Ist der Kriegsdiens...
 
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Ist der Kriegsdienst und Töten unvereinbar mit dem christlichen Glauben?


Schlüsselkind
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Widerspricht der Kriegsdienst dem christlichen Glauben und spezieller der Feindesliebe? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Kann man als Christ gerechtfertigt töten? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? 

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Zoro
 Zoro
(@zoro)
Beigetreten : Vor 3 Monaten

Beiträge : 95
Veröffentlicht von: @pumuckl97

Widerspricht der Kriegsdienst dem christlichen Glauben und spezieller der Feindesliebe? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Kann man als Christ gerechtfertigt töten? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? 

Hat der Herr Jesus nicht gesagt, "...wer das Schwert in die Hand nimmt, wird durch das Schwert umkommen"  ?  Mt 26,52

 

zoro antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@zoro Lieber Zoro,

Danke. Das hatte ich schon garnicht mehr im Kopf. Ich hab schon an einer Interpretation gezweifelt, durch lange Gespräche über den Krieg, Verantwortung und Schuld. Fühl mich jetzt doch wieder mehr in der 1. Interpretation. 

pumuckl97 antworten
Jack-Black
Beiträge : 3639

@pumuckl97 Den christlichen Glauben gibt's ja bekanntlich nicht und auch darüber, was unter Feindesliebe zu verstehen sei, und zu was sie einen (Christen) verpflichte, gibt's so viele Meinungen, wie es Zweckrationalisierungsstrategien gibt.

Da offenkundig viele Christen seit Jahrtausenden kriegerisch tätig waren und auch heute teils freiwillig (Wehrpflicht gibt's ja nicht in allen Staaten) als Soldaten "arbeiten", erübrigt sich eigentlich Deine Frage - es sei denn, bei all diesen Leuten würde man davon ausgehen, dass sie keinen christlichen Glauben hätten.

Persönlich hab ich als junger Mann den Wehrdienst verweigert (nota bene die schön feine Unterscheidung zwischen Kriegs- und Wehrdienst, die damals schon euphemistischer Standard war... 😉 ) und habe damals für mehrere meiner aus einfacheren Bildungsschichten stammenden Freunde die notwendigen "Begründungen" geschrieben, die man damals schriftlich abgeben musste, um statt des Wehrdienstes Zivildienst leisten zu dürfen. Damit nicht all diese Begründungen gleich aussahen und auch, weil die Begründungen für den Fall, dass mal eine Verweigerung nicht sofort anerkannt werden würde (dann konnte man vor eine Art Berufungsausschuss, dessen genaue Bezeichnung mir nicht mehr erinnerlich ist, zitiert werden, wo man seine Verweigerung noch in einer Art mündlicher Verhandlung verteidigen musste - zum Glück geschah das weder bei mir noch meinen den Kriegsdienst verweigernden Freunden), auch von meinen Freunden glaubhaft im Gespräch hätte aufrechterhalten werden müssen, ließ ich üblicherweise das Motiv der christlichen Moral mit einfließen. Es galt damals als am einfachsten zu verteidigen: "Mein Glaube an Gott und seine Gebote erlaubt es mir nicht, die Waffe auf Menschen zu richten, denn Gott verlangt von uns, nicht zu töten und Feindesliebe ist die Quintessenz dessen, was Jesus predigte."

Das Argument "mein christlicher Glaube" galt damals unter Kriegsdienst-, oder Wehrdienst- oder Waffendienstverweigerern als besonders einfaches Argument im Rahmen der "Gewissensprüfung".

Ich hatte - obwohl selbst kein Christ - damals kein moralisches Problem dabei, den christlichen Glauben als Argument einzusetzen (also eigentlich: zu lügen), weil ich davon überzeugt war, dass es keine moralische Pflicht geben könne, die von einem Menschen verlangt, andere Menschen zu töten. Und davon bin ich heute noch überzeugt.

Dass die strikte Einhaltung des Tötungsverbots - mit sämtlichen Konsequenzen (in einer Welt, in der Gewalteinsatz eine praktische Option ist, regieren entsprechend diejenigen, die Gewalt einzusetzen bereit sind) - sozusagen "weltfremd" ist, war mir damals klar und ist mir heute noch klar. Da gibt es ein unlösbares Dilemma, wenn man einerseits zwar selbst radikalpazifistisch keine Gewalt einzusetzen bereit ist, andererseits aber auch keine Welt haben will, in der diejenigen mit dem weniger skrupulösen Gewissen (die also Gewalt einzusetzen bereit sind) herrschen. Politisch lässt sich dieser Widerspruch nicht lösen, da man im politischen Bezug immer auch Verantwortung für das Schicksal anderer trägt.

Individuell läßt sich das Dilemma insofern lösen, dass man eben die Konsequenzen für ein prinzipiell pazifistisches Verhalten trägt.

So, wie es der Erzählung nach Jesus tat, als er sich an's Kreuz schlagen ließ.

Jahre nach meinem Zivildienst sah ich im Kino den Film Bad Lieutenant von Abdel Ferrara. In dem geht es um einen korrupten Polizisten, der hohe Summen verwettet, Drogen konsumiert, Verdächtige drangsaliert und so fort. Im Grunde also ein Cop-Film. Aber dieser durch und durch "verdorbene" Cop bekommt es dann mit einem Fall zu tun, in welchem eine Nonne von irgendwelchen Brutalos in einer Kirche auf horrormäßige Weise vergewaltigt wurde. Der Fall ließe sich eigentlich leicht lösen, denn die Nonne könnte einfach die Namen der (ihr bekannten) Täter nennen.

Nur tut sie das eben nicht. Weil sie, gemäß ihrem christlichen Glauben, den Tätern diese Schuld verzeiht. Weil sie nicht will, dass der Staat auf die ihr angetane Gewalt mit Gegengewalt reagiert. Daran: an der radikalen Kompromißlosigkeit, mit welcher die Nonne das Ideal der Feindeliebe erfüllt, verzweifelt der korrupte Cop irgendwann: er bekommt einen Nervenzusammenbruch (meine Interpretation), im Rahmen dessen ihm Jesus persönlich erscheint.

Dieser Film machte bei seinem Erscheinen auf mich "Hardcore-Atheisten" großen Eindruck. Ich wurde durch ihn nicht zum Christen, aber er überzeugte mich, dass der Gedanke der kompromißlosen Feindesliebe und der kompromißlosen Vergebung ein sehr starkes Ideal sei, das sozusagen im persönlichen Fall über die Logik der herrschenden Verhältnisse in dieser Welt hinausgehen kann. Mein schlechtes Gewissen darüber, dass ich einst beim Schreiben der Wehrdienstverweigerungs-Begründungen den christlichen Glauben als Argument angeführt hatte, obwohl ich ihn nicht teilte, wurde etwas beruhigt, denn nun konnte ich mir sagen: es war an sich ein richtiges Argument, dessen Stimmigkeit ich bloß noch nicht erkannt hatte.

Das Ideal der Feindesliebe und der Gewaltlosigkeit ist seither der Aspekt, dessentwegen ich den christlichen Glauben respektiere. Wo es allerdings nicht gilt, wo Christen sich ihm nicht verpflichtet fühlen, sondern tausenderlei Begründungen anführen, weswegen das fünfte Gebot irgendwie zu relativieren sei und man im Rahmen der Feindesliebe auch eben diese geliebten Feinde töten dürfe - da endet mein Respekt vor ihrem Glauben.

 

jack-black antworten
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Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21590

@jack-black 

Das Ideal der Feindesliebe und der Gewaltlosigkeit ist seither der Aspekt, dessentwegen ich den christlichen Glauben respektiere. Wo es allerdings nicht gilt, wo Christen sich ihm nicht verpflichtet fühlen, sondern tausenderlei Begründungen anführen, weswegen das fünfte Gebot irgendwie zu relativieren sei und man im Rahmen der Feindesliebe auch eben diese geliebten Feinde töten dürfe - da endet mein Respekt vor ihrem Glauben.

Das fünfte Gebot hatte nie die Bedeutung, dass unter keinen Umständen zu töten sei. Weder wurde dadurch der Kriegsdienst untersagt noch das Schlachten von Tieren. Daher lautet die annäherungsweise Übersetzung ja auch: "Du sollst nicht morden!". Was aber - mangels weiterer Kommentare - tatsächlich wieder eine Relativierung darstellt, denn es bleibt den Gläubigen überlassen, wie genau sie das Gebot nun auslegen wollen.

Wie so oft in der Bibel...

Diesen Respekt, den du beschreibst, kenne ich von Berichten über die Zeugen Jehovas im "3. Reich", die den Kriegsdienst verweigert haben und dafür ins KZ kamen. Auch dort haben sie aus ihrem Glauben heraus ihren möglichen Tod akzeptiert, statt sich an den Kriegen der Nazis zu beteiligen.

Das fand ich absolut bewundernswert... und dennoch halte ich das nicht für vorbildlich, denn wie du selbst bemerkst: Wäre diese Haltung ein Allgemeingut würden wir die Welt damit den grausamen Herrschern überlassen, die hier nach Belieben foltern und unterdrücken könnten.

Das kann also kein allgemeiner Richtwert sein, wenn wir eine solche Welt nicht wollen.

lucan-7 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

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@lucan-7 Daher lautet die annäherungsweise Übersetzung ja auch: "Du sollst nicht morden!". Was aber - mangels weiterer Kommentare - tatsächlich wieder eine Relativierung darstellt, denn es bleibt den Gläubigen überlassen, wie genau sie das Gebot nun auslegen wollen.

Ganz genau. Mir ist übrigens hinsichtlich des 5. Gebots egal, wie es "ursprünglich gemeint" war oder am treffendsten übersetzt werde. Ich beziehe mir auf die das Gebot in der formulierten Version: "Du sollst nicht töten." Nur, wenn das so strikt und kompromisslos gemeint ist, kann ich es als ausserordentlich respektieren. (Mir fällt in dem Zusammenhang immer einer dieser Sponti-Sprüche ein: "Denk an das fünfte Gebot, schlag deine Zeit nicht tot!" <-- da ist für mich dann die Kompromisslosigkeit allerdings übertrieben 😉 ).

 

dennoch halte ich das nicht für vorbildlich, denn wie du selbst bemerkst: Wäre diese Haltung ein Allgemeingut würden wir die Welt damit den grausamen Herrschern überlassen, die hier nach Belieben foltern und unterdrücken könnten.

Das kann also kein allgemeiner Richtwert sein, wenn wir eine solche Welt nicht wollen.

 

Für "vorbildlich" halte ich radikalpazifisisches Verhalten durchaus. Je mehr Menschen sich ein Vorbild daran nähmen, desto näher kämen wir vielleicht friedlichen Verhältnissen. Aber man kann es eben nicht zum verpflichtenden Vorbild*, also zur durchzusetzenden Norm erklären: weil Normen, die durchgesetzt werden sollen, erfahrungsgemäß sanktionsbewehrt sein müssen und jede Sanktionsweise in letzter Konsequenz immer die Gewaltandrohung impliziert.

Deswegen aber, weil in diese Welt (und an eine andere glaube ich nicht) faktisch das Gesetz des Stärkeren gilt, kann eine radikalpazifistische Moral immer nur im persönlichen Einzelfall funktionieren: Nur wenn ich bereit bin, im Rahmen der herrschenden Verhältnisse die Konsequenzen meines völlig auf die Gewaltoption verzichtenden Verhaltens zu tragen, kann ich es "durchziehen". Dies: die Konsequenzen zu tragen, bedeutet dann allerdings auch: ertragen, wenn z.B. von mir geliebte Menschen, in deren Interesse Gewalt anzuwenden ich mich weigerte, ihrerseits Opfer von Gewalt werden.

 

*Entsprechend lehne ich übrigens sämtliche Pflicht-Ethiken (inklusive Kants kategorischem Imperativ) ab.

jack-black antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21590

@jack-black 

Ganz genau. Mir ist übrigens hinsichtlich des 5. Gebots egal, wie es "ursprünglich gemeint" war oder am treffendsten übersetzt werde. Ich beziehe mir auf die das Gebot in der formulierten Version: "Du sollst nicht töten." Nur, wenn das so strikt und kompromisslos gemeint ist, kann ich es als ausserordentlich respektieren.

Das heißt, du wärst auch so konsequent, keine Notwehr zu gebrauchen, wenn diese absehbar den Tod des Angreifers zur Folge hätte, der umgekehrt die klare Absicht zeigt, dich zu töten?

Denn genau das ist ja die Situation, mit der viele damals ihre Wehrdienstverweigerung begründet haben... wobei ich allerdings in den meisten Fällen meine Zweifel habe, dass das auch so gemeint war...

 

 

Für "vorbildlich" halte ich radikalpazifisisches Verhalten durchaus. Je mehr Menschen sich ein Vorbild daran nähmen, desto näher kämen wir vielleicht friedlichen Verhältnissen.

Im Gegenteil. Je mehr Menschen sich daran ein Vorbild nehmen, desto einfacher wird es für Tyrannen, ihren Willen durchzusetzen. Man stelle sich nur einmal eine große Pazifismusbewegung in ganz Westeuropa vor, die genau das propagiert... Putin könnte dann ganz einfach mit ein paar LKW, auf die Maschinengewehre geschraubt wurden, ganz Europa besetzen.

Und zwar auch dann noch, wenn ein großer Teil seiner eigenen Leute ebenfalls dieser Bewegung folgen und den Dienst verweigern würden. Denn auch die hätten ja keine Chance. So lange sich in Russland noch ein paar tausend kriegerische Leute finden würden diese künftig die Politik bestimmen.

Dieses "radikalpazifistische" Verhalten würde erst dann die Welt eindeutig im Sinne des Friedens verbessern, wenn sich 99,99 % aller Menschen dem anschließen würden und die wenigen, die aggressiv bleiben, kaum ins Gewicht fallen.

 

Das halte ich allerdings nicht für realistisch.

lucan-7 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@lucan-7 Das heißt, du wärst auch so konsequent, keine Notwehr zu gebrauchen, wenn diese absehbar den Tod des Angreifers zur Folge hätte, der umgekehrt die klare Absicht zeigt, dich zu töten?

Nein. Dazu bin ich zu egoistisch: mein Leben ist mir mehr wert als das des anderen. Ich behaupte aber auch nicht, als Vorbild zu taugen. Mein Respekt vor kompromisslos gewaltfreiem Verhalten, also der hier diskutierten "christlichen Feindesliebe", rührt daher, dass ich darin eine Leistung erkenne, die ich selbst vermutlich nicht erbringen kann.

Hinzugefügt sei, dass wir uns als Wehrdienstverweigerer für den Fall, vor die Komission zitiert zu werden, auf genau solche hypothetischen Szenarien vorbereiteten, wobei die ja i.d.R. etwas elaborierter waren nach dem Motto: "Sie gehen mit ihrer Freundin durch den dunklen Park und es kommt ein bewaffneter Angreifer auf Sie zu, der ihre Freundin vergewaltigen will. Würden Sie in einem solchen Fall ihre Freundin dem Vergewaltiger überlassen, oder würden Sie die Waffe, die Sie bei sich tragen, gegen ihn wenden?"

 

Dieses "radikalpazifistische" Verhalten würde erst dann die Welt eindeutig im Sinne des Friedens verbessern, wenn sich 99,99 % aller Menschen dem anschließen würden und die wenigen, die aggressiv bleiben, kaum ins Gewicht fallen.

Das halte ich allerdings nicht für realistisch.

Ja. Und? Es ging mir da um etwas anderes, ich meine, es schon angedeutet zu haben: Wenn wir davon ausgehen, dass in dieser Welt Gewalt im ethischen Konflikt stets, d.h. gesetzmäßig eine Option ist, dann ist die Weigerung, sich gemäß die dieser Gesetzhaftigkeit zu verhalten, sozusagen ein Ausbruch aus dieser Welt. Jesus - wenn wir ihn so verstehen: als ethisch handelnden Menschen*, der Gewalt an sich geschehen läßt, ohne zur Gegengewalt zu greifen, ist dadurch für mich zumindest, und wohl auch noch für viele andere Menschen, zum moralischen Ideal geworden. (Sokrates Weigerung, vor der Todesstrafe zu fliehen, fällt für mich in eine ähnliche Kategorie). Indem der Mensch Jesus sich ohne gewaltsame Gegenwehr an's Kreuz schlagen ließ, brachte er einen Hauch von Paradies in diese Welt: es ist möglich für das Individuum, sich der Logik von Gewalt und Gegengewalt zu entziehen.

 

*Der Gedanke, da habe sich ein Gott an's Kreuz schlagen lassen und sei dann am dritten Tage glorreich wieder auferstanden, ruiniert in meinen Augen dieses moralische Ideal vollständig. Die Idee, Gott/Jesus habe da den Tod besiegt und so weiter und so fort, ist für mich eine läppische, religiös zweckrationalistische Degradierung des ernsten Gedankens, dass wirklich moralisches Verhalten nur da möglich ist, wo es keine Belohung zu erwarten hat. Die Aussicht auf ein Paradies, in welchem das Gute herrscht, ist eine Diskreditierung des Opfers, das radikalpazifistisch Handelnde (wie der Mensch Jesus) leisten: das Opfer, die unbedingte Bereitschaft, die Konsequenzen zu tragen, wird dadurch zum Investment pervertiert, von dem man sich Rendite erhofft. Diese Art Opfermoral kennen wir indes von tausenderlei anderen Religionen und sie hat aufgrund ihrer Gewöhnlichkeit denn auch nicht meinen Respekt.

jack-black antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
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@jack-black 

Wenn wir davon ausgehen, dass in dieser Welt Gewalt im ethischen Konflikt stets, d.h. gesetzmäßig eine Option ist, dann ist die Weigerung, sich gemäß die dieser Gesetzhaftigkeit zu verhalten, sozusagen ein Ausbruch aus dieser Welt.

Ich sehe hier keinen "Ausbruch".

Es gibt ja dieses - etwas zu stark simplifizierte - Beispiel mit "Schafen" und "Wölfen". Angenommen, die Menschen wären alle "Schafe", dann könnten wir alle friedlich zusammenleben.

Leider haben Menschen, die "Wölfe" sind, sich also auf Kosten Anderer durch Gewalt und Gewissenlosigkeit bereichern, davon persönliche Vorteile. Ein "Wolf unter Schafen" wird sich immer durchsetzen, sprich: Er hat evolutionäre Vorteile. Und wird daher immer wieder auftauchen.

Eine Gesellschaft von lauter "Wölfen" hingegen funktioniert nicht mehr. Es gäbe niemanden mehr, auf deren Kosten die "Wölfe" leben könnten, eine solche Gesellschaft wäre unproduktiv und dem Untergang geweiht.

Es läuft also auf ein Gleichgewicht zwischen "Schafen" und "Wölfen" hinaus. Und natürlich propagieren die "Schafe", dass es doch am besten sei, sich wie ein Schaf zu verhalten und kein Wolf zu sein, weil das doch am Besten für die ganze Gemeinschaft sei. Und die "Wölfe" behaupten, dass sie selber nützliche und notwendige Mitglieder der Gesellschaft sind... na ja, kennt man ja...

Aber einzelne Wölfe leben besser als die Schafe, weil sie auf deren Kosten leben. Also wird es immer "Wölfe" geben, die die "Schafe" ausnutzen. Auch mit Gewalt, wenn es ihnen nützt.

 

Wie gesagt, das Beispiel ist etwas zu grob vereinfacht, aber es veranschaulicht die grundsätzliche Problematik. Wir wünschen uns eine friedliche Gemeinschaft von "Schafen", aber wir werden die "Wölfe" nie vollständig los werden. Allenfalls können wir, wenn wir gut sind, die "Wölfe" etwas einhegen, so dass der Schaden minimiert wird. Wenn wir als "Schafe" die "Wölfe" und ihr Vorgehen erkennen.

Was du hier beschreibst ist aber kein "Ausbruch". Du sagst lediglich, dass du es vorziehst, ein "Schaf" zu sein und kein "Wolf"... ändern tut das aber nicht viel.

 

lucan-7 antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
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Beiträge : 2613

@lucan-7 Was du hier beschreibst ist aber kein "Ausbruch". Du sagst lediglich, dass du es vorziehst, ein "Schaf" zu sein und kein "Wolf"... ändern tut das aber nicht viel.

Ich denke, dass es da schon Möglichkeiten gibt, Schaf zu sein, an dem sich der Wölfe die Zähne ausbeist. Jesus hat ja nicht gefordert, sich unter dem Einfluss der Wölfe zurückzuziehen, sondern sich klar präsent zu zeigen - nicht physisch angreifend sondern ausschließlich psychisch. Wo ich unter Angriffen stehenbleibe, zeige ich: Ich bin der Herr der Situation. Der Schaden, der mir zugefügt wurde, beeinflusst meine Präsenz nicht.

Damit ist einer der Hauptgründe für Aggressionen - Angst zu verbreiten und sich über die angegriffene Person zu stellen - gebrochen, funktioniert nicht länger.

Jesus empfiehlt nicht, sich einfach fressen zu lassen, sondern sich dem Gegner zu stellen und ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen: die Unmöglichkeit seines Handelns öffentlich zu machen und ihn sogar noch dazu zu reizen, so weiterzumachen, um seine moralische Niederlage noch größer zu machen.

Wenn ich meine andere Backe hinhalte, wenn mir jemand eine Ohrfeige gibt, dann (und hier ist die juristische/kulturelle Situation zur Zeit Jesu zu berücksichtigen) ist das ein strafrechtlich bedeutsamer Vorgang. Wenn ich ihn dann dazu reize, mir auf die andere Seite zu schlagen, dann provoziere ich da eine noch schwere Straftat, denn der Angreifer müsste mich entweder mit der Rückseite der Hand schlagen, was für ihn unangenehmem ist und besondere Verachtung bedeuten würde (also eine weitaus größere Schandtat wäre, als eine einfache Ohrfeige) oder aber er müsste die unreine Hand für die Ohrfeige verwenden, was den Angreifer ebenfalls in juristisch höchst schwierige Verhältnisse bringen würde.

Wenn mir jemand Teile meiner Kleidung nehmen will und ich gebe ihm einfach alles - dann stehe ich nackt da und der Angreifer wäre noch mehr blamiert als ich selber. Nacktproteste gelten ja als besonders effizient. Ich erinnere mich an Bildern einer Demonstration in den USA, wo schwer bewaffnete Polizeikräfte einer großen Zahl an Demonstranten gegenüber stand - und dazwischen tanzte eine nackte Frau mit Papiertüte über dem Kopf. Die Polizisten haben nicht eingegriffen ...

Öffentliche Nacktheit verleiht eine Macht, weil Menschen nicht gewohnt sind, damit umzugehen. Auch Jesus wusste das.

Als Jesus rät, einen römischen Soldaten mehr als die Pflichtmeile zu begleiten, bringt diesen Soldaten in eine höchst schwierige rechtliche Lage. Er kommt in die Hand dessen, der ihn begleitet. Würde herauskommen, dass er sich mehr als eine Meile von einem Lastenträger bereitet ist, wäre er ein Fall für die Militärgerichtsbarkeit.

Jesus ermuntert uns nicht zu widerstandslosen hingeben einer aggressiven Macht. Aber Jesus ermuntert uns, dieser Macht nicht länger im Bereich seiner eigenen Kernkompetenz (Gewalt) zu begegnen, sondern kreativ und wohlüberlegt (bzw. Gott-geführt) in den Konflikt, gewaltfrei, aber dominierend hineinzutreten.

goodfruit antworten
enar
 enar
(@enar)
Beigetreten : Vor 3 Monaten

Beiträge : 670

@goodfruit 

Ich verstehe Jesu Empfehlung, die andere Backe auch noch hinzuhalten aber auch so, dass wir mit der Kraft Gottes antworten dürfen, mit der geistigen Kraft der Liebe. Wenn die Liebe stark genug durch uns wirkt, kann die Ursache des Konflikts behoben werden: der Hass auf den anderen, welcher aus verdunkelten Seelen entspringt. Dies ist die prinzipielle Vorgehensweise. In der Praxis ist unsere Liebe aber nicht stark genug, um eine Feindschaft, die tief sitzt, zu beseitigen. Da können wir nur darauf vertrauen, dass Gott uns in eine Handlungsweise führt, die den Konflikt bestmöglich löst.

enar antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
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@goodfruit 

Ich denke, dass es da schon Möglichkeiten gibt, Schaf zu sein, an dem sich der Wölfe die Zähne ausbeist. Jesus hat ja nicht gefordert, sich unter dem Einfluss der Wölfe zurückzuziehen, sondern sich klar präsent zu zeigen - nicht physisch angreifend sondern ausschließlich psychisch. Wo ich unter Angriffen stehenbleibe, zeige ich: Ich bin der Herr der Situation. Der Schaden, der mir zugefügt wurde, beeinflusst meine Präsenz nicht.

Dann überlässt du es allerdings dem "Wolf", wie weit er zu gehen bereit ist. Möglicherweise zieht er sich zurück, weil ihn eigene Wertvorstellungen oder Sachzwänge daran hindern, einen bestimmten Punkt zu überschreiten.

Oder der Wolf ist dazu bereit, deine Präsenz - und anderer Menschen - physisch auszulöschen, in aller Grausamkeit und mit allen Mitteln. Und dann bist du auch nicht mehr "Herr der Situation", sondern lediglich "Herr deiner Prinzipien" - und das auch nur so lange noch, wie man dir deine Existenz zugesteht.

Und die Frage ist halt, ob man hier zuvor noch eine Grenze setzen will, bis zu der diese Prinzipien gültig sind... oder ob du es dem Aggressor allein überlässt, wie weit er geht, in der Hoffnung, dass er sich aufhalten lässt.

Ghandis Widerstand funktionierte bei den Briten. Wäre sein Gegner die Wehrmacht, die Rote Armee oder das japanische Kaiserreich gewesen, dann wäre die Sache anders ausgegangen.

Das sollte man sich schon klar machen.

lucan-7 antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2613

@lucan-7 Ghandis Widerstand funktionierte bei den Briten. Wäre sein Gegner die Wehrmacht, die Rote Armee oder das japanische Kaiserreich gewesen, dann wäre die Sache anders ausgegangen.

Das sehe ich auch so. Und aus diesem Grund gibt es einen Bereich, wo man eine Grenze ziehen muss zwischen den Möglichkeiten geistlich-moralischer Überlegenheit und dem Fall, wo man es mit einem Gegner zu tun hat, den man kulturell nicht mehr erreichen kann und der nichts kann als nackte Gewalt und da auch jegliche Menschlichkeit im Angesicht seines Tuns vermissen lässt.

All das trifft auf die von Dir genannten Fälle sicher zu und so war es hier richtig und vermutlich unausweichlich, dass menschliche Kultur gegen barbarische Herrschsucht mit Waffengewalt verteidigt wurde. Und in der Ukraine sieht das ja auch nicht anders aus - da kann Putin noch so harmlos tun, wie er will. Es sind die Früchte, die hier die erforderliche Reaktion vorgeben.

goodfruit antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2613

Kleiner Nachtrag: Da wo menschliche Fähigkeiten enden, ist Gott noch lange nicht mit seinen Möglichkeiten zu Ende. Im Vertrauen auf Gott kann ich dem Feind begegnen und dann begegnet Gott dem Feind. Da können entscheidende Dinge passieren. Waffen können ihren Dienst versagen, Menschen können unfähig werden, Waffen zu gebrauchen, Unfälle und unzählige Fehlschläge können den Feind entmutigen, …

Ich denke, dass die Ukraine da auch schon viele Wunder erlebt hat. Und ich bin davon überzeugt, dass Fürbitten in diesen Konflikt hinein einen Unterschied machen können, selbst wo die Bestie militärisch zu erstarken scheint.

goodfruit antworten
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(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@jack-black  Eine kleine Anregung: Vielleicht wäre ein interessantes Thema für einen neuen Thread die Frage, ob Christen das Leben im Jenseits als Belohnung für (um Christi Willen) ausgestandene Leiden im Dieseits ansehen. Ich bin mir nicht so sicher, ob das die richtige Sichtweise ist.

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Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@suchender_2-0 Ich glaub wir können uns keine Belohnung mit Taten verdienen, weil Jesus durch uns aus GLAUBEN wirkt. Und wir sollen auch Geben, ohne etwas zurück zu erwarten. Also das pure Geben aus Liebe oder das Leiden um Christi Willen sollte nicht mit der Absicht getan werden, einen Lohn im Jenseits zu erhalten. Auch wenn die Zuversicht auf das Kommen von Jesus und SEIN Reich in solchen Momenten des Leidens Trost spenden kann oder der Hinblick auf sein Kommen und die Ewigkeit mit IHM zu verbringen dabei helfen kann, das Vergängliche in der Welt loszulassen. Das ist nur meine persönliche Meinung. 

 

pumuckl97 antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@pumuckl97  Im ersten Korintherbrief sagt Paulus "Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen." Das klingt für mich so, als wäre doch der Lohn im Jenseits das Entscheidene (zumindest für Paulus). Dann kann man aber schon so wie Jack-Black fragen, ob es nicht moralischer ist, ohne diese Erwartung an das Jenseits ein moralisch gutes Leben zu führen. Und es gibt ja Menschen, die das tun. Die ganz konsequent ihren Idealen folgen um dieser Ideale willen, auch wenn es sie in größte Gefahr bringt und sie deswegen verlacht und gehasst werden.

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Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

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@suchender_2-0 

Dann kann man aber schon so wie Jack-Black fragen, ob es nicht moralischer ist, ohne diese Erwartung an das Jenseits ein moralisch gutes Leben zu führen. Und es gibt ja Menschen, die das tun.

Richtig. diese Menschen nennt man "Atheisten" (Zugegeben, nicht alle von denen sind "moralisch gut", aber ein paar sind es doch). Die verhalten sich gut, obwohl sie keine Belohnung im Jenseits erwarten. Während die Christen darauf hoffen, irgendwann ihre Belohnung kassieren zu können...

Ja, ich gebe zu, das war jetzt etwas bösartig formuliert. Aber überspitzt gesagt könnte man es tatsächlich so sehen: Moralisch gute Atheisten handeln selbstlos, während moralisch gute Christen auf ihren Lohn hoffen.

lucan-7 antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@lucan-7 Wenn ich glaube, dass ich schon in Ewigkeit gerettet bin, dann muss ich nicht irgendetwas tun, um diesen Lohn zu erhalten. Denn nicht aus Werken sind wir gerettet, sondern aus GLAUBEN. Aber ich kann trotzdem Gutes TUN, weil ich es vom Herzen will, wenn ich Jesus GLAUBE und LIEBE.

pumuckl97 antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

PS: Genauer gesagt: Aus Gottes GNADE DURCH DEN GLAUBEN, nicht weil wir irgendwas Gutes GETAN haben, weswegen wir die Gnade VERDIENT hätten. So hab ich zumindest verstanden. Bitte korrigiert mich, wenn ich was Falsches sage. 

pumuckl97 antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21590

@pumuckl97 

Denn nicht aus Werken sind wir gerettet, sondern aus GLAUBEN. Aber ich kann trotzdem Gutes TUN, weil ich es vom Herzen will, wenn ich Jesus GLAUBE und LIEBE.

Richtig... wer aufrichtig glaubt, der wird aus seiner Herzenshaltung heraus Gutes tun. Wenn nicht, dann stimmt etwas mit dem Glauben nicht.

Wobei Irrtümer natürlich immer möglich sind, wir sind ja nur Menschen... und manches ist eben nicht "gut", sondern nur "gut gemeint". Aber das ändert ja nichts an der Herzenshaltung.

lucan-7 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@lucan-7 

Ich denke, wirklich gut handelt jemand, der überhaupt nicht darüber nachdenkt, ob er gut oder nicht gut handelt, sondern es einfach den Notwendigkeiten entsprechend tut.

queequeg antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21590

@queequeg 

Ich denke, wirklich gut handelt jemand, der überhaupt nicht darüber nachdenkt, ob er gut oder nicht gut handelt, sondern es einfach den Notwendigkeiten entsprechend tut.

Und nach welchen Maßstäben entscheidet man darüber, was "Notwendig" ist?

 

 

lucan-7 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@lucan-7 

Die Evidenz der Situation.

 

queequeg antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21590

@queequeg 

Die Evidenz der Situation.

Und was soll das sein?

Wenn ich jemanden verletzt irgendwo liegen sehe, dann renne ich doch besser schnell weg... es könnte eine Falle sein, oder ich stecke mich bei dem Verletzten mit irgendeiner Krankheit an. So lange mich keiner sieht ist weglaufen in so einer Situation demnach vernünftig.

"Gut" wäre es hingegen, dem Verletzten zu helfen. Das bedeutet aber Risiko und Mühen für mich.

Zwar möchte ich natürlich in einer Gesellschaft leben, in der die gegenseitige Hilfe die Regel ist, weil davon ja alle profitieren. Aber warum soll ich mich im Einzelfall daran halten, wenn es mir vorteilhafter erscheint, mich zu verdrücken?

Es muss hier also noch eine Art übergeordneter Moral geben, die mich dazu bringt, auch dann zu helfen, wenn es mir selbst eigentlich eher zum Nachteil gereicht...

lucan-7 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

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@lucan-7 

Wo ist Dein Problem? Die übergeordnete Moral gibt es doch schon längst: Handele so an anderen, wie Du behandelt werden möchtest.

queequeg antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

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@queequeg  Auf Situationen richtig zu reagieren, die unmittelbar eine Entscheidung von mir verlangen, ist aber nur ein Aspekt des moralischen Handelns. Wie steht es mit global verantwortlichem Handeln? Also ein Leben führen, das global und auch auf lange Frist möglichst wenig Leid verursacht? Das scheint ja heute wichtiger zu sein als je zuvor. Ich habe den Eindruck, dass sich darüber auch Christen sehr wenig Gedanken machen.

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Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

Einer, der diesen Aspekt konsequent durchdacht hat und versucht sein Leben vollständig danach auszurichten, ist Jürgen Wagner (auch bekannt als Öff Öff):

https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Wagner_(Aussteiger)

 

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Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@suchender_2-0 

Keine Ahnung, wer sich darüber mehr oder weniger Gedanken macht. In jedem Fall glaube ich, dass man global überhaupt nicht entscheiden kann, was moralisch qualifiziert ist, weil man so gut wie nie die mittel- bis langfristigen Folgen abschätzen kann.

queequeg antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@queequeg  Die mittel- oder langfristigen Folgen kann man auch lokal nicht abschätzen. Wenn man zum Beispiel einem Mörder das Leben rettet und der dann weiter mordet, oder wenn man durch das Aussprechen der Wahrheit Menschen in Lebensgefahr bringt, hat man nach moralischen Prinzipien gehandelt, aber verursacht dadurch indirekt Leid.

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Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

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@suchender_2-0 

Eben. Man kann nichts mit der Gewissheit tun, ungeschoren davon zu kommen.

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@queequeg Man kann, wie man so schön sagt, nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Und man kann versuchen, stetig sein Wissen zu erweitern und sein Gewissen zu schärfen. Ich denke, dann wird man erkennen, dass man auch global verantwortlich handeln sollte und man wird Möglichkeiten sehen, wie man dies auch tun kann. Man muss sich dazu meiner Meinung nach nicht irrsinnig verkopfen oder sich große Lasten aufbürden. Der einfachste Weg geht über den Verzicht. Und da kann der Glaube helfen. Wenn man in der Überzeugung lebt, dass Gott einem alles gibt, was man zum Leben braucht und man für den nächsten Tag nicht zu sorgen braucht, ist verzichten nicht schwer. (Randbemerkung: Ein anderer Glaube kann das auch leisten; es muss nicht der christliche sein.) Aber die Atheisten dürften es an dieser Stelle deutlich schwerer haben.

 

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Queequeg
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@suchender_2-0 

"man kann versuchen, stetig sein Wissen zu erweitern und sein Gewissen zu schärfen"

Kann man, soll man, aber es löst das Problem nicht.

Was machen z.B. die ganzen mehr oder weniger sklavisch arbeitenden Afrikaner die auf irren spanischen Plantagen Tomaten ernten, wenn wir die einfach nicht mehr kaufen? Dann verdienen die gar nichts mehr und können auch ihre Familien nicht mehr unterstützen und sie gehen zugrunde.

Ob es Atheisten schwerer haben, moralisch gut zu handeln - zumindest auf dem Weg des Konsumverzicht - wage ich zu bezweifeln. Jedenfalls nehme ich in meinem Umfeld eine Reihe christlich aufgestellter Menschen wahr, die meinen, "ach Gott wird es schon richten" und fröhlich vor sich hin leben.

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@queequeg  Was die afrikanischen Arbeiter angeht: Hier stehe ich auf dem Standpunkt, dass ich nicht unmittelbar für ihr Leben und Überleben verantwortlich bin. Das wäre, wenn man es zu Ende denkt, wirklich zu viel von einem einzelnen Menschen verlangt. Und es wäre meiner Ansicht auch falsch. Mit der gleichen Logik müsste ich einen Alkoholiker täglich mit Alkohol versorgen, weil es ihm sonst schlecht geht. Oder ich müsste auf Teufel komm raus konsumieren, weil sonst die Wirtschaft leidet, was wiederum dazu führt, dass es Menschen schlecht geht. Das ist eindeutig der falsche Weg!

Die fröhlich vor sich hin lebenden Christen kenne ich auch, sehr gut sogar. Ich sage nicht, dass Christsein automatisch zu einem moralisch besseren Leben führt. Ich sage nur, dass es möglich ist, aus dem Glauben (gepaart mit dem Wissen um drängende Probleme) heraus Verzicht zu üben. In Zeiten meines Lebens, wo mein Glaube schwächer war, fiel mir das auf jeden Fall sehr viel schwerer. Ich will aber nochmals betonen, dass es nicht der christliche Glaube sein muss. Man kann auch aus anderen Quellen ein Gefühl des Getragenseins im Leben bekommen.

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Queequeg
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@suchender_2-0 

"dass ich nicht unmittelbar für ihr Leben und Überleben verantwortlich bin"

Da denke ich dann wohl etwas weiter als Du. Ich verzichte auf manches, weil mir die Anbau- Verarbeitungsmethoden offensichtlich zu menschenverachtend sind (z.B. Avocados) und spanische Tomaten.

Dass durch diese Entscheidung andere Ungerechtigkeiten entstehen, kann ich nicht vermeiden. Aber ich kann mir dessen bewusst sein und nicht stolz wie ein Pfau durch die Gegend wandern und mich für mein Gut-Mensch-Sein bewundern lassen.

 

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@queequeg  Es muss ja auch nicht jeder auf die gleiche Weise an die Sache herangehen. Ich kann zum Beispiel sagen, dass ich auf bestimmte Produkte komplett verzichte (aus den von Dir genannten Gründen) oder ich kann sagen, dass ich insgesamt wenig konsumiere und mich bei jeder einzelnen Kaufentscheidung vorher frage, ob das jetzt wirklich notwendig ist. Mein Ansatz ist eine Mischung aus beidem, wobei aber letzteres dominiert. Denn ich bin auch faul, wenn es zum Beispiel darum geht, mich über genaue Umstände des Anbaus von Lebensmitteln zu informieren.

Wenn ich es bei einer Kaufentscheidung geschafft habe nein zu sagen, bringt mir das inzwischen auf emotionaler Ebene mehr als wenn ich ja gesagt habe. Deshalb muss ich auch offen zugeben, dass ich beim Verzicht nicht uneigennützig handle. Aber wer hat denn gesagt, dass es keinen Spaß machen darf?

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Queequeg
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@suchender_2-0 

Anders geht es ja auch nicht.

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Lucan-7
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@queequeg 

Wo ist Dein Problem? Die übergeordnete Moral gibt es doch schon längst: Handele so an anderen, wie Du behandelt werden möchtest.

Auch in Notwehr?

 

 

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Queequeg
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@lucan-7 

Wo ist Dein Problem? Die übergeordnete Moral gibt es doch schon längst: Handele so an anderen, wie Du behandelt werden möchtest.

"Auch in Notwehr?"

Wüsste nicht, dass da etwas anderes sein sollte.

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Lucan-7
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@queequeg 

"Auch in Notwehr?"

Wüsste nicht, dass da etwas anderes sein sollte.

Wenn ich einen Menschen in Notwehr erschiesse, dann bestimmt nicht, weil ich selbst so behandelt werden möchte.

 

lucan-7 antworten
Queequeg
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@lucan-7 

Nein, aber wenn ich etwas tue, wobei mich ein anderer in Notwehr erschießt, habe ich ja vorher schon etwas getan, was ich für mich nicht möchte.

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Lucan-7
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@queequeg 

Nein, aber wenn ich etwas tue, wobei mich ein anderer in Notwehr erschießt, habe ich ja vorher schon etwas getan, was ich für mich nicht möchte.

Es geht ja nicht um mich, sondern um andere Leute. Also etwa Soldaten, die mein Land besetzen.

Auf die soll ich dann schiessen... obwohl sie mir nichts getan haben und womöglich selbst nicht freiwillig auf er anderen Seite stehen.

Da hilft dann "behandle Andere so, wie du selbst behandelt werden willst" nicht mehr weiter... es sei denn, man ist bereit, die Folgen zu tragen und übernimmt auch die Verantwortung dafür, dass womöglich auch andere Menschen die Folgen meiner Entscheidung zu tragen haben.

 

lucan-7 antworten
Queequeg
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@lucan-7 

Das Problem, das Du bereitest ist, dass Du eine Generalformel für alle Fälle haben willst. Die kann ich Dir nicht bieten. Ich kann Dir nur einen Standard nennen, der natürlich in jeder einzelnen Situation überprüft werden muss. Und - das habe ich zu verschiedenen Beiträgern der letzten Monate schon gesagt - es kann durchaus eine Situation entstehen, in der ich entgegen diesem Standard handeln muss oder glaube handeln zu müssen. Dann muss ich es tun, aber wie Du ja auch geschrieben hast, die Verantwortung dafür übernehmen.

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Lucan-7
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@queequeg 

Das Problem, das Du bereitest ist, dass Du eine Generalformel für alle Fälle haben willst. Die kann ich Dir nicht bieten.

Natürlich ist so eine "Generalformel" möglich. Nur halt nicht in drei, vier Worten... etwas ausführlicher muss es dann schon sein.

 

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@lucan-7 

Ich hab gesagt, was ich dazu zu sagen weiß. Wenn Du mehr weißt, sag es.

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Lucan-7
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@queequeg 

Ich hab gesagt, was ich dazu zu sagen weiß. Wenn Du mehr weißt, sag es.

"Wissen" kann man da wohl nicht viel. Man kann lediglich eine Meinung haben, wann genau es Ausnahmen von der Regel geben sollte.

 

 

lucan-7 antworten
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@lucan-7  Das klingt so, als gäbe es nur zwei Arten von Menschen: Christen und Atheisten. Ist natürlich nicht so.

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@lucan-7  Dann gibt es nochmals eine interessante Anschlussfrage: Tue ich etwas, weil ich persönlich es für moralisch richtig halte, oder weil ich denke, Gott will es von mir? Ich habe schon öfters beobachtet, dass Christen sich relativ wenig Gedanken darüber machen, was moralisch richtig ist und sich sehr an ein paar wenigen Richtlinien orientieren, die sie aus der Bibel kennen. Das kann dann so weit gehen, dass sie sagen, sie selbst könnten ja gar nicht erkennen, was richtig ist und müssten sich deshalb voll und ganz auf Gottes Wort verlassen. Die Bibel hat aber natürlich zu vielen Themen nichts zu sagen, weil sie aus einer ganz anderen Zeit stammt.

 

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Lucan-7
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@suchender_2-0 

Dann gibt es nochmals eine interessante Anschlussfrage: Tue ich etwas, weil ich persönlich es für moralisch richtig halte, oder weil ich denke, Gott will es von mir?

Am Ende ist alles egoistisch, was wir tun: Wir handeln auf eine bestimmte Weise, damit wir uns besser fühlen. Das gilt sogar für Leute, die freiwillig in den Tod gehen... denn auch die glauben ja daran, dass sie moralisch überlegen handeln.

 

Das kann dann so weit gehen, dass sie sagen, sie selbst könnten ja gar nicht erkennen, was richtig ist und müssten sich deshalb voll und ganz auf Gottes Wort verlassen.

Das würde ich dann aber für große Unsicherheit oder sogar Feigheit halten... denn es bedeutet ja, dass diese Leute keine Verantwortung für das übernehmen wollen, was sie tun. Sie sagen nur: "Da steht es, also tun wir's halt, ich wasche meine Hände in Unschuld, denn Gott will es so!"

Diese Verhaltensweise hat Jesus selbst mehrfach kritisiert. Das kann also kaum Gottes Wille nach dem christlichen Glauben sein.

Persönlich denke ich allerdings, dass bei der Interpretation der Bibel in den allermeisten Fällen viel von der persönlichen Moralvorstellung einfliesst... je nachdem, ob man eher strikt konservativ oder eher liberal denkt, um es mal etwas grob zu vereinfachen.

 

lucan-7 antworten
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@lucan-7  Jedes Verhalten egoistisch zu nennen kann auch eine Art sein, alle Verantwortung für sein Handeln von sich zu weisen.

Meiner Meinung nach handelt kein Mensch egoistisch, wenn er sein Leben für ein gutes Ziel auf's Spiel setzt, in dem Sinne, dass er sich dann besser fühlt. Denn wenn er stirbt, fühlt er gar nichts mehr. Und der Glaube an ein Jenseits ist nur eine Hoffnung. Der Gewissheit um das ewige Leben, die viele vorgeben zu haben, traue ich nicht. Denn ich kenne Beispiele von sehr gläubigen Christen, die dann doch stark an ihrem irdischen Leben hingen, als es in Gefahr war.

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Lucan-7
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@suchender_2-0 

Jedes Verhalten egoistisch zu nennen kann auch eine Art sein, alle Verantwortung für sein Handeln von sich zu weisen.

Das ist eigentlich nicht der Punkt... ich denke lediglich, dass es keine völlige Selbstlosigkeit gibt. Aber das ist auch in Ordnung, denn Jesus spricht ja auch ausdrücklich von der Selbstliebe.

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tristesse
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@lucan-7 

Aber überspitzt gesagt könnte man es tatsächlich so sehen: Moralisch gute Atheisten handeln selbstlos, während moralisch gute Christen auf ihren Lohn hoffen.

Ich überlege grad, wie das bei mir so ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal als Christin gehandelt habe, um mir Guthaben im Himmel anzuhäufen. Ich finde es immer spannend, wenn Gott zu mir spricht und ich den Eindruck bekomme, jemandem zu helfen und das reicht mir eigentlich schon. Mich macht das total happy, Gottes Willen zu tun, manchmal ist es auch anstrengend, aber mir reicht es einfach, das zu tun, was Gott sagt. 

Vielleicht gibt es Christen, die bei ihrem Handeln nur an den Lohn im Himmel denken, persönlich kenne ich aber keine oder vielleicht sagt das nur keiner 😉  

tristesse antworten
Lucan-7
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@tristesse 

Ich überlege grad, wie das bei mir so ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal als Christin gehandelt habe, um mir Guthaben im Himmel anzuhäufen.

Gesagt hat mir das in dieser Form auch noch niemand. Da heisst es eher, dass man aus Dankbarkeit gegenüber Gott so handelt, wie man es tut.

Das Argument ist mir aber sehr wohl im Zusammenhang mit Mission begegnet. Also in der Form: "Wenn du Christ wirst, dann kommst du in den Himmel, wirst belohnt und hast nichts zu fürchten!".

Dass Leute aktuell aufgrund dieser Argumentation Christen geworden sind ist mir allerdings auch nicht bekannt...

lucan-7 antworten
tristesse
(@tristesse)
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@lucan-7 

Dass Leute aktuell aufgrund dieser Argumentation Christen geworden sind ist mir allerdings auch nicht bekannt...

Früher bestimmt, als die Leute nichts hatten und sich dann auf den Lohn im Himmel freuen konnten. Aber heutzutage?
tristesse antworten
Queequeg
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@tristesse 

Wie würdest Du es denn finden, wenn klar wäre, dass der Mensch nach seinem Rauswurf aus dem Paradies endgültig nie wieder dorthin kommt. Wenn es also hieße: Du hast Dein Leben gehabt, mehr gibt es nicht. Wärest Du dann mit dem zufrieden und dankbar für das, was jetzt ist?

queequeg antworten
tristesse
(@tristesse)
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@queequeg 

 Wärest Du dann mit dem zufrieden und dankbar für das, was jetzt ist?

Keine Ahnung 😉 Das wäre ja ein völlig anderer Glauben als das Christentum und das kann ich mir so gar nicht vorstellen. Ich weiß jetzt, dass ich einmal die Ewigkeit bei Gott verbringen werde und das macht mich froh. Aber ich rechne nicht mit angehäuften guten Taten, die dann belohnt werden, das ist einfach nicht meine Motivation für den  Glauben.

tristesse antworten
Queequeg
(@queequeg)
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@tristesse 

"Keine Ahnung"

War ja auch nur eine hypothetische Frage. Ich meinerseits kann sie ohne Einschränkung bejahen.

queequeg antworten
Jack-Black
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@queequeg Also ich wüßte nicht, wie ich sie beantworten sollte. Allein schon wegen des Begriffs "dankbar": Dank braucht ja einen Adressaten. Als jemand, der nicht an Gott glaubt, wüßte ich nicht, wohin meine Dankbarkeit überhaupt gerichtet werden sollte.

Natürlich kann man Deine Frage an tristesse (die ja an einen Gott glaubt) so verstehen, dass der Gott, an welchen die Dankbarkeit sich richtet, immer noch gegeben sei. Aber der Gott, an den tristesse glaubt, ist ja kein beliebiger Gott, sondern hat Eigenschaften. Beispielsweise diejenige, dass er für manche Menschen das Paradies bereit hält. Es liefe also darauf hinaus, zu fragen: könntest Du einem anderen Gott, als dem, von dessen tatsächlicher Existenz Du überzeugt bist, dankbar sein, falls dieser andere Gott der wahre Gott wäre?

Dass Du hier so einfach mit Ja antworten kannst, ist wenig überraschend: Du hältst vermutlich einen solchen Gott für existent oder zumindest für wahrscheinlicher existierend als den Gott, an den tristesse glaubt. Du glaubst nicht, dass nach dem Tod irgendwem das Paradies winkt, Du findest dieses Leben dennoch lebenswert und kannst etwaige Dankbarkeitsgefühle vage in die Richtung Deines Gottes richten, der, wenn ich richtig liege, ohnehin nicht fest lokalisierbar (beschreibbar) ist. Aber wie sollte tristesse auf Deine Frage antworten können? Ein Gott, der nicht die Paradies-Perspektive mit bedeutet, ist ein anderer Gott. Deine an sie gerichtete Frage ließe sich also umformulieren: "Wärest Du Gott auch dann dankbar, wenn er ganz anders wäre, als Du denkst?" Das ließe sich noch weiter zusammenstreichen zu: "Würdest Du Dich genauso wie jetzt verhalten, wenn Du erführest, dass Du das Falsche glaub(te)st?!"

 

Falls zutrifft, dass wir Menschen uns stets gemäß dem verhalten, was wir glauben, müßte tristesse auf so eine Fragen logischerweise mit Nein antworten. Im Moment verhält sie sich ihrem Glauben gemäß. Ändert sich der Inhalt dessen, was sie glaubt, wird sie sich anders verhalten. Zumindest für den Fall, dass der Glaubensinhalt für die Verhaltensfrage überhaupt von Relevanz ist.

 

Insbesondere am Beispiel der atheistischen Position kann ich Dir übrigens darlegen, dass es auf Deine Frage nur arbiträre Antworten geben kann.

Wenn ich an keinen Gott (und somit keine Richtung, in die Dankbarkeit weisen könnte, womit also das "dankbar" aus der Fragestellung wegfällt und nur das "zufrieden" übrig bleibt) glaube und nur dieses eine Leben - dann hängt die Frage, wie zufrieden ich mit diesem bin, ganz allein von meinen Lebensumständen ab. Wenn ich leide - egal ob von äußeren oder inneren Determinanten bestimmt - werde ich nicht zufrieden sein. Wenn es mir gut geht, werde ich zufrieden sein. Im Verlauf ihres Lebens sind die Leute mal mehr, mal weniger zufrieden mit ebendiesem. Und wenn sie so sehr leiden, dass sie's nicht mehr auhalten können, bringen sie sich gegebenenfalls um. Schopenhauer wies in seinen Gedanken über den Freitod darauf hin, dass der übliche Suizid nicht das Leben an sich verneine, sondern nur das konkrete Leben dessen, der sich umbringt: würde er ein besseres Leben haben (wäre er also zufriedener...) würde er sich nicht umbringen*.

Würdest Du also Deine Frage an einen Atheisten richten, so ließe sie sich auf die triviale Nachfrage: "Geht's dir gut?" zusammenstreichen.

Tristesse, die hinsichtlich eines Gottes ohne Paradiesperspektive ja die atheistische Position vertritt (an die Existenz eines solchen anderen Gottes glaubt sie nicht), könnte also streng genommen Deine Frage auch nur in diesem Sinne beantworten: Mit ja, wenn sie mit ihren Lebensumständen momentan zufrieden ist. Mit nein, wenn sie mit ihren Lebensumständen momentan unzufrieden ist.

Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr komme ich übrigens zu dem Schluß: Daran würde dann auch die Zusatzhypothese eines anderen Gottes wenig ändern. Wenn ich mal davon ausgehe, dass ein Gott diese Welt geschaffen und mir mein Leben gegeben hat, wäre ich ihm nur dann dankbar, wäre ich nur dann zufrieden, wenn meine Lebensumständen entsprechend aussähen.

 

 

 

 

 

 

 

*Die Frage, ob man das als absurd erkannte Leben überhaupt leben, oder sich doch konsequenterweise gleich umbringen solle, hielt Albert Camus für die wichtigste philosophische Frage überhaupt, und schrieb hinsichtlich ihrer seinen "Mythos von Sisyphos".

jack-black antworten
Lucan-7
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@jack-black 

Also ich wüßte nicht, wie ich sie beantworten sollte. Allein schon wegen des Begriffs "dankbar": Dank braucht ja einen Adressaten. Als jemand, der nicht an Gott glaubt, wüßte ich nicht, wohin meine Dankbarkeit überhaupt gerichtet werden sollte.

Ich bin mir gar nicht sicher, ob Dankbarkeit wirklich immer so spezifisch ist.

Ich denke, man kann auch auf abstrakte Weise "dankbar" sein. Und zwar immer dann, wenn man weiss, dass bestimmte Umstände nicht selbstverständlich sind. Wenn man also etwa einen Unfall erlebt hat, aber nichts Schlimmes dabei passiert ist. Dann wäre ich dafür "dankbar", auch wenn diese Dankbarkeit unbestimmt wäre und sich an die entsprechenden Umstände richtet, nach denen die Sache auch anders hätte ausgehen können.

Es ist zwar nicht ganz falsch, dass man diese "Umstände" dann quasi personifiziert... aber man kann sich dessen durchaus bewusst sein, also nicht an irgendwelche Schutzgeister glauben, und dennoch Dankbarkeit empfinden.

Geht mir jedenfalls so...

lucan-7 antworten
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@jack-black  Ich glaube, Dankbarkeit braucht keinen konkreten Adressaten. Für mich ist es einfach eine Haltung dem Leben gegenüber. Es ist so etwas, wie sich über die kleinen Dinge des Lebens zu freuen, wobei "klein" hier sehr relativ zu sehen ist. Wenn ich mich zum Beispiel freue, dass die Sonne scheint oder dass ein gutes Essen auf dem Tisch steht, und mir klar mache, dass das nicht selbstverständlich ist, dann bin ich dankbar. Vielleicht richtet sich dieser Dank dann an einen anonymen Spender oder an das Leben, falls ich nicht an einen persönlichen Gott glaube.

Die Aussage, dass die Zufriedenheit ganz von den Lebensumständen abhängt, sehe ich auch kritisch. Die Frage ist, was genau mit Zufriedenheit gemeint ist. Auf jeden Fall kann man grundlos unzufrieden sein (kenne ich sehr gut von mir selbst). Damit meine ich, dass im Moment alles gut läuft, ich keine Schmerzen habe, keine belastenden Sorgen, usw., und trotzdem unzufrieden bin, ohne dass ich diese Unzufriedenheit mit irgendetwas in Verbindung setzen kann. Wenn ich meinem Gehirn freien Lauf lasse, wird es sich aber etwas dazu ausdenken. Dann glaube ich vielleicht, dass ich unzufrieden bin, weil ich gerade keine Partnerin habe oder weil ich zu wenig Geld verdiene, oder weil ich vor 10 Jahren irgendwo falsch abgebogen bin. Diese Erklärungen sind aber Erfindungen meines Gehirns, das standardmäßig auf "Problemlösungsmodus" läuft. Manchmal bin ich deshalb sogar zufriedener, wenn ich gerade ein echtes Problem habe, z.B. Rückenschmerzen. Dann bin ich in dem Moment nicht damit konfrontiert, dass ich eigentlich ein tiefer liegendes Problem habe.

Wenn ich mir meine Ursprungsfamilie anschaue, sehe ich auch sehr deutlich, dass Zufriedenheit nur sehr bedingt mit den Lebensumständen zu tun hat. Mein Bruder zum Beispiel hatte von Geburt an eine körperliche Behinderung, die seine motorischen Fähigkeiten mit der Zeit immer weiter eingeschränkt hat. Er ging deshalb durch psychisch sehr schwierige Phasen, in denen er nahe am Selbstmord war. Aber je älter er wurde, desto mehr strahlte er Zufriedenheit aus, obwohl die Umstände immer schlimmer wurden (starke Schmerzen, alle möglichen Folgeerkrankungen, lange Krankenhausaufenthalte, ein Leben fast nur noch im Bett). Erst als die Medikamente auch seine kognitiven Fähigkeiten stark einschränkten, wollte er nicht mehr leben. Aber auch in dieser Zeit wirkte er immer noch zufrieden. Er war sogar im Frieden mit seiner Entscheidung seinem Leben ein Ende zu setzen. So weit kam es dann jedoch nicht, da er vorher durch eine Infektion so stark geschwächt wurde, dass es zu einem natürlichen Tod kam.

Die gleiche Zufriedenheit sehe ich bei meinem Vater, dem es inzwischen gesundheitlich auch ziemlich schlecht geht. Meine Mutter dagegen würde ich als einen Ausbund an Unzufriedenheit bezeichnen, und das ist sie schon sehr lange. Paradoxerweise scheint diese Unzufriedenheit bei ihr sogar stärker zu werden, je mehr sie von dem bekommt, was sie als Ursache der Unzufriedenheit benennt (nämlich Einsamkeit und zu wenig Kontakt mit ihren Enkeln).

Aus all dem schließe ich, dass Zufriedenheit eher etwas mit der inneren Haltung zu tun hat als mit den Lebensumständen.

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Gelöschtes Profil
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Kleine Korrektur: Der Satz "Paradoxerweise scheint diese Unzufriedenheit bei ihr sogar stärker zu werden, je mehr sie von dem bekommt, was sie als Ursache der Unzufriedenheit benennt (nämlich Einsamkeit und zu wenig Kontakt mit ihren Enkeln)."

muss lauten:

"Paradoxerweise scheint diese Unzufriedenheit bei ihr sogar stärker zu werden, je mehr das abnimmt, was sie als Ursache der Unzufriedenheit benennt (nämlich Einsamkeit und zu wenig Kontakt mit ihren Enkeln)."

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Jack-Black
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@suchender_2-0 Ich glaube, Dankbarkeit braucht keinen konkreten Adressaten. Für mich ist es einfach eine Haltung dem Leben gegenüber.

 

Naja, jeder kann ja jeden Begriff definieren, wie ihm lustig ist. Aber der Begriff Dankbarkeit kommt von Danken - und das ist etwas, dass einen Beziehungs-Akt zwischen personalen Wesen bezeichnet. Wie alle Begriffe, so ist auch der Begriff der Dankbarkeit sicherlich nicht hundertprozentig trennscharf und wenn Du oder auch Lucan widersprechen wollt, so könnt ihr gern argumentieren, dass man doch auch irgendwie eine abstrakte Dankbarkeit empfinden oder die Dankbarkeit sich an ein Abstraktum wie "das Leben" richten könne.

Mein Einwand bezog sich allerdings auf eine Frage, die queequeg an tristesse richtete und die sich auf ihr Gottesbild bezog (jenes, nach welchem Gott manchen ein Leben nach dem Tod im Paradies verspricht). Für tristesse ist ihr Gott - sie mag mich korrigieren, wenn ich da falsch liege - definitiv kein Abstraktum und ihre Dankbarkeit bezieht sich also auf eine Person. Sie versteht also unter dem Begriff dankbar dasselbe, was ich in meinem Beitrag an queequeg als Begriffsbestimmung voraussetzte: eine Person (z.B. eine gläubige Christin) ist dankbar für das, was eine andere Person (Gott) getan hat, tut oder tun wird.

Gegebenenfalls auch noch für das, was jene andere Person ist - wobei das dann schon wieder auf in meinen Augen witzlose Über-Ausdifferenziererei hinausliefe.

Was man ausser einem Beziehungsverhältnis zwischen Personen sonst noch alles als Dankbarkeit bezeichnent könnte: Glück, Euphorie, gesteigerte Formen von Zufriedenheit oder das (meinem Verständnis nach kulturell angelernte) Bedürfnis, irgendwem für ein als positiv erlebtes Ereignis zu danken... - darüber dürft Ihr Euch gern philosophisch fruchtbar austauschen (Philosophie ist schließlich immer Arbeit am Begriff), aber es hat mit dem Punkt, um welchen es mir ging, nichts zu tun.

 

Wenn ich mir meine Ursprungsfamilie anschaue, sehe ich auch sehr deutlich, dass Zufriedenheit nur sehr bedingt mit den Lebensumständen zu tun hat. Mein Bruder zum Beispiel hatte von Geburt an eine körperliche Behinderung (...)

Selbiges gilt auch hierfür. Ich zitiere mich mal selbst aus obigem Posting:

Wenn ich leide - egal ob von äußeren oder inneren Determinanten bestimmt - werde ich nicht zufrieden sein.

Vielleicht hätte ich noch das Wörtchen "vollkommen" hinzufügen sollen, aber ich überlege mir nicht ständig, auf welche Weise man mich mißverstehen könnte, wenn ich nicht hundertprozentig penibel bin...

Zufriedenheit ist eine graduelle, keine absolute Angelegenheit. Mal ist man hochzufrieden, mal ist man "noch ganz zufrieden", manchmal ist man "naja, so halbwegs zufrieden"... Man ist dann zufrieden, wenn man Frieden mit den aktuellen Verhältnissen hat: wenn man nicht gegen sie anzukämpfen sich getrieben/gezwungen fühlt.  In der Regel können auch Leute, die mit den Verhältnissen, dem ganzen Leben zufrieden sind, sobald sie diesbezüglich gefragt werden, sich durchaus noch Verbesserungen des status quo vorstellen.

Umgekehrt können sich auch Leute mit Leid bedingenden Verhältnissen - bis zu einem bestimmten Grad - zufrieden geben, insbesondere dann, wenn ihnen alternative Verhältnisse als noch mehr Leid bedingend erscheinen. Weil halt auch Leid eine graduelle Angelegenheit ist und sein Maß eben von den unterschiedlichsten Determinanten - inneren wie äußern - bestimmt wird.

However - auch hier mag ich nicht weiter um des Kaisers Bart streiten.

jack-black antworten
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@jack-black  Ich denke schon, dass ich das mit der Zufriedenheit anders sehe als Du. Du vernknüpfst Zufriedenheit ganz stark mit den Lebensumständen und wie sehr jemand unter diesen leidet. Das tue ich eben nicht. 

Aber vielleicht hat es auch damit zu tun, dass wir unterschiedliche Assoziationen mit den verwendeten Begriffen haben.

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@jack-black  Und nochmals zur Dankbarkeit: Ich stelle mir vor, dass jeder das Gefühl kennen müsste, für irgendetwas dankbar zu sein, auch ohne dass da ein anderer Mensch ist, dem man zu danken hätte. Wenn man zum Beispiel gerade haarscharf einem potentiell tödlichen Unfall entgangen ist. Ein Christ oder anderweitig gott-gläubiger Mensch würde vielleicht sagen, dass dies auf die Existenz eines Gottes hindeutet, denn sonst würde ja das Gefühl der Dankbarkeit keinen Sinn ergeben. Ein Agnostiker oder Atheist kann das Gefühl aber auch empfinden, ohne dass er daraus die Existenz Gottes ableitet.

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Noch eine Ergänzung: Das  Gefühl der Dankbarkeit kann sich darin äußern, dass man tatsächlich das Wort "Danke" im Sinn hat, oder es sogar laut ausspricht. Oder es äußert sich darin, dass man das Bedürfnis verspürt, jemandem Danke zu sagen.

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Queequeg
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@jack-black 

Hört sich gut an, was Du schreibst, und ich denke, ich verstehe es. Trotzdem kann ich es für mich nicht gelten lassen.

Es ist schon interessant, dass Du, genauso wie die Leute aus dem christlichen Lebensraum, gleichermaßen von etwas Personifizertem ausgehen - die gläubigen, indem sie sagen, dass da etwas (Gott) ist, beschrieben werden kann, und Du, indem Du auf dem Boden, dass da nix Personifiziertes ist und deshalb nichts beschrieben werden kann, argumentierst.

Ihr steht da beide auf einem ganz anderen Boden als ich. Ich denke wie Du, dass nicht beschrieben werden kann, aber nicht einfach, weil er keine Person ist, sondern weil er seinem „Wesen“ nach einfach nicht beschreibbar ist - „er“ ist kein Gegenstand der Betrachtung. Hierbei ist mir sehr wohl bewusst, dass diese sprachliche Äußerung verzweifelt wenig deutlich macht. Aber ein anderes Werkzeug habe ich nicht zur Verfügung.

Von meinem Boden aus brauche ich keinen speziellen Adressaten - jedenfalls niemanden, der einen Namen (Gott) und einen konkreten Wohnort (Himmel) hat. Es ist nicht so, dass ich das verifizieren oder falsifizieren müsste, es ist einfach irrelevant.

"Wärest Du Gott auch dann dankbar, wenn er ganz anders wäre, als Du denkst?"

Auf diese Frage - wenn nach dem Leben auf der Erde nichts mehr ist - hatte mich vor Jahren der „gebremste Fundamentalist“ gebracht, der so ziemlich wörtlich glaubte, was die Bibel schreibt, aber meinte, dass es für ihn überhaupt kein Problem wäre, wenn es nur dieses eine Leben gibt. Ich fand das ungewöhnlich, weil ich vorher noch nie einem christlich Gläubigen begegnet bin, der nicht davon ausgegangen ist, nur dieses eine Leben zu haben.

„Wenn ich leide - egal ob von äußeren oder inneren Determinanten bestimmt - werde ich nicht zufrieden sein. Wenn es mir gut geht, werde ich zufrieden sein.“

Das ist jetzt wirklich arg kurz gedacht. Es gibt unzählige Beispiele für Menschen, die ein wahrhaft nicht gutes Leben haben und trotzdem zufrieden sind - wortwörtlich mit ihrem Leben in Frieden. Und ebenso gibt es zahllosen Menschen, denen es an nichts mangelt und die dennoch kreuzunglücklich sind.

queequeg antworten
Jack-Black
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@queequeg Es ist schon interessant, dass Du, genauso wie die Leute aus dem christlichen Lebensraum, gleichermaßen von etwas Personifizertem ausgehen - die gläubigen, indem sie sagen, dass da etwas (Gott) ist, beschrieben werden kann, und Du, indem Du auf dem Boden, dass da nix Personifiziertes ist und deshalb nichts beschrieben werden kann, argumentierst.

 

Naja, ich stamme ja aus dem "christlichen Lebensraum", bzw. judäo-christlich geprägten Kulturraum. In meiner Antwort auf den Suchenden hatte ich dies hier geschrieben:

Was man ausser einem Beziehungsverhältnis zwischen Personen sonst noch alles als Dankbarkeit bezeichnent könnte: (...) oder das (meinem Verständnis nach kulturell angelernte) Bedürfnis, irgendwem für ein als positiv erlebtes Ereignis zu danken...

 

Ich habe so den Verdacht, dass dieses abstrakte, sozusagen unausgerichtete Dankbarkeitsgefühl, für das hier im Thread ja schon unterschiedliche Beispielszenarien, in denen es auftreten könne, gebracht wurden, womöglich (sozio-) kulturell angelernt sein könne, oder, falls diese Hypothese widerlegt werden sollte (z.B. indem aufgezeigt wird, dass es keine Kulturen gibt, in denen Menschen nicht von solchen Dankbarkeitsgefühlen reden), ein Resultat dessen ist, dass Menschen prinzipiell (per verhaltensbiologischer Determiniertheit) dazu tendieren, hinter allen für sie relevanten Ereignissen Agenten (personale Entitäten wie Götter, Geister, Dämonen, Quellnymphen, Butzemänner etc. pp.) zu vermuten: weil die für unser Überleben relevantesten Faktoren immer unsere sozialen Beziehungen zu anderen Personen sind, liegt es nahe, bei existentiell wichtigen Ereignissen solche personalen Entitäten als Verursacher zu vermuten: die Wahrscheinlichkeit, dass es so sei, ist nicht gerade gering, wie wir gerade in unserer (Klein-) Kindheit täglich zigfach erfahren.* Schon früh werden wir in die Verpflichtungs-Logik sozialer Beziehungen eingeführt, indem wir über alles, was wir wollen oder nicht wollen, mit  anderen Personen (zuallererst: den Eltern) kommunizieren müssen. Und wir lernen schnell, regelmäßig, wann immer wir etwas wollen, dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Dankbarkeitsbezeigungen in der einen oder anderen Form (und sei es nur ein "liebevoller Blick") werden als für's Überleben unverzichtbare, quasi reflexhafte Verhaltensweisen von früh auf antrainiert.

In einer Kultur wie der unseren, seit Jahrhunderten christlich-religiös geprägt, schleifen sich Redewendungen wie "Gott sei Dank" selbst bei Hardcore-Atheisten wie mir ein: Als ich letztens mit meinem Neffen Monopoly spielte, und diese Worte ausstieß, als ich mit einem Sechserpasch über seine mit Hotels garnierten grünen und vor allem Dunkelblauen Straßen direkt auf Los hüpfte, erinnerte der kleine Schlauberger mich dran: "Ey, ich denk, du glaubst gar nicht an Gott!"

Wir sind daran gewöhnt, das Gefühl von Erleichterung, freudiger Überraschung oder gar Euphorie mit einer dafür kausal verantwortlichen Person zu assoziieren, der wir zu danken haben. (Dass mangelnde Dankbarkeitsbezeugungen sozial verheerende Konsequenzen nach sich ziehen könnten, haben wir auch schon früh gelernt...)

 

Ihr steht da beide auf einem ganz anderen Boden als ich.

Vermutlich. Aber da ich ja zum Sarkasmus neige, sei mal etwas gestichelt: Zumindest stehen wir auf dem Boden. Während dieser Gott ohne (nennbare) Eigenschaften, welchen Deisten wie Du vertreben, vor lauter Unbeschreibbarkeit im Ungefähren, im intellektuell verantwortungsfreien (N-) Irgendwo herumschwebt, ohne ladefähige Adresse... Wenn der Aufenthalt des Adressaten von Dankbarkeit nicht ausfindig zu machen ist, und seine Unauffindbarkeit nicht so trennschaft von Inexistenz zu unterscheiden ist, macht man sich in dem Fall, wenn man Dankbarkeit, die man ihm womöglich zu schulden vermeint, in's Blaue hinein absendet, einen schön schlanken Fuß: ob die Dankbarkeit, jenes dem überfließenden Herz entstammende hehre Gefühlt, bei ihm ankommt oder nicht - wen juckt's?!

 

Auf diese Frage - wenn nach dem Leben auf der Erde nichts mehr ist - hatte mich vor Jahren der „gebremste Fundamentalist“ gebracht, der so ziemlich wörtlich glaubte, was die Bibel schreibt, aber meinte, dass es für ihn überhaupt kein Problem wäre, wenn es nur dieses eine Leben gibt. Ich fand das ungewöhnlich, weil ich vorher noch nie einem christlich Gläubigen begegnet bin, der nicht davon ausgegangen ist, nur dieses eine Leben zu haben.

 

Kann es sein, dass Du da im Satz eine Verneinung zu wenig reingepackt hast? 😉

Wie auch immer: dieser "gebremste Fundamentalist", so wie ich ihn aus Deiner Beschreibung mir vorstelle, zog nur das, was bei vermutlich der Mehrheit der Christen der Fall ist, um ein paar Jährchen vor: sich eingestehen, dass sein Glaube vermutlich gar nicht so fest und fundamental (im Sinne von: ein Fundament liefernd) ist, wie er es sich und anderen erzählte. Ob ein Christ tatsächlich fest an die Wahrheit dessen, was seine christliche Lehre beinhaltet, glaubt, erweist sich üblicherweise dann, wenn's ans Sterben geht.

Wir Menschen handeln stets gemäß unserem Glauben, und wer sich an "dieses irdische Leben" klammert, glaubt entsprechend nicht wirklich, dass es "drüben" viel besser und schöner werde. Den Christen allerdings möchte ich - stets an Kuriositäten interessiert - sehen, der, wenn ihm der Arzt die Diagnose: "Inoperabler Darm- und Leberkrebs im Endstadium" übermittelt, voll Vorfreude auf's Paradies ausruft: "Na endlich! Hat sich das fette Essen also doch gelohnt!" 😉

Dein "gemäßigter Fundamentalist" erscheint mir also vor allem in der Hinsicht besonders, dass er ohne viel Federlesens zugibt, dass es ihm gar nicht so darauf ankommt, ob das, was er da an theologischen Gegenständen zu glauben vorgibt, auch wahr sei.

Er glaubt also nicht wirklich (in dem Sinne, dass sein Glaube sich auf sein Handeln auswirken würde) , an den ideologischen Kern des Christentums: die Gründe, warum er sich als fundamental bibelgläubiger Christ identifiziert und identifizieren läßt, liegen vermutlich woanders. Das verbindet ihn vermutlich mit vielen Christen, womöglich sogar ihrer Mehrheit. Falls es Dich interessiert, wie ich darauf komme, könnte dich dieses YT-Video von Matt Dillahunty interessieren, in welchem er die Ergebnisse einer (nicht repräsentativen, aber dennoch interessanten) Umfrage unter Menschen, die ihrer christlichen Kirche den Rücken kehrten, analysiert. Die Gründe, weswegen sie dies taten, haben statistisch betrachtet ebensowenig mit "der Wahrheit" christlich-theologischer Lehre zu tun, wie die Dinge, von denen sie sagen, dass sie die positivsten (oder, auf der anderen Seite: die negativsten) Konsequenzen ihres Kirchenaustritts waren.

 

Die für den christlich-theologischen Dogmatismus zentrale Jenseitsperspektive dürfte vermutlich für weit weniger Christen wirklich von persönlich zentraler Relevanz sein, als Du vermutest. Klar werden sie, wenn man sie fragt, angeben, dass sie an ein Paradies glauben - und zentrale christliche (rituelle) Handlungsweisen scheinen ja auch in diese Richtung zu deuten. Aber alle empirischen Untersuchungen deuten ja darauf hin, dass die allerwenigsten Leute dadurch zu einer religiösen Glaubensüberzeugung kommen, dass sie die Vernunft bemühten, um zu evaluieren, wie plausibel die religiösen Dogmen seien. Irgendein desillusionierter und vermutlich auch frustrierter "Aufklärer" brachte es mal auf den Punkt : "Da fast niemand durch vernünftige Argumente zum religiösen Glauben kommen, steht bei den meisten auch nicht zu erwarten, dass man religiös Gläubige mit vernünftigen Argumenten von ihrem Glauben abzubringen vermag!"

An dieser Stelle ist es vielleicht auch mal angebracht, wenn Religions-Skeptiker und Religionskritiker ihre eigenen Argumente hinterfragen. Die Denkfigur, nach welcher religiös Gläubige  mehrheitlich nur Angst vor dem Sterben und vor dem Nicht-Existieren danach hätten und deswegen sich der Religion verschrieben, diese Angst zu mildern. Das Narrativ, nach welchem die Religionen den Leuten erst Angst (vor der Hölle, der Verdammnis, der Unerlöstheit) machten, um ihnen dann umso leichter das Gegenmittel (den richtigen Glauben) andrehen zu können - sie sind vielleicht gar nicht so sonderlich tragfähig. Womöglich sind viele, vermutlich sogar die meisten Christen aus ganz anderen Gründen als der Angst vor dem Tod ohne Jenseitsperspektive, Christen. Womöglich ist die ganze Heilstheologie für die meisten Christen gar nicht so interessant (wäre sie es, so wäre zu erwarten, dass die meisten Christen wenigstens die offiziell von ihnen geglaubte Lehre konzise und profund referieren könnten - was aber eher selten der Fall ist). Falls, wie ich vermute, in den allermeisten Fällen nicht epistemologische, sondern soziale Gründe vorliegen, derentwegen jemand sich als Christ/in identifiziert, wäre Dein "gemäßigter Fundamentalist" überhaupt keine überraschende Ausnahme, sondern letztlich ein Vertreter der Regel. Mit der kleinen Besonderheit, dass er wohl über ein etwas überdurschnittliches Selbstreflexionsvermögen verfügte.

Um auf diesen Diskussionsnebenstrang zurück zu kommen: den leitete tristesse ja mit diesen Worten ein:

Ich überlege grad, wie das bei mir so ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal als Christin gehandelt habe, um mir Guthaben im Himmel anzuhäufen.

Da können wir ihr bei der Selbstreflexion gewissermaßen zuschauen. Ich nehme ihr ab, dass ihr "christliches Handeln" nicht aus der Motivation heraus, sich eine gute Bilanz für's Jenseits zu verschaffen, geschieht. Und auch das hier:

Vielleicht gibt es Christen, die bei ihrem Handeln nur an den Lohn im Himmel denken, persönlich kenne ich aber keine oder vielleicht sagt das nur keiner 😉

Nehme ich ihr in doppelter Weise ab. Einmal als ihre Interpretation dessen, was sie so an Erfahrungen mit anderen Christen hat, zum Zweiten aber auch als eine in der Tendenz zutreffende Beschreibung der Tatsachen: Ich glaube ebenfalls, dass die meisten Christen bei ihrem Handeln nicht nach dem "Lohn im Himmel" schielen.

Ja - falls sie ständig, rein am Eigeninteresse orientiert, daran dächten, dass sie für das Leben nach dem Tod vorzusorgen hätten - dann wäre es eine nachvollziehbare, da vernünftige Strategie, irgendwie so sich zu verhalten, dass Gott es ihnen beim Jüngsten Gericht oder wie auch immer man die Große Abrechnung nennen mag, positiv anrechnet.

Aber tristesse überlegt erst jetzt, angeregt durch den für sie etwas überraschenden Gedanken, den Lucan da formulierte, ob das auf sie zutreffend sei: Ein Hinweis darauf, dass dieser Gedanke für sie eher ungewöhnlich und abwegig ist. Wenn man sie fragt, ob sie an das Paradies glaube, wird sie mit ja antworten. Aber wie wichtig/zentral ihr diese Jenseitsperspektive sei, darüber sagt es wenig aus.

Die  Jenseitsperspektive ist nun mal Bestandteil dessen, was sie glaubt, sie ist eine der Eigenschaften des Gottes, an den sie glaubt. Diese Jenseitsperspektive "wegzudenken" ist für sie, so vermute ich mal, einfach Quatsch. Oder, um ihre Worte zu wählen:

Das wäre ja ein völlig anderer Glauben als das Christentum und das kann ich mir so gar nicht vorstellen.

 

 

 

 

 

 

 

 

*Wo wird die vermutlich die häufigste aller erzieherisch intendierten Fragen gestellt? - An der Wursttheke.

Wie lautet sie? - "Na, was sagt man da?!"

 

 

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@jack-black 

"ob die Dankbarkeit, jenes dem überfließenden Herz entstammende hehre Gefühlt, bei ihm ankommt oder nicht - wen juckt's?"

Mich juckt´s nicht. Ich denke ja auch nicht, dass es jemanden gibt, bei dem es ankommen könnte.

Deshalb ist diese Dankbarkeit ja auch kein Pfeil, den ich irgendwohin schieße, sondern eher so etwas wie eine Wolke oder Atmosphäre um mich herum.

"Kann es sein, dass Du da im Satz eine Verneinung zu wenig reingepackt hast?"

So ist es.

 

queequeg antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@suchender_2-0 Lieber Suchender, ich glaube nicht, dass es meine Stärke ist, die Bibel zu erklären, doch ich versuche es jetzt trotzdem mal. 

Ich zitiere mal aus der Sch2000 etwas mehr von dem Text, damit wir den Zusammenhang besser verstehen: 

Die Auferstehung der Toten

12Wenn aber Christus verkündigt wird, dass er aus den Toten auferstanden ist, wieso sagen denn etliche unter euch, es gebe keine Auferstehung der Toten?
Zwischenbemerkung: Es schien damals wohl Menschen zu geben, die NICHT GEGLAUBT haben, dass die Toten bei der Wiederkunft von Jesus Christus aus ihren Gräbern auferstehen werden. 
13Wenn es wirklich keine Auferstehung der Toten gibt, so ist auch Christus nicht auferstanden!14Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, so ist unsere Verkündigung vergeblich, und vergeblich auch euer Glaube!15Wir werden aber auch als falsche Zeugen Gottes erfunden, weil wir von Gott bezeugt haben, dass er Christus auferweckt hat, während er ihn doch nicht auferweckt hat, wenn wirklich Tote nicht auferweckt werden!16Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, so ist auch Christus nicht auferweckt worden.17Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden;18dann sind auch die in Christus Entschlafenen verloren.
Zwischenbemerkung: Paulus erklärt, dass der Glaube dieser Menschen, die nicht an die Auferstehung der Toten glauben nichtig ist, weil sie dann auch nicht glauben, dass Jesus GESTORBEN und WIEDER AUFERWECKT wurde. 
19Wenn wir nur in diesem Leben auf Christus hoffen, so sind wir die elendesten unter allen Menschen!
Zwischenbemerkung: Diese Aussage ist also auf jene bezogen, die der Irrlehre geglaubt haben, dass es keine Auferstehung der Toten gäbe, die also NUR ZU IHRER LEBENSZEIT, nicht auf unbestimmte Zeit, Jesus erwartet haben.
20Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt; er ist der Erstling der Entschlafenen geworden.21Denn weil der Tod durch einen Menschen kam, so kommt auch die Auferstehung der Toten durch einen Menschen;22denn gleichwie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden.23Ein jeder aber in seiner Ordnung: Als Erstling Christus; danach die, welche Christus angehören, bei seiner Wiederkunft;24danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, wenn er jede Herrschaft, Gewalt und Macht beseitigt hat.25Denn er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.26Als letzter Feind wird der Tod beseitigt.27Denn »alles hat er seinen Füßen unterworfen«*. Wenn es aber heißt, dass ihm alles unterworfen ist, so ist offenbar, dass derjenige ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat.28Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allen sei.29Was würden sonst die tun, die sich für die Toten taufen lassen, wenn die Toten gar nicht auferweckt werden? Weshalb lassen sie sich denn für die Toten taufen?30Und warum begeben auch wir uns stündlich in Gefahr?31So wahr ihr mein Ruhm seid, den ich habe in Christus Jesus, unserem Herrn: Ich sterbe täglich!32Wenn ich als Mensch in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft habe, was nützt es mir, wenn die Toten nicht auferweckt werden? — »Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!«*33Lasst euch nicht irreführen: Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten!34Werdet doch wirklich nüchtern und sündigt nicht! Denn etliche haben keine Erkenntnis Gottes; das sage ich euch zur Beschämung.
Ich hoffe ich konnte dir weiter helfen. 
pumuckl97 antworten
enar
 enar
(@enar)
Beigetreten : Vor 3 Monaten

Beiträge : 670

@suchender_2-0 

Natürlich soll man als Christ sich dem himmlischen Leben zuwenden und gleichzeitig etwas vom Himmel auf die Erde holen. Das ist ja kein entweder oder. Es ist das Durchdringen zum wahren Leben, das sich sowohl auf das Diesseits als auch auf das Jenseits auswirkt.

enar antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@enar  Ich verstehe jetzt nicht ganz, inwiefern das eine Antwort auf das von mir Geschriebene ist.

deleted_profile antworten
enar
 enar
(@enar)
Beigetreten : Vor 3 Monaten

Beiträge : 670

@suchender_2-0 

Ich bezog mich auf die Frage, ob Christen einen Lohn im Jenseits erhalten, wenn sie hier Gottes Willen erfüllen.

enar antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@suchender_2-0

Vielleicht wäre ein interessantes Thema für einen neuen Thread

Du kannst ja einen entsprechenden Thread starten. Ich bin meinerseits skeptisch, dass in so einer Diskussion interessante, für mich neue Aspekte aufkommen würden.

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@jack-black 

"es ist möglich für das Individuum, sich der Logik von Gewalt und Gegengewalt zu entziehen"

Richtig - für das Individuum. Es kann nur die Entscheidung eines einzelnen Menschen und nur für ihn gültig sein. Für eine solche Einstellung kann werben, aber nicht sie als Imperativ einfordern.

In einer Doku über die Todesstrafe in den USA wurde eine Mutter gezeigt, die den Mörder ihres Sohnes im Gefängnis aufgesucht und ihn im Laufe einer Reihe von Besuchen in ihr Herz geschlossen hat. Ihr Fazit von allem: "Gott hat mir einen Sohn genommen und einen Sohn gegeben".

Sie hat es für sich so sagen können, aber zum Glück nicht gefordert, dass das alle Mütter ermordeter Kinder so sehen müssen.

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@queequeg Richtig - für das Individuum. Es kann nur die Entscheidung eines einzelnen Menschen und nur für ihn gültig sein. Für eine solche Einstellung kann werben, aber nicht sie als Imperativ einfordern.

Korrekt. Übrigens ist die Situation für das Individuum, welches auf Gewaltmitteleinsatz verzichtet und dafür die Konsequenzen zu tragen bereit ist, noch einen Tacken komplizierter. Wie oben im Gespräch mit Lucan angeklungen, leben wir auch als Individuen ja nicht auf einer einsamen Insel, sondern im Kollektiv. Und also treffen die Konsequenzen unseres Handelns praktisch nie ausschließlich uns. Um das krasseste Beispiel zu bringen (die etwas Älteren unter uns werden sich noch an Heiner Geisslers entsprechendes Diktum erinnern, dass der Pazifismus Ausschwitz erst möglich gemacht habe): kompromissloser Pazifismus kann schreckliche Konsequenzen haben, wenn er bedeutet, auch rücksichtslosen Gewaltanwendern nicht zu widerstehen. Es gibt ja den Sponti-Spruch: "Wenn immer der Klügere nachgibt, herrscht die Dummheit." Der ließe sich ja abwandeln in: "Wenn immer die Friedfertigen nachgeben, herrscht der Krieg."

Man könnte das wieder an Jesus exemplifizieren. Hätte er versucht, sich der Gefangennahme zu widersetzen und wäre dann von der römischen Kohorte samt seiner Anhänger überwältigt und abgemurkst worden - womöglich hätte es dann nie eine Kriminalgeschichte des Christentums gegeben, weil er und seine Anhänger schon bald aus den Geschichtsbüchern verschwunden wären. Wenn man so will, sind viele Greueltaten, die später in seinem Namen verübt wurden, kausalmechanisch Folgen dessen, dass er auf Gegengewalt verzichtete.

 

Und so ist's eben immer: da wir nicht weiträumig überblicken können, was kausalmechanistisch sich so aus dem, was wir tun, entwickelt, dürfen wir nicht davon ausgehen, dass nur wir die Konsequenzen unseres Handelns tragen brauchen.

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@jack-black 

Ich muss Dir da leider zustimmen. So gut wie bei jeder Frage von Belang gibt es keine schnelle, einfache Antwort, die alleine richtig wäre. Und natürlich hat jede Entscheidung und Handlung Konsequenzen, die man mittel- und langfristig überhaupt nicht einschätzen kann. Aber wenn man ein ideologisches Denkmodell als Hilfe hat, wird alles ganz einfach - dann ist jede Verbindung zweier Punkte eine Gerade und es bleiben keine Fragen mehr offen. 

Gerade das bieten aber allzu oft religiöse Glaubensvorstellungen an, was sie individuell und womöglich auch gesellschaftlich gefährlich macht.

queequeg antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@jack-black Ich bin sprachlos.. Das ist so bewegend. Danke. Dein Beitrag hat mir unglaublich viel geholfen. Ich glaube übrigens auch, dass in der Wahrheit wandeln in bestimmten Fällen bedeuten kann, im Wort zu lügen. Ich glaub du hast mit dieser Lüge nichts Falsches gemacht.

pumuckl97 antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2613

@jack-black Das Ideal der Feindesliebe und der Gewaltlosigkeit ist seither der Aspekt, dessentwegen ich den christlichen Glauben respektiere. Wo es allerdings nicht gilt, wo Christen sich ihm nicht verpflichtet fühlen, sondern tausenderlei Begründungen anführen, weswegen das fünfte Gebot irgendwie zu relativieren sei und man im Rahmen der Feindesliebe auch eben diese geliebten Feinde töten dürfe - da endet mein Respekt vor ihrem Glauben.

Ich kann dem nicht so konsequent folgen wie Du. Menschen können durch Propaganda oder persönlichen entwürdigendem Umgang extrem pervertiert werden. Und wenn dann eine derart pervertierte Armee oder auch marodierende Rotten von Verbrechern ein Land unsicher machen, dann stehst Du im Grunde genommen nicht mehr Menschen gegenüber, sondern dann gilt es friedliche Menschen gegen Psychopathen zu verteidigen.

Sicher haben viele schon von den Zuständen in der russischen Armee gehört und wie dort Menschen gebrochen werden von älteren Vorgesetzten, wie dort Perversität eingeübt und dann auch an Zivilisten in einem von ihnen angegriffenen Land ausgelebt wird. Das ist dann Teil der Abschreckung, der von dieser Armee ausgeht und es ist sicher mit einkalkuliert, dass der Feind sich davon abschrecken lässt, seine Verteidigungsmaßnahmen unter dem Eindruck säuischer Brutalität erstarrt.

In der Ukraine hat man das erlebt - aber die Ukraine wusste, was sie von russischen Besatzern zu erwarten hatte und so war dann die extreme Verteidigungsbereitschaft auch so zu gerechtfertigt. Wenn man dann von einem Herrn Precht hört, dass so ein Krieg sinnlos sei und man sich besser dem Stärkeren gleich beugt, um Blutvergießen zu vermeiden, dann hat dieser philosophierende Germanist aus purer Angst Grundsätze der Zivilisation aufgegeben.

Ein anderer Fall, wo ich Achtung vor Menschen, die verteidigend Dienst an der Waffe tun, habe, ist der Fall des "Machine Gun Preachers". Es ist dies ein zum Glauben gekommener Amerikaner, der im Umgang mit Waffen geübt ist, und der unter dem Eindruck von schrecklichen Rebellenangriffen in Afrika (Sudan) sich entscheidet, eine bewaffnete Verteidigung für Dorfgemeinschaften aufzubauen.

Es gibt über diese Geschichte einen Kinofilm.

Hier eine Dokumentation - also nicht der Kinofilm:

https://youtu.be/_f5P11oBR5c

Die Bilder sind mitunter von der etwas härteren Sorte. Wer da etwas zarter besaitet ist, sollte lieber davon Abstand nehmen, den Film zu schauen. Aber so sieht es nun einmal aus, wenn Psychopathen über Waffen an Macht kommen und diese dann in perverser Weise auskosten. Und das sind Situationen, die nach einer bewaffneten Verteidigung schreien. Und ich will niemanden verurteilen, der da zur Waffe greift.

goodfruit antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@goodfruit Und wenn dann eine derart pervertierte Armee oder auch marodierende Rotten von Verbrechern ein Land unsicher machen, dann stehst Du im Grunde genommen nicht mehr Menschen gegenüber, sondern dann gilt es friedliche Menschen gegen Psychopathen zu verteidigen.

 

Auch Psychopathen sind Menschen.

jack-black antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2613

@jack-black Auch Psychopathen sind Menschen.

Ja, das stimmt. Sie sind Menschen, aber sie verhalten sich unmenschlich. Und Psychopathen aus dem Kontext, von dem wir hier reden, sind sie in der Regel nicht Therapie-willig. Was tun? Du hast da Menschen, die Freude am Töten und Quälen von anderen Menschen haben und die ihre Macht, die sie dadurch über andere Menschen bekommen, aufgeilt.

In einem Staat mit einer öffentlichen Ordnung muss dieser seine Bürger vor solchen Menschen schützen. Klar wäre ein erstes Ziel, diese Menschen einzufangen und wegzusperren – mit der Perspektive einer Therapie, die besonders unter christlichen Werten gute Aussichten auf einen Erfolg hätte.

Aber in einer Kriegssituation, wo Du ganz viele solcher Menschen hast, die auch noch koordiniert agieren? Das ist dann eine Aufgabe für eine Armee und die kommt nicht darum herum, auch ganz klassische Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen.

Was die russischen Soldaten angeht, so hat sich das Bild vielleicht gewandelt. Während sie früher in eine radikale patriarchische Gemeinschaft eingebunden wurden, die jede Form von Gewalt akzeptierte und guthieß und die als eine der ersten Maßnahmen bei der Initiation von neuen Mitgliedern, deren Persönlichkeiten brach, werden heute viele Soldaten schlecht ausgebildet und ausgerüstet als Kanonenfutter an die Front geschickt. Diese jungen Menschen haben nur noch eine Aufgabe: Sterben. Hier ist es dann nicht mehr die Verdorbenheit der Soldaten, die das Problem ist, sondern die Verdorbenheit derer, die junge Menschen scheinbar locker in den Tod schicken - so als würde es nichts kosten. Das macht die Lage nicht weniger Ernst, denn es sind ja eben diese Menschen, die nach der Macht über große Teile der Welt greifen, die moralisch skrupellos agieren und vor denen Zivilisationen geschützt werden müssen.

Aber es gibt da immer mehr Menschen, die nicht länger bereit sind, diesen Wahnsinn weiter mitzumachen.

Die Russen sind Opfer der Propaganda ihres Landes und man ist nicht gebildet genug, um Narrative zu hinterfragen und die Wahrheit auf eigene Faust zu erkunden.

Als Christ ohne Einfluss auf Waffenlieferungen etc. kann ich da nur fürbittend unterstützen und Gott in diesen Konflikt (wie in jeden anderen auch) hineinbitten.

goodfruit antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@jack-black Mir ist gerade ne Frage dazu eingefallen. Was wenn die Vergewaltigung nicht der Nonne, sondern einem Kind aus einer anderen Familie passiert wäre? Vielleicht sogar von dem eigenen Vater? Und man weitere Vergewaltigungen nur verhindern könnte, indem man es der Polizei meldet, außer man würde das Kind entführen? Und die Folge wäre dann Bestrafung nach dem deutschen Gesetz? Wäre die Nonne dann zur Polizei gegangen?

pumuckl97 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@pumuckl97 Was wenn die Vergewaltigung nicht der Nonne, sondern einem Kind aus einer anderen Familie passiert wäre?

Dann wäre es m.A.n. nicht im Bereich der Nonne, die Tat zu verzeihen und zu verhindern, dass Gegengewalt (nichts anderes als eine solche ist ja die Strafe für die Täter) geschieht - sondern dem des Kindes. Aber damit ich nicht mißverstanden werde: niemand ist in meinen Augen dazu moralisch verpflichtet*, Unrecht zu vergeben, dass an ihm/ihr begangen wird. Ich selbst anstelle der Nonne hätte ganz selbstverständlich die Täternamen an die Polizei weitergegeben und hätte beim Prozess als Nebenkläger dafür zu sorgen versucht, dass die Täter lebenslang im Knast landen. Und als hypothetischer Vormund des vergewaltigten Kindes im Falle Deines Beispiels wäre ich auch garantiert nicht auf die Idee gekommen, die Täternamen zu verheimlichen oder gar im Namen des Kindes ihnen zu vergeben (entsprechend halte ich das ganze heilstheologische Konzept, nach welchem Jesus die Sünden aller Gläubigen - auch im Rahmen ihres Umganges untereinander - auf sich nehmen kann, für unsinnig: wer an mir sich vergeht, dem kann davon ausschließlich von mir vergeben werden, nicht von irgendwem anderen).

Aus gesellschaftspolitischer Perspektive hat die Nonne ja insofern falsch gehandelt, als dadurch, dass die Täter mit ihrer Tat davonkommen, die Gefahr sich erhöht, dass sie wiederholt solche Taten an anderen verüben: wenn gemeingefährdende Handlungen nicht sanktioniert werden, läuft es darauf hinaus, dass die Gemeinschaft irgendwann nicht mehr existiert.

Ich behaupte also auch nicht, dass die Nonne praktisch vorbildlich handelte.

 

 

*wie oben erwähnt: ich halte nichts von Pflicht-Ethiken

jack-black antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@jack-black Kann man dem Vater, der das Kind misshandelt vergeben und trotzdem zur Polizei gehen, nicht weil man ihn bestrafen will, sondern weil man das Kind vor weiteren Verletzungen schützen will? Ich glaube ja.

pumuckl97 antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

Aber es gibt auch Christen, die glauben, man sollte nur dann vergeben, wenn der Schuldige die Sünde bereut. Wie seht ihr das? 

pumuckl97 antworten
enar
 enar
(@enar)
Beigetreten : Vor 3 Monaten

Beiträge : 670

@pumuckl97 

Ja, das ist so. Der Vater im Himmel vergibt uns unsere Schuld auch nur, wenn wir sie bekennen und um Vergebung bitten. Und so wie der Vater es macht, sollen wir uns auch verhalten. Vergebung setzt Einsicht in die Schuld voraus. Sonst könnte es ja sein, dass der Schuldner sich die gleiche Schuld wieder auflädt, so dass sie ihm wieder und wieder vergeben werden müsste. In so einem Fall behält Gott aber die Schuld und vergibt nicht.

enar antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@enar Warum hat Jesus gesagt, als er ans Kreuz genagelt wurde: "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun"? Haben diese Menschen, die diese schlechte Tat begangen haben bereut, als er das gesagt hatte?

pumuckl97 antworten
Deborah71
(@deborah71)
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Beiträge : 22999

@pumuckl97 

Zum Beitrag

Sehr gute Frage 🙂

deborah71 antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

PS: Ich will damit nicht andeuten, dass Gott allen vergeben hat, die das getan und nicht bereut haben, weil ich das nicht weiß. Ich hab mich nur gefragt, ob man das nicht so verstehen kann, dass wir allen Menschen vergeben sollten, ganz unabhängig davon, ob sie Einsicht haben und bereuen. Und dass wir unsern Brüdern vergeben sollen, wenn sie bereuen und anders mit ihnen umgehen sollen, wenn sie die Sünde nicht einsehen und nicht bereuen eben nur auf den Umgang innerhalb der Gemeinde bezogen ist. 

pumuckl97 antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 22999

@pumuckl97 

Zum Beitrag

Aber es gibt auch Christen, die glauben, man sollte nur dann vergeben, wenn der Schuldige die Sünde bereut.

a) Bei dieser Einstellung bliebe der/die Geschädigte von der Reue des Täters abhängig und wenn dieser nicht bereut, immer an ihn gebunden.

b) Es gibt zwei Ebenen von Vergebung.

Die erste Ebene ist Lösung vom Täter und Heilung der inneren Wunde. Das ist unabhängig von der Reue des Täters.

Die zweite Ebene ist die Vergebung in der Versöhnung. Bereut der Täter nicht und ändert er sein Verhalten nicht, kann ihm keine Vergebung zugesprochen werden.  Die Beziehung kann so nicht wiederhergestellt werden. Der Bruch und Abstand bleibt.

 

deborah71 antworten
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@deborah71 Ah interessant. Also glaubst du, dass wir allen Menschen vergeben sollen, unabhängig davon, ob sie bereuen oder nicht, aber was die Gläubigen betrifft, die Vergebung der zukünftigen Sünden erst nach dem bekennen und bereuen vor Gott zugesprochen wird?

pumuckl97 antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 22999

@pumuckl97 

Zum Beitrag

Also glaubst du, dass wir allen Menschen vergeben sollen, unabhängig davon, ob sie bereuen oder nicht,

Das zieht den Splitter aus der Seele und löst den Verletzten vom Verursacher. Das Aussprechen von Vergebung vor Gott ist gleichzeitig wie eine Bitte vor Gott, dass er den Schaden beheben möge.  (Ich nenne das bildlich eine "Im OP Gottes-Situation")

aber was die Gläubigen betrifft, die Vergebung der zukünftigen Sünden erst nach dem bekennen und bereuen vor Gott zugesprochen wird?

Der Satz ist inhaltlich nicht richtig.

Um in eine Versöhnung mit dem Verursacher zu kommen (egal ob Christ oder Nicht-Christ) und ein Mindestmaß an Vertrauensbasis zu haben, ist sein Erkennen seines Fehlers, sein Zugeben (Bekennen) und den Fehler  lassen zu wollen eine Grundvoraussetzung. Es geht um einen begangenen Fehler.

Eine Formulierung des Verursachers... "falls/wenn ich dich verletzt haben sollte"... ist keine Umkehr. Es ist ein verbrämtes 'stell dich nicht so an; das bildest du dir nur ein; so schlimm kanns ja nicht gewesen sein; usw.....der Ausreden mehr,  das  ist keine Umkehr und die Versöhnung kann nicht stattfinden.  Da ist Abstand angesagt. Ganz besonders, wenn es um massive Delikte wie Gewalterfahrungen von körperlicher und auch seelischer Gewalt geht.

Unter Christen sollte eine Versöhnung möglich sein... ist aber auch nicht immer der Fall. Bibeltext dazu Matthäus 18, 15-17.

deborah71 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@pumuckl97 

"dass wir allen Menschen vergeben sollen"

Eine solche Formulierung trägt zwei Probleme in sich.

1. hört es sich wie eine Aufforderung an, der man nachkommen müsste. Und das funktioniert nicht.

2. hört es sich auch so an, als wäre Vergebung ein einmaliger Akt, der abgeschlossen ist, wenn man ihn vollbracht hat. Das halte ich auch nicht für richtig. Ich denke, dass Vergebung nicht ein bewusstes Handeln in einer konkreten Situation ist, sondern eine Haltung sich selbst und dem Leben gegenüber, die in einer andauernden Entwicklung ist.

queequeg antworten
Deborah71
(@deborah71)
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@queequeg 

Zum Beitrag

Deine Argumente an diesem Beispiel betrachtet:

Splitter im Finger... 

- es ist eine not-wendige Empfehlung, den Splitter zu entfernen, damit er nicht alles entzündet

- wenn der Splitter draussen ist, musst du ihn dann nochmal entfernen?

deborah71 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

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@deborah71 

Das ist kein passendes Beispiel.

queequeg antworten
Deborah71
(@deborah71)
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@queequeg 

Zum Beitrag

Für mich schon, denn es funktioniert und es entspricht der Antwort Jesu an Petrus, wie oft er vergeben soll.  Kann ja nicht angehen, dass man mit einer Seele wie in einen Kaktus gefallen herumläuft.

Jeder Splitter, der behandelt wird, ist raus, die Wunde gereinigt und kann zuheilen. Darüberhinaus  ist noch nichts gesagt, wieviele Splitter in der Seele eines Menschen sitzen können.  Da es Zeit braucht, die einzelnen Splitter anzugehen, erlebt man neben der punktuellen Heilung einen fortschreitenden generellen Prozess.

Du hast in deinem Beruf einen anderen Ansatz gelernt...  weiß ich wohl....   bei dem muss erst jeder Splitter immer wieder berührt werden .... bis man meint, alle zu kennen ... ziemlich schmerzhafte Angelegenheit auf Dauer...

deborah71 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

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@deborah71 

Ich denke beim Thema nicht an einen banalen Splitter im Finger, sondern an Traumatisierungen, die weit über einen blöden Splitter hinausgehen - z.B. an den Mann, den seine Mutter zweimal versucht hatte, in der Badewanne zu ertränken oder den, der durch die Trunkenheitsfahrt eines anderen ein Bein verloren hatte. Da gibt es nix rauszureißen und dann ist es weg.

queequeg antworten
Deborah71
(@deborah71)
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@queequeg 

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Ich denke  an leichte und massive Verletzungen.... wähle aber für eine Erklärung ein banales Beispiel, weil das einfacher für nicht in Vergebung geübte Menschen ist.

Und bevor man an die Kracher geht, kann es sich als hilfreich erweisen, an kleinen Verletzungen die Wirkung des "Splitter Ziehens" zu erleben und Vertrauen darein zu schaffen.

deborah71 antworten
Queequeg
(@queequeg)
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@deborah71 

Wenn ein Beispiel nicht passt, hilft es überhaupt nicht.

queequeg antworten
Deborah71
(@deborah71)
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Beiträge : 22999

@queequeg 

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Wenn es dir nicht passend erscheint... dann ist das eben so.

Die Personen, denen ich das Beispiel angeboten habe, konnten es greifen und daraufhin handeln und erlebten Freiheit.

Mir hat es sehr geholfen durch die ganze Traumaaufarbeitung. Ich möchte es nicht mehr missen. Ich bin Gott sehr dankbar für dieses Beispiel.

deborah71 antworten
Queequeg
(@queequeg)
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@deborah71 

Du redest von dem Splitter?

queequeg antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
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@pumuckl97 

Kann man dem Vater, der das Kind misshandelt vergeben und trotzdem zur Polizei gehen, nicht weil man ihn bestrafen will, sondern weil man das Kind vor weiteren Verletzungen schützen will? Ich glaube ja.

Das denke ich auch. Vergebung und gesellschaftliche Folgen sind zwei verschiedene Dinge. Und ich halte es für gefährlich, beides durcheinander zu bringen.

Jack hat es ja schon angeschnitten: Die Nonne hat vergeben und meinte, dass dadurch auch die Bestrafung des Täters nicht mehr erforderlich sei. Das kann man im Einzelfall so sehen. Aber sie handelt insofern fahrlässig, dass der Täter dadurch ja ermutigt wird, einfach weiterzumachen.

Deshalb halte ich die Klarstellung für wichtig, dass man sehr wohl einem Täter vergeben - und ihn trotzdem anzeigen kann. Vor allem dann, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht. Denn das sind zwei verschiedene Dinge.

Vergeben tun wir in erster Linie nicht für den Täter, sondern für uns selbst. Damit wir uns nicht von Zorn und Rachegefühlen leiten lassen, sondern innerlich wieder zur Ruhe kommen.

Die gesellschaftliche Bestrafung ist etwas völlig anderes. Das dient der Aufrechthaltung der Ordnung und dem Schutz der Bevölkerung (Die Einsicht des Täters wäre zwar wünschenswert, aber das ist wohl in der Realität kaum jemals der Fall).

lucan-7 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
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@pumuckl97 Kann man dem Vater, der das Kind misshandelt vergeben

Meinem Verständnis von moralischer Schuld entsprechend kann man das nicht. Das kann eventuell das Kind, es ist dazu aber in keinerlei Weise verpflichtet und ich hielte es sogar für übergriffig, sowas von ihm zu verlangen.

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

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@jack-black 

"ich hielte es sogar für übergriffig, sowas von ihm zu verlangen"

Genau das habe ich leider nur all zu oft erlebt, was dann den Menschen noch zusätzlich traumatisiert hatte.

Mit die schlimmste Vorstellung, die damit verbunden war: "Jesus ist schon wegen dem Täter ans Kreuz gegangen, jetzt muss er es nochmal tun, weil du nicht vergeben willst." Es kann einen das Gruseln packen.

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@queequeg Genau das habe ich leider nur all zu oft erlebt

 

Was soll man anderes erwarten? Immerhin dürfte das "Vater unser" täglich hundertmillionenfach gebetet werden, und entsprechend wird hundertmillionenfach bei der Passage "... wie auch wir vergeben unseren Schuldigern" gelogen. Vergebung wird zur phrasologischen Dutzendware, so billig, dass ja behauptet wird, dass denen, die glauben, all ihre Schuld schon vergeben sei. Entsprechend wird gar nicht mehr recht gespürt, was für eine dreiste Forderung es ist, anderen Vergebung von an ihnen begangener Schuld zu fordern.

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@jack-black 

"Was soll man anderes erwarten?"

Dass man Menschen, die verletzt wurden, Hilfestellung, mit ihrer Verletzung fertig zu werden, gewährt. Und das tut man nicht, indem man ihnen sagt, dass Jesus ja für sie gestorben ist und auch für die Täter, also müsse man ihnen, wie er es tat. auch vergeben.

Aber solch einen geistigen Verwaltungsakt zu fordern ist allemal leichter, als sich mit dem Menschen in dessen traumatische Situation hineinzubegeben und diese erst einmal auszuhalten. Dann wird man dahinter kommen, dass man ihm nur wenig wirklich zu sagen, umso mehr aber zu fragen hat.

Nur, wenn man einen ganzen Schrank voll Schubladen mit vorgefertigten Antworten hat, ist es natürlich leichter, einfach eine zu öffnen und die Antworten herauszuholen. Damit erspart man sich dann auch die unangenehme Erfahrung, gar nichts sagen zu können.

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@queequeg Damit erspart man sich dann auch die unangenehme Erfahrung, gar nichts sagen zu können.

Das dürfte der springende Punkt sein.

jack-black antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
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@jack-black 

Meinem Verständnis von moralischer Schuld entsprechend kann man das nicht. Das kann eventuell das Kind, es ist dazu aber in keinerlei Weise verpflichtet und ich hielte es sogar für übergriffig, sowas von ihm zu verlangen.

Schuld betrifft ja nicht immer nur die unmittelbar betroffene Person, das Leiden geht ja darüber hinaus.

Und Vergebung ist etwas, das einem selber hilft. Das sollte man dem Kind natürlich nahebringen, in dem Sinne, dass es hilft, das Geschehene zu verarbeiten und loszulassen.

"Einfordern" kann man das natürlich nicht, und das wird auch in vielen Fällen schnell übergriffig, wie du selber sagst... etwa bei Missbrauchsfällen durch die Kirche, wo von den Opfern "Vergebung" gefordert wurde, damit man schnell wieder zur Tagesordnung übergehen konnte.

Das ist eine Form der "Vergebung", die ihrerseits einen Missbrauch darstellt...

lucan-7 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

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@lucan-7 Und Vergebung ist etwas, das einem selber hilft.

Das mag in manchen Zusammenhängen der Fall sein. In anderen halte ich's für fragwürdig.

 

p.s.: Die Diskussion tendiert schon wieder vom eigentlichen Thread-Thema weg, daher werde ich in diesem Nebenstrang nichts weiter posten.

jack-black antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21590

@jack-black 

Das mag in manchen Zusammenhängen der Fall sein. In anderen halte ich's für fragwürdig.

Es ist fragwürdig, wenn es eingefordert wird oder wenn man sich etwas vormacht. Das kann schnell passieren, dass man sich da unter Druck setzt, vergeben zu müssen.

Aber wenn die Vergebung echt ist, also wirklich ehrlich gemeint ist, dann hilft es einem vor allem selbst. Weil man dann die Sache abschließen kann.

Die Diskussion tendiert schon wieder vom eigentlichen Thread-Thema weg, daher werde ich in diesem Nebenstrang nichts weiter posten.

Ich denke nicht, dass "Vergebung" in diesem Zusammenhang wirklich ein völlig anderes Thema ist. Denn es geht hier ja um den Umgang mit möglicher Schuld, so oder so. Von der anderen oder von der eigenen Seite.

lucan-7 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

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@jack-black 

Interessant. Den von Dir zitierten Film hatte ich schon eine Weile im Kopf, konnte ihn aber nicht mehr genau reproduzieren. Sag doch mal, wie er heißt, wenn Du das noch weißt.

Ansonsten habe ich mich bei der Wehrdienstverweigerung genau umgekehrt verhalten. Zwar habe ich mich damals noch fest auf dem Boden christlichen Lebensverständnisses befunden, die Ablehnung aber damit begründet, dass niemand belegen kann, ob ein Krieg von meiner Seite aus gerecht sein kann, weil niemand über die (Hintergrunds-)Informationen verfügt, um das entscheiden zu können. Jede Regierung wird immer behaupten, das sie einen Krieg beginnt oder sich verteidigt, weil sie angegriffen ist.

Der Einwand der Kommission - damals musste man immer eine mündliche Verhandlung machen -, ich würde doch wohl meine Freundin verteidigen, wenn die beim abendlichen Spaziergang im Park von einem Russen vergewaltigt werden soll und ich zufällig eine MP dabei hätte, habe ich damit gekontert, dass ich sicher nie "zufällig" eine MP dabei habe.

Eine der Beisitzer schrie zwar mordsmörderisch "Vaterlandsverräter", anerkannt wurde ich aber trotzdem.

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@queequeg Den von Dir zitierten Film hatte ich schon eine Weile im Kopf, konnte ihn aber nicht mehr genau reproduzieren. Sag doch mal, wie er heißt, wenn Du das noch weißt.

Da ich gerade nicht genau weiss, auf welches meiner Postings Du Dich beziehst (manchmal vermisse ich doch die alter Baumstruktur... 😉 ): Meinst Du "Bad Lieutnant"? Den hatte ich genannt und sogar auf den entsprechenden Wiki-Artikel verlinkt. Es gibt davon ein späteres Remake, ich glaub es war mit Nicolas Cage in der Hauptrolle - völlig überflüssig, denn an dem Original von Ferrara war nichts zu verbessern und Harvey Keitel ist ohnehin das, was Cage immer nur (na gut, Ausnahme: Leaving Las Vegas) sein wollte: ein hervorragender Charakter-Darsteller... 😉

 

Der Einwand der Kommission - damals musste man immer eine mündliche Verhandlung machen -, ich würde doch wohl meine Freundin verteidigen, wenn die beim abendlichen Spaziergang im Park (usw.)

 

Das zeigt erstens, dass Du noch älter bist als ich. Und zweitens, dass die tatsächlich mit derartig doofen Argumenten arbeiteten. Ich hatte mir damals zur Vorbereitung extra ein Buch besorgt, in welchem ein "erfolgreicher" Kriegsdienstverweigerer von dem Prozedere schrieb und exakt das von Dir erwähnte Beispiel fand sich darin. Ich war da ein klein wenig skeptisch, weil ich so ein absurdes Szenario eigentlich zu lächerlich für erwachsene Leute fand. Jemand erzählte mir, die einfachste Art, darauf einzugehen, bestünde darin, bei der Frage in Tränen auszubrechen und schluchzend zu beteuern, dass allein der Gedanke an solche Gewaltszenen einen schon zum Zittern brächte. Dass dies die "einfachste Art" der Reaktion sein sollte, beunruhigte mich ein wenig, denn dazu, in Tränen auszubrechen, würden meine schauspielerischen Fähigkeiten vermutlich nicht ausreichen. Deine Reaktion war da freilich um einiges cooler, aber ich hätte nicht gedacht, dass diese schnippische Art, dem Beisitzer die Dämlichkeit seines Szenarios zu verdeutlichen, die Komission Dir gewogen machen konnte.

Na, wie auch immer: hat Dir Dein Zivildienst genauso viel Spaß gemacht, wie mir der meine? Ich hab die knappen 2 Jahre in einer Jugendherberge "gedient" und das war, in der Rückschau betrachtet, mit die schönste Zeit meines Lebens. Der Aufwand mit der Verweigerung lohnte sich also. 🙂

 

 

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@jack-black 

Ich glaube, die Gewogenheit der Kommission mir gegenüber beruhte weniger auf mein Cool-Sein als auf der völlig unangemessenen Reaktion des einen Beisitzers.

Tja danach kam - nichts. Man hatte mich schlicht vergessen. Und mir das auch gesagt, als ich mich dann doch mal erkundigte, wann ich wo eingesetzt würde. Aber da waren die Fristen für das Amt schon vorüber.

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@queequeg Tja danach kam - nichts. Man hatte mich schlicht vergessen.

LOL! Na, ich vermute, Du konntest die "gewonnenen" Monate auch anderweitig nutzen. 🙂

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5686

@jack-black 

Ja sicher, hab ich das.

Aber ich habe auch eine Reihe von Menschen kennengelernt, die wie Du die Ersatzdienstzeit als gute Erfahrungen ihres Lebens gebucht haben. Insofern habe ich das doch etwas bedauert.

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3639

@queequeg Aber ich habe auch eine Reihe von Menschen kennengelernt, die wie Du die Ersatzdienstzeit als gute Erfahrungen ihres Lebens gebucht haben. Insofern habe ich das doch etwas bedauert.

Naja, Du hättest ja auch unter denen sein können, die keine so tolle Zivi-Stelle* hatten oder mit irgendwelchen Vorgesetzten Stress bekamen. Auch von denen gab's eine ganze Menge (gute Kumpels von mir waren darunter), die, heute danach gefragt, vermutlich sagen würden, dass sie auf diese Erfahrungen dankend hätten verzichten können. Insofern... 😉

 

 

 

 

Bei der Fischotter-Aufzuchtstation im Harz, die damals auch auf der Liste der Zivi-Stellen stand, auf die man sich bewerben konnte, wollten sie mich nicht. Die konnten sich wohl ihre Bewerber aussuchen und Mindestvoraussetzung war eine abgeschlossene Handwerker-Lehre. So wurden wir Abiturienten da diskriminiert. 😀

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
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Beiträge : 5686

@jack-black 

"So wurden wir Abiturienten da diskriminiert."

Ja, ein schweres Schicksal.

queequeg antworten


GoodFruit
Beiträge : 2613

@pumuckl97 Du sprichst die Feindesliebe an und das ist ein wichtiges Argument.

Fangen wir aber mal an, uns an dem Gesetz zu orientieren - z.B. den 10 Geboten.

Da hätten wir: "Du sollst nicht töten."

Allerdings wäre eine korrektere Übersetzung: "Du sollst nicht morden."

https://www.csv-bibel.de/strongs/h7523

Im Kriegskontext wäre ein Mord durch Soldaten ein Angriff auf Zivilbevölkerung, nicht aber ein Töten im Kontext eines Kampfes gegen einen bewaffneten Feind.

Hier Matthäus 5:

[Mt 5,43-48] 43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Söhne eures Vaters werdet, der in den Himmeln ist; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn habt ihr? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes? Tun nicht auch die von den Nationen dasselbe? 48 Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.

Das konsequent angewendet würde eine klassische soldatische Tätigkeit unmöglich machen.

Nachdem Jesus in der Bergpredigt wichtige Dinge klargestellt hat, kamen noch einzelne Berufsgruppen, die um eine Konkretisierung in Bezug auf ihre spezielle Situation baten. So auch die Soldaten:

[Lk 3,10-14] 10 Und die Volksmengen fragten ihn und sprachen: Was sollen wir denn tun? 11 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Unterkleider hat, gebe eins davon dem, der keins hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. 12 Es kamen aber auch Zöllner, um getauft zu werden; und sie sprachen zu ihm: Lehrer, was sollen wir tun? 13 Er aber sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch festgesetzt ist. 14 Es fragten ihn aber auch Soldaten und sprachen: Und wir, was sollen wir tun? Und er sprach zu ihnen: Misshandelt und erpresst niemand, und begnügt euch mit eurem Sold.

Jesus macht da keine Aussagen in Bezug auf eine Kampfsituation gegen eine andere Armee. Aber er stellt klar, wie mit der Zivilbevölkerung umzugehen sei: keine Misshandlungen, Erpressungen, keine Plünderei.

Eine bewaffnete Auseinandersetzung ist sicher keine im Sinne des Evangeliums erwünschte Situation.

Ich würde mir als Christ gründlich überlegen, ob ein Dienst an der Waffe für mich infrage käme. Es gibt Gründe, die dagegen sprechen. Ich sehe aber kein ausdrückliches Verbot für diesen Dienst in den Worten Jesu.

Ich weiß nicht, inwieweit es in modernen Armeen Einheiten gibt, deren Spezialität eine unblutige Kriegsführung ist: Propaganda und Anti-Propaganda, Maßnahmen im Internet, psychologische Beratung von Personen des öffentlichen Lebens mit dem Ziel, Deeskalation zu erlernen, wirtschaftliche Eingriffe, Gebetseinheiten, …

Es gibt da viel, von dem ich mir vorstellen könnte, dass es für die Verteidigung eines Landes geeignet wäre, ohne dass dafür eine Waffe abgefeuert werden müsste. Ich weiß nicht, ob es solche Kräfte in den Armeen gibt – aber falls ja, wäre das sicher ein sehr gutes Betätigungsfeld auch für Christen.

goodfruit antworten
1 Antwort
Schlüsselkind
(@pumuckl97)
Beigetreten : Vor 6 Monaten

Beiträge : 520

@goodfruit Danke dir. Kommt mir gerade so wenig vor nur danke zu schreiben. Würde eigentlich lieber vom Herzen schreiben DANKE DANKE DANKE für alle eure Nachrichten. In Liebe, Pumuckl

pumuckl97 antworten
Jigal
 Jigal
Beiträge : 3837

Die Frage kann man in einem Forum nicht beantworten,  die evangelische Militärseelsorge hat da ein ganzes Buch.

jigal antworten


Fizzibitz
Beiträge : 37

@pumuckl97 

definitiv widerspricht der Kriegsdienst nicht dem christlichen Glauben, wie die Zeugen Jehovas fälschlicherweise 
meinen. Das Alte Testament handelt ständig vom Krieg und nirgendwo wird erwähnt, dass Krieg etwas Falsches sei....

fizzibitz antworten
1 Antwort
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@fizzibitz  Stimmt. Es wird auch nirgends erwähnt, dass Onlinebetrug, Abtreibung bis zum neunten Monat und der Abwurf von Atombomben auf Großstädte falsch ist, fällt mir gerade auf. Und dass das Alte Testament nicht ständig davon handelt, dafür kann ja niemand was.

deleted_profile antworten
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