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Demokratie - wie geht es weiter?


Anonymous
 Anonymous
Beiträge : 0

Hallo zusammen,

ich würde mir gerne mit Euch über die Zukunft unseres Staates und der politischen Systeme national wie global Gedanken machen.

Wir leben in einer Demokratie. Ich bin in einer solchen aufgewachsne und damit Kind der Freiheit und der Mitbestimmung.

Als solcher bekommt man mit, wenn die Freiheit schwindet und das, was man mal gut fand, zumindest mal heftige Kratzer bekommen hat.

Unsere Demokratie und unsere Staatsform sehe ich als Geschenk derer, die uns mal von einem totalitären Unrechtsstaat befreit haben.

Das Positive daran ist für mich zunächst einmal, dass mir ein großes Maß an persönlicher Freiheit ermöglicht wird und so die besten Grundlagen für kulturelles Schaffen und persönliche Entfaltung/Entwicklung des Individuums. Sicher gibt es uns auch die Möglichkeit, uns an politischen Grundsatzentscheidungen zu beteiligen - aber ich sehe diesen Raum als Realist in Hinblick auf Notwendigkeiten relativ beschränkt.

Die Demokratie ist uns nicht auf alle Ewigkeit garantiert und wir sehen Staaten in der Welt, die sich in eine totalitäre Richtung entwickelt haben.

Fragen zur Diskussion:
Wie geht es bei uns weiter? Gibt es bessere Konzepte, die erstrebenswert wären? Wenn ja - warum? Welche Möglichkeiten und vielleicht auch Pflichten haben wir, wenn es darum geht die Demokratie gegen Feinde zu verteidigen? Das mal an Fragen für Euch.

Ich möchte noch auf zwei philosophische bzw. wissenschaftliche Perspektiven in Bezug auf die gesellschaftliche Entwicklung verweisen.

Da ist zunächst einmal ein ziemlich grundlegendes Werk des Philosophen Platon über den Staat:
https://de.wikipedia.org/wiki/Politeia

In seiner Politeia behandelt Platon verschiedene Staatsformen. Platon verfasst seine Werke generell als eine Art Gespräche mit verschiedenen imaginären Gesprächspartnern, die miteinander diskutieren.

Platon scheint die Herrschaft der Besten (wie immer man die auch definieren und bestimmen will) - also die Aristrokatie - zu bevorzugen .

Er schreibt aber auch etwas zur Demokratie und sieht sie als Ergebnis eines Aufstandes gegen eine Oligarchie - also einer Herrschaft weniger, die ihre Macht missbrauchen und so zu Not in der Bevölkerung führen.

Er traut aber der Demokratie keine wirklich brauchbare Herrschaft zu. Seine Perspketive (ich zitiere aus oben verlinktem Wikipeida Artikel) ist:
Übermut, Verschwendungssucht, Schamlosigkeit und Haltlosigkeit kennzeichnen die Lebensweise der tonangebenden Kreise in der demokratischen Gesellschaft.

Als letztes Stadium geht aus der Demokratie die Tyrannenherrschaft hervor. Das Hauptmerkmal der demokratischen Gesinnung, der unbeschränkte Freiheitswille, wird den Demokraten letztlich zum Verhängnis, da sich die Freiheit zur Anarchie steigert. Der demokratische Bürger ist nicht gewillt, eine Autorität über sich anzuerkennen. Die Regierenden schmeicheln dem Volk. Niemand ist bereit sich unterzuordnen. Ausländer sind den Stadtbürgern gleichberechtigt, Kinder gehorchen nicht, sie respektieren weder Eltern noch Lehrer, und sogar Pferde und Esel schreiten frei und stolz einher und erwarten, dass man ihnen aus dem Weg geht.[75]

Dieser Zustand der höchsten Freiheit schlägt schließlich in die härteste Knechtschaft um. [Zitatende]

Mir scheint es im Moment mitunter, als wollten einige Leute diesen Entwurf als eine Art Prophetie zu verwenden, die man wahr machen möchte, indem Entwicklungen in dieser Richtung vorangetrieben werden - manipulativ und politisch motiviert.

Ein wichtiger Kritiker Platons ist hier Karl Popper, der zu Platons Sicht auf die Demorkatie folgendes sagt (ich zitiere aus oben verlinkten Wikipedia Artikel):
Darin setzte er sich vor allem mit der Politeia auseinander, die „ein glänzendes Stück politischer Propaganda“ sei. Das Werk enthalte eine „bis zur Leidenschaft feindselige“ Parodie des politischen Lebens in Athen und der Demokratie; es gehöre zu den „giftgefüllten Schriften“ Platons und habe bis in die Moderne ungeheures Unheil angerichtet. Der Angriff auf die Demokratie sei durch eine Flut von Schmähungen und „das völlige Fehlen rationaler Argumente“ charakterisiert.[Zitatende]

Ich sehe das ähnlich wie Popper und habe da große Hoffnung, dass sich die Demokratie durch die Zeit retten lässt - aber dafür müssen Grundlagen gelegt sein. Für mich sind das:
- Bildung, damit der Bürger sich kompetent an den demokratischen Prozessen beteiligen kann und den Wert der Demokratie für sich persönlich erkennt.
- Strukturen der Verteidigung gegen Angriffe zum Beispiel totalitärer oder anarchistischer Kräfte.
- Bewahren oder Aufbauen einer Kultur der Pflege demokratischer Prozesses und Möglichkeiten der Beteilgung der Bevölkerung über das reine Wählen der Volksvertreter hinaus.
- eine freie Presse zur Offenlegung der demokratischen Prozesse und um ein Forum zur Meinugnsbildung und zum Meinungsaustausch zu liefern.

Gibt es eine Perspektive, wie sich die Demokratie in positiver Weise weiterentwickeln könnte?

Hier jetzt ein weiterer Wikipedia Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Spiral_Dynamics

Spiral Dynamics ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Beschreibung der Entwicklung des Bewußtseinszustandes des Menschen im Verlauf seiner kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung. Das ist jetzt keine unmittelbare Staatslehre, wie wir das bei Platon findet. Aber in einem demokratischen Staat sind es die Menschen, die den Staat bilden. Und wenn sich die Menschen vom Bewußtsein her weiterentwickeln, dann können die sich auch anders in einem demokratischen Staat einbringen.

Die Bevölkerung setzt sich immer aus einem Mix der unterschiedlichen Bewußtseinsstufen zusammen. Die Stufe, die wirklich die Gefahr für die Demokratie werden könnte (wie Platon das sieht) scheint mir von einem so primitiven Typus, dass ich große Hoffnung habe, dass eine gute Bildung die Entwicklung, die Platon befürchtet, verhindert werden kann.

Im Gegenteil: eine Entwicklung breiter Bevölkerungsschichten hin zu Stufen Grün aufwärts (ich zitiere aus dem Wikipeida Artikel zu Spiral Dynamics) sollte komplexe Gesellschaften ermöglichen, die positive Aspekten menschlicher Fähgikeiten zusammen mit neuer Technik (z.B.künstliche Intelligenz) freisetzen und so zu einen gigantischen kulutrellen Schub führen können:

Grün: relativistisch, personalistisch, kommunitaristisch, egalitär
seit 1850 (aufkeimend im frühen 20. Jahrhundert)
Gemeinschaftsgefühl, menschlicher Zusammenhalt, ökologische Sensibilität, Netzwerke. Der menschliche Geist muss von Habgier, Dogma und Entzweiung befreit werden; Gefühle und Fürsorge gehen über kalte Rationalität; Wertschätzung der Erde, von Gaia, des Lebens. Gegen jede Hierarchie; Herstellung von Querverbindungen und Vernetzung.

Gelb: systemisch-integrativ
seit etwa 1950
Das Selbst ist was es zu sein wünscht, mit Rücksicht auf andere Menschen und das Leben allgemein. Nicht nur das eigene Leben soll gefördert werden. Gute Regierung erleichtert das Aufsteigen von Entitäten auf allen Ebenen zunehmender Komplexität. Nach Schätzungen gehören am Beginn des 21. Jahrhunderts ca. 1 Prozent der Weltbevölkerung und ca. 5 Prozent der Machtstrukturen dieser Ebene an.

Türkis: holistisch
seit etwa 1970
Ein opferbereites eigennütziges System aus multiplen Ebenen, verwoben zu einem bewussten System.

Koralle: Wird sich aus den Erfordnissen türkiser Lebensbedinungen entwickeln.[Zitatende]

Könnte es sein, dass wir so die Option haben, eine demokratisch fundierte und ausgesprochen selbstlose und von liebevollen Beziehungen geprägte sehr komplexe Gesellschaft anzustreben?

Dazu müssten die primitiveren Stufen (beige bis orange bei Spiral Dynamics) überwunden und die oben zitierten höheren Stufen durch Bildung und Vermittlung in der Presse gestärkt werden.

Vielleicht lassen sich ja Smartphones und digitale Netzwerke nicht nur destruktiv nutzen? Ich sehe uns vor einer großen Zukunft!

Viele Grüße
Ecc

Antwort
2 Antworten
Orangsaya
Beiträge : 3018

Ist ja umfangreich, was du da schreibst. Ich vereinfache mal da mit meiner Antwort.

Veröffentlicht von: @ecclesiaja

Unsere Demokratie und unsere Staatsform sehe ich als Geschenk derer, die uns mal von einem totalitären Unrechtsstaat befreit haben.

Ich sehe es irgendwie nicht nur als Geschenk, sondern, dass sie so, wie sie in den rund letzten 70 Jahren funktionierte, ist ein Glücksfall. Die Weimarer Republik war ja im Wesen verwandt mit unserer Demokratie, aber, obwohl Hitler bei Wahlen niemals eine Mehrheit hatte, führte diese Demokratie sich ins Aus. Das Kaiserreich war aus heutiger Perspektive eine defizitäre Demokratie. Wir haben heute mehr Möglichkeiten als Wahlen, um am politischen Prozess teilzunehmen. Die Aufteilung der Macht, wäre heute für uns inakzeptabel. Wollte man politische Bedeutung haben, brauchte man den Adel auf seiner Seite. Trotzdem in der Fortentwicklung zu unserer föderalen Demokratie, ist der Bundesrat ein wichtiger Baustein, der uns vor einer zentralistischen Demokratie bewahrt, die teilweise (z. B. in Fragen Schule und Bildung) gefordert wird. Wir haben aber keine einfache Demokratie, aus der Berlin einfach etwas vorgeben kann.

Veröffentlicht von: @ecclesiaja

Wir leben in einer Demokratie. Ich bin in einer solchen aufgewachsne und damit Kind der Freiheit und der Mitbestimmung.

Ja, mit dem Selbstverständnis, bin ich natürlich auch hier im Lande aufgewachsen. Wir wussten eigentlich nur aus der Theorie, was Unfreiheit bedeutet.

Veröffentlicht von: @ecclesiaja

Fragen zur Diskussion:
Wie geht es bei uns weiter? Gibt es bessere Konzepte, die erstrebenswert wären? Wenn ja - warum? Welche Möglichkeiten und vielleicht auch Pflichten haben wir, wenn es darum geht die Demokratie gegen Feinde zu verteidigen? Das mal an Fragen für Euch.

Ich bin ja ein Befürworter der parlamentarischen Demokratie. Einige fordern ja eine direktere Demokratie. Das sehe ich sehr kritisch. Nicht zuletzt, weil je weiter der Rand in die linke, oder rechte Ecke geht, die Forderung nach einer direkten Demokratie steht. Vielleicht auch, um die schützende Instanz, die eine parlamentarische Demokratie hat, brechen zu können. Wahlergebnissen entwickeln sich durch Stimmungslage und sind ambivalent, die Regierung, die vom Parlament getragen wird, sorgt in der Politik für mehr Stabilität. Nicht erst ab Staatsräson, sondern schon vorher. Kohl wurde in der ersten Zeit als Kanzler, vorgeworfen, er hätte sich an den fahrenden Zug gehängt. Sprich, er macht nichts neu, sondern macht die Politik von Schmidt weiter. Das haben die Kanzler vor ihm auch gemacht. Bis auf Brandt, doch der wurde von seiner eigenen Partei gestürzt. Auch, wenn bei der heutigen Verehrung Brandts sich nicht jeder Sozialdemokrat daran erinnern will. Wehner der Mächtige im Hintergrund, hat dafür gesorgt, dass Brand durch Schmidt ersetzt wird. Das Ergebnis war, dass es weiterhin eine Stabilität gab. Merkel hat ihre eigene Politik geändert und somit auch die Republik, sie ist nicht mehr so stabil, wie in der Vergangenheit.

Veröffentlicht von: @ecclesiaja

Die Demokratie ist uns nicht auf alle Ewigkeit garantiert und wir sehen Staaten in der Welt, die sich in eine totalitäre Richtung entwickelt haben.

Ich sage, dir ganz offen, dass ich die größte Gefahr der Freiheit, die wir in der Vergangenheit genossen haben, in denen sehe, die einen gerechten Frieden, wollen, denn die sehen ihren Frieden und ihre Analyse des Hintergrunds derartig unantastbar, dass ein Diktat ihres Bildes gerechtfertigt ist. Sie polarisieren, verunglimpfen die, die eine andere Sichtweise haben, bzw. den Hintergrund einer Problematik anders bewerten, dass die andere Seite der Feind ist. Deswegen haben wir mehr extremistische politische Richtungen in unserem Bundestag, wie jemals zuvor. Diese Entwicklung, die unseren Staat verändert, sehe ich seit 1998. Wobei die damalige Regierung, nicht so weit gehen konnte. Bislang war das Ergebnis, einer Selbstüberschätzung der eigenen Ideale immer ein Entzug der Freiheit. Sei es bei den Sozialisten, die ihr Bild von Gerechtigkeit hatten, oder die Nationalsozialisten, die ein ähnliches Bild, nur eben ausschließlich für das eigene Volk bestimmt, ihre Gerechtigkeitsidee hatten. Alle haben sich für vermeintliche Opfer eingesetzt, die sie mit ihrer eigenen Analyse ausfindig machten und den Schuldigen geht es an den Kragen ... Das waren dann Hochverräter, vaterlandslose Kosmopoliten, Konterrevolutionäre, usw. Diese galt es auszuschalten, bzw. zu vernichten. Heute haben sich teils die Sichtweisen geändert, aber nicht die Mechanismen. In Menschen, die zum Thema Globalisierung und Gerechtigkeit in eine extreme Richtung gehen. Die den Umweltschutz nur noch so sehen, dass nur mit ihren Inhalten die Welt noch zu retten ist. Die Multikulti als Kampfmittel, gegen die eigene Nation instrumentalisieren, die den Menschen eine gerechte Sprache diktieren wollen, usw. sind ab da eine Gefahr, wo sie sich für derartig unantastbar halten, dass der Andere nur ein Schlimmer sein kann. Das ist die Gefahr für unsere Freiheitswerte und unsere Demokratie.
Wie du siehst, ich bin mir meiner Antwort von deinen philosophischen Ansätzen abgewichen.

orangsaya antworten
1 Antwort
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0

Hallo Orangsaya,

erst einmal vielen Dank, dass Du Dir meinen langen Text angetan hast. Es ist grad etwas, was mich beschäftigt und wo ich denke, dass wir als Bürger des Staates Aufgaben haben und ein vernachlässigen dieser Aufgaben schwerwiegende Folgen haben könnte.

Veröffentlicht von: @orangsaya

Ich sehe es irgendwie nicht nur als Geschenk, sondern, dass sie so, wie sie in den rund letzten 70 Jahren funktionierte, ist ein Glücksfall.

Ja, absolut. Als Geschenk dürfen wir das sicher auch deshalb sehen weil wir 1) nach unserer Geschiche das ganz sicher nich so verdient haben - es ist Gnade! Und dafür kann man nur dankbar sein. Und zweitens sind wir ja bei weitem nicht mächtig genug, um so etwas aus uns selber heraus wirken zu können. Da war einfach ein Umfeld das mit stabilisiert, gefördert und bewahrt hat.

Ich denke, dass für lange Zeit eine harte Grenze zwischen zwei Blöcken durch unser Volk ging war neben dem Fluch, das so etwas ganz klar auch immer ist, vielleicht auch so etwas wie ein Segen. Die jeweiligen Partner mussten ein starkes Interesse daran haben, dass diese Grenze stabil war und zuversichtliche gesichert wurde. Und das geht eben mit einer Bevölkerung, die hinter dem System steht und auch wirtschaftlichen Segen aus dem System heraus erfährt eben viel besser. Und so war es dann ja auch mehr oder weniger der wirtschaftliche Bankrott (neben dem gesellschaftlichen Druck, der auf Grund der Unzufiredenheit der Bevölkerung aufgebaut wurde) was von der einen Seite die Grenze öffnen ließ.

Heute sind wir mitten in Europa - einem Europa das noch werden muss, um politisch wirklich stabilisierend wirken zu können und wirtschaftlich als Einheit auftreten zu können. Das, was wir heute haben, sind da ja bestenfalls mal Anfänge.

Veröffentlicht von: @orangsaya

Die Weimarer Republik war ja im Wesen verwandt mit unserer Demokratie, aber, obwohl Hitler bei Wahlen niemals eine Mehrheit hatte, führte diese Demokratie sich ins Aus.

Wir wissen, dass es selten passiert, dass aus der Geschichte gelernt wird. Aber hier ist es für uns Deutsche ganz, ganz wichtig, dass wir es tun. Wir kennen die natürlichen Früchte bestimmter politischer Ansätze aus sehr schmerzlichen Erfahrungen heraus - und das sollte Anlass genug sein, so etwas kategorisch abzulehnen.

Mein Eindruck ist der, dass wir da bereits einen ersten Versuch einer Renaissance solchen Gedankengutes abgewehrt haben - aber wir haben dies in einem weitstgehend wirtschaftlich unproblematischen Umfeld getan. Wirklich beweisen müssen wir uns erst, wenn es wirtschaftlich düster aussieht. Aber so ist ein Bemühen, die wirtschaftliche Situation positiv zu gestalten immer auch ein Bemühen, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten und unsere demokratische Kulutur zu bewahren.

Veröffentlicht von: @orangsaya

Trotzdem in der Fortentwicklung zu unserer föderalen Demokratie, ist der Bundesrat ein wichtiger Baustein, der uns vor einer zentralistischen Demokratie bewahrt, die teilweise (z. B. in Fragen Schule und Bildung) gefordert wird. Wir haben aber keine einfache Demokratie, aus der Berlin einfach etwas vorgeben kann.

Ja, unsere Demokratie ist komplex und komplexer als manche andere. Aber grade die dezentralen Momente halte ich für eine große Stärke. Dezentrale Systeme sind generell stabiler als zentrale, weil diese im Notfall auch mal autark arbeiten können. So wird es deutlich schwieriger, mit einem zentralen Angriff die Macht zu übernehmen. Der ganze Staat müsste unterwandert werden - was schwierig ist, weil jedes Bekanntwerden solcher Bestrebungen an nur einer Stelle würde bei funktionierenden Abwehrmechanismen des Staates, den Angriff umgehend beenden.

Veröffentlicht von: @orangsaya

Wir wussten eigentlich nur aus der Theorie, was Unfreiheit bedeutet.

Ich glaube, dass es wichtig ist, sich die Unfreiheit und die Konsequenzen davon immer mal wieder vor Augen zu führen. Auf der anderen Seite halte ich es für wichtig, sich auch die Möglichkeiten und die Früchte der Freiheit immer wieder vor Augen zu führen.

Ich habe manchmal den Eindruck, dass das ein wenig verlorengegangen ist bzw. im Osten unseres Landes nie richtig entdeckt wurde.

Oft erwachsen ja die kulturellen Früchte der Freiheit aus einem Kampf um die Freiheit. Wenn ich da an die USA und die Kämpfe gegen Rassentrennung, gegen Vietnam und dergleichen sehe - dann ist ganz viel von dem, was mir die USA zum Vorbild werden ließ, den kulturellen Früchten solche Kämpfe geschuldet. Vielleicht brauchen wir ein neues Woodstock - und vielleicht hat der Widerstand gegen Pegida und AfD genau dieses Potential.

Veröffentlicht von: @orangsaya

Ich bin ja ein Befürworter der parlamentarischen Demokratie. Einige fordern ja eine direktere Demokratie. Das sehe ich sehr kritisch.

Ich denke, dass eine direkte Deomkratie nicht funktionieren würde. Wir müssen die Macht auf Zeit vergeben damit in dieser Zeit mit einer definierten Verantwortlichkeit knostruktives geschaffen werden kann. Wir sehen an einigen Großprojekten was passiert, wenn zu viele Leute reinreden. Dies war dann zwar nicht einer direkten Demokratie sondern mehr der Unfähigkeit der jeweils Regierenden geschuldet, klare Konzepte auf dem Weg zu bringen - es zeigt aber doch deutlich, was es bedarf, wenn Dinge von größ0erer Dimension auf den Weg gebracht werden sollen.

Ich könnte mir aber vorstellen, dass es versärkt Elemente direkter Demokratie geben könnte. So könnte die Regierung ihrerseits in strittigen Fragen das Volk direkt befragen, welcher Weg eingeschlagen werden soll.

Veröffentlicht von: @orangsaya

Merkel hat ihre eigene Politik geändert und somit auch die Republik, sie ist nicht mehr so stabil, wie in der Vergangenheit.

Ich weiß nicht, ob sie ihre Politik geändert hat. Als sie Kohl gestürzt hat, indem sie Konsequenzen aus dem Spendenskandal forderte, hat sie aus einer stabilen ethischen Haltung heraus gehandelt, die sich als gut für unser Land erwiesen hat. Als sie den Druck von den Grenzen nahm, was Tote und unvorstellbares Leid verhindert hat, hat sie das auch getan. Ich denke, dass die Probleme, die wir heute haben, weniger Frau Merkel als wie einer Gesellschaft, die sich an den von Frau Merkel eingeschlagenen Wegen nicht beteiligen will, zu verdanken haben. Das war bei den Flüchtlingen, wo viele es gar nicht erst schaffen wollten so - und das war bei der Energiewende nicht anders. Die Folgen haben wir da nicht Frau Merkel sondern den Betonköpfen, die sich einfach nur sturr verweigerten, zu verdanken.

Veröffentlicht von: @orangsaya

Ich sage, dir ganz offen, dass ich die größte Gefahr der Freiheit, die wir in der Vergangenheit genossen haben, in denen sehe, die einen gerechten Frieden, wollen, denn die sehen ihren Frieden und ihre Analyse des Hintergrunds derartig unantastbar, dass ein Diktat ihres Bildes gerechtfertigt ist.

Ganz richtig.Das ist ein großes Problem!
Ich hatte ja in meinen Eingangsbeitrag auf Platon hingewisen. Dieser hat alle seine Schriften als eine Art STreitschriften zwischen verschiedenen Positionen dargestellt.
Das war eine Art Debattenkultur aus einer Feder - heute brauchen wir das ja nicht mehr so. Es gibt genug Menschen, die unterschiedliche Positionen beziehen können und wo im Wettstreit dieser Positionen sich der beste Weg herausschält.

Genau so etwas ist wichtig, wenn der beste Weg gefunden werden soll und eine offene Debattenkulutur mit einer Meinungspluralität ist das Lebenselexier der Demokratie.

Und da sehe ich, wei Du auch, große Gefahren.

Wir brauchen keine Freude der "Klimaleugner" zu sein, um Menschen, die solche Positionen für wichtig in demokratischen Prozessen und Wegen der Meinungsbildung zu halten. Wo andere Meinungen einfach platt gemacht werden, da ist keine Freiheit mehr - und da ist Demokratie am Ende.

Gleiches gilt für die in Hinblick auf "political correctness" Hochsensiblen. Es ist ja eigetnlich ein altes Schema: Es wird eine Gesetzlichkeit aufgebaut und dann von dieser Position aus verurteilt und eine Machtposition generiert. Pharisäertum wie es deutlicher nicht sein kann - und Jesu Haltung zu den Pharisäern hat auch heute nichts an Richtigkeit und Bedeutung verloren.

Es gibt einen leider gebürenpflichtigen Aufsatz in der SZ:
https://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-studie-meinungen-widerspruch-1.4360628?reduced=true

Ich zietiere hier die frei verfügbare Zusammenfassung:
Treffen extreme Meinungen aufeinander, kann das zu vernünftigen Ergebnissen führen. Homogene Gruppen neigen hingegen dazu, sich zu radikalisieren. Warum man sich häufiger mit Gegenpositionen auseinandersetzen sollte.

Genau da befinden wir uns heute oft genug: Es gibt nur den einen richtigen Weg - und derjenige, der anderer Ansicht ist, wird lächerlich gemacht oder auf anderem unfairen Weg mundtod gemacht. So etwas führt in radikale Positionen hinein und es verhindert die Kontrolle bestimmter Inhalte in einer offenen Debatte. Der Advocatus Diaboli ist für mich nicht böse - er ist vielmehr absolut notwendig, um die Freiheit zu bewahren und falsche Wege wegen zu wenig offener Diskussion im Vorfeld und eine kritische Überprüfung der Entscheidungen zu verhindern.

Veröffentlicht von: @orangsaya

Wie du siehst, ich bin mir meiner Antwort von deinen philosophischen Ansätzen abgewichen.

Und doch hat das alles auch seine philosophische Dimension und kann mit einem Schritt zurück aus philosophischer Perspektive betrachtet werden. Und aus so einer Perspektive halte ich das hier:

https://www.n-tv.de/politik/Lindner-kritisiert-Schueler-fuer-Klimademos-article20898641.html

für absolut verheerend für die Demokratie. Ich sage nicht, dass die demonstrierenden Schüler mit ihren Positionen unbedingt Recht haben. Aber grade dass die Schüler da aufstehen und sich engagieren gibt mir Hoffnung, dass da eine Generation kommt, mit der die Demokratie eine reelle Chance hat.

Die Schüler mögen einseitig informiert sein (und da hat auch Kika eine klare Position) - aber ich halte es für falsch, ihr Engagement abzulehnen, weil es mir nicht bequem ist und weil man ihnen die Expertise nicht zutraut.

Dieses " davon hast Du keine Ahnung - lass das mal die Experten machen" haben wir viel zu lange geduldet. Die Leute sind nicht doof und wer bereit ist, Deoms zu organisieren, der ist ja vielleicht auch bereit, sich in der Tiefe mit der Materie auseinanderzusetzen. Und wenn ich da meine, dass die Schüler die falschen Positionen vertreten - dann muss ich ihnen eben Zugang zu vielfältigeren Sichtweisen verschaffen, so dass sie von einem differenzierteren Standpunkt aus argumentieren können.

DEr Weg zur Wahrhiet führt über die Debatte vielfältiger Positionen. Zur Bildung gehört für mich, dass die Menschen dazu in der Lage versetzt werden, sich selber ein differenziertes Bild aus vielfältigen Quellen zu machen und dann mit Achtung vor anderen Positionen sich an den Debatten zu den verschiedenen Themen beteiligen.

Wenn ich wichtige Themen auf Expertenkreise beschränken will, dann töte ich die Demokratie. Es ist für mich erschreckend, dass solches Ansinnen aus der FDP heraus zu hören ist.

Ich halte es für sinnvoller, Meinungsvielfalt und politische Aktivität als Elemente einer lebendigen Demokratie nicht zu bremsen oder zu verteufeln sondern sinnvoll zu stärken und in demokratische Prozesse einzubinden. Wer sich für politische Fragestellungen interessiert, kann die ja auch mal im Kontext einer Partei vertreten.

Viele Grüße
Ecc

Anonymous antworten


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