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Karl May


Queequeg
Themenstarter
Beiträge : 5637

Eine Zwangspause von fast einer Woche hat mir jetzt wieder einmal die Gelegenheit gegeben, mich Karl May zuzuwenden (Bei den Trümmern von Babylon, Im Reiche des silbernen Löwen, Das versteinerte Gebet). Er ist immer wieder faszinierend.

Er begibt sich in seinen Auseinandersetzungen mit Anhängern anderer Religionen nicht in die üblichen dogmatischen Streitigkeiten, welche Religion wahrer ist als die andere. Sehr verkürzt sagt er, dass es überhaupt nicht auf einen „Wahrheitsgehalt“ eines Glaubenssatzes ankommt, sondern auf die Wahrheit der Lebensführung.

Da ist dann ein Christ, der an die Liebe Gottes glaubt und sie tatsächlich weiterträgt an genau dem gleichen Punkt wie der Mohammedaner, der sich in nämlicher Weise seinem Allah gegenüber verhält.

Und - was auch bemerkenswert ist, dass es für einen Menschen, der sich als Kind Gottes oder Allahs begreift, keine offenen existenziellen Fragen mehr gibt.

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14 Antworten
Jigal
 Jigal
Beiträge : 3819

Wie ich in der letzten Zeit gehört habe war seine reale Einstellung gegenüber Juden nicht so freundlich.
Ein Problem für die DDR waren die erfolgreichen Verfilmungen der 60er Jahre. Karl May wurde im Dritten Reich wohl auch gerne gelesen.
Daher sind die "Indianerfilme" der DDR nicht so mit dem Helden Old Shatterhand ( Charly) nennt ihn Winnetou, als Karl.
Kara ben Nemsi dürfte auch Karl der Deutsche bedeuten, habe ich nicht nachgeschaut.
Gestern liefen einige Filme der 60er Jahre. Der Schut z. B. bleibt man beim Umschalten doch öfter hängen. Sind eben auch Kindheitserinerungen an die Filme die in den 80ern im TV kamen und mit der Familie angeschaut wurden.

Wie religiös war Karl May? War seine Einstellung zu Juden zeitüblich?

jigal antworten
11 Antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5637

Ja , nun, man muss ihn aus seiner Zeit verstehen und vor dem Hintergrund seines Gesamtwerkes. Da kommen durchaus auch Färbungen zu Tage, die man nicht gerne sieht. Aber fast immer ist er in seinen konkreten (Roman-) Begegnungen durchaus offen und tritt dem anderen so gegenüber, wie der es auch konkret tut.

Wenn ich ihn richtig verstehe, war Karl May sehr religiös. Abgesehen von den Romanen hat er auch einige christliche Gedichte und Lieder geschrieben und komponiert. Und vor allem in seinem Spätwerk treten seine religiösen Gedanken meist direkt in den Abenteuern zu Tage.

Am Interessantesten dürften hier wohl die beiden Bände "Ardistan" und "Der Mir von Dschinnistan" sein, in denen er ein großartiges dualistisches Weltbild malt. Dem stimme ich zwar in keiner Weise zu, finde aber die Art, wie er das gemacht hat, trotzdem kolossal und allemal wert, überdacht zu werden.

Irritierend ist bei ihm, dass er seine religiösen Gedanken sehr eindeutig katholisch färbt, obwohl er evangelisch war. Das macht sich unter anderem in der Gestalt von "Marah Durimeh" bemerkbar, die eine zweite Mutter Jesu sein könnte.

queequeg antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7361
Veröffentlicht von: @jigal

Kara ben Nemsi dürfte auch Karl der Deutsche bedeuten

Bedeutet es jedenfalls laut Karl May (ich habe die ersten 6 Bände gelesen und erinnere mich daran, dass er den Namen so erklärt hat). Wobei ich nicht weiß, wie ein vor allen in Osteuropa üblicher Ausdruck nach Arabien gekommen sein soll ... Türken und Araber sagen ja "Alman" oder so ähnlich.

Veröffentlicht von: @jigal

Wie religiös war Karl May?

Seine Einstellung war nicht konstant. Von Haus aus evangelisch, fühlte er sich geschmeichelt, wenn man ihn für eine "guten Katholiken" hielt. Und als er sich endlich leiten konnte, real in der Welt herumzureisen, hat sich seine Einstellung noch mal geändert (hab ich unklar aus einer Dokumentation in Erinnerung).

Zu "Karl May und Juden" kann ich gar nix sagen ...

Helmut

hkmwk antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3819

Nun da Karl May eine lebhafte Phantasie hatte kann ja mal ein anderes Wort für Deutscher verwendet worden sein als es dort üblich war.
Das polnische Wort für Deutsche klingt ähnlich wie Nemsi, ah passt mit deinem Osteuropa.

Auf youtube findet sich ein witzes Video eines US-Amerikaners der in Schwäbisch-Hall (Baden-Württemberg) wohl American Football spielt.

Der berühmtestes Amerikaner, den keiner in Amerika kennt.
Es geht dabei um Winnetou, den auch die heutigen Kinder kennen.

Im Prinzip stellen die Karl May Western einen Gegenpol zu den Western der USA dar. Einen Helden der keine helle Hautfarbe hat,
und ein deutscher der sein besster Freund ist.

Na und wer hat nicht den Namen von Hadschi Halef Omar auswendig gelernt, ohne zu wissen dass ein Hadschi ein Mekka-Pilger ist.

jigal antworten
lubov
 lubov
(@lubov)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 2684
Veröffentlicht von: @jigal

Na und wer hat nicht den Namen von Hadschi Halef Omar auswendig gelernt, ohne zu wissen dass ein Hadschi ein Mekka-Pilger ist.

Da der Mekka-Pilger - bzw. Nicht- oder Noch-nicht-aber-bald-Mekka-Pilger" im Grunde jedes (!) Mal thematisiert wird, wenn Halef seinen vollen Namen deklamiert, weiß das jedes Kind, das ein Stückchen Buch gelesen hat, in dem Halef eine Rolle hat und seinen Namen nennt. 😀 🤨

Die (kulturelle und auch sonstige) Überlegenheit der Deutschen (und natürlich besonders seiner selbst) lässt May allerdings überall finden. Zwar mag Winnetou sein bester Freund und Halef sein treuester Gefährte sein, aber nur der deutsche Old Shatterhand bzw. Kara ben (=Sohn von) Nemsi ist der strahlende Held, der letztlich alle rettet die gerettet werden können, allen die Welt erklärt, sie nicht nur bildet sondern auch bekehrt... ich hab die Bücher als Kind geliebt, als Jugendliche noch geschätzt, jetzt lese ich immer mal rein - und bin traurig und lege sie weg, wenn ich anfange, mich fremdzuschämen für soviel Selbstbeweihräucherung.

lubov antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7361

Selbstbeweihräucherung

Veröffentlicht von: @lubov

aber nur der deutsche Old Shatterhand bzw. Kara ben (=Sohn von) Nemsi ist der strahlende Held, der letztlich alle rettet die gerettet werden können, allen die Welt erklärt

Ich glaub als Erstes war mir der Widerspruch aufgefallen, dass Kara ben Nemsi erst provoziert bis zur Todfeindschaft, aber am Ende werden sie doch so was wie Freunde. Krieg die Episode nicht mehr zusammen, wo das besonders deutlich wurde, aber ich meine im Grunde war dies mehr als einmal so ...

Helmut

hkmwk antworten
Eldarion
(@eldarion)
Beigetreten : Vor 7 Jahren

Beiträge : 526

Bis vor etwa 20 Jahren hab ich wohl die meisten der Karl-May-Bücher gelesen.
Auch so exotische wie Ardistan und Dschinnistan.
Gut, der Mann hat sich selbst gerne als Held hingestellt, er hat andere Kulturen und fremde Orte großartig beschrieben, ohne sie je selbst erlebt zu haben.
Sein Patriotismus war manchmal sicher auch in seiner Zeit ein wenig dick aufgetragen. Kennt jemand die "deutsche Herzen, deutsche Helden"-Serie? 😊
https://www.karl-may-wiki.de/index.php/Deutsche_Herzen_-_Deutsche_Helden

Ja, er saß auch mal wegen diverser Delikte - verdienterweise - im Knast.
Aber ich fand die Bücher herrlich. Und geschadet haben sie gewiss nicht.
Muss denn immer alles auf die Goldwage der politischen Korrektheit gelegt werden?
Schade, dass May heute stark aus der Mode gekommen ist.

eldarion antworten
chubzi
 chubzi
(@chubzi)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 1287
Veröffentlicht von: @eldarion

Schade, dass May heute stark aus der Mode gekommen ist.

Er hat mir die Feindschaft gegenüber anderen Völkern und Kulturen unmöglich gemacht. Ich liebe meinen Kara ben Shatterhand, the old Greenhorn. In zwei seiner orientalischen Romanen hat er zusammen mit Halef auch eine Weltraumreise auf die andere Seite der Sonne gemacht (Ardistan und Der Mir von Dschinnistan). Bei Tante Wiki ist der Inhalt der Geschichte gut zusammengefaßt.

chubzi

chubzi antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

Moin!

Veröffentlicht von: @eldarion

Kennt jemand die "deutsche Herzen, deutsche Helden"-Serie? 😊

Ja, ich... 😀

Und kennst Du den "Verlorenen Sohn" - also nicht Band 74 der "Gesammelten Werke, sondern "Der verlorene Sohn oder der Fürst des Elends" ( https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/primlit/roman/sohn/index.htm )?

Qapla',
Worf

deleted_profile antworten
Eldarion
(@eldarion)
Beigetreten : Vor 7 Jahren

Beiträge : 526

Qavan Worf,

Veröffentlicht von: @worf

Und kennst Du den "Verlorenen Sohn" - also nicht Band 74 der "Gesammelten Werke, sondern "Der verlorene Sohn oder der Fürst des Elends"

Nein, die kenne ich nicht. Danke für den Link.

eldarion antworten
Groffin
(@groffin)
Beigetreten : Vor 22 Jahren

Beiträge : 1873
Veröffentlicht von: @jigal

Wie religiös war Karl May? War seine Einstellung zu Juden zeitüblich?

Kann mich nicht erinnern, dass in seinen Romanen eine besondere Judenfeindlichkeit durchschimmerte.

In der Satan und Ischariot-Reihe spielt die Judith Silberstein eine entscheidende Rolle. Sie ist geldgierig und durchtrieben - und Jüdin. Ihr Vater ist ebenfalls geldgierig, dabei aber ziemlich naiv.
Solche Charaktere finden sich immer wieder, aber ich meine, dass Karl May das als typisches Merkmal der Juden beschrieben hat.
Dennoch glaube ich, dass er dabei wertneutraler als vieler seiner Zeitgenossen war.

Auch typische Vorurteile gegenüber Afroamerikanern scheinen in seinen Romanen immer wieder durch - meist sind sie dort die lustigen Sidekicks, aber in einem Roman beschreibt er auch die Flucht eines Sklaven sehr eindrücklich.

Aus heutiger Perspektive würde ich daher schon sagen, dass er ein Kind seiner Zeit war, aber trotz allem auch seiner Zeit etwas voraus.

groffin antworten
chubzi
 chubzi
(@chubzi)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 1287
Veröffentlicht von: @groffin

Aus heutiger Perspektive würde ich daher schon sagen, dass er ein Kind seiner Zeit war, aber trotz allem auch seiner Zeit etwas voraus.

Unterstreichung von mir. Diese Einstellung von May ist durchaus typisch für ihn. Er war nicht für das missionieren sondern für das (christliche) Vorleben.

chubzi

chubzi antworten


Lucan-7
Beiträge : 21494

Karl May war ein Kind seiner Zeit... man findet eine Menge Patriotismus in seinen Schriften.

Der Respekt vor anderen Kulturen, der immer wieder durchklingt, scheint mir dabei allerdings sehr vordergründig zu sein: Respektabel ist das, was dem deutschen ähnlich und deshalb verständlich ist. So werden ja auch Winnetou und Hadschi Halef letztlich als "Christen" dargestellt, die sich von ihrem Freund un Vorbild haben überzeugen lassen.

Religion und Glaube sind immer mal wieder Thema... ich glaube im Band "Am Jenseits" wird eine Vision geschildert von verstorbenen Leuten, die glauben sich den Einlass in den Himmel verdient zu haben, wobei aber letztlich nur jene aufgenommen werden, die glauben, unwürdig zu sein.

Wirklich tiefgründig wird es bei Karl May nicht, es bleibt allgemein und folkloristisch. Und im Band "Der Fremde aus Indien" finden sich auch alle antisemitischen Klischees, da macht Karl May keine Ausnahme in seiner Zeit.

Wobei man ihm, gerade weil man ihn innerhalb des Zeitgeschehens betrachten muss, schon zugestehen kann dass er sich da positiv von vielen Kollegen seiner Zeit abhebt... kolonialistische Überheblichkeit und Rassismus sind weniger stark ausgeprägt und wirken beinahe modern... wobei es allerdings einige Jahrzehnte her ist, dass ich ihn zuletzt gelesen habe...

lucan-7 antworten
andreas
Beiträge : 1802

Karl Mays Verständnis der Religionen, soweit sich aus seinen Schriften dazu Rückschlüsse ziehen lassen, hat sich im Lauf der Jahre gewandelt, von einer Betonung der Unterschiede hin zu einer der Gemeinsamkeiten.

Der Umbruch ist ungefähr mit dem Band "Am Jenseits" anzusiedeln, noch stärker dann nach seiner Orientreise.

Verbindendes Element zwischen diesen beiden Phasen ist die hohe Ethisierung von Religion.

In den frühen Schriften verglich er, ob Jesus oder Mohammed eher ein Vorbild in moralischem Handeln sei (Spoiler: Jesus) und schloss daraus, welche Religion überlegen sei. Aus dem heraus, was er über die Religionen wusste, meinte er außerdem, dass das jeweilige Vorbild auch die Nachfolger mehr oder weniger automatisch zu entsprechenden Menschen mache.

Später, auch durch einen kritischeren Blick auf den Kolonialismus, konnte er das Bild des moralisch überlegenen Christen nicht mehr aufrecht erhalten. Er suchte nun nach dem, was alle als ihre "Summe" (So die Formulierung in "Und Friede auf Erden") gemeinsam hätten und kam auf sowas wie Freundlichkeit und Nächstenliebe.

Auch das ist in seiner fast nicht vorhandenen Sicht auf konfessionelle Unterschiede aber auch schon im Frühwerk angelegt.

Darin war er deutlich mehr als ein "Kind seiner Zeit". Er blieb ihr in vielen Stereotypen verhaftet, trennte sie aber immer mehr von der Bewertung des einzelnen Menschen.

Theologisch interessant ist dann eigentlich nur, dass er mit den traditionellen Jenseitsvorstellungen nicht mehr weiterkam, und versuchte, etwas Neues, Eigenes zu entwickeln.

andreas-wendt antworten


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