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Namen, Sprache zwischen Freiheit und Manipulation


Orangsaya
Themenstarter
Beiträge : 2984

 

Ohne Zweifel, die Sprache hat eine gewisse Wirkung. Daraus ergibt sich die Frage, sollte man die Sprache regulieren. Selbstverständlich, für fast jeden ist es angenehm, wenn sein Gegenüber so formuliert das es dem anderen nicht unangenehm berührt. Mir geht es nicht um den Streit um die alten Streitereien, „Das darfst du so nicht sagen“, „Sprachpolizei“,usw. Solche Dialoge, dass muss ich mir ehrlichkeitshalber eingestehen, führen nur zur gegenseitigen Abneigung und ist nicht zielführend. Unabhängig von der einzelnen Sichtweise war das Ergebnis keine Annäherung, sondern sucht die Bestätigung, dass der Andere etwas unlauteres im Schilde führt.

 

Ich nehme mal ein Beispiel, dass heute wohl noch wenig berührt. Vor über dreißig Jahren war ich in Halle. Durch einen reinen Zufall habe ich in einer Familie privat übernachtet. Wir waren aneinander interniert und unterhielten uns über die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Es war interessant und harmonisch. Alles war kein Problem. Plötzlich brach bei der Gastgeberin mit entsetzen heraus: „Meine beiden Söhne wollen bei einem Kapitalisten arbeiten.“ Ich verstand sie nicht und fragte, was sie damit meinte. Es stellte sich heraus, dass sie ein Arbeitsverhältnis meinte, welches im Westen die Normalität ist und bei uns ein Arbeitsverhältnis ist, welches zu überhaupt keinen Anstoß führen würde. Ein anständiger Unternehmer, der seine Mitarbeiter ausreichend bezahlt, war gemeint. Das steigerte sich soweit, dass sie meinte, ihre Söhne wären dann auch nur Kapitalisten, weil sie durch ihre Arbeit ungebührlich viel Gelt für ihre Arbeit bekommen würden. Nachvollziehen konnte ich es nur sehr begrenzt, weil das Wort „Kapitalismus“ im Westen eine andere Bedeutung hatte. Das ist mittlerweile auch bekannt und im Nachhinein kann sich es kognitiv besser nachvollziehen, warum wir uns sprachlich nicht annähern konnten, sondern nur emotional. …

Ein Beispiel der Gegenwart, aber noch nicht polarisiert, ergibst sich aus dem Zusammenhang der Zeitenwende. Weniger das Wort Zeitenwende selbst, sondern in dem Wort „aufrüsten“.

Bevor die Zeitenwende, was das Wort auch immer beinhaltet, aufkam ging durch die Presse, die Bundeswehr sei blank. lönnte für internationale Aufgaben noch funktionieren, aber ist nicht mehr in der Lage, das eigene Land zu verteidigen. Nun wurde darüber gesprochen, dass wir die Bundeswehr wie aufrüsten müssen. Das Wort Aufrüsten ist bei uns teils negativ konditioniert. (Bei mir nicht.) Jemand von der Bundeswehr meinte in Diskussionen und bei Interviews sei eigentlich falsch. Es ginge nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung der Bundeswehr. Das wurde auch von einigen Übernommen und das Wort Aufrüstung änderte sich in Ausrüstung.

 

Aufrüstung > Ausrüstung

 

Dann kam es zur Debatte über die 100 Milliarden für die Bundeswehr. Hier hörte ich in der Debatte ein neues Wort für Aufrüstung und das war Auffrischung der Bundeswehr.

 

Aufrüstung > Ausrüstung > Auffrischung

 

Diese drei Wörter sind schon eine erstaunliche Entwicklung. Zwischen Aufrüsten, und Auffrischen ist schon ein Unterschied, oder nicht?

Zum Glück wurde die Frage der Namensgebung noch nicht polarisiert, dass kann aber kommen. Wenn zum Beispiel ein Waffenstillstand in der Ukraine besteht, wir aber noch jedes Jahr 20 Milliarden in die Rüstung stecken, bis die 100 Milliarden voll sind. Da könnte es sich durchaus zu einem Streit über das richtige Wort ergeben und passieren, dass Dogmatiker einem das richtige Wort vorschreiben wollen.

 

Die andere Frage ist, Name und Identität. Die Vergebung eines Familiennamens war nicht gleichzeitig. Es gab Randgruppen, oder kleinere Gruppen, die erhielten erst spät einen Familiennamen. Teilweise konnten sie den Namen selbst bestimmen, oder sie bekamen einen Namen zugewiesen. Das waren teils Spottnamen, da es Menschen aus dem gesellschaftliche Abseits waren. Heute kommt kaum einer auf den Gedanken, dass der Name geändert werden müsste, weil der Name eine Verhöhnung sei. Im Versehen hat in einem Bericht jemand gesagt, dass sie immer öfter darauf angesprochen wird, ihren Namen ändern zu müssen. Bei dem „Problemfamilienname“ handelte es sich um den Namen Mohr. Sie will aber ihren Namen nicht ändern, weil ihr der Name angenehm sei und zu ihrer Identität gehöre. Allerdings verstört es sie, dass sie deswegen unter Druck gesetzt fühlt. Ich kann das nachvollziehen, den so geht es mir mit meinem Namen ebenfalls.

 

In Schleswig Holstein gibt es einen Ort, bei dem gefordert wird, denn Namen zu ändern. Nur die Menschen im Dorf gehen da nicht mit. Der Name ist für sie ein Name der für ihre Heimat steht und somit ein Teil ihrer Identität sei. Der Name des Ortes ist Negernbötel. Darin steht ein Wort, dass man vorgeblich nicht aussprechen darf. Die Frage, was das Wort in dem Ort Neger im Namen Negernbötel bedeutet, spielt dabei keine Rolle.

 

Es gibt eine Vielzahl von Beispielen wie, Junker-Jörg-Platz usw, Es geht mir aber nicht, um die aktuellen Themen, um die sich in der Gegenwart, bis aufs Blut gestritten wird.

Deswegen gehe ich zu den Sprachänderungen Aufrüstung, Ausrüstung, Auffrischung zurück. Diese Änderung haben ein Ziel, sie mit solchen Wortänderungen will man manipulieren, um eine Akzeptanz, oder eine Inakzeptanz zu erreichen. Ist das okay, oder manipulativ? Wenn es okay ist, ab wann geht es zu weit. Inwiefern darf sich in einer freien Gesellschaft der Staat solcher Instrumente bedienen? Gibt es überhaupt Probleme die zwischen Namen, Sprache, Freiheit und Manipulation stehen?

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Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1248
Veröffentlicht von: @orangsaya

Ist das okay, oder manipulativ? Wenn es okay ist, ab wann geht es zu weit. Inwiefern darf sich in einer freien Gesellschaft der Staat solcher Instrumente bedienen?

So ist das mit Äußerlichkeiten. Man kann mit kleinen Änderungen einen anderen Inhalt vortäuschen. Das ist verführerisch. Wir alle nutzen das, manche Menschen gehen aber erheblich weiter als üblich und betrügen regelrecht. Gut, dass wir nicht alles glauben müssen.

Eine Grenze für unser eigenes Verhalten kann uns unser Gewissen aufzeigen. Nach der kann man sich richten - oder mit schlechtem Gewissen die Grenze ausdehnen. Irgendwann ist das Gewissen dann stumm und wir haben diesen Helfer verloren. Das ist schon eine gewisse Strafe. Allgemeingültig ist diese Grenze natürlich nicht. In extremen Fällen kann man manchmal vor Gericht eine Grenze errichten.

Genauso wie es zwischen beschönigen und manipulieren keine klare Grenze gibt, ist eine Gesellschaft auch nie ganz frei, oder?

tagesschimmer antworten
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