Von der Dummheit
Aus aktuellem Anlass ein Brief von Bonhöffer.
Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch – und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.
Um zu wissen, wie wir der Dummheit beikommen können, müssen wir ihr Wesen zu verstehen suchen. Soviel ist sicher, daß sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. Diese Entdeckung machen wir zu unserer Überraschung anläßlich bestimmter Situationen. Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, daß die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. Wir beobachten weiterhin, daß abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen. So scheint die Dummheit vielleicht weniger ein psychologisches als ein soziologisches Problem zu sein. Sie ist eine besondere Form der Einwirkung geschichtlicher Umstände auf den Menschen, eine psychologische Begleiterscheinung bestimmter äußerer Verhältnisse. Bei genauerem Zusehen zeigt sich, daß jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz. Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen. Der Vorgang ist dabei nicht der, daß bestimmte – also etwa intellektuelle – Anlagen des Menschen plötzlich verkümmern oder ausfallen, sondern daß unter dem überwältigenden Eindruck der Machtentfaltung dem Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt wird und daß dieser nun – mehr oder weniger unbewußt – darauf verzichtet, zu den sich ergebenden Lebenslagen ein eigenes Verhalten zu finden. Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat.* Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt.** So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen. Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Mißbrauchs. Dadurch werden Menschen für immer zugrunde gerichtet werden können.
Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, daß nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, daß eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Dummen zu überzeugen, verzichten müssen. In dieser Sachlage wird es übrigens auch begründet sein, daß wir uns unter solchen Umständen vergeblich darum bemühen zu wissen, was „das Volk“ eigentlich denkt, und warum diese Frage für den verantwortlich Denkenden und Handelnden zugleich so überflüssig ist – immer nur unter den gegebenen Umständen. Das Wort der Bibel, daß die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit sei, sagt, daß die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist.***
Übrigens haben diese Gedanken über die Dummheit doch dies tröstliche für sich, daß sie ganz und gar nicht zulassen, die Mehrzahl der Menschen unter allen Umständen für dumm zu halten. Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.
Von mir markiert.
* Dies bemerke ich je länger je mehr im begegnungen mit anderen. Da ist nicht mehr das Individuum am reden sondern das Parteiprogramm oder die Verschwörungstheorie. Es sind keine Gespräche mehr, sondern Glaubensgrundsätze und Parollen die wiederholt und verteidigt werden. Egal aus welcher Ecke jemand kommt. Dummheit macht vor keiner Weltanschauung halt.
** Dumme, in dem sinne wie es hier Bonhöffer beschreibt, sind Opfer, die es nicht erkennen können das sie zum Opfer geworden sind, oder vielleicht sogar nicht erkennen wollen das sie Opfer sind. In beiden fällen ist es nicht ziehlführend, diese als Gegener zu betrachten die es zu besiegen gilt. Vielmehr muss dem Opfer geholfen werden in die Selbstverantwortung zu kommen. Denn für die Mächtigen gibt es nichts schlimmeres als das Dumme merken das sie Opfer eines missbrauchs geworden sind.
*** Für mich als Christ, ist dies natürlich eine Aussage der ich voll zustimme. Aber ich denke, dass das Prinzip auch für Atheisten relevant ist, es braucht einen extrinsische Kontrollstelle der gegenüber man sich verantwortlich fühlt, die es einem Erlaubt, gegen Gruppendynamiken, und Manipulationsversuchen standzuhalten und Stellung zu beziehen. Fehlt diese extrinisches Verantwortungsgefühl, wird man zum Mitläufer. Denn das Gruppendynamiken, die meisten Menschen dazu bringt selbst offensichtliches falsches als richtig darzustellen, wurde in Versuchen schon mehrfach belegt.
Das Bonhöffers Brief nach 80 Jahren wieder aktueller ist als je, und dies auf beiden Seiten des Atlantiks ist besorgnisserregend. Aber ich denke eine natrürliche Folge davon das die extrinische Verantworlichkeit einem hyperindividualissmus gewichen ist. Ironisch dabei ist, dass Individualissmus das Herdenverhalten befeuert.
Es fehlt nur das Wichtigste: Wer genau sind diese "Dummen", von denen hier die Rede ist, wodurch zeichnen sie sich aus und wie genau unterscheiden sie sich objetiv von den Nicht-Dummen?
Denn so wie es hier steht sind die "Dummen" meist schlicht einfach nur die "Anderen", die diesem Text aus ihrer Perspektive heraus ebenfalls voll und ganz zustimmen würden - nur mit uns als den "Dummen"...

Bohnhöffer beschreibt den Dummen doch recht gut
Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch – und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden;
Soviel ist sicher, daß sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind.
Wir beobachten weiterhin, daß abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen. So scheint die Dummheit vielleicht weniger ein psychologisches als ein soziologisches Problem zu sein.
Wie du darauf kommst das hier Bonhöffer einfach die Anderen als Dumm bezeichnet oder wie man nach diesem Text darauf kommt das einfach die Andren gemeint sind musst du mir erklähren.
Bonhöffer beschreibt hier die Eigenschaften der Dummen ohne zu schubladiesieren.
Ich würde behaupten das Schubladisieren und andere als Dumm zu betrachten ein Zeichen der eigenen Dummheit ist.

@arcangel ... der eigenen Lieblosigkeit, tät ich sagen ...

Wie du darauf kommst das hier Bonhöffer einfach die Anderen als Dumm bezeichnet oder wie man nach diesem Text darauf kommt das einfach die Andren gemeint sind musst du mir erklähren.
Weil er es sich hier zu einfach macht.
Ich diskutiere ja sowohl mit Kreationisten wie mit AfD Anhängern. Auf die könnte ich folgendes ja anwenden:
Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch – und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden.
Ich argumentiere ja dem Kreationisten gegenüber mit Tatsachen, die dessen Vorurteilen widersprechen. Und er glaubt mir nicht, egal was ich vortrage. Ich könnte also sagen: "Kreationisten sind dumm!".
Nur: Umgekehrt wirft er mir ja dasselbe vor. Ich glaube nicht der Tatsache der Bibel, ich bin durch die Wissenschaft verblendet, die Tatsache, dass etliche Gläubige eine persönliche Beziehung zu Gott haben wird von mir nicht geglaubt, Gebetserhörungen und Wunder werden als "Einzelfälle" von mir ignoriert und als "Zufall" betrachtet.
Gleiches gilt für Diskussionen mit AfD Anhängern. Auch da bin ich es, der die Gefahr durch Zuwanderer leugnet, Attentate als "Einzelfälle" relativiert, die beabsichtigte Zerstörung der Wirtschaft durch die Grünen nicht wahrhaben will, trotz aller objektiven Tatsachen!
Darüber, was überhaupt eine "Tatsache" ist lässt sich vortrefflich streiten... ohne dass eine der Parteien dabei "dumm" sein muss.
Natürlich liest sich der Text von Bonhöffer ganz vorzüglich, und man kann dem auch ganz leicht zustimmen... wir alle glauben wohl, solche "dummen" Leute zu kennen. Aber das tun die "Dummen" eben auch. Und zwar nach genau den gleichen Kriterien: Tatsachen werden geleugnet (Zum Beispiel der Erfolg und die Kompetenz von Trump oder die Gefahr durch Migration), und natürlich sind Leute, die das leugnen, auch "mit sich selbst zufrieden". Linke Arroganz halt.
Was Bonhöffer hier vorträgt reicht also nicht, er setzt "Dummheit" einfach als gegeben voraus. Und damit wird der Text nutzlos - denn die "Dummen", das sind natürlich immer die Anderen...

Und dann fragst du an anderer Stelle, warum ich sage, so weit seist du schon gesunken ... 😀
Hast du schon mal einem "Dummen" versucht zu sagen, dass er "dumm" ist? In meinem Berliner Umfeld gibt es das auch anders: Sag mal nem Idioten, dass er ein Idiot ist, er wird es dir nicht glauben ...
🙂

Und dann fragst du an anderer Stelle, warum ich sage, so weit seist du schon gesunken ...
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Hast du schon mal einem "Dummen" versucht zu sagen, dass er "dumm" ist? In meinem Berliner Umfeld gibt es das auch anders: Sag mal nem Idioten, dass er ein Idiot ist, er wird es dir nicht glauben ...
Wäre es dir demnach also lieber, ich würde dich in künftigen Diskussionen einfach für "dumm" halten, weil du ja aus meiner Perspektive trotz meiner klugen Argumentation unbelehrbar bist?
Oder wäre es nicht besser, zunächst einmal zu hinterfragen, was damit eigentlich sinnvollerweise gemeint ist, bevor wir Leute in solche Schubladen stecken...?

ich kann dir nicht folgen, bin wohl zu dumm ... 😉

ich kann dir nicht folgen, bin wohl zu dumm ...
Und wie soll ich wissen, dass du es nicht bist...?
Und das ist eine ernst gemeinte Frage, denn darum geht es ja hier.
Denn das Kriterium kann ja nicht sein: "Na ja, Neubaugöre geht nicht auf meine Argumente ein und beharrt stur auf ihrer Ansicht... da muss sie wohl dumm sein!". Kann man natürlich machen, aber damit wäre jede Diskussion wohl schnell beendet... entweder durch dich oder die Moderation.
Tatsächlich ist es ja so, dass ich mich hier auf Diskussionen mit Leuten, die ich für dumm halte, gar nicht erst einlasse. Und ja, da gibt es einige Beispiele für... die ich hier natürlich nicht nennen werde (Ich kann aber sagen, dass das hier nur selten passiert).
Das Kriterium für mich ist aber nicht, ob jemand meiner Meinung zustimmt, sondern die Art und Weise, wie jemand auf meine Aussagen eingeht. Wenn da jemand komplett in seiner eigenen Welt verharrt und mich nur zuschwätzen will, ohne überhaupt im Ansatz zu verstehen, was ich meine (Und sich auch nicht dafür interessiert) - na ja, dann ist jede weitere Diskussion sinnlos, und dann finde ich den Begriff "dumm" auch angemessen. Vorausgesetzt, mein eigener Beitrag war halbwegs verständlich...
Für mich ist die Frage der "Dummheit" weniger eine Frage der Meinung oder der Bildung, sondern eine Frage der Einstellung, mit der ich auf andere Menschen und andere Ansichten zugehe. Bin ich da grundsätzlich aufgeschlossen, mich mit Argumenten zu befassen, oder ignoriere ich alles, was nicht meiner Ansicht entspricht?
Aber auch das ist nur ein Ansatz. Und der fehlt mir bei der Ausführung von Bonhöffer.

Ich wiederhole in dem Fall nochmals was Bonhöffer geschrieben hat.
So scheint die Dummheit vielleicht weniger ein psychologisches als ein soziologisches Problem zu sein.
Und ergänze mit diesem Satz
Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen.
Die Dummheit die Bonhöffer hier anspricht, ist eine soziologiesche auf Gruppendruck, Propaganda und Desinformation basierenden Machtpolitik.
Die blosse Unfähigkeit eine Argumentation nachzuvollziehen ist eben nicht mit mit Dummheit gleichzusetzen. Dummheit beginnt dort wo verifizierbar Falsches als Richtig betrachtet wird. Im Falle des Glaubens hast du keinerlei solche verifizierbaren Aussagen, weder zum Positiven noch Negativen.
Beim Glauben handelt sich nicht um des "Kaisers neue Kleider".
Wohingegen Aussagen von gewissen Politikern oder Verschwörungstheoretikern eben verifizierbar falsch sind.
Das du theistische Argumente nicht nachfollziehen kannst macht dich nicht Dumm, du findest einfach die Argumentation nicht überzeugend. Du wärst aber Dumm wenn du glauben würdest, dass es die NATO dafür verantwortlich ist das Russland die Ukraine angegriffen hat und das Russland sich hier nur verteidigt.

Das du theistische Argumente nicht nachfollziehen kannst macht dich nicht Dumm, du findest einfach die Argumentation nicht überzeugend. Du wärst aber Dumm wenn du glauben würdest, dass es die NATO dafür verantwortlich ist das Russland die Ukraine angegriffen hat und das Russland sich hier nur verteidigt.
Die Übergänge sind dabei aber fließend. Vermutlich sind du und ich auch von Dingen überzeugt, die nachweislich nicht zutreffen... und wir haben uns damit einfach nicht genügend auseinandergesetzt.
Und wenn Bonhöffer von den Nazis spricht, dann wird es noch schwieriger. Zwar haben die Nazis viel gelogen... aber ihre grundsätzliche Weltsicht ist nicht nur "dumm". Die Nazis sind in erster Linie völlig skrupellos. Aber das macht sie noch nicht dumm. Aus damaliger Sicht wäre der Krieg prinzipiell auch zu gewinnen gewesen. Und was genau wäre dann noch falsch gewesen am Nationalsozialismus? Die Nazis hätten das, was sie zuvor versprochen hatten, nämlich Lebensraum im Osten und Wohlstand für die deutsche Elite, auch tatsächlich umgesetzt.
Millionen Ermordete wären dabei verschwiegen worden. Wirtschaftlich hätte man vielleicht einiges anpassen müssen. Nicht alles wäre finanzierbar gewesen. Aber "dumm"? Für überzeugte Schergen und Helfershelfer hätte sich die Gefolgschaft, jedenfalls für die, die den Krieg überlebt hätten, vermutlich rentiert. Der kalte Krieg hätte dann nicht zwischen den USA und der UDSSR, sondern zwischen USA und Deutschem Reich stattgefunden.
Ich bestreite ja nicht, dass es tatsächlich dumme Menschen gibt, die aus ideologischen Gründen Teile der Realität leugnen und unsinnige Dinge für wahr halten.
Ich bestreite aber, dass die Unterscheidung so simpel ist, wie Bonhöffer es hier darlegt. Und ich halte die Psychologie hinter den beschriebenen Phänomenen auch für wesentlich komplexer, als dass es mit dem schlichten Wort "Dummheit" ausreichend erfasst werden könnte.

So wie ich Bonhöffer verstehe sieht er Dummheit nicht als Mangel an Intelligenz. Sondern eher so wie du es hier beschreibst.
Ich bestreite ja nicht, dass es tatsächlich dumme Menschen gibt, die aus ideologischen Gründen Teile der Realität leugnen und unsinnige Dinge für wahr halten.
So verstehe ich Bonhöffer, und so sehe ich die aktuelle Situation.

@arcangel genau, das ist ja das Problem am Begriff.
Es sind, so wie ich das herauslese, intelligente Menschen, gemeint, deren "Dummheit" sich auf einen bestimmten Bereich bezieht.
Naja, darüber kann man streiten, ob die Verwendung des Begriffs nun gelungen ist oder nicht. Für ein flüchtiges Drüberlesen natürlich nicht. Wenn man sich reindenkt, sehe ich für mich kein Verständnisproblem, weiß aber nicht, ob ich da für die grössere Allgemeinheit sprechen kann.

So verstehe ich Bonhöffer, und so sehe ich die aktuelle Situation.
Da gab es noch jemand anderen. der ähnliche Erfahrungen beschreibt:
"Ich war damals noch kindlich genug, ihnen den Wahnsinn ihrer Lehre klarmachen zu wollen, redete mir in meinem kleinen Kreise die Zunge wund und die Kehle heiser, und vermeinte, es müsste mir gelingen, sie von der Verderblichkeit ihres marxistischen Unsinns zu überzeugen; allein erreichte ich damit erst recht das Gegenteil. Es schien, als ob die steigende Einsicht von der vernichtenden Wirkung sozialdemokratischer Theorien und ihrer Erfüllung nur zur Verstärkung ihrer Entschlossenheit dienen würde.
Je mehr ich dann mit ihnen stritt, um so mehr lernte ich ihre Dialektik kennen. Erst rechneten sie mit der Dummheit ihres Gegners, um dann, wenn sich ein Ausweg nicht mehr fand, sich selber einfach dumm zu stellen. Nützte alles nichts, so verstanden sie nicht recht oder sprangen, gestellt, augenblicklich auf ein anderes Gebiet über, brachten nun Selbstverständlichkeiten, deren Annnahme sie aber sofort wieder auf wesentlich andere Stoffe bezogen, um nun, wieder angefasst, auszuweichen und nichts Genaues zu wissen. Wo immer man so einen Apostel angriff, umschloss die Hand qualligen Schleim; das quoll einem geteilt durch die Finger, um sich im nächsten Moment wieder zusammenzuschliessen.
Schlug man einen aber wirklich so vernichtend, dass er, von seiner Umgebung beobachtet, nicht mehr anders als zustimmen konnte, und glaubte man, so wenigstens einen Schritt vorwärtsgekommen zu sein, so war das Erstaunen am nächsten Tag groß. Der Jude wußte nun von gestern nicht mehr das Geringste, erzählte seinen alten Unfug wieder weiter, als ob überhaupt nichts vorgefallen wäre, und tat, empört zur Rede gestellt, erstaunt, konnte sich an rein gar nichts mehr erinnern, ausser an die doch schon am Vortag bewiesene Richtigkeit seiner Behauptungen.
Ich stand manches Mal starr da."
Adolf Hitler, "Mein Kampf"
Hitler beschreibt hier im Grunde die gleiche Erfahrung wie Bonhöffer... nur mit anderer Perspektive. Die "Dummen", das sind hier eben die Juden und Sozialdemokraten, die seine eigene Weisheit einfach nicht annehmen wollen.
Deshalb halte ich es auch nicht für ausreichend, diese Dinge so vereinfacht wieder zu geben. Denn wenn hier die Unterschiede nicht klar auf der Hand liegen - dann ist der Text nicht viel wert.

Bonhoefer hat seine Briefe (von denen ich hier jetzt nur einen wiedergegeben habe) vor dem Hintergrund des Nazi regimes geschrieben und sicher diese Gruppe von Menschen vor Augen.
Nur das prinzip der Machtpolitisch motivierten Manipulation und Massendynamik ist auf jede Gruppe anwendbar, die diese kriterien erfüllt.
Auf der individuellen Ebene haben wir alle dumme Charakteristika. Jeder ist mehr oder weniger dumm, hat seine Weltbilder die er bestätigt sieht, und gegenteiliges herrabspielt oder ignoriert.
Mich interresiert denn auch weniger wer diese Dummen sind, da wir uns alle diese Prädigkat zu einem gewissen Grad anheften können.
Was für mich interressanter ist, sind die Punkte die ich im Einleitungsthread hevorgehoben habe.

Bonhoefer hat seine Briefe (von denen ich hier jetzt nur einen wiedergegeben habe) vor dem Hintergrund des Nazi regimes geschrieben und sicher diese Gruppe von Menschen vor Augen.
Gerade da passt es aber nicht so recht, denke ich. Was genau ist denn "dumm" an den Nazis?
Natürlich kann man sagen, dass die Nazis Deutschland in den Untergang geführt haben. Aber das war nicht unbedingt zwangsläufig. Die Nazis waren in erster Linie skrupellos. Und sie machten klar, wen sie als Gegner sehen. "Dumm" wäre es also wohl gewesen, als Jude für die Nazis zu stimmen.
Aber sonst? Viele haben ja von Hitler profitiert. Und wären seine Pläne aufgegangen, hätten sich noch viel mehr Leute bereichern können. Sie sind nicht gescheitert, weil sie "dumm" gewesen wären, sondern aufgrund einer militärischen Fehleinschätzung, genauer: Bezüglich der sowjetischen Reserven und Industriekapazitäten.
Das war aber 1933 kaum abzusehen.

Veröffentlicht von: @lucan-7
Was Bonhöffer hier vorträgt reicht also nicht, er setzt "Dummheit" einfach als gegeben voraus. Und damit wird der Text nutzlos - denn die "Dummen", das sind natürlich immer die Anderen...
Genau war auch mein erster Gedanke. Ohne jemanden direkt persönlich zu meinen. Aber wer kann schon genau wissen, ob nicht auch er selber in diesem Sinne dumm ist, zumindest zeitweise.
P.S.: Schreibweise Bonhoeffer übrigens gern mit "oe" anstatt mit "ö", wie auf allen mir bekannten seiner Bücher.

Aber wer kann schon genau wissen, ob nicht auch er selber in diesem Sinne dumm ist, zumindest zeitweise.
Ich denke, diese Neigung, an bestimmten Weltbildern festzuhalten hat sicherlich jeder. Die Frage ist nur, wie ausgeprägt das ist und wie sehr man daran festhält, auch wenn eigentlich alles dagegen spricht.
Leider ist es aber gerade in politischen und wirtschaftlichen Fragen oft schwierig zu sagen, was genau denn eine "Tatsache" oder "Wahrheit" ist. Auch wenn Leute da manchmal schräge Ansichten haben ist nicht zwangsläufig alles aus der Luft gegriffen.
Deshalb denke ich, dass Bonhoeffers Text in erster Linie der Selbstbestätigung dient... aber davon abgesehen nicht sehr hilfreich ist.
P.S.: Schreibweise Bonhoeffer übrigens gern mit "oe" anstatt mit "ö", wie auf allen mir bekannten seiner Bücher.
Ich habe das jetzt einfach ungeprüft übernommen... danke für den Hinweis.

@lucan-7 sehe ich anders. Ich habe den Text auch nochmal gelesen. Auch wenn es um vergleichbare Inhalte geht, sehe ich bei Bonhoeffer weitaus mehr Bemühen um eine Differenzierung auf einer sachlich-rationalen Ebene.

Auch wenn es um vergleichbare Inhalte geht, sehe ich bei Bonhoeffer weitaus mehr Bemühen um eine Differenzierung auf einer sachlich-rationalen Ebene.
Gerade das sehe ich nicht. Bonhoeffer setzt einfach einen bestimmten Konsens voraus. Er richtet sich an Leute wie uns, die selbstverständlich "nicht-dumm" sind und präsentiert uns als "Dumme" unverständige Menschen, die sicherlich jedem von uns bereits irgendwo begegnet sind.
Damit mögen wir zu einer ähnlichen Vorstellung kommen, wer hier gemeint sein könnte... aber die klare Differenzierung fehlt.
Weiter oben habe ich Hitler zitiert, der einen ganz ähnlichen Text über "dumme" Leute verfasst hat. Wodurch wird denn jetzt genau in Bonhoeffers Text klar, dass Hitler in Wahrheit der "Dumme" ist, und seine vermeintlich uneinsichtigen Gesprächspartner die "Klugen"? Denn die Beschreibungen gleichen sich, weil beide oberflächlich bleiben.
Und damit ist dann am Ende nicht viel gesagt. Was Bonhoeffers Text nicht "falsch" macht... aber es ist eben viel zu wenig und viel zu allgemein formuliert.

Ich glaube du bist zusehr auf das Wort Dumm fokusiert, und auf der Individuellen und tribalistischen Ebene, ich gegen die Anderen.
Es geht hier viel mehr um Machtpolitik die verdummung betreibt. Einfache Antworten für komplizierte Probleme, sündenbock Polemik, herrbeireden von Problemen wo keine sind, und darauf bassierend einfache Lösungen. (Ich behaupte mal jedes politische Lager macht hiervon zu einem gewissen Grad gebrauch und mache sind besser darin als andere)
Das die Fronten zu Bonhoeffers Zeiten klar waren ist für uns heute offensichtlich. Wie du aber herrausstreichst war es für die Zeitgenossen eben nicht so. In retrospekt können wir dinge offtmals besser beurteilen.
Für uns heute gilt die Frage; wo spielen diese Mechanismen. Und in dem Sinne finde ich Bonhoeffers Brief hilfreich. Denn es lenkt die Diskusion in eine andere Bahn, es geht nicht darum den "Dummen" zu überzeugen, sondern darum den Dummen zu einer inneren Befreiung zu verhelfen.
Als Beispiel hierfür, bei den Pro Hamas protesten bei Studenten, wurde die Frage gestellt ob Vergwalltigung und das töten von Säuglingen ein legitimes Mittel des Wiederstandes sei.

Es geht hier viel mehr um Machtpolitik die verdummung betreibt. Einfache Antworten für komplizierte Probleme, sündenbock Polemik, herrbeireden von Problemen wo keine sind, und darauf bassierend einfache Lösungen.
Zweifellos gibt es dieses Phänomen. Und zusätzlich sind populistische Regierungen auch nicht an einem gebildeten Volk interessiert und streichen Schulen und Universitäten mal gerne die Gelder zusammen.
Natürlich gibt es dieses Phänomen. Aber es reicht eben nicht einfach, nur von "Dummheit" zu sprechen, ohne auch zu sagen, was genau gemeint ist. Denn die Populisten stimmen ja zu: Die "Altparteien" lügen, und die "Dummen" fallen auf diese Lügen herein.
Wenn man das vertiefen will reicht das eben nicht. So kann man ea halt sagen, nickend zustimmen - und das war's. Für eine Diskussion zu wenig.
@arcangel Aus aktuellem Anlass (...)
Was ist der aktuelle Anlass? Ich meine, mich entsinnen zu können, dass wir hier schon mal einen Thread zu Bonhoefer und dessen angebliche "Theorie der Dummheit" (damals in Form eines cartoonhaften Videos präsentiert) hatten. Ist das hier nun eine Auslagerung aus jenem und der Annlass ist, dass Dir der zitierte Brief irgendwo untergekommen ist?
Ich unterstelle mal, dass dieser Brief Teil einer längeren Konversation war.
Und wenn nur dieser Brief erhalten blieb, war es vermutlich für den Gesprächspartner völlig logisch, wer da so eingestuft wurde.
Ist aus meiner Sicht ähnlich wie mit manchen Paulus-Briefen - die wurden ja nicht ins Leere geschrieben, sondern sie hatten einen Anlass und wurden u.U. auch wieder beantwortet.