Suchen oder Finden?
 
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Suchen oder Finden?

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belsazar
Themenstarter
Beiträge : 148

In einer anderen Diskussion begegnet mir immer wieder Verwunderung, wenn ich mich als Suchenden bezeichne, oder aber mir werden diverse Lösungsvorschläge gemacht, wo etwas zu finden wäre.

In Martin Schleske's "Der Klang", das die Lebensbetrachtungen eines Geigenbauers beschreibt, findet sich folgende Stelle:

IN einem Psalmwort heisst es "Denen, die Gott suchen, wird das Herz aufleben" (69,33). Es ist bemerkenswert, dass dieses Wort nicht vom Finden, sondern vom Suchen spricht!

und weiter:

Es ist eine subtile Form des Unglaubens, wenn man sich an das, was man glaubt, gewöhnt hat. Es ist kraftlos. Ein wacher Glaube kann sich weder an Gott noch an die Welt gewöhnen. Denn in der Gewöhnung ist die Seele ohne Hoffnung, und der Geist ist ohne Fragen.
Das Leben ist reizlos, wenn man die Dinge hinnimmt und darum auf nichts mehr reagiert. Anpassung (biologisch: Adaption) bedeutet, dass die Reize ausgeblendet werden. Die Antwortrate der Zellen nimmt ab. Es kommt dann zu keiner Reaktion mehr. So ist es auch im Glauben: Antworten des eigenen geistigen Milieus beruhigen. Doch manchmal tun sie das so sehr, dass man über ihnen schläfrig wird. Es findet keine Reaktion mehr stat. Das Ende der Adaption ist ein reizloses Leben.

Wo seht Ihr Euch? Bei den Suchenden oder jenen, die gefunden haben?

Antwort
132 Antworten
Herbstrose
Beiträge : 14194

Was genau
ist eigentlich das Ziel deiner Suche?

Wenn ich "Suche" jetzt mal mit einem Baum vergleiche, dann gibt es zwei Modelle: mit Ziel und ohne genaues Ziel.

Beginnen wird mit Ziel:
Der Baum ist hoch, die Krone ausladend. Du stehst frisch gestärkt und voller Euphorie unten und willst bis ganz zur Spitze des Baumes. Du kletterst einen Abschnitt, bis du an einen sicheren Ort kommst. Dort tankst du neue Kraft, indem du ausruhst und Nahrung zu dir nimmst, denn unterwegs gab es doch die eine oder andere Schwierigkeit und die Kräfte ließen nach.
Dann schaust du, wie der Weg weiter geht. Du nimmst das Ziel in den Blick und suchst die beste Möglichkeit, dorthin zu kommen. Am nächsten sicheren Ort machst du wieder Rast. So geht es weiter, bis du am Ziel angelangt bist.

Das Leben eines Christen sieht in etwa so aus. Es gibt Zeiten des Laufens und Zeiten des Ruhens. Es gibt Zeiten der Arbeit und es gibt Zeiten sich zu stärken. die beste Nahrung für einen Christen ist das Wort Gottes und die Ermutigung durch Glaubensgeschwister.

Ok, schauen wir uns den zweiten Baum an. Das Ziel ist nach wie vor die oberste Spitze des Baumes. Aber man hat dieses Ziel nicht im Blick. Weil: der Weg ist ja das Ziel. Man beginnt also zu klettern und am ersten sicheren Fleck macht man Rast. Frisch gestärkt sieht man dann, dass es da ja noch 3 oder 5 wunderschöne Äste gibt, die man erst mal erkunden könnte. Egal, welchen Ast man erkundet, man muss doch immer wieder zum Stamm zurück. Und wenn man jeden Ast erkundet, muss man vorher immer wieder zum Ausgangspunkt zurück und kommt auf seinem Weg zum eigentlichen Ziel keinen Meter voran.

Übertragen auf das Leben eines Christen: Die Äste symbolisieren das Abkommen vom Weg. Der erste Ast ist vielleicht der Konfuzianimus, der zweite die Esoterik, dann sind ja Drogen so verlockend. Ach ja, Magie (insbesondere weiße) ist echt anziehend. Das muss man alles mal erkunden oder mitgemacht haben. Aber: es raubt Zeit und Kraft und man muss umkehren, um zum Ausgangspunkt zurück zu kommen.

Ich verfolge dann doch lieber den direkten Weg. Klar passiert es, dass ich auch mal strauchle und in Versuchung gerate. Aber dann ist der Weg zur Umkehr kurz.

Da du gern liest, empfehle ich dir "Die Pilgerreise" von John Bunyan. In diesem Buch werden Eigenschaften und Begebenheiten eindrücklich personifiziert, die einem auf dem Glaubensweg so begegnen.

herbstrose antworten
1 Antwort
belsazar
(@belsazar)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 148

Das dritte Ziel: Ratio

Veröffentlicht von: @herbstrose

Wenn ich "Suche" jetzt mal mit einem Baum vergleiche, dann gibt es zwei Modelle: mit Ziel und ohne genaues Ziel.

Denk weiter 🙂 Es gibt eine dritte Möglichkeit: mit einem Ziel im Blick aber dem Bewusstsein, es wenn nicht erreichen, dann doch immerhin annähern zu können.

Unsere Diskussion ist sehr alt, sie fand seit Urzeiten zwischen Gläubigen und Suchenden statt, so bspw. im Fragmentenstreit zwischen Lessing und Goeze in den 1770er Jahren. Lessing schreibt dabei einen zeitlosen Satz:

Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den einzigen, immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir "Wähle! " - ich fiele ihm mit Demut in seine Linke und sagte: "Vater, gib! Die reine Wahrheit ist ja doch nur für Dich allein!"

Es kommt noch ein weiteres Element hinzu: das bewusste Wahrnehmen und Geniessen des Weges ist das eigentlich lebensbejahende der Suchenden aller Philosophien und Religionen - es kehrt sich hin zum (Gott)gegebenen Leben und sieht es nicht als sündhaft-verabscheuungswürdiges Mühsal auf dem Weg zu einem besseren Jenseits. Der schweizerisch-französische Autor Oswald Wirth geht dabei so weit, den Jenseits-Fetischismus gewisser Dogmatiker als "Religion des Todes" vs. der Religionen des Lebens (Diesseits-Bezug heidnischer Religionen aber auch vieler Religiöser der traditionellen Glaubenssysteme) zu bezeichnen.

Selbst im christlichen Glauben wäre es doch absurd, den Weg zum Ziel nicht als Geschenk wert zu schätzen und zu geniessen. Das Leben nach dem Tod, wie es denn immer auch aussehen mag, bleibt entsprechend ein (nicht notwendiger) Bonus. Damit wird auch der Opportunismus des Jenseitsbezug überwunden. Man ist also nicht mehr gut/ gläubig etc. für eine Belohnung, sondern weil es richtig ist.

LG B

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chubzi
 chubzi
Beiträge : 1287
Veröffentlicht von: @belsazar

In einer anderen Diskussion begegnet mir immer wieder Verwunderung, wenn ich mich als Suchenden bezeichne, oder aber mir werden diverse Lösungsvorschläge gemacht, wo etwas zu finden wäre.

Ich denke das Verständnisproblem liegt darin das viele Christenmenschen ein bestimmtes (vorgegebenes?) Ziel haben, welches sie zu erreichen versuchen. Hast du ein bestimmtes Ziel, oder enthält dein Suchen ein offenes Ende?

chubzi

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3 Antworten
belsazar
(@belsazar)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 148

Mein Ziel
Gute Frage. Mein Ziel ist die Erkenntnis. Und ich suche im Bewusstsein, sie nie vollständig besitzen, mich ihr immer nur annähern zu können.

Unterwegs auf dieser Suche erkenne ich jedoch immer wieder Teile und freue mich darüber, versuche sie zu betrachten und zu kombinieren und vor allem im Austausch mit anderen Menschen wird es dann enorm spannend.

belsazar antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @belsazar

Unterwegs auf dieser Suche erkenne ich jedoch immer wieder Teile und freue mich darüber, versuche sie zu betrachten und zu kombinieren und vor allem im Austausch mit anderen Menschen wird es dann enorm spannend.

Gott als Ziel und den Weg als Vorfreude zum Ziel. Möge der Weg sein, wie er ist. Holprig oder eben, schmal oder breit, steil oder flach, erfrischend oder ermüdend, schön oder weniger schön. Jede Erfahrung ist ein Geschenk Gottes. In diesem Sinne frohe Ostern.

Anonymous antworten
chubzi
 chubzi
(@chubzi)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 1287

Danke!

chubzi antworten
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