen.

Aber das war nicht deine Frage.

Wir haben auch einen autistischen Sohn. Er hat es geschafft, auf dem sog. ersten Arbeitsmarkt eine Ausbildung zu machen und anschließend einen Job zu finden, und er lebt jetzt selbständig in einer WG.

Besonders ängstlich war unser Sohn nicht, ist er auch heute nicht. Aber wenn Autisten ängstlich sind, dann eher vor Dingen des täglichen Lebens, z.B. auf fremde Menschen zugehen oder sich in einer fremden Umgebung zurecht zu finden. So etwas Abstraktes wie der Klimawandel zählen da bestimmt nicht dazu. (Das würde ich eher bei Schizophrenen verorten, also Menschen mit paranoiden Wahnvorstellungen o.ä.)

Wenn es um Entwicklungsstörungen oder ähnliches geht, dann haben wir oft ein Bild vor Augen. "Alle Autisten, ADSler, Hochsensiblen, Hochbegabten ... sind so." Dabei wird vergessen, dass ja auch alle "Normalos" sehr unterschiedlich sind, verschiedene Charaktere aufweisen und Probleme unterschiedlich angehen. Genau das trifft auch auf Menschen mit Störungen oder anderen auffälligen Eigenschaften zu. Autisten haben eine Störung in der Kommunikation mit anderen - hierdurch ergeben sich bestimmte Verhaltensweisen, die bei ihnen häufig vorkommen. Das heißt aber nicht, dass sie alle gleich sind!

Wenn Autisten merken, dass sie im Umgang mit anderen nicht so zurecht kommen, und reagieren dann mit Rückzug, "Schüchternheit" und Schweigsamkeit. Unser Sohn redet wie ein Wasserfall, er kann dich regelrecht zutexten. Aber (und hier kommt eben der Autismus zum Tragen), er merkt nicht, wenn sein Gegenüber sich für sein Thema nicht interessiert. Es wird einfach weitergeredet. D.h. die Grundstörung ist da, aber er hat sein individuelles "Konzept" gefunden damit umzugehen.

Gruß, Tineli

tineli antworten
Teilen:

Hey du!

Dieses Forum ist für dich kostenlos.
Das funktioniert nur, weil uns treue Menschen regelmäßig mit ihrer Spende unterstützen.
Bist du dabei?