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9€-Ticket und wie geht es weiter?

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Lachmöwe
Themenstarter
Beiträge : 1527

Ich weiß nicht was ich denken darf und sagen soll. Ich versuch es dennoch. Was soll das mit dem 9€-Ticket und dem Wunsch nach kostenlosem Nahverkehr? Oder besser: Was bringt es? 

Verringert sich dadurch der Anteil an bestehenden und zukünftigen Autos? Für wen und für welche Nutzung macht es den Nahverkehr attraktiver? Inwieweit ist der Nahverkehr dem gewachsen? Was wollen „wir“ überhaupt erreichen?

Okay, das sind mehr Fragen als eigene Ansichten.

Mein Eindruck: Der Mensch zeigt sich bei dem Thema teils mal wieder von seiner schlechtesten Seite. Er fordert, was ihm zusteht. Er will immer mehr davon haben. Wie es finanziert wird, ist ihm egal. Was es für Auswirkungen hat, interessiert ihn auch nicht. Ego-Schiene pur unter dem Deckmantel „für die Umwelt“. Rührt der Wunsch nicht eher von einer Geiz-ist-Geil-Mentalität?

Ich bin auch für einen Ausbau und eine gute, gesunde Nutzung des Nahverkehrs wie auch für optimale Kombinationen z.B. mit dem Rad. Nur was ich gerade wahrnehme, hat damit wenig zu tun. Warum tut sich der Mensch mit Verzicht, Mäßigung und Verhältnismäßigkeit so schwer?

Das musst ich grad mal loswerden.

nicht so sehr sachliche Grüße
von Seidenlaubenvogel

 

 

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der_alte
(@der_alte)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 1233
Veröffentlicht von: @seidenlaubenvogel

und dem Wunsch nach kostenlosem Nahverkehr?

Kostenlosen kann und wird es nie geben. Kosten fallen immer an, die Frage ist nur wer diese Kosten trägt.

Flächendeckenden ÖPNV wird es mangels Ressourcen nicht geben können. Hier in Gegend auf der schwäbischen Alb gibt es soviele kleine und kleinste bewohnte Ortschaften, diese mittels ÖPNV zu vernetzen wird schon mangels Ressourcen (auch fehlende Arbeitskräfte, die nötig sind, damit solche Strecken betreiben kann) nicht gehen.

Das wird dann doch eher darauf hinauslaufen, dass man solche Klein-Ortschaften aufgeben wird. Denn ohne ÖPNV werden die Menschen dort bei den jetzigen und kommenden Energiepreisen nicht in der Lage sein, dort leben zu können und sich von Ort motorisiert wegzubewegen.

Also hin zu Megastädten, mit Millionen von Einwohnern, die man dann auch leichter mit allem Notwendigen versorgen kann. Wo man Hochhäuser baut und damit Grundfläche einspart, dafür in die Höhe geht. Filmisch kann man das in dem Film "Dreed" sehen (wobei das eine Dystopie ist), da leben m.W. 50.000 Menschen pro Gebäude.

Hat dann auch noch andere Vorteile, bspw. dass man in solchen Städten Gemeinschaftsverpflegungseinmrichtungen einführt, man zentral Lebensmittel zubereitet und damit Ressourcen spart.

Also das Ganze in einem viel größeren, umfassenderen Kontext betrachtet.

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@seidenlaubenvogel 

Persönlich hab ich das 9 € Ticket für eine schlechte Idee gehalten.

Es subventionierte, polemisch gesprochen, nur Dinkel Dörthe und Bionade Thorben aus Köln Marienburg  oder sonstigen Edelwohnvierteln den wochenendlichen Ausflug zu touristischen Highlights in Eifel, Taunus, Lüneburger Heide oder an die Ostsee.

Für einen (Fern)pendler, bei dem die nächste nutzbare Bushaltestelle 5 km weg ist und nur jeden 3 Donnerstag mit Vollmond, wenn Pluto im Aszendenten Saturn steht, ein Bus fährt, ist das Ticket keine Alternative gewesen.

Guter Nahverkehr kostet Geld und umsonst ist nur der Tod.

Mittelfristig werden wir diese 3 Monate noch teuer bezahlen.

Ich bin mir sicher das es im Winter saftige Preiserhöhungen  geben wird. Vor allem und besonders im Nahverkehr.

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der_alte
(@der_alte)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 1233

@antonioa diese Erhöhungen wären auch gekommen ohne dieses spezielle Ticket. Einfach weil die Energiekosten steigen. Mobilität wird immer weniger bezahlbar werden und damit der ländliche Raum als Lebensort unmöglich werden. Man wird ihn aufgeben, aufgeben müssen, weil der Transport von Menschen und Güter dort hin nicht mehr machbar sein wird. Da werden die kleinen Orte dann der Natur überlassen, weil es am einfachsten ist, anstatt sie aufwändig rückzubauen. Und es entstehen Megastädte, anfangs sicher auch als sog. Slumsiedlungen bis man Wohnraum für die Neuankömmlinge geschaffen hat.

 

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(@deleted_profile)
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Beiträge : 18002

@der_alte 

 

Wenn eines pünktlich bei der Bahn  ist, dann ist es die jährliche Preiserhöhung.

damit der ländliche Raum als Lebensort unmöglich werden.

 

Das erlebe  ich hier im Grenzgebiet zu RLP hautnah. Dörfer  mit einem blühenden Leben und  florierenden Einzelhandel vor 15 20 Jahren, veröden zusehends. Oder in der Eifel.

Von Brandenburg, Thüringen  o.ä. ganz zu schweigen.

Mit 83 Millionen Menschen ist 🇩🇪 eigentlich viel zu dicht bevölkert.

Einer der Gründe,warum ich auch gegen die unkontrollierte Massenzuwanderung der letzten Jahre bin.

Gegen Ende dieses Jahrhunderts hätte 🇩🇪 ohne diese wieviel Einwohner?

45 Millionen? 50?

Damit hätten wir, bei 1/3 weniger Territorium, in etwa immer noch die Einwohnerzahl 🇩🇪s bei der staatlichen Reorganisation von 1871.

 

Ganze Landstriche könnten wir renaturieren und sich selbst überlassen

Vom  deutlich gesenkten Ressourcen und Energieverbrauch ganz zu schweigen.

Tja.. aber so sind wir wohl ehr auf dem Weg zum failed State 100 Millionen Riesen Slum Europas.

An Deine schönen tollen, lebenswerten  Megastätte ( erinnert mich an eine Pseudodoku aus den 70igern die irgendwann 2000 spielte, die ich mal als Kind im (wimre) ZDF gesehen hab)  glaub ich nicht

 

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der_alte
(@der_alte)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 1233

@antonioa ob sie lebenswert sind, weiss ich nicht. Sie brauchen halt weniger Platz. Es kam mal die Meldung dass deutschland so die Kapazität hätte 250 Millionen Menschen zu beherbergen. Kommt vielleicht auch so, die Wanderungsbewegungen nehmen zu, das Bevölkerungswachstum nimmt zu.

der_alte antworten
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(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@der_alte Mag sein das mit den 250 Milionen.

Theoretisch könnte man sicherlich auch alle Menschen der Erde in Indien unterbringen und den Rest des Planeten der Natur überlassen

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Jigal
 Jigal
Beiträge : 3824

Die Erhöhung in Nahverkehr ist fraglich. Aber eines hat ein FPD Politiker erkannt. Das 9 Euro Ticket benachteiligt Leute die im ländlichen Raum wohnen. Meine Erfahrungen aus dem Urlaub im Schwarzwald. Es gibt dort für alle die in einem Hotel, bzw. auch auf einem Camping-Platz sind die Konus Karte. Mit den Gebühren für die Kurkarte bezahlt man die freien Fahrten im ÖPNV. Also nutzt man es, man hat es ja schon bezahlt, bei einigen Zielen ist es richtig gut, nach Freiburg, auf den Feldberg, an den Schluchsee ...,  wir wollten zur Rothaus Brauerei. Mit dem Bus zur Bahn, von dort zur Endhaltestelle und dann 15 Minuten mit dem Bus zur Brauerei. An der Endhaltestelle kein Bus, es waren Sommerferien, der Bus befördert Schüler und fährt daher nicht. Eine halbe Stunde Aufenthalt, da der Zug nur stündlich fährt. Nächster Halt Schluchsee. Von dort geht der nächste Bus Richtung Rothaus in zwei Stunden. Besichtgung des Ortes, Gang um den Staussee, soweit er sich im Ort befindet. Fahrt mit der Bahn zum Ausgangspunkt der  Bahnfahrt, mit dem Bus zu Hotel. Vormittag ist rum. Fahrt mit dem Auto keine 20 Minuten und wir sind da.

Ich denke auch das 9 Euro Ticket hat wie das schöne Wochenende Ticket dafür gesorgt, dass Leute wo hin gekommen sind, wo sie sonst gar nicht hin gefahren wären. Siehe die Punker auf Sylt die hatten wir vor 25 Jahren auch als man zu fünft für 25 DM alle Regionalzüge nutzen konnte.  Ich bin so auch nach Berlin gefahren. Erfahrung hier: je später der Tag desto voller die Züge, Fahrzeit 12 bzw 13 Stunden, ohne Anfahrt zum Bahnhof. Nebeneffekt man lernt Deutschland kennen.  Effekt für die Umwelt - keiner da Fahrten ggf. gar nicht gemacht worden wären, ohne das günstige Ticket.

 

jigal antworten
Gelöschtes Profil
Beiträge : 18002

Preiserhöhungen sind nicht fraglich, sie sind schon angekündigt.

Mag sein, das es einzelne Insellösungen wie in Berlin gibt aber die generelle Marschroute steht fest.

 

Insgesammt muss ich feststellen, das der örtliche Nahverkehr ( der Bahn) in Summa unzuverlassiger geworden ist.

Bei uns wurde zB ohne grössere Vorwarnung der komplette Bahnnahverkehr im Kreis ein Wochenende Freitag bis Sonntag ersatzlos Ausgesetzt.

Kurzug Garnituren, regelmässig ausfallende Einzelverbindungen, Verspätunge, da müssten Fahrdienstleiter und Triebwagenführer ( bildlich gesprochen) nach der Ankunft vor allen Passagieren öffentlich Sepukko begehen.

 

Es gilt halt Robert Heinleins

 

TANSTAAFL

There ain't no such thing as a free lunch

(So etwas wie ein kostenloses Mittagessen gubt es nicht)

 

"

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Tagesschimmer
Beiträge : 1236

Ich bin manchmal so langsam, dass ich mich noch wundere, wenn die Sache schon wieder vorbei ist. 😆 Nach den Coronaeinschränkungen war mir alles sowieso schon in einer zu großen Unwucht. Ich hätte mir Ideen gewünscht, den Alltag ruhiger zu machen. Statt dessen wurden die Menschen motiviert, die überlaufenen tourischtischen Stätten noch mehr zu überlaufen. 

Ich hätte gern ein Ticket gekauft, um mir mein Leben zu erleichtern, z.B. im Winter, wenn es manchmal sehr unangenehm ist, mit dem Rad zu fahren oder wenn ich unumgängliche Fahrten mache. Diese Fahrten sind bei mir aber alle so, dass ich mein Ziel nicht mit diesem Ticket erreicht hätte. 

Also habe ich keins gekauft, nicht mal um die Öffentlichen in Berlin zu nutzen. Von Freunden höre ich die Geschichten von extremer Überfüllung. In Regiozüge sind Altere manchmal gar nicht hinein gekommen, mehr Verspätung als Pünktlichkeit, sodass stundenlange Aufenthalte nötig wurden. Eine 70jährige Freundin strandete mit einem vollbesetzten Zug mitten in MV. Ohne Toilette mit zu wenigen Sitzplätzen in der eigentlich stillgelegten Bahnhofshalle. Sie wurde von einem hilflosen, aber netten Mitarbeiter aufgeschlossen. Die Meute kaperte dann einen Zug, der irgendwann in der Nacht einfuhr. Sie stiegen nicht mehr aus und waren am Morgen dann tatsächlich in Berlin. Wozu dieses Chaos?

Aber was meinst du eigentlich, wenn du kritisierst, dass die Menschen zu viel fordern? Das Ticket kam ja sehr unerwartet und ich höre auch keine Forderungen, es beizubehalten.

Natürlich behalten die Menschen ihre Autos wenn die Zeiten unsicherer werden. Jeder ist ja verantwortlich, für sich zu sorgen. Ich bin gut im Training. Aber ich sehe, wie um mich herum alles mögliche geschlossen und eingestellt wird. Was geht, wird ins Private verlagert. Homeoffice ist normal geworden, Kinder werden viel mehr zu Hause betreut. Statt statt Sport und Schwimmen zu Hause baden und natürlich auch heizen, wenn man im Winter immer zu Hause rumsitzt, statt langer Öffnungszeiten für Spontaneinkäufe nun mehr Großeinkäufe. Was kommt als nächstes? Wenn die Fahrradwege nicht mehr gepflegt werden, komme ich auch nicht mehr weit. Da wäre ein warmer Platz im Auto mal eine Erholung. 

tagesschimmer antworten
Jack-Black
Beiträge : 3605

@seidenlaubenvogel Verringert sich dadurch der Anteil an bestehenden und zukünftigen Autos? Für wen und für welche Nutzung macht es den Nahverkehr attraktiver? Inwieweit ist der Nahverkehr dem gewachsen? Was wollen „wir“ überhaupt erreichen?

1) Das kommt darauf an, ob es langfristig eingeführt wird, oder nicht. Solange man als Autobesitzer weiß: nach drei Monaten bin ich wieder auf meine eigene Karre angewiesen, um finanzierbar meinen Alltag (Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Besuchen der Freunde in der Nachbarstadt...) zu bestreiten - so lange werde ich das Auto selbstveständlich nicht verkaufen.

2)Für wen und für welche Nutzung macht es den Nahverkehr attraktiver? Naja, z.B. für alle, die ein Monatsticket für >50€ bräuchten, um zur Arbeit zu kommen. Insbesondere, wenn sie jetzt schon Fahrgemeinschaften haben, wo drei oder vier Leute sich die Benzinkosten teilen und so auf Kosten der Allgemeinheit (die mit den verstopften Straßen und dem CO2-Ausstoß ja klarkommen muß) ihre persönlichen Kosten minimieren können.

3) Inwieweit ist der Nahverkehr dem gewachsen? Bislang nicht genügend. Mein Vorschlag wäre ja, die CO2-Steuer auf  Benzin zu vervierfachen und mit den dadurch generierten Steuereinnahmen den öffentlichen Nahverkehr gezielt auszubauen.

4) Was wollen „wir“ überhaupt erreichen? Keine Ahnung, was "Ihr" erreichen wollt. Ich hab ja keine Kinder, die mich dereinst noch im Grabe liegend verfluchen könnten, und ich habe auch nicht die Vorstellung, dereinst beim Jüngsten Gericht mich dafür verantworten zu müssen, kräftig bei der Zerstörung des Ökosystems Erde mitgewirkt zu haben. Ich arbeite von daheim aus und wenn ich was einkaufen muß, fahre ich die zehn Kilometer zum nächsten Edeka-Markt mit dem Rad und packe, was ich daheim fressen will, in den Rucksack. Im Winter, wo das weniger entspannend und komfortabel ist, achte ich darauf, alle Umverpackungen schon im Supermarkt zu lassen, um mehr in den Rucksack zu kriegen und so weniger häufig zum Shoppen fahren zu müssen. Kurz: ich kann auf's 9-Euro-Ticket verzichten und hab's mir daher auch gar nicht "geholt".

Darüber hinaus halte ich unsere gesamtgesellschaftliche Mobilitäts-Geilheit für ein prinzipielles Problem, mir wäre es also durchaus recht, wenn insgesamt Mobilität teurer würde. Aber solange sich die wohlhabenderen Leute es offenbar noch problemlos leisten können, privat mit jeweils einer knappen Tonne Umverpackung durch die Gegend zu cruisen, um ihre Kids zum Fußballtraining oder (gestern bin ich mit dem Rad an der hiesigen Grundschule vorbeigekommen und wunderte mich über den Riesen-Fuhrpark an fetten PkW, die da drumrum parkten, bis mir eine Großfamilie mit immerhin auch 2 "echten" Kindern entgegenkam, denen von ihren Großeltern die gigantischen Geschenk-Spitztüten hinterhergetragen wurden...) zur aufwändig gefeierten Einschulung zu chauffieren - solange sollte es zumindest eine bezahlbare Alternative geben, allein aus Gründen des sozialen Friedens. Es sollte die soziale Möglichkeit bestehen, am "normalen Leben" teilzunehmen, ohne über ein Privatfahrzeug zu verfügen.

Rührt der Wunsch nicht eher von einer Geiz-ist-Geil-Mentalität?

Geiz ist geil - das war mal der Werbeslogan von Saturn, er war damals so verlogen wie seine negativ gemeinte Paraphrasierung es heute ist. Nur halt aus anderen Gründen.

Damals sollte den Leuten Zeug, das sie nicht brauchten, mit dem Argument, sie bekämen es bei Satur billiger als sonstwo, schmackhaft gemacht werden. So konnte man der Werbebotschaft "Billig!" einen schön ironischen Spin geben, den Verblüffungseffekt, den jedes Paradoxon beim Adressaten beinhaltet, in klingende Münze umwandeln.

Heute wird der doch eigentlich nachvollziehbare Wunsch finanziell schwächer Gestellter, am sozialen Leben gleichberechtigt teilzunehmen, mit der jovial von oben herab gezischten Formulierung Geiz-ist-Geil-Mentalität diskreditiert. Erinnert mich an die "spätrömische Dekadenz", mit der ausgerechnet ein FDP-Boss vor einigen Jahren mal gegen HartzIV-Empfänger hetzte.

Ich bin auch für einen Ausbau und eine gute, gesunde Nutzung des Nahverkehrs wie auch für optimale Kombinationen z.B. mit dem Rad.

Na, das ist doch super, da sind wir ja voll einer Meinung! Wie stellst Du Dir denn idealerweise den Weg dahin vor?

Ich bin da ganz ehrlich: obwohl ich es prinzipiell für schlecht halte, wenn viele Leute für praktisch "lau" mobil sein können, weil unnötige Mobilität unweigerlich die Entropie erhöht, aufgrund derer unser Planet in einen Hitzekollaps steuert, ist mir bewußt, dass es einen sozial ertragbaren Übergang hin zu einer statischeren Gesellschaft geben muß. Einen Übergang, der nur über eine rasche (und rasch meint eben dies: schnell! Fragt mal die Tierart Eures Vertrauens, die aufgrund des Klimawandels gerade am Aussterben ist, wie dringlich die Problematik gegen die Tür wummert!) Eindämmung des Individualverkehrs mit privaten Kraftfahrzeugen gehen kann. Dazu erscheint mir (der ich es, wie gesagt, selbst nicht nutze!) das 9-Euro-Ticket als ein sinnvoller Zwischenschritt, mit welchem man jenen, die de facto demnächst sich kein Sprit (oder Strom) mehr für ihr Privatauto werden leisten können, den Volks-Aufstands-Furor aus den Segeln nehmen kann.

Warum tut sich der Mensch mit Verzicht, Mäßigung und Verhältnismäßigkeit so schwer?

Weil Verzichtswilligkeit keine angeborene Sache ist beispielsweise. Weil Menschen, wie alle Tiere, Gier, d.h. den Drang, auf Kosten anderen sich möglichst viele der endlichen Ressourcen zu sichern, als evolutionär sinnvolle Tendenz in den Genen liegt.

Aber Mäßigung ist hier das entscheidende Stichwort: wenn eine Sylt-Hochzeitsparty-Partei den Leuten "Mäßigung" anemphielt, dann möchte man entgegnen: "Nachtigall ick hör dir trapsn!"

Als wenn die upper ten das 9-Euro-Ticket überhaupt nutzen würden! Mäßigung von denen fordern, die weniger als man selbst verbrauchen, ist ein heuchlerischer Move, vor allem, wenn man noch die Forderung nach Verhältnismäßigkeit dran hängt.

 

 

 

 

p.s.: Laut diesem Kolumnenbeitrag von C. Stöcker würde eine Fortführung des 9-Euro-Tickets in Deutschland gute 7 Megatonnen CO2 pro Jahr einsparen helfen. (Der entsprechende Link führt zum Handelsblatt, in dessen Artikel die entsprechende Berechnung zu finden ist). Das nur so als Hinweis zu der Frage, was "wir" überhaupt wollen.

 

jack-black antworten
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Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@jack-black  Wer die CO2 Steuer vervierfacht muss sich aber auch klar sein dass alles teurer wird, die Märkte haben keinen Bahnanschluß mehr, alles was bestellt wird bevördern LKW. Die Pizza kommt auch nicht ohne CO2 und der Pflegedienst kann auch nicht mit dem Fahrrad kommen. Kraftstoffkosten machen auch einen nicht unerheblichen Teil der Kosten für Feuerwehr und Rettungsdienst aus. Ich brauche praktisch ein Auto um auch nachts jemaden helfen zu können und ich kann natürlich nicht auf einen Bus warten wenn ein Einsatz ist.

jigal antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3605

@jigal Wer die CO2 Steuer vervierfacht muss sich aber auch klar sein dass alles teurer wird

 

Ja klar. Aber nicht alles wird gleich viel teurer - die Wirtschaftsgüter, bei denen der CO2-Anteil hoch ist, werden entsprechend teurer, die Wirtschaftsgüter, zu deren Produktion weniger CO2 in die Luft geblasen wird, werden weniger im Preis steigen. Darin besteht (bestünde...) ja die Lenkungswirkung so einer Steuer. ^^

die Märkte haben keinen Bahnanschluß mehr, alles was bestellt wird bevördern LKW. Die Pizza kommt auch nicht ohne CO2 und der Pflegedienst kann auch nicht mit dem Fahrrad kommen.

Korrekt. Und? Pizza-Lieferservice ist ja so eine nachhaltige Form der Essens-Zubereitung... Und tatsächlich: auch der Pflegedienst verursacht einen ökologischen Fußabdruck. Aber warum sollte der nicht mit dem Fahrrad kommen können? Das wird dann selbstverständlich teurer für die Kunden (= in diesem Falle Pflegepatienten). So what? Die Kosten fallen ja im Moment auch an, werden nur eben "sozialisiert", d.h. auf die Gesamtgesellschaft und kommende Generationen umgewälzt. Unser ganzer Lebensstil, inklusive all dessen, was wir als "unser gutes Recht" betrachten wie z.B. den mobilen Pflegedienst, ist ein Luxus, den wir uns auf Kosten der Umwelt und damit der kommenden (und, genau betrachtet schon der heutigen jungen) Generation leisten.

 

Ich brauche praktisch ein Auto um auch nachts jemaden helfen zu können und ich kann natürlich nicht auf einen Bus warten wenn ein Einsatz ist.

Dann wird, falls mein Vorschlag denn überhaupt rechtzeitig umgesetzt werden sollte (wovon ich nicht ausgehe), Deine Dienstleistung zukünftig eben entsprechend teurer für Deine Kunden. Im Moment profitieren Deine Kunden davon, dass Du ihnen nicht die Gesamtkosten, die bei Deinem Einsatz für sie entstehen, berechnen mußt. Das wird sich dann eben ändern. Dann werden sich weniger betuchte Kunden Deinen Service gegebenenfalls nicht mehr leisten können und darauf verzichten müssen.

Darauf läuft es hinaus: dass viele auf Vieles werden verzichten müssen. Der Umstand, dass selbst grüne Politiker den Leuten etwas anderes erzählen, der Umstand, dass der Elefant im Raum, nämlich dass Konsumverzicht in der Zukunft die einzige realistische Alternative zur Komplettzerstörung einer für uns bewohnbaren Erde sei, von niemandem ehrlich präsentiert wird - ... läßt mich persönlich kaum hoffen, das diese Komplettzerstörung noch aufgehalten wird. Aber ich bin kein Politiker, deswegen kann ich das so direkt sagen: Würden wir nachhaltig leben, dürften wir round about (genaue Zahlen hab ich jetzt nicht im Kopf) 2 Tonnen CO2-Emission pro Kopf und Jahr verursachen. Wir Deutschen verursachen aber im Schnitt meines Wissens ungefähr das Viereinhalbfache, wobei der Umstand, dass viele Waren, die wir konsumieren, im Ausland produziert wurden und der dabei anfallende CO2-Ausstoß in den üblichen Klimastatistiken den Erzeugerländern zugerechnet wird, noch nicht mal einbilanziert ist. Sagen wir also mal: im Schnitt bewirkt ein Durchschnittsdeutscher das 5-Fache der CO2-Emissionen, die ihm eigentlich zustünden, wenn es gerecht auf der Welt zuginge und wir diese Welt noch ein paar Generationen lang bewohnen möchten. Das Fünffache.

Das läßt sich nicht anders auf das zu erreichende Ziel reduzieren als per Konsumverzicht. Unmöglich.

Und ich weiß aus unzähligen Disskussionen mit Bekannten, Freunden, Verwandten: praktisch jeder von denen reagiert wie Du und erklärt, dass dies in seinem jeweils individuellen Fall unmöglich sei: "Ich brauche das Auto für die Arbeit/um zur Arbeit zu kommen!" "Ich brauch den Platz in der Wohnung, oder soll ich XYZ etwa wegschmeissen?" "Sollen wir etwa im Winter erfrieren wie im Mittelalter?" "Dürfen meine Kinder etwa überhaupt nicht mehr verreisen?" "Ich muß jeden Tag duschen/jeden Tag ein frisch gebügeltes Hemd haben/XXX sonst kann ich mir eine neue Stelle suchen." "Man muß zwischendurch auch mal Obst/Südfrüchte essen, sonst krieg man ja Skorbut!" "Ohne richtiges Fleisch wenigstens alle zwei Tage fehlt mir die Kraft zum Arbeiten."

Jeder erklärt einem, dass und warum er individuell seinen Konsum (endlicher Ressourcen!) nicht nennenswert einschränken kann oder es nicht einsieht, sich einzuschränken, wo doch die anderen noch viel mehr...

Die Physik schert das einen feuchten Kehricht.

 

jack-black antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@jack-black   Mir war das jetzt zu viel Text aber ich sehe wie immer mehr Pflegedienste massive Kostenprobleme bekommen und wenn solche Forderungen durchgesetzt werden ohne diese zu entlasten wird es keinen Pflegedienst mehr geben, bei dem ich Essen auf Rädern zu einem Preis bestellen kann, den ich noch bezahlen kann, wenn man als Ehepaar zwei Essen pro Tag benötigt und seit Jahren im Gespräch ist Essen auf Rädern auch noch zu besteuern. Es würde auch dazu führen dass ich ggf. nicht mehr jeden Tag in der Woche von einem Dienst versorgt werden kann, da mein Budget durch die nötigen höheren Preise ggf. schon nach drei Wochen aufgebraucht ist. Muss ich also im Sommer mehr stinken, wenn ich mich nicht mehr selbst duschen kann, das Geld für meinen Pflegegrad aber schon verbraucht ist.

 

jigal antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3605

@jigal Mir war das jetzt zu viel Text

 

Okay.

jack-black antworten


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