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Die Philosophie Karl Poppers - erklärt von Dr. Walther Ziegler


GoodFruit
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Hallo Community,

ich bin interessiert an Philosophie. Es ist spannend, wie Menschen die Welt gesehen haben und welche Bereiche der Welt da mit Theorien bedacht wurden.

Dr. Walther Ziegler hat eine Reihe bei YouTube, wo er einzelne Philosophen in einer Stunde Vortragszeit vorstellt. Und er macht das wirklich "saugut". Ich höre ihm total gerne zu.

Jetzt hat er uns vor wenigen Stunden einen Vortrag zu Karl Popper hochgeladen:

https://www.youtube.com/watch?v=tqURJjDqCk0

Karl Popper ist einer der wichtigsten Philosophen unserer Zeit. Er hat sich Gedanken zum Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft und daraus ableitend die ideale, die „offene“ Gesellschaft gemacht.

Jeder Wissenschaftler kennt seine Ideen zu Hypothese und These. Ich auch - aber dennoch war der Vortrag für mich hochinteressant und bereichernd. Denn es gibt nicht nur eine Vorstellung der Philosophie, sondern auch, wie Karl Popper dorthin gekommen ist. Ich will nicht spoilern - aber es war da ein "Erleuchtungserlebnis" im Spiel ...

Provokante Aussagen sind, dass es keine fixen Naturgesetze gibt, dass wir nicht absolutes Wissen können, sondern, dass wir uns in unserem Wissen immer weiterentwickeln können, aber niemals wirklich festen Grund in Form von unumstößlichen Wahrheiten erreichen können.

Diese Gedanken sind Grundlage aller heutigen Naturwissenschaft.

Auch wichtig sind Poppers Gedanken zur offenen Gesellschaft. So wie wir in der Naturwissenschaft nichts absolut wissen können, so darf es keine fixen Erwartungen in Bezug auf die Gesellschaft geben. Das war eine klare Gegenposition zu Hegel und Marx, aber auch deren Wurzeln: Platon.

Platon wirft er vor, den totalitären Staat zu fordern und die gedankliche Grundlage für Konzentrations- und Umerziehungslager geschaffen zu haben. Platon dachte in Rassen und Klassen und forderte eine Aristokratie. Er wollte die Kinder der Besten ausbilden und stark aussieben und aus den Besten die Wächter und Philosophen zu machen, die dann frühen sollen. Das führte in eine Menschenzucht, die die Besten getrennt, von den anderen sich fortpflanzen ließ und so eine isolierte Klasse schafft. Dem stehen bei Platon Untermenschen entgegen, die auch mal in Besserungsanstalten oder Konzentrationslager geraten können, wenn sie aufmüpfig werden.

Moderne Gesellschaften sind offene Gesellschaften. Sie sind gerecht, frei, reformfreudig -die besten Gesellschaften. Jede moderne Gesellschaft ist aber immer in der Gefahr, in primitive Stammesgesellschaften zurückzufallen - der Nationalsozialismus ist hier ein Beispiel. Popper sieht hier Platons Ideen verwirklicht, die nicht falsifizierbar ist und das breite Volk von der Herrschaft ausschließt. Und es ist tatsächlich so, dass der Nationalsozialismus dort erhebliche Anteile ihrer Ideen von Platon entliehen haben.

Philosophenkönige sind nicht abwählbar, weshalb so eine Führung in ungute Situationen führen kann.

Popper lehnte Hegels obrigkeitsstaatlichen Tendenzen mit der Vergötterung des preußischen Verfassungsstaates ab. Marx desgleichen - nur dass dieser Entwicklungen postuliert (über viele Revolutionen), die starr sind. Die Prognose eines Endzustands der Gesellschaft ist naturwissenschaftlich nicht haltbar, da sie nicht falsifizierbar ist. Jeder Versuch der Falsifizierung würde sogar in Ablehnung, Besserungsanstalt oder gar Konzentrationslager führen. Es war mir eine Erhellung, die Grundlagen des Nationalsozialismus hier zu finden und zu erkennen, wo der Kern des Irrtums und die Wurzel des daraus ableitbaren Verderbens liegt.

Eine Gesellschaft in dem Ideal nach Marx ist keine offene Gesellschaft. Es gibt konkrete Vorstellungen, wie diese Gesellschaft auszusehen hat. Da ist kein Spielraum für Anpassungen, für Korrekturen von Irrtümern. Das ist eine geschlossene Gesellschaft, ursprünglich die Stammesgesellschaft. Sie lebt in einem Zauberkreis unveränderlicher Tabus, Gesetzen und Sitten. Auch von Königen des Mittelalters geführte Staaten sind geschlossene Gesellschaften. Herrschaftsmythen (abgeleitet vom Sonnengott) bestimmten da die Herrschaft, die Könige.

Die offene Gesellschaft formt sich aus kleinen Schritten und lebt aus der Selbstkritik und der kontinuierlichen Verbesserung heraus: der kritische Rationalismus.

Meine Meinung: Ich halte diese Inhalte für enorm aktuell und wichtig - denn schließlich kommen wir aus einer Zeit, in der uns wissenschaftliche Erkenntnis als absolut richtig und nicht zu kritisieren verkauft wurde und der Begriff "alternativlos" Akzeptanz fand. Da ist viel Schaden entstanden und den gilt es auch mit Poppers Erkenntnis zu reparieren und zu überwinden.

Politisch hat sich Popper als Liberaler mit dem Rasiermesser bezeichnet - er den Kapitalismus nicht abgelehnt, wollte Auswüchse aber abschneiden.

Ziegler nimmt abschließend Hegel noch gegen Poppers Angriffe in Schutz.

Aber der kritische Rationalismus ist eine wichtige Errungenschaft Poppers, die keine Denkmäler kennt, sondern auch alte Philosophen oder Politiker kritisch betrachtet. So sind Caesar oder Alexander der Große nicht mehr positiv zu sehen, sondern als brutale und rücksichtslose Persönlichkeiten zu betrachten.

Poppers Altersweisheit zum Schluss: Alles Leben ist Problemlösen. Es gibt keine fixen Zustände.

Popper sah in der Überbevölkerung das Kernproblem der Menschheit, was er mit Aufklärung und Geburtenbeschränkung begegnen wollte.

Hier erlaube ich es mir, Poppers wirtschaftsliberale Haltung kritisch zu beleuchten und hier die Wurzel des Problems und zugleich die Lösung zu finden: Eine wirtschaftlich gut versorgte Bevölkerung wird fast reflexhaft weniger Nachwuchs erzeugen. Die sichere Versorgung der Menschheit ist nach meiner Ansicht der Schlüssel zu einer Lösung der Probleme. Angemerkt sei, dass viele Kulturen heute eher ein Problem mit zu geringer Geburtenrate haben ...

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Jack-Black
Beiträge : 4591

@goodfruit Ich werde mir nachher den verlinkten Vortrag* anschauen, aber das hier:

Platon wirft er vor, den totalitären Staat zu fordern und die gedankliche Grundlage für Konzentrations- und Umerziehungslager geschaffen zu haben. Platon dachte in Rassen und Klassen und forderte eine Aristokratie. Er wollte die Kinder der Besten ausbilden und stark aussieben und aus den Besten die Wächter und Philosophen zu machen, die dann frühen sollen. Das führte in eine Menschenzucht, die die Besten getrennt, von den anderen sich fortpflanzen ließ und so eine isolierte Klasse schafft. Dem stehen bei Platon Untermenschen entgegen, die auch mal in Besserungsanstalten oder Konzentrationslager geraten können, wenn sie aufmüpfig werden.

löst denn doch schon mal reflexhaften Widerspruch bei mir aus.

Man kann einem Philosophen aus dem fünften/vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung nicht sinnvollerweise vorwerfen, gedanklich die "Grundlagen für Konzentrationslager" geschaffen zu haben, also ihn für etwas, das frühestens aus dem 19. Jahrhundert bekannt ist, mittelbar verantwortlich machen. Um seine "Politea" ("Der Staat") ideengeschichtlich einordnen zu können, muss man ihn "in seiner Zeit lesen", also wissen, was die herrschende Ordnung war, als er die Schrift verfasste: die attische Demokratie. Seine Politeia war eine Art utopischer Gegenentwurf zu den damaligen Verhältnissen in Athen, und der Totalitarismus-Vorwurf gegen ihn ist ungefähr so verfehlt wie der gegen Marx. Nein, falsch: er ist noch weit verfehlter, weil der zeitliche Abstand zwischen ihm und den "real existierenden Totalitarismen" (jenseits des christlich-kirchlichen Totalitarismus im Mittelalter *hüstel*) der Neuzeit (deutscher Faschismus und sowjetrussischer Stalinismus als prominenteste Vertreter) noch größer ist als der zwischen Marx und Stalinismus/Maoismus. Nichts gegen das Aufzeigen ideengeschichtlicher Zusammehänge und Herkünfte, aber man kann's auch übertreiben - und dann wird es arg ahistorisch und damit weniger populär- denn unwissenschaftlich.

Na gut, wir kennen diesen m.M.n. unberechtigten Vorwurf Poppers gegen Platon nun nur aus dritter Hand: Ziegler fasst da was zusammen und Du referierst das hier aus einem insgesamt nur einstündigen Vortrag: zuerst wird da also etwas allein wegen des 60-Minuten-Limits notwendigerweise verkürzt dargelegt, und dann wird's nochmal "per Hörensagen" geschliffen...

 

 

 

*Ich hab schon einige dieser "in 60 Minuten"-Vorträge von Ziegler mir angeschaut, die enthalten Manches, das man gut bei Tischgesprächen anbringen kann; und wenn man keine Lust hat, sich wirklich mit einem Philosophen zu beschäftigen, dann helfen sie sicherlich, da Wissenslücken ein bisserl zu übertünchen. Weil sie zumindest nicht wirklich klar falsche Behauptungen enthalten. Aber zu mehr taugen sie meinen bisherigen Erfahrungen nicht wirklich, jedenfalls fand ich den Nietzsche- und den Schopenhauer-Beitrag beide äußerst oberflächlich. Fast-food-edutainment.

jack-black antworten
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GoodFruit
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@jack-black Man kann einem Philosophen aus dem fünften/vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung nicht sinnvollerweise vorwerfen, gedanklich die "Grundlagen für Konzentrationslager" geschaffen zu haben, also ihn für etwas, das frühestens aus dem 19. Jahrhundert bekannt ist, mittelbar verantwortlich machen.

Im Vortrag geht es ab ca. 36:00 um dieses Thema. Popper hat da eine klare Auffassung dazu und kritisiert hier Platon scharf. Dafür ist er seinerzeit wohl auch von vielen Philosophen kritisiert worden, weil Platon eine Größe ist, die man in jenen Kreise nicht so gern in der Kritik sieht. Dr. Walther Ziegler weist darauf hin, dass Platon sich in der Bewertung seiner Besserungsanstalten und KZs einem Bewertungsschema entzieht, weil er die Philosophenfürsten/Wächter in einer göttlichen Sphäre (Idee des Guten, Wahren und Schönen) sieht - also einem Bereich jenseits jeden Maßstabs. In den KZs endeten Menschen, die sich nicht in das System fügen wollten. Es sollten das aber Einrichtungen sein, in denen die Menschen gefangen gehalten wurden und sie nach dem Tod noch nicht einmal begraben werden sollten, sondern einfach über den Grenzzaun geworfen werden sollten. Vor so einem Hintergrund lässt sich eine Haltung der Menschen wie Tiere vermuten. Die Besserungsanstalten erlauben den Weg zurück in die Gesellschaft oder aber eben in diese KZs hinein.

Plato schwebt eine Aristokratie der Besten vor. Mich erinnert das "Aussieben der Besten" in der Schule an heutige schulische Aufträge, wo auch immer ein Ziel ist, die Kinder in Leistungsklassen auseinanderzudividieren und nicht möglichst allen eine optimale Bildung zu verschaffen. Popper wunderte sich, warum anfangs so viele Akademiker in der NSDAP waren und so fand er dann Wurzeln für den Rückfall der deutschen Gesellschaft aus der Demokratie in die primitive Stammesgesellschaft bei Plato.

Ein Problem ist, dass die Definition des Guten, Wahren und Schönen nicht falsifizierbar ist. Unabhängig davon, ob die Ideen der Philosophenkönige nun gut oder der letzte Schrott sein mögen, muss man ihnen zustimmen, weil sie aus ihrer gottgleichen Postion heraus willkürlich Ansagen machen können, die das "niedere Volk" nicht zu kritisieren berechtigt ist.

So etwas würde es in einer offenen Gesellschaft nicht geben.

In 41:35 bringt Ziegler das Zitat aus Platon "Nomoi", 10. Buch Stephanus Nummerierung 908a-909a

Für mich sieht das alles tatsächlich nach einer Wurzel aus, aus dem totalitäre Ideologien ihre kruden Vorstellungen speisen.

 

 

 

goodfruit antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
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Als Nachtrag hier der Orignaltext von Platon.

 

http://www.opera-platonis.de/Nomoi.pdf

Nach diesem Eingange werden wir denn nun also zu dem Worte, welches die
Gesetze selber verkündet, fortschreiten und allen Gottlosen anbefehlen ihrer bisherigen Sinnesart
zu entsagen und sich dem Leben der Gottesfürchtigen zuzuwenden. Und für den Fall, dass sie
uns nicht gehorchen, treffe sie das folgende Gesetz wider die Gottlosigkeit.
Wenn sich jemand in Worten oder Werken wider die Götter vergeht, [E] so soll jeder der
hinzukommt, gehalten sein, ihm zu steuern, indem er irgend einer Obrigkeit davon Anzeige
macht

[...]

zwei Arten von Verbrechern, und überall soll der
Richter auf Grund dieser Unterscheidung die erste Art, welche eben nur aus Unverstand und
nicht aus Bosheit des Herzens und Charakters dergestalt gefallen ist, kraft des Gesetzes [909 St.2
A] auf nicht weniger als fünf Jahre in das Besserungshaus stecken. Während dieser Zeit soll kein
Bürger mit einem solchen Gefangenen verkehren, mit Ausnahme der Mitglieder der nächtlichen
Versammlung, diese aber sollen es zu dem Zwecke um ihn zu bekehren und seine Seele zu retten.
Ist dann diese Zeit der Gefängnisstrafe abgelaufen, so soll er von da an, wenn er Hoffnung gibt
zur Vernunft gekommen zu sein, auch wieder unter den Vernünftigen wohnen, wo aber nicht, so
soll ihm von neuem der Prozess gemacht und er dann mit dem Tode bestraft werden. Alle
diejenigen aber, welche zu der Meinung, es gebe keine Götter oder sie bekümmerten sich nicht
um uns oder sie wären durch Geschenke zu bewegen, noch überdies einen tierischen Sinn zeigen
und [B] mit Verachtung der Menschen nicht bloß die Seelen vieler Lebenden beschwören,
sondern auch die der Verstorbenen herbeibeschwören zu können vorgeben und die Götter durch
Opfer, Gebete und Zaubersprüche zu berücken und zu überreden sich anheischig machen und
die, um sich zu bereichern, darauf ausgehen nicht bloß die Einzelnen, sondern auch ganze
Häuser und Staaten von Grund aus zu verderben, alle solche Leute sollen, wenn sie eines solchen
Verbrechens überwiesen worden sind, vom Gerichte nach dem Gesetze dazu verurteilt werden
lebenslänglich in dem Gefängnisse [C] im Innern des Landes eingekerkert in Ketten zu liegen,
und kein freier Bürger soll sie jemals besuchen dürfen, sondern die von den Gesetzverwesern für
sie bestimmte Nahrung ihnen von Dienern gereicht werden. Nach ihrem Tode aber sollen sie
unbeerdigt aus dem Lande geworfen werden. 

[...]

Es soll niemand in seinem Hause ein Privatheiligtum haben, sondern, so
oft jemanden sein Gemüt zu opfern drängt, soll er zu diesem Zwecke sich zu den öffentlichen
Heiligtümern begeben und seine Opfer den Priestern und Priesterinnen einhändigen, denen die
Sorge für die Reinheit derselben obliegt, und soll sodann sein Gebet mit dem ihren und aller
derer, welche noch sonst an demselben teilzunehmen wünschen, vereinigen.

Wird es aber entdeckt, dass irgendjemand, sei es Mann oder Weib, irgend ein anderes Heiligtum
besitzt oder andere Götterdienste feiert als die öffentlich anerkannten, so soll der Entdecker ihn,
sofern er dabei kein weiteres großes und schändliches Unrecht sich hat zu Schulden kommen
lassen, den Gesetzverwesern anzeigen und diese ihm dann anbefehlen diesen Privatdienst in den
öffentlichen Tempel zu verpflanzen und ihn, falls er sich nicht gutwillig dazu bereden lässt, [C*]
so lange mit Bußen belegen bis er es getan hat. Kommt es aber zum Vorschein, dass jemand
nicht bloß in kindischer Unwissenheit, sondern mit der Bosheit eines Erwachsenen sich eigene
Heiligtümer errichtete um wider die Götter zu freveln, oder die öffentlichen irgendwelcher
Gottheit zu diesem Zwecke benutzte, so soll er mit dem Tode bestraft werden, weil er als ein
Unreiner geopfert hat. Ob aber irgend eine Gottlosigkeit nur aus kindischer Torheit begangen
wurde oder nicht, darüber sollen die Gesetzverweser zunächst selber entscheiden und dann erst
den Angeklagten vor das Gericht ziehen und von demselben mit der Strafe für Gottlosigkeit
belegen lassen.

Soweit Platon. Mir kommt da einiges erschreckend bekannt vor. Einmal sagte mir jemand, dass wir jetzt in eine Phase der ungeschriebenen Gesetze gehen würden - das ist aber schon ein paar Jahre her. Gut möglich, dass er so eine Ideologie im Hinterkopf hatte. Mit solchen Worte empfiehlt sich Platon klar für den Giftschrank der Weltliteratur. So viel Verdorbenheit hätte ich bei diesem großen Philosophen niemals erwartet!

Das ist geschlossene Gesellschaft pur! Zwar ist es keine Stammesgesellschaft im Sinne alten Patriarchats. Aber es ist das eine Elitendiktatur mit willkürlichen Idealen. Wir finden eine Klassengesellschaft vor, bei der die Klassen derart voneinander getrennt sind, dass man schon von Kasten reden kann. An anderer Stelle sieht Platon macht Platon die Kaste der Philosophenfürsten zu einer eigenen Population im biologischen Sinne. Die Philosophen leben in Kommunen zusammen und haben miteinander Kinder (sollten sich nicht mit anderen Kasten vermengen). Diese Kinder werden ihnen genommen und in Schulen auf ihr Lebensaufgaben vorbereitet - dort auch wieder mit harten Aussieben der Besten.

Viel findet sich davon im Nationalsozialismus - aber auch in anderen faschistischen oder kommunistischen Regimen. Platon muss als Erfinder des Totalitarismus dienen.

Von daher kann nur empfohlen werden, Platon nur mit hinreichend Abstand und kritischem Geist zu lesen, immer auch die Dimension naturwissenschaftlicher Erkenntnis und moralischer Sensibilität im Hintergrund.

Das alles ist naturwissenschaftlich so unfassbar krude, philosophisch müllig und ethisch verdorben, dass es einen schaudert.

goodfruit antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
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Mit grausigem Schauer steht man vor den unsäglichen Worten Platons.

Ich kann es nachvollziehen, wenn Menschen, die diesen Philosophenfürsten ungern in so einem Kontext sehen möchten.

Es ist das ein Spätwerk des Philosophen. Kann es sein, dass das nach dem Zeitpunkt verfasst wurde, wo Altersweisheit in Senilität übergegangen ist?

Auch könnte ich mir vorstellen, dass boshafte Pseudoepigrahen dem Philosophen da üblen Dreck untergejubelt haben.

Ich meine, dass es jetzt in der Philosophie eine wichtige Aufgabe, die Werke Platons mit der historisch-kritischen Methode nach Kuckuckseiern dieser Art zu durchforsten und dann die Schriften zu bereinigen.

Warum ist der von mir zitierte Ausschnitt aus den Schriften Platons "Dreck"?

Nun, einmal unabhängig von der Kritik Poppers, die ja die fehlende Falsifizierbarkeit des Ansatzes beklagt und auch unabhängig von dem generellen ethisch moralisch begründeten kalten Schauer, den jeder mit einem halbwegs lebendigen Herz empfinden sollte, sehe ich noch extrem destruktive Szenarien aus der systemischen Prognose, dessen, was sich bei Verwirklichung dieser Horrorvorstellungen ergeben würde.

Die Philosophen-Elite ist eine Blase. Durch die Trennung von der wahren Welt entwickelt Sie Gedanken in einem Elfenbeinturm mit den bekannten Gefahren für Wissen und Wahrheit und Relevanz der Ansätze, die sich daraus ergibt. So etwas kann gewaltig in Fehlhaltungen und Irrtümern abgleiten. Man denke an unsere Corona Zeit, wo Physiker entscheidend die Maßnahmen mitgeprägt haben. Ja, Viren verhalten sich da in ihrer Verbreitung exponentiell und solche Kurven können Physiker berechnen - jeder halbwegs gut ausgebildete Biologe kann das aber auch! Was der Physiker nicht kann, ist die systemische Betrachtung des Problems, denn er kennt nur die einen Seite - das Virus - und nicht den Wirt in seinen Möglichkeiten eigenständig dem Virus etwas entgegenzusetzen. Das Immunsystem ist eine Sache für sich, die für den Physiker gänzlich unbekannt sein sollte. Er weiß nicht, was passiert, wenn man dem System erhöhte CO2 Level - etwa durch für den Zweck und die Dauer eingesetzte ungeeignete Atemschutzgeräte provoziert (besonders bei Kindern). Der Physiker weiß nichts um die psychischen Belastungen von Isolierung und die Auswirkungen auch auf das Immunsystem. Genauso kann es den Philosophenfürsten passieren, dass sie komplett ungeeignete Schritte anordnen, nur weil ihnen die Vielfalt der Inspiration und Expertise fehlt.

Ein weiteres systemische Problem könnte die Inzucht in der Philosophenkaste bedeuten. So gut wie alle Rassehunde weisen populationsbedingte Gesundheitsprobleme auf. Das endet häufig in Qualzuchten, wovor auch die Weisheit der Philosophenkaste nicht gefeit sein dürfte.

In der niederen Kaste gibt es ein auf strikte Nachfolge asketisch ausgerichtete Sklaverei mit stark körperfeindlichen (anti-sexuellen) Diktat. Hier würde ich ein Wegzüchten der Libido mit einem katastrophalen Geburtenrückgang als Folge sehen. Solche System dürften sich in wenigen Jahrzehnten, vielleicht auch Jahrhunderten selbst auslöschen. Ist das ein sinnvolles Ziel?

Dann die Abschaffung jeglicher anderer Religion als die der Philosophenfürsten. Hier zeigt sich der Ansatz in seiner satanischen Dimension. Es soll keine andere Götter geben neben den Philosphenfürsten. Das dürfte der wahre Grund für den Versuch der Nazis gewesen sein, die Juden auszulöschen. Ihnen ging es nicht um die Menschen - ihnen ging es um ihren Gott! 

Was bleibt ist eine Elite, die sich selber ganz klasse findet und sich willkürlich Rechte herausnimmt, die sie und die Welt in dramatische Krisen und Katastrophen führt. Ein Vermehren des Wahren, Schönen und Reinen dürfte so jedenfalls nicht erreicht werden. Und das schon deshalb nicht, weil zu Wahrheit, Schönheit und Reinheit die Harmonie der Liebe und das belebende Element der Gnade gehört. Was bleibt ist das in Beton gegossene oder in Marmor gehauene Geistesgespinst einer an Überheblichkeit und Herzlosigkeit erkrankten Kaste, die ihren Niedergang noch nicht einmal bemerkt - genauso wenig wie die ganze Niedrigkeit des ganzen Ansatzes.

Wenn es so etwas geben sollte, dann kann ich auf allen Ebenen nur dazu raten, Wachsam zu sein, alles kritisch zu hinterfragen und sich auf jeder Ebene seiner Verantwortung für die Schöpfung und das einzelne Geschöpf bewusst zu sein, das nicht diese Kaste geschaffen hat, sondern der Schöpfergott der Bibel! Ich wünsche da vor allen auch allen Wächtern eine wachsende kritische Distanz zu den Vorgaben aus der Fürstenkaste!

Darüberhinaus möchte ich noch einmal die kritische Betrachtung der Platontexte empfehlen, die diese Entgleisungen des großen Philosophen zu Gegenstand haben mögen - wenn die Texte denn tatsächlich von Platon stammen.

goodfruit antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
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Sorry, für dieses öffentliche Selbstgespräch, aber ich möchte für mich (und ihr seid da alle eingeladen - auch zum Mitdenken und Mitdiskutieren) die Sache mit Platons Staatsverständnis mal auf die Reihe bekommen.

Ich habe ChatGPT gefragt, wie es die Kritik von Popper in Bezug auf Nomoi, Buch 10 (Ausschnitte weiter oben) findet. Ich erhielt die Antwort, das es problematisch sei, aktuelle politische Systeme auf diese alten Überlegungen zu projizieren. Unser Kontext heute ist ein ganz anderer, als der von Platon und sein Umfeld.

In Bezug auf totalitäre Vorstellungen von Platon erhielt ich aber einen Hinweis von ChatGPT auf Platons früheres Werk "Politeia":

Platons Politeia (Der Staat) enthält mehrere Textpassagen, die autoritäre oder totalitäre Züge aufweisen, wenn sie aus dem historischen Kontext gerissen oder mit modernen politischen Maßstäben interpretiert werden. Diese Passagen spiegeln Platons Ideal einer vollkommen geordneten Gesellschaft wider, in der die Philosophen als Herrscher agieren, die Gerechtigkeit definieren und durchsetzen. Hier sind einige zentrale Stellen, die oft in diesem Zusammenhang diskutiert werden:

1. Die Herrschaft der Philosophen (473c-d)

Platon fordert, dass Philosophen die Herrschaft übernehmen müssen, weil sie allein die Fähigkeit besitzen, die wahre Gerechtigkeit zu erkennen:

„Bis nicht entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder diejenigen, die jetzt König und Machthaber heißen, wirklich und ernsthaft Philosophen werden […] wird es kein Ende geben an den Übeln der Staaten und ebenso wenig, wie ich glaube, an denen des menschlichen Geschlechtes.“

Totalitäre Interpretation:

  • Die Konzentration der Macht bei einer intellektuellen Elite könnte als Grundlage für eine Diktatur interpretiert werden.
  • Der Ausschluss anderer Meinungen und gesellschaftlicher Gruppen steht im Widerspruch zu demokratischen Prinzipien.

2. Die Abschaffung der Familie bei den Wächterklassen (457c-e)

Platon schlägt vor, dass die Wächter keine individuellen Familien haben, sondern dass Kinder gemeinschaftlich aufgezogen werden:

„Denn alle diese Frauen sollen allen diesen Männern gemeinsam sein, und es soll kein Einzelner sowohl ein Kind als sein eigen bezeichnen, als auch ein Vater ein Kind, noch ein Kind einen Vater.“

Totalitäre Interpretation:

  • Die Auflösung der Familie dient der vollständigen Kontrolle des Staates über die Individuen.
  • Persönliche Bindungen werden zugunsten kollektiver Loyalität geopfert.

3. Zensur und Kontrolle der Kunst (377a-398b)

Platon plädiert für eine strenge Kontrolle der Dichtung, Musik und Kunst, um moralisch schädliche Einflüsse zu vermeiden:

„Wir werden also die Wächter der Stadt am meisten zu bewachen haben, dass sie weder durch Reichtum noch durch Dichtungen oder andere Künste verderbt werden.“

Totalitäre Interpretation:

  • Der Staat kontrolliert, was die Bürger lesen, sehen und hören dürfen.
  • Die Freiheit der Kunst und Meinungsäußerung wird zugunsten einer idealisierten Ordnung eingeschränkt.

4. Lügen als politisches Werkzeug (389b-d)

Platon erlaubt den Herrschern, in bestimmten Fällen zu lügen, um das Wohl des Staates zu sichern:

„Wenn es irgendjemandem erlaubt ist zu lügen, so den Herrschern der Stadt, um Feinde oder Bürger um des Staates willen durch Täuschung zu schädigen.“

Totalitäre Interpretation:

  • Die Herrscher beanspruchen ein Monopol auf die Wahrheit und können Täuschung als Herrschaftsmittel legitimieren.
  • Dies rechtfertigt Propaganda und Manipulation.

5. Das "Edle Märchen" (415a-c)

Platon schlägt vor, dass die Gesellschaft durch ein erfundenes Märchen (den Mythos der Metallseelen) stabilisiert werden soll. Die Bürger sollen glauben, dass ihre soziale Stellung von Natur aus vorgegeben ist:

„Und wir wollen den Bürgern, die uns glauben, erzählen, dass sie einst in ihrem Innersten eine Mischung von Metall erhielten.“

Totalitäre Interpretation:

  • Hier wird eine staatlich verordnete Ideologie geschaffen, die die soziale Hierarchie rechtfertigt.
  • Der Glaube an diese "edle Lüge" dient der Stabilität des Staates, unterdrückt aber individuelle Freiheiten und Kritik.

6. Erziehung als staatliche Aufgabe (402a-403c)

Platon fordert, dass die Erziehung vollständig vom Staat kontrolliert wird:

„Die Erziehung muss einheitlich sein und für alle gelten, damit die Bürger gleich geformt werden.“

Totalitäre Interpretation:

  • Individuelle Freiheit in der Bildung wird zugunsten staatlicher Kontrolle aufgegeben.
  • Der Staat formt die Bürger nach einem vorgegebenen Ideal, was an totalitäre Erziehungsprogramme erinnert.

Fazit

Platons Politeia kann tatsächlich Elemente enthalten, die autoritäre oder totalitäre Züge offenbaren. Allerdings sollten diese Passagen im Kontext seiner Zeit betrachtet werden: Platon suchte nach einem Idealstaat, der Gerechtigkeit maximiert und Chaos minimiert. Seine Vorschläge spiegeln eine radikale Philosophie wider, die von modernen demokratischen Idealen weit entfernt ist. Die totalitären Interpretationen ergeben sich meist aus einer Übertragung seiner Ideen auf die moderne politische Praxis, was nicht unbedingt Platons Absicht entsprach.

Ich finde hier viele Beispiele in der Geschichte, wo (bewusst oder unbewusst) auf Platons Konzepte zurückgegriffen wurde.

Die Schulbildung, die Preußen aufbaute, diente ja auch dazu, gefügige Staatsbürger zu erziehen. Dieses Motiv (z.T. noch einmal deutlich stärker) finden wir auch in Nachfolge-Staaten von Preußen.

Das Monopol auf Wahrheit hat mir in der Corona-Zeit sauer aufgestoßen. Platon regt es an und in Internetzeiten, dürfte es schwer aufrecht zu erhalten sein. So etwas endet in der Regel peinlich und ich finde es schade, dass hier bei uns in Deutschland keine kritischere Betrachtung der Zeit erfolgt. Es ist dies etwas, wo wir alle in unserer Demokratie wachsen könnten!

Dann die "Edlen Märchen", die heute wohl eher als "Narrative" bezeichnet werden. Haben wir das in einem Staat mit gebildeten Bürgern nötig? Die Ideologie deutet ja immer auf eine schwache Gründung des Systems in der realen Welt. Wäre der Weg des Staates bzw. der Regierung so glasklar richtig, bräuchte man keine Ideologie und Märchenwelt für die Untertanen.

Die Familie ist ja immer noch unser gesellschaftlicher Standard, auch wenn daran gerüttelt wird. Aber selbst hier ist immer noch die Grundidee der Familie noch erkennbar - auch wenn Rollen oft Geschlechtsspezifisch besetzt sind oder es zu zahlenmäßiger Disparität oder Patchworksystemen kommen kann. Größere Kommunen als Lebensgemeinschaften und sexuellen Gemeinschaften sind selten und ich kenne nur wenige geschichtliche Beispiele, die sich dort dann aus Situationen extremer Not bildeten.

Ich erkenne aber mitunter Ansätze zur Zerrüttung persönlicher Bindungen Einzelner, was dann in eine stärkere systemische Kontrolle führen kann.

Das Unterbinden freier Betätigung bei Kunst und Meinungsäußerung dürfte das schnelle Ende solcher Systeme bewirken, da sie intellektuell verarmen und gesellschaftlicher Fortschritt unterbunden wird. Die von Platon vermutete Notwendigkeit zu solchen Schritten unterstreicht die Schwäche und Unzulänglichkeit der Philosophenkaste. Wären diese wirklich so überaus gut, bräuchten sie Kritik oder andere Ansichten nicht zu fürchten und könnten sich locker einer offenen Diskussion stellen.

Mir haben diese Betrachtung viel über Platon gelehrt und ich kann für mich sagen, dass dieser Philosoph nicht mein Ding ist. Gut, dass Aristoteles da noch andere philosophische Wege eröffnet hat.

Vieles Neuartiges ist also ganz alt und solange der Bürger an einer gesellschaftlichen Umorientierung beteiligt ist, kann er mit der Kenntnis um diese schon vor so langer Zeit verfassten Staatsvorstellungen leichter Grenzen setzen und modernere Konzepte verteidigen bzw. anregen.

 

goodfruit antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@goodfruit Ich habe ChatGPT gefragt, wie es die Kritik von Popper in Bezug auf Nomoi, Buch 10 (Ausschnitte weiter oben) findet.

Mir haben diese Betrachtung viel über Platon gelehrt und ich kann für mich sagen, dass dieser Philosoph nicht mein Ding ist.

Was soll es Dich lehren, wenn Du an einen Philosophen über Kritik an seinen Ideen herangehst, die Du Dir auch noch von ChatGPT zusammenstellen lässt?

Wolltest Du nicht 

für mich (und ihr seid da alle eingeladen - auch zum Mitdenken und Mitdiskutieren) die Sache mit Platons Staatsverständnis mal auf die Reihe bekommen.

?

Wenn du ernsthaft die Sache von Platons "Staatsverständnis" auf die Reihe bekommen wolltest, würdest Du Dich mit dem Primärtext beschäftigen, also gründlich, am Stück, eine Übersetzung seiner Politeia lesen. Und vermutlich würdest Du dabei schnell merken, dass Dir allerhand Voraussetzungen fehlen, sie zu verstehen, was dann dazu führen könnte, dass Du Dich noch schlau machst über seine Zeit und seine Kultur, über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Griechenland (da gab es nicht nur die attische Demokratie, sondern auch aristokratische oder von Königen regierte Stadtstaaten). Stichpunkt Peloponnesischer Krieg: Platon schrieb nicht im luftleeren Raum: ständig kloppten sich die Polis untereinander und unter "Staat" verstand man damals jene gesellschaftliche Einheit, die es schaffte, ihre Interessen kriegerisch gegen die Nachbarn durchzusetzen.

Und dann würdest Du darangehen, seine Schriften mit philosophischen Augen zu lesen: Philosophie heißt stets: Arbeit am Begriff. Ein Großteil auch der Politeia ist genau dies: Arbeit am Begriff (Platon war Philosoph, kein Essayist oder Kolumnenschreiber). Was bedeutet: Gerechtigkeit? Was ist "das Gute", was "das Schöne"?  Was meint er, wenn er von der Seele spricht, was hat er für ein psychologisches Modell? Du würdest seine einzelnen Argumente durchleuchten, die er Sokrates in den Mund legt: sind die stichhaltig, sind sie nicht häufig falsche oder mindestens fragwürdige Analogien, bzw. argumenta ad verecundiam? Du würdest überlegen, wieweit er tatsächlich glaubt, seine konkreten Vorschläge wären praktisch durchsetzbar, oder ob er eher ständig sein Ideen-Konzept anzuwenden versucht wie jemand, der in allen Problemen Nägel erkennt, nur weil er so gern den Hammer schwingt...

Aber wie gesagt: Man muss, wenn man Philosophen verstehen möchte, schon die Primärtexte lesen und zwar offen und interessiert - und nicht mit der agenda, eine Kritik, die man über sie aufgeschnappt hat, bestätigt zu finden.

Vielleicht beruhigst Du Dich dann auch ein bisserl und versteigst Dich nicht zu solchem Herumschwadronieren:

Ich meine, dass es jetzt in der Philosophie eine wichtige Aufgabe, die Werke Platons mit der historisch-kritischen Methode nach Kuckuckseiern dieser Art zu durchforsten und dann die Schriften zu bereinigen.

Kukukseier? Historisch-kritische Methode? "Bereinigen" von Platons Schriften? Ernsthaft?

Platon ist in der modernen Philosophie längst keine Autorität mehr. Er ist Teil der Philosophiegeschichte, und in dem Zusammenhang lohnt sich sicherlich die Beschäftigung mit seinem Werk: weil er gewissermaßen der Urgroßvater des Idealismus war. Aber niemand, der nicht ausgelacht werden will, käme heute auf die Idee und würde irgendwelche politischen Konzepte mit dem Hinweis ausbreiten, dass sie auf Platons Politeia fußten. Naja, obwohl... Es soll ja Leute geben, die heute noch politische Konzepte vertreten, die sich direkt auf Schriften aus der späten Bronzezeit beziehen... 😀

jack-black antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@jack-black Was soll es Dich lehren, wenn Du an einen Philosophen über Kritik an seinen Ideen herangehst, die Du Dir auch noch von ChatGPT zusammenstellen lässt?

Nun, ich habe Euch gebeten, Euch zu beteiligen.

Für mich war die Situation die, dass ich von Poppers Kritik an Platon hörte und ich begriff schnell, das da eine Quelle von viel Unheil und Ungerechtigkeit war, die bis in unsere Zeit hineinreicht und die Menschen leiden lässt durch überhebliche und willkürlich herrschende Fürsten, die sich herausnehmen, Schönheit, Wahrheit und das Gute zu definieren und Menschen anderer Ansicht abzustrafen.

Popper baut seine Kritik ja mithilfe des philosophischen Werkzeugs auf, das er bei Betrachtungen über naturwissenschaftliche Zusammenhänge und der Notwendigkeit, lange geglaubte Unumstößlichkeiten zu revidieren.

Wenn wir nicht mehr von immerwährenden Naturgesetzen reden dürfen, dann dürfte es auch problematisch sein, wenn eine Kaste von Personen das Schöne, Reine und Gute definiert. Diese Dinge werden dann schnell zu willkürlichen Größen. Und wenn Du auf solchen Einschätzungen der Elite auch noch eine Gerichtsbarkeit bis hin zu Konzentrationslagern aufbaust, dann hast Du ein brutales System, das vor Ungerechtigkeit nur so strotzt. Die Philosophenfürsten machen sich das schuldig am Volk.

Das war meine Sicht der Dinge, bevor ich ChatGPT fragte. Popper bezieht sich auf Passagen aus Nomoi. Als ich dazu recherchierte, fand ich, dass in Politeia noch viel krassere Dinge zu finden sind - und da nahm ich mir dann ChatGPT zur Hilfe und ich muss sagen, dass ich mit der Zusammenstellung ziemlich zufrieden war.

Klar muss alles von seiner Zeit her zu betrachten sein und die Bildung des Volkes war damals nicht mit der heute zu vergleichen. Klar habe ich Platons Gedanken nicht Schritt für Schritt verfolgt, was für korrektes Philosophieren unabdingbar wäre.

Aber ich kann Ergebnisse des Prozesses sehen, und die entsetzen mich einigermaßen. Und da muss ich sagen: Wenn ich eine Rechenaufgabe sehe und das Ergebnis ist Quark, dann mache ich mir gar nicht erst die Mühe, die Rechenweg nachzuvollziehen. In unseren Tagen dürfen die Ausführungen Platons jedenfalls keine Bedeutung mehr haben!

Stichpunkt Peloponnesischer Krieg: Platon schrieb nicht im luftleeren Raum: ständig kloppten sich die Polis untereinander und unter "Staat" verstand man damals jene gesellschaftliche Einheit, die es schaffte, ihre Interessen kriegerisch gegen die Nachbarn durchzusetzen.

Die Aufgabe der Philosophenfürsten wäre dann also die Schaffung von Frieden durch Definition von Grundsetzen der Schönheit, Wahrheit und des Guten. D.h. Wahrheit war ja wohl nicht so hoch im Kurs, denn es wird ja sogar empfohlen, das Volk zu belügen und ihm Märchen aufzutischen, damit es macht, was die Philosophen wollen.

Auch dieses Vergöttern der Philosophen und die Abschaffung jeder anderen Religion finde ich krass. Ja, es war nicht selten, dass die Kaiser auch gleich noch als Gott angesehen wurden. Aber dass hier eine elitäre Kaste sich selbst in so einen Rang hebt, macht die Sache nicht besser.

Historisch-kritische Methode? "Bereinigen" von Platons Schriften? Ernsthaft?

Nun, wenn ich etwas lese, was mir so befremdlich klingt, dass ich es mit so einem großen Namen schwer in Verbindung bringen kann, dann finde ich es fast schon selbstverständlich, dass man hier prüft, ob die Ausführungen überhaupt von dieser großen Person können. Mit den Bibeltexten machen wir das so und ich sehe keinen Grund, warum nicht auch andere sehr alte Texte mit dieser Methode validiert werden sollten.

Ich habe inzwischen erfahren, dass man sich in der Forschung wohl relativ sicher ist, dass diese Texte von Platon stammen.

Es gab eine Phase in Platons Schriften, wo er vor allem posthum die Gedanken seines großen Lehrers Sokrates zu Papier brachte. Das sind Gedanken, die ich für wertvoll und bedenkenswert halte, Texte, an und mit denen man wachsen kann.

Das ist erheblich anders als das, was ich in den letzten Tagen gelesen habe. Von daher hielte ich schon eine Überprüfung für angemessen. Ein Motiv, Platon so etwas unterzujubeln, würde es ja geben. Denn solche Ermächtigung von Eliten dürfen Eliten schmecken, wenn sie denn noch so nach dem Guten und Schönen schauen, sondern mehr so auf Macht und Geltung fixiert sind. Die Worte selber (Lüge erlaubt, warum nicht mal ein schickes Narrativ erfinden ...) würden ja die Pseudoepigraphie rechtfertigen.

Aber niemand, der nicht ausgelacht werden will, käme heute auf die Idee und würde irgendwelche politischen Konzepte mit dem Hinweis ausbreiten, dass sie auf Platons Politeia fußten. 

Nimm einfach mal diese Texte von Platon halte die gegen Texte aus dem Nationalsozialismus, wo man entsprechende Themen behandelt. Die Parallelen sind Augenscheinlich. Nimm Konzepte von Diktaturen auf aller Welt - und Du wirst Platon als Quelle annehmen müssen.

Ich meine, dass wir aber sehr wohl Platon in der historischen Entwicklung von Philosophie, Theologie und Politik einordnen müssen. Die junge christliche Kirche war ziemlich bald schon stark von griechischer Philosophie durchdrungen. Wenn wir also das Evangelium in reiner Form verstehen wollen, wäre es hilfreich, die griechische Philosophie zu verstehen, um die Einfärbungen der Lehre daraus, aus den Inhalten des Evangeliums herauszubekommen.

Das ist vergleichbar mit einem ANOVA (oder komplexer: MIXED Model Ansatz) in der Mathematik, wo man bekannte Störgrößen in Datensätzen mit hineinnimmt oder durch geschicktes Versuchsdesign gegenseitig aufhebbar macht, um so den tatsächlichen Einfluss des zentralen Untersuchungsgegenstands klar erkennen zu können.

Ich frage mich, was die dieser elitäre Kreis um Mani, den Augustinus angehörte, wohl für Inhalte hatte. Wenn das in Platons Richtung ging, dann wären auch die Schriften von Augustinus mit großer Vorsicht zu genießen - ebenso wie alle Theologen, die stark darauf aufbauen (wie beispielsweise Calvin).

Es soll ja Leute geben, die heute noch politische Konzepte vertreten, die sich direkt auf Schriften aus der späten Bronzezeit beziehen...

Wahrheit altert nicht. Und wahre GEdanken und Konzepte sind zeitlos. Da sind dann auch Schriften aus der Bronzezeit sehr wertvoll.

Und auch bei Platon haben wir wertvolle Schriften: jene, in denen er die Gedanken von Sokrates zu Papier bringt. Es ist damit Platons verdienst, eine Ära-Wechsel in der Philosophie einzuleiten: die nach-sokratische Philosophie. Zu Recht ist hier der Verweis auf Sokrates und nicht auf Platon. Denn das, was ich an Gedanken von Platon selber bislang gefunden haben, ist dann doch sehr krude und unbrauchbar. Es hat nicht diesen ewigen Atem der Wahrheit, sondern ist stark von politisch-taktischen Überlegungen geprägt. Klar kann man das lesen, wie man auch Machiavelli lesen kann. 

goodfruit antworten
Jack-Black
(@jack-black)
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@goodfruit Wahrheit altert nicht.

Dass es nach Popper überhaupt keine Wahrheiten geben kann - das hast Du aber schon aus Zieglers Vortrag mitgenommen? 😀

jack-black antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
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@jack-black Dass es nach Popper überhaupt keine Wahrheiten geben kann - das hast Du aber schon aus Zieglers Vortrag mitgenommen? 😀

Popper hat nicht behauptet, dass es keine Wahrheit geben kann. Er sagt aber, dass wir als Menschen sie nicht erkennen, nicht absolut formulieren können. Wir können uns ihr aber immer mehr nähern. Da ist die Naturwissenschaft auf dem Weg. Es gibt selbstverständlich eine Realität, eine absolute Wahrheit. Nur ist das nichts, worauf der Mensch Zugriff hätte - auch wenn wir drin leben.

goodfruit antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

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@goodfruit Es gibt selbstverständlich eine Realität, eine absolute Wahrheit.

q.e.d.

Du hast durch den Vortrag nicht erlernt, was die Kernidee Poppers war. Das ist kein Vorwurf. Der Vortrag taugte dazu eben nicht. Na, vielleicht taugte er ja dazu, Dein Interesse zu wecken, so dass Du Dich in der Zukunft mal gründlich mit dem kritischen Rationalismus (und auch der Kritik an ihm) auseinandersetzt, Primärtexte rezipierst usw..  🙂

jack-black antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

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@jack-black Vielleicht hast Du es auch nicht bemerkt - denn Popper macht ja keine Aussage über die Natur der Welt, sondern über die Natur unserer Aussagen über die Natur.

Vieles, von dem wir sagen, es sei so, ist in Wirklichkeit nur unsere Idee von der Sache, unsere Vorstellung, die wir mit der Beobachtung in Einklang bringen wollen.

Poppers Fortschritt ist hier der, dass wir die Verabsolutierung von Theorien beenden und uns klarmachen, dass wir keine Naturgesetze formulieren können, weil wir nicht wissen, inwieweit unserer Vorstellung das, was ist, wirklich abdeckt. Das finden von absoluter Wahrheit in unseren Vorstellungen ersetzt Popper durch einen Prozess kontinuierlicher Verbesserung und Korrektur, in dem wir der tatsächlichen Wahrheit immer näher kommen, aber nie ganz erreichen werden.

Popper macht hier Aussagen über unsere Vorstellungen von der Welt - nicht von der Welt an sich, die ja von unserer forschenden Aktivität unbeeindruckt bleiben sollte.

Von daher verstehe ich Deine Kritik nicht. Du bist hier offenbar in der falschen Kategorie unterwegs.

goodfruit antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
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@goodfruit 

 Es gibt selbstverständlich eine Realität, eine absolute Wahrheit.

"Realität" ist nicht dasselbe wie "Wahrheit", weil "Wahrheit" sich auf eine "wahre Aussage" bezieht. Und die ist immer relativ und nicht identisch mit der Realität.

 

 

 

lucan-7 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

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@goodfruit Die Aufgabe der Philosophenfürsten wäre dann also die Schaffung von Frieden durch Definition von Grundsetzen der Schönheit, Wahrheit und des Guten. D.h. Wahrheit war ja wohl nicht so hoch im Kurs, denn es wird ja sogar empfohlen, das Volk zu belügen und ihm Märchen aufzutischen, damit es macht, was die Philosophen wollen.

Ich greife das mal heraus, um das Problem zu illustrieren, dass ich mit Deiner Herangehensweise habe. Du antwortest hier auf eine Passage von mir, die Du vorher zitiertest, und in der ich darauf hinwies, dass Platon sein Werk in einer Zeit schrieb, wo der Peleponnesische Krieg herrschte. Daraus leitest Du ab, dass gemäß Platon die Schaffung von Frieden auf diese oder jene Art die Aufgabe der Philosophenfürsten wäre. Aber so weit ich mich an meine Platon-Seminare erinnern kann, war dies: Frieden zu schaffen - nun überhaupt keine vordringliche Aufgabe der Herrscherklasse. Krieg war Normalität damals. Und ein tüchtiger Herrscher wurde nicht danach beurteilt, wie gut er Kriege verhindern/vermeiden konnte, sondern wie günstig die Kriege für die von ihm regierte Gesellschaft ausgingen.

Also: ich versuche, anzudeuten, dass die Realitäten damals völlig andere waren als heute. Und Du verstehst das so, als habe Platon mit seinem utopischen Staatsentwurf vorhaben müssen jene Realitäten gemäß unseren heutigen Vorstellungen  zu ändern.... 😀

Dann bringst Du drei Begriffe: Schönheit, Wahrheit und "das Gute". Die tauchen zentral aber bei Platon gar nicht auf. Am Anfang der Politeia steht der Gerechtigkeitsbegriff im Zentrum: es wird erstmal ausführlich darüber diskutiert (immer bedenken: die Texte sind alle so eine Art Rekapitulationen von - durch Platon ausgedachten - Gesprächen, die Sokrates mit irgendwelchen eher simpel gestrickten Leuten führt), was man sich unter Gerechtigkeit überhaupt vorzustellen habe. Schönheit ist zwar tatsächlich ein zentraler Begriff in der griechischen Philosophie, aber man darf den halt nicht mit unserem Schönheitsbegriff verwechseln. Das Gute und das Schöne fallen in der Idee der Kalokagathie zusammen, man kann darin auch sowas wie Tugend und Vortrefflichkeit in körperlicher wie geistig-moralischer Hinsicht verstehen. Die Wahrheit ist erstmal einfach nur das Gegenteil der Lüge, aber auf einer anderen Ebene dann halt auch die Idee. Da müsste man jetzt in aller Ausführlichkeit die Ideenlehre Platons referieren, wozu ich aber nun keine Lust habe (auch, weil ich mich, um nix Falsches zu behaupten, erstmal wieder in die Materie einlesen müsste).

Und schließlich behauptest Du noch, die Wahrheit habe bei Platon nicht so hoch im Kurs gestanden, weil er doch empfohlen habe, das Volk zu belügen.

Das ist insofern gleichzeitig richtig und falsch, als er lediglich empfahl, dem Volk andere als die bisherigen Lügen zu erzählen: bessere, stimmigere Lügen.

Von welchen Lügen ist hier die Rede? Nun: es ging um die herrschende Ideologie, welche in den Erzählungen über das Handeln der Götter bestand. An diesen Erzählungen kritisierte Platon, dass sie Lügen sein müssten, weil in ihnen die Götter grausam, dumm, ungerecht oder sonstwie moralisch fragwürdig handelten. Götter müssten, so seine Meinung, gerecht, klug und moralisch einwandfrei handeln, sonst wären sie keine Götter. Womit also bewiesen sei, dass die gängigen Erzählungen über Götter nur erlogen sein könnten.

Aber welche Alternative gab es für diese erlogenen Geschichten, die - und das ist eben wichtig - jene Ideologie bildeten, welche die Identität der Gesellschaft ausmachten? Man musste aus Platons Perspektive einen Ersatz für diese schlechten (und für die moralische Bildung der Leute nicht gerade förderlichen) Lügen finden. Da Platon nun mal nicht von irgendeinem Himmelsboten wahre Geschichten über die Götter privat offenbart wurden, blieb nur dies: man musste den Leuten eben bessere Lügen auftischen: besser in dem Sinne, dass die Leute unter ihrem Einfluß zu besseren Staatsbürgern gebildet würden.

Hinter dieser Denkweise steckt nicht die Verachtung der Wahrheit - sondern eher eine paternalistische Einstellung, nach welcher dem gemeinen Volk eher mit gut und konstruktiv gemeinten Lügen gedient sei als mit der blanken sokratischen Wahrheit, nach welcher man eigentlich stets nur sagen könne, dass man nichts wisse.

Ich find's fast schon wieder witzig, dass ausgerechnet ein Christ wie Du hier so den Splitter in Platons Auge fokussiert und dabei ausser Acht lässt, dass der dazugehörige Balken fest im eigenen Auge verankert ist: die platonische Idee, wonach Götter nur gut und nicht moralisch defizitär sein könnten, ist deckungsgleich mit der christlichen Idee, nach welcher Gott und das Gute im Grunde genommen ein und dasselbe seien: in der Kritik an den allzu menschlichen Göttern des griechischen Pantheons solltest Du also eigentlich voll bei Platon sein.

Und was ist das für ein Vorwurf gegen Platon: er würde empfehlen, die Philosophenfürsten sollten das Volk belügen, damit es tue, was sie wollten? Sorry, für mich hört sich das nach den Kirchenfürsten an, nach den Kirchen, nach der christlichen Ideologie, die den Leuten irgendwas von sprechenden Schlangen, Wasser-in-Wein-Verwandlungen, Dämonen-Austreibungen und Auferstehung von Toten erzählen - damit die Leute tun, was sie tun sollen, beispielsweise den Zehnt berappen und brav die von Gott eingesetzte Obrigkeit erdulden.

Ausgerechnet von einem Christen kommt da Empörung, wenn Platon sich Gedanken darüber macht, wie Abweichungen von der philosophisch richtigen Lehre verhindert oder, wenn sie schon nicht verhindert, so dann doch am Lautwerden gehindert werden können?

Wie war das nochmal mit der einzigen nicht vergebbaren Sünde, der "Lästerung gegen den Heiligen Geist"? Was anderes ist der Heilige Geist denn als der Common Sense, die ideologische (im Sinne Platons: philosophisch richtige) Linie? Und was ist Lästerung anderes als das Infragestellen, die Abweichung von dieser ideologischen Linie? Wie wurde gleich nochmal mit Ketzern umgegangen, mit Häretikern? Ließ man die frei durch die Lande ziehen und ihre ketzerischen Ideen verbreiten, oder sperrte man die etwa ein - im für sie noch günstigeren Fall - bis sie widerriefen?

Ich meine: Platon ist 2400 Jahre her. Sollte die Zeit nicht ausgereicht haben, mal ein paar Spiegel zu besorgen, um das eigene Auge mit dem darin steckenden Balken in's Auge nehmen zu können?

jack-black antworten
Jack-Black
(@jack-black)
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Ich hab mir jetzt den Vortrag  in voller Länge angehört und muss sagen: Schlimmer, als eh schon befürchtet. Da wird so sehr verkürzt, dass es am Ende glatt unsinnig wird. Wie ja überhaupt das ganze Unterfangen, die Lebensleistung eines bedeutenden Philosophen für ein Laienpublikum in einer Stunde zusammenzufassen, per se schon was Unsinniges hat. Er hätte mal die gesamte Stunde darauf verwenden sollen, den Leuten das Falsifikationsprinzip - für das Popper zu recht berühmt wurde - so zu erklären, dass sie's am Ende auch verstanden haben: in welchem Zusammenhang ist es überhaupt anzuwenden, und wo kann man es dann auch wieder nicht anwenden? Das hätte gereicht. Aber dann, wenn die Leute verstanden hätten, was das Neue an dieser Denkfigur war, hätten sie später, als Ziegler sich dann reichlich wirr am Beispiel der Doppelverblindung von Medikamentenstudien darüber auslässt, dass Popper irgendwie in der Wissenschaft auch heute noch nicht angewendet würde, auch rasch bemerkt, dass der gute Herr Ziegler da entweder den Faden verloren hat oder aber nie überhaupt den Faden so recht sicher in der Hand hielt: wenn ein neues Medikament entwickelt werden soll, geht's nicht um "Wahrheit", sondern darum, in möglichst kurzer Zeit den Leuten, die sich mit der neuen Seuche angesteckt haben, eine Überlebenschance zu verschaffen. Sowohl das Induktions- wie auch das Deduktionsprinzip haben ihre jeweiligen Anwendungsfelder und die Vorstellung, dass Popper etwas gegen Doppelblindstudien einzuwenden hätte, weil in denen nicht rein induktiv vorgegangen wird, ist schlicht lächerlich.

Und wenn dann in einem Halbsatz gegen Ende hingenuschelt wird, dass man Popper u.a. Schwächen in seiner Hermeneutik vorgeworfen hätte... Nun ja... Dann kann ich irgendwie sogar nachvollziehen, dass jemand, der Platon nur aus diesem Vortrag kennt, zu solchen Ideen kommen kann, wie sie Dich anscheinend umtreiben.

Wenn man sich mit Platon beschäftigt, dann ist eine saubere Hermeneutik im Sinne eins vernünftigen hermeneutischen Ansatzes das A und O. Man kann natürlich ahistorisch so tun, als hätte Platon schon all das wissen können, was in gut zweitausend Jahren nach ihm alles so passierte. Und mann kann auch Begriffe wie "Konzentrationslager" völlig aus ihrer begriffsgeschichtlichen Verankerung reissen und sie auf die Ideen eines Platon draufpflanzen - aber was kann da dann für ein Erkenntnisgewinn dabei herauskommen?

Ich vermute übrigens, dass ihm hermeneutische Mängel nicht nur hinsichtlich seiner Platon-Rezeption vorgeworfen wurden, sondern auch hinsichtlich seiner Hegel- oder Marx-Rezeption (ebenfalls in einem Nebensatz nur kam ja die Erwähnung der Frankfurter Schule vor). Zumindest, was da so aus den wenigen schwurbeligen Bemerkungen Zieglers zur klassenfreien Gesellschaft heraus zu hören war, lässt den Verdacht aufkommen. Entweder hatte Popper Marx nur auszugsweise rezepiert und insbesondere sich nicht ausführlich mit dessen Hauptwerk, dem "Kapital", auseinandergesetzt - was mich nicht verwundern würde, da es ja "nur" aus ökonomischen Analysen besteht - und deswegen nicht wirklich verstanden, was Marx mit der "klassenlosen Gesellschaft" meinte, auf die der ständige Klassenkampf als Endzustand hinführen werde. Oder er verwechselte tatsächlich den "real existierenden Sozialismus", also Stalinismus, Maoismus & Co mit dem, was Marx sich unter einer klassenlosen Gesellschaft vorstellte. Oder aber Ziegler macht sich bei der Darstellung von Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" einen schlanken Fuß, weil die Darstellung der Philosophie Hegels und Poppers Hegelkritik, die dann ihrerseits wieder kritisiert wurde, vermutlich sein Publikum überfordern und selbstverständlich den Zeitrahmen sprengen würden. Auf Poppers Marx-Rezeption und die Kritik daran zumindest wird in dem Wikiartikel zum Buch kaum eingegangen.

Ich habe das Buch nicht gelesen, vermag also nicht zu beurteilen, inwieweit Poppers hermeneutischer Ansatz bei der Kritik solcher Größen wie Platon, Hegel und Marx überzeugend war. Die Grundkritik am teleologischen Historizismus, also an allen Ideen, die zu wissen meinen, wohin sich die Welt entwickeln muss, teile ich übrigens (by the way: die christliche Religion ist genau so eine Idee) und konnte eh noch nie was mit Hegels "Weltgeist" anfangen. Marx - da, wo er gut und wichtig/richtig denkt zumindest... 😉 war aber eher ein Analyst ökonomischer Zusammenhänge und was er über die Widersprüche des kapitalistischen Systems zusammentrug, war keine Teleologie, sondern eine strukturierende Bestandsaufnahme. Dazu hier mal der Link zu einer der "Sternstunde Philosophie"-Folgen, die der Schweizer Rundfunk produziert hat. Auch ungefähr eine Stunde lang, auch für Laien konzipiert - aber deutlich besser als die Vorträge von Herrn Ziegler. Allein schon wegen des Dialog-Formats. Mich nerven ja manchmal die Fragen der das Interview führenden Frau Bleisch und mich nerven auch die Zugeständnisse an das Unterhaltunsbedürfnis (wenn irgendwelche Gymnasiasten-Meinungen noch mit eingespielt werden müssen...) des Zielpublikums, aber andererseits macht die Dame doch aus didaktischer Sicht einen guten Job: sie stellt die meist etwas zu dummen Fragen, damit wir, die Zuschauer, sie nicht stellen brauchen... 😀  Wie auch immer: in der verlinkten Sendung erläutert Herr Hennig ganz gut, warum Marx heute immer noch aktuell ist und warum man ihn nicht einfach aufgrund der stalinistischen Mißverständnisse seines Denkens, also aufgrund des Mißerfolg des "real existierenden Sozalismus" im 20. Jahrhundert als "erledigt" beiseite tun kann.

Nochmal zurück zu Platon. Dessen Utopie eines idealen Staates kommt uns Heutigen, wenn wir ihren Entstehungshintergrund ignorieren, selbstverständlich verdächtig vor. Wir haben Platon zweitausend Jahre politikphilosophischen Diskurs voraus. Uns fällt sofort was Besseres ein, wenn wir darüber nachdenken, wie sich vermeiden ließe, dass inkompetente Arschlöcher die Macht inne haben, nur, weil sie die Kinder ihrer die Macht innehabenden Väter sind.

Wir wissen inzwischen, dass Meinungsdiktaturen langfristig eher einen Wettbewerbsnachteil haben gegenüber Gesellschaften, in denen der freie Wettstreit der Ideen gewünscht und gefördert wird. Aber wir leben auch nicht in einer Welt, die bislang erst eine einzige zumindest ansatzweise demokratische Gesellschaft hervorgebracht hat, die im Konflikt mit nicht-demokratischen Gesellschaften (wie Sparta), in denen straffe Hierarchien Abweichlertum verunmöglichen, das Nachsehen zu haben droht. Wir leben nicht in einer Welt, deren Politik von mythologischen Narrativen wie z.B. der Illias bestimmt wird: Troja fällt erst, als es von innen angegriffen wird: die Griechen, die sich im odysseischen Pferd versteckt mitten in die eingeschworene Stadtgesellschaft schmuggeln ließen - die sorgten für den Niedergang der mächtigen Stadt. Solche Narrative, aber auch solche machtpolitischen Realitäten wie der Peleponnesische Krieg bestimmten damals den Diskurs.

Vor dem Hintergrund war Platon nun wirklich ein philosophischer Fortschritt. Er versuchte, mythologischen Götterkrimskrams aus dem Denken beseite zu räumen, hielt all die mythologischen Geschichten für ausgedacht (und also für Lügen - dass sie "tiefer liegende" Wahrheiten enthalten könnten, darauf kam er noch nicht, weil der C.G.Jung noch nicht persönlich kennengelernt hatte... 😉 ), sah, mit welchen unlauteren Mitteln die Machfragen häufig entschieden wurden und versuchte also, ein politisch vernünftiges System zu entwerfen. Nein, er war kein Humanist (auch dafür kam er diverse Jahrhunderte zu früh) und das Prosperieren seines Stadt-Staats war ihm wichtiger als die Menschenrechts-Deklaration der Vereinten Nationen. Seine Frage war zuerst mal: wie kann ein Staat gut funktionieren? Unter der Voraussetzung, dass kluge Leute bessere Führer seien als dumme Leute, unter der Voraussetzung, dass Leute, die vor allem das Wohl des Staates im Auge haben, besser regieren als solche, die ihr eigenes Wohl oder das ihrer Familien und Freuende priorisieren - wie ließe sich da ein Staat organisieren? Wie kriegt man die "richtigen" Leute in Regierungsverantwortung? Wie verhindert man Nepotismus? Wie bildet man die Herrscherklasse aus, wie bildet man die Wächterklasse (also die Ordnungskräfte: Militär, Polizei, Justizwesen...) aus, damit sie ihre Arbeit für's Allgemeinwohl am besten machen?

Ja klar: Platon schwebte da eine Eliten-Herrschaft vor. Aber eine, bei der die Klassengrenzen durchlässig sein sollten: besonders philosophisch begabte (d.h.: kluge) Leute aus der unteren Schicht sollten aufsteigen können und umgekehrt sollten Angehörige der oberen Schichten bei Versagen zur Rechenschaft gezogen werden können (das war für Adelige späterer Gesellschaften keineswegs selbstverständlich).

Man vergleiche diese Ideen mit den damals herrschenden Zuständen: wie wurde denn bis dahin gewährleistet, dass die Geschicke von Gesellschaften durch die richtigen Leute gelenkt wurden? Dass vor allem Vernunft-Kompetenz ein Kriterium sein solle für Führungsämter, dass politische Führer auf ihre Aufgaben hin ausgebildet und ausgesiebt werden sollten - solche Ideen muss man vergleichen mit dem damaligen status quo, nach welchem Reiche und Mächtige (beides kann so ziemlich als Synonym verstanden werden) dafür sorgten, dass ihre Kinder die wichtigen Ämter bekamen und im Zweifel halt Konkurrenten mit Gewalt aus dem Weg geräumt wurden.

Ja: man kann tatsächlich die geistigen Wurzeln totalitärer Herrschaftskonzepte schon bei Platon finden. Aber man kann dies Platon nicht ernsthaft zum Vorwurf machen nach dem Motto, er hätte seine Ideen nicht gründlich genug bis zum Ende weiter gedacht. Weder hatte er die totalitären Erscheinungsformen christlich-klerikaler Herrschaft in Phasen des Mittelalters vor Augen (denn bitteschön: was wäre das Christentum ohne die platonische Ideenlehre geworden?), noch den Tugendterror des nachrevolutionären Frankreichs und schon erst recht nicht den Stalinismus, der sich krude auf irgendeinen dialektisch historischen Materialismus berief (teleologischer Historizismus nach popper'scher Terminologie).

Man darf dem ersten Steinzeitmenschen, der sich damit beschäftigte, wie man per Reibung von unterschiedlich harten Holzsorten Feuer machen könne, nicht die Napalm-Bomben vorwerfen, mit denen Kinder in Vietnam ermordet wurden.

jack-black antworten
Jack-Black
(@jack-black)
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Nur noch als Disclaimer: ich halte die platonische Ideenlehre nicht für überzeugend und mir ist der "kritische Rationalismus" im Grunde deutlich näher. Nur, falls jemand auf die Idee kommen sollte, ich sei ein Platon-Fanboy, der zu kreischen anfängt, wenn sein Idol kritisiert wird.

Das beste an Platon war sein Lehrer (Sokrates). 😎 😍 😎 

jack-black antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
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@goodfruit 

Mit grausigem Schauer steht man vor den unsäglichen Worten Platons.

Mit einem ähnlich grausigem Schaudern, wenn man liest, was der Gott der Bibel jenen Leuten zugedacht hat, welche es wagen gegen Regeln und Gesetze zu verstoßen.

Denn ganz ähnlich dürfte das hier zu verstehen sein. Ich denke nicht, dass Platon da an Konzentrationslager für Abweichler oder dergleichen gedacht hat, sondern vermutlich der Ansicht war, dass die Aussicht auf Bestrafung und Belehrung die Menschen dazu bringen sollte, sich in ihre vorgesehene Rolle zu fügen und sich entsprechend Mühe zu geben.

Es ist eben alles aus der Perspektive der Zeit zu sehen, und da waren manche Vorstellungen darüber, wie man uneinsichtige Menschen dazu bringen könnte, das Richtige zu tun, oft noch etwas drastischer als heute.

Deshalb ergibt es mehr Sinn, sich auf die Aussagen zu konzentrieren, was denn damals für "das Richtige" gehalten wurde als darauf zu schauen, wie man mit Abweichlern zu verfahren gedachte...

lucan-7 antworten
Chai
 Chai
(@chai)
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Veröffentlicht von: @lucan-

Es ist eben alles aus der Perspektive der Zeit zu sehen, ...

Genau. 

chai antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
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@lucan-7 Mit einem ähnlich grausigem Schaudern, wenn man liest, was der Gott der Bibel jenen Leuten zugedacht hat, welche es wagen gegen Regeln und Gesetze zu verstoßen.

Nun, da stammen die Gesetze zumindest von Gott und nicht von einem Philosophen, dem offenbar die Bodenhaftung abhanden gekommen ist. Sie haben außerdem den Vorteil, dass dieser Gott für Wahrheit und Gerechtigkeit steht und nicht empfiehlt, das Volk mit Fabeln und Lügen für dumm zu verkaufen.

Denn ganz ähnlich dürfte das hier zu verstehen sein. Ich denke nicht, dass Platon da an Konzentrationslager für Abweichler oder dergleichen gedacht hat, sondern vermutlich der Ansicht war, dass die Aussicht auf Bestrafung und Belehrung die Menschen dazu bringen sollte, sich in ihre vorgesehene Rolle zu fügen und sich entsprechend Mühe zu geben.

Platon fabuliert hier eine Philosophenkaste mit absoluter Macht herbei - und deren Kreise sollte niemand stören dürfen. Weshalb so etwas immer hochgradig kontraproduktiv ist, hat uns Popper mit seiner Arbeit sehr schön gezeigt. Denn nichts ist absolut und jede Wahrheit ist das immer nur auf Zeit. Wo ich die Offenheit für neues aufgebe (und das tut Platon), schaffe ich auf Doktrinen gestützte, dysfunktionale Monster - wie wir das in der katholischen Kirche des Mittelalters hatten. Jedes totalitäre System ist mit diesem Malus belastet.

Es ist eben alles aus der Perspektive der Zeit zu sehen, und da waren manche Vorstellungen darüber, wie man uneinsichtige Menschen dazu bringen könnte, das Richtige zu tun, oft noch etwas drastischer als heute.

Ich bin mir bewusst, dass ein Urteil über Platon hier revisionistisch wäre, was kein guter Stil ist. Andererseits muss ich bei der Betrachtung von philosophischen Zusammenhängen natürlich aktuellere Erkenntnisse mit berücksichtigen. Und die zeigen nun einmal, dass uneinsichtige Menschen nicht ein Problem des Systems, sondern der Motor für Fortschritt sind. Nur wer hinterfragt und es wagt alternative Hypothesen zu formulieren, kann Lüge überführen und zu gesellschaftlichem Fortschritt beitragen.

Nicht der Widerspruch sollte den Tod bringen, denn der unterdrückte Widerspruch selber ist bereits der Tod des Systems.

goodfruit antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24089

@goodfruit 

Nun, da stammen die Gesetze zumindest von Gott und nicht von einem Philosophen, dem offenbar die Bodenhaftung abhanden gekommen ist. Sie haben außerdem den Vorteil, dass dieser Gott für Wahrheit und Gerechtigkeit steht und nicht empfiehlt, das Volk mit Fabeln und Lügen für dumm zu verkaufen.

Ja, mit Gott mordet es sich doch gleich viel besser... das hat über tausend Jahre die christliche Kirche so praktiziert, und das wissen die Islamisten auch heute noch zu schätzen.

 

Platon fabuliert hier eine Philosophenkaste mit absoluter Macht herbei - und deren Kreise sollte niemand stören dürfen. Weshalb so etwas immer hochgradig kontraproduktiv ist, hat uns Popper mit seiner Arbeit sehr schön gezeigt.

Platon propagiert ein Ideal, und sofern diese Philosophenkaste tatsächlich zu ihrer Aufgabe befähigt wäre, stünde eigentlich nicht viel gegen seine Argumentation... es sei denn die leidige Realität, aufgrund derer wir wissen, dass es eine solche Philosophenkaste nicht geben wird.

Nur widerlegt das seine Argumentation als solche nicht, denn ein Ideal und seine Verwirklichung sind zwei verschiedene Dinge. Und Platon ist hinsichtlich des Ideals zu betrachten - nicht der Realität.

lucan-7 antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@lucan-7 Platon propagiert ein Ideal, und sofern diese Philosophenkaste tatsächlich zu ihrer Aufgabe befähigt wäre, stünde eigentlich nicht viel gegen seine Argumentation... es sei denn die leidige Realität, aufgrund derer wir wissen, dass es eine solche Philosophenkaste nicht geben wird.

Nun, wenn schon ihr oberster bereit ist, die Schönheit und Reinheit aus politischen Gründen mit Lüge zu besudeln, habe ich für so ein System nicht besonders viel Hoffnung. Es mögen dort Intelligenzbestien sein - aber was, wenn sie soziale und emotionale Intelligenz über die Fähigkeit, logisch zu denken, ganz verlieren? Möchtest Du von so eine Zombieclique regiert werden? Das ist einfach nur Horror, was Platon sich da als Hirngespinst in die Welt gesetzt hat.

Und Platon ist hinsichtlich des Ideals zu betrachten - nicht der Realität.

Damit hast Du ein zentrales Problem aller Ideologien benannt: In der Realität haben sie oft erschreckend wenig Relevanz und Funktionalität. Es sind halt nur Hirngespinste, die in sich stringent sein mögen, aber das Leben nicht abbilden oder erfassen können. Das ist so, als würde man Physiker auf das Erklären und Prognostizieren biologischer Zusammenhänge loslässt. Das wird bestenfalls lustig aber garantiert nie brauchbar.

goodfruit antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@goodfruit Nun, da stammen die Gesetze zumindest von Gott und nicht von einem Philosophen, dem offenbar die Bodenhaftung abhanden gekommen ist.

Nun stell Dir mal kurz vor, man hätte sich ein paar Hundert Jahre nach Platon dessen Buch vorgenommen und seinen Empfehlungen gemäß raffnierte Lügen über einen Gott und dessen angeblichen Sohn Jesus in die Welt gesetzt. Würdest Du dann anders reden oder nicht doch exakt genau so?

jack-black antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@jack-black Da es ja den Heiligen Geist gibt, der uns in die Wahrheit einführen kann, sehe ich da kein Problem. Wahrheit ist Wahrheit und Lüge ist Lüge. Gott lügt nicht - die Elitephilosophen offenbar schon, wenn es ihrem Machterhalt dient. Da ist ein Unterschied.

goodfruit antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@goodfruit Da es ja den Heiligen Geist gibt, der uns in die Wahrheit einführen kann (...)

Nun wende mal Karl Poppers Falsifikationsprinzip auf diese Aussage an. 😀

jack-black antworten


Goldapfel
Beiträge : 185

@goodfruit 

Frohe Weihnachten dir!

Irgendwie bei deinem Thread hängengeblieben und etwas überflogen. Ich gebe zu, dass meine Energie zZt nicht reicht, ausführlicher längere Beiträge zum Thema Philosophie (das ich schon relativ lange für mich persönlich als eher unwichtig abgehakt habe) zu lesen.

Trotzdem ist für mich der Begriff „Das Gute, Wahre und Schöne“ hängengeblieben. Und ich bekam das Grauen. 

Das Gute, Wahre und Schöne gibt es nicht losgelöst von Gott. Weil Gott allein gut ist und wahrhaftig und schön. 

Wichtiger und erstrebenswerter als alles andere ist die Liebe (1. Kor 13). Sie sollte Motor und Antrieb für alles sein. Gutes und Wahres und Schönes sollte sich dann daraus ergeben.

Schwäche und Unzulänglichkeit der Philosophenkaste. Wären diese wirklich so überaus gut, bräuchten sie Kritik oder andere Ansichten nicht zu fürchten und könnten sich locker einer offenen Diskussion stellen.

Da stimme ich dir nur begrenzt zu, denn du setzt voraus, dass alle gut seien und losgelöst von sich selbst für alle immer das Beste wollen. Die Erklärenden sind es in deinem Fall schon mal nicht. Aber was, wenn nur ein Teil der Zuhörenden nicht so gut ist? Und sie andere aufwiegeln?  

Jesus war ein wahrhaft guter Mensch. Er wurde angefeindet und schließlich gekreuzigt.

Am Ende bleibt für mich, dass wir in einer gefallenen Welt leben. Und Gottes Wort spricht klar darüber. Und es bleibt, dass Gottes Reich nicht von dieser Welt ist. Und auf wen oder was ich mein Vertrauen und meine Hoffnung setze. Auf ein System, ein Ideal, Regierungen oder auf Gott.

Ich denke, wir sollten uns mit der gefallenen Welt abfinden und nicht Leistungen von anderen erwarten, die sie möglicherweise nicht erbringen können. Menschen und auch wiedergeborene Menschen, also Christen, können enttäuschen. Ich meine, ich hätte mal bei Gordon McDonald was dazu gelesen. Etwas ernüchternd, aber es macht den Weg frei. Denn ich werde weniger enttäuscht und ich überfordere den anderen auch nicht.

Der, dem ich vertrauen will, ist Gott allein. Ein Staat, Könige oder Eliten sind vergänglich und beeinflussbar. 
Gott hingegen bleibt und ändert sich nicht.

Zum Thema Politik und Einflussnahme, Ideologien, Werte, Nudging… könnte ich mich ausführlich äußern, aber das wird vermutlich nicht schön enden😅. Darum lass ich es auch besser und versuche lieber, mehr zu beten.

Ich hoffe, ich bin dir damit nicht zu nahe getreten, aber das ist, was mir so in den Sinn kam.

 

 

 

 

 

ga2 antworten
27 Antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24089

@ga2 

Das Gute, Wahre und Schöne gibt es nicht losgelöst von Gott. Weil Gott allein gut ist und wahrhaftig und schön.

Und wer entscheidet das?

Was, wenn ich Gott gar nicht gut und schön finde?

 

 

lucan-7 antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@lucan-7 Was, wenn ich Gott gar nicht gut und schön finde?

Dann wirf einen Blick auf die Schöpfung. Geht's noch schöner?

goodfruit antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24089

@goodfruit 

Dann wirf einen Blick auf die Schöpfung. Geht's noch schöner?

Da gibt es Schönes wie Hässliches... nach meinem Empfinden.

 

 

lucan-7 antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 6637

@goodfruit Du meinst Überschwemmungen - von denen mindestens ein von Gott direkt implantiert wurde -,  Vulkanausbrüche, Erdbeben, Sternenexplosionen und Asteroiden?

queequeg antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@queequeg Begleite doch den Chris Kaula mal auf einigen seiner Fototouren auf YouTube - dann weißt Du, wovon ich spreche:

https://www.youtube.com/@ChrisKaula

 

goodfruit antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 6637

@goodfruit 

Was soll mir das jetzt sagen?

queequeg antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@queequeg Im Threadverlauf war das eine Antwort auf:

Dann wirf einen Blick auf die Schöpfung. Geht's noch schöner?

...was Du mit einem Hinweis auf Naturkatastrophen beantwortet hast.

Und dann habe ich versucht den Blick auf das Schöne in der Schöpfung lenken wollen.

Chris Kaula ist so ziemlich der beste Naturfotograf, den wir haben. Die Videos zeigen nicht nur Bilder dieser Schönheit, sondern Du erfährst auch noch, wie man sie finden kann, oft etwas zur Biologie - und dann der Fototechnik, um diese Schönheiten in Szene zu setzen. Von daher dachte ich, dass dies eine gute Anleitung für den Blick in die Schönheit der Schöpfung wäre.

goodfruit antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 6637

@goodfruit 

Ich bin mit einem professionellen Fotografen befreundet, der u.a. sehr viele gewerbliche Fotos macht und dabei nebenher auch Fotos von den "schönen Dingen". Ich könne nicht sagen, welcher besser sind. In jeden Fall bekommt er es hin, abgrundtief hässliche Motive (Trümmer. zusammengekrachte Stahlbauten usw.) so schön wirken zu lassen, dass einem warm dabei wird.

Dass, was er da mit seinen Bildern erzählt (jedes Bild hat mindestens eine Geschichte), ist gewiss kein Hinweis auf eine liebevolle Schöpfung. Aber den Blick auf sie so wirken zu lassen, das ist Schöpfung, hat aber mit der Bibel nichts zu tun.

Ganz davon abgesehen widerlegen solche Bilder nicht, dass ein Großteil der "Schöpfung" ganz und  gar nicht "schön" ist

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@queequeg 

Ich hab ja so das Gefühl, dass Eure Diskussion hier, bei Lucans rhethorische Frage

Was, wenn ich Gott gar nicht gut und schön finde?

 

- Fettung von mir -

in eine nicht zum Threadthema nicht ganz (oder vielleicht: gerade?!) passende Richtung abdriftete, als goodfruit sie (absichtlich oder unabsichtlich...?) mißverstehend mit:

Dann wirf einen Blick auf die Schöpfung. Geht's noch schöner?

beantwortete.

Wenn wir nun Platon und das griechische Konzept der Kalokagathia im Hinterkopf behalten haben, stellt sich also die Frage: enstpricht Gott diesem Konzept, insofern als die Welt/Schöpfung - als der einzige den Menschen bekannte Ausdruck Gottes - für die Menschen gleichzeitig als schön (ästhetischer Bereich) und gut (ethischer Bereich) darstellt?

Der von Dir erwähnte Fotograf ist in meinen Augen ein gutes Belegbeispiel dafür, dass das griechische Kalokagathie-Konzept sehr problematisch ist, weil es die Sphären des Ästhetischen und des ethischen vermengt, die besser auseinander gehalten werden sollten. Es gelingt ihm, auch "ethisch Schlechtes", also Zustände, die eigentlich Leid bedeuten, ästhetisch ansprechend (angenehm) zu arrangieren in seinen Bildern.

Einschub

Du schreibst:

In jeden Fall bekommt er es hin, abgrundtief hässliche Motive (Trümmer. zusammengekrachte Stahlbauten usw.) so schön wirken zu lassen, dass einem warm dabei wird.

Nun kenne ich diese Bilder freilich nicht, würde aber mal vermuten, dass einem nicht direkt "warm dabei" wird, aber man eben beeindruckt, gepackt, vielleicht überwältigt ist von dem Eindruck, der sich einem beim Betrachten dieser Bilder einstellt: Sie sind ästhetisch schön. Ähnliche Eindrücke hatten auch schon Generationen vor uns beim Betrachten mancher "Naturschauspiele" oder Kunstwerke, die eigentlich Schreckliches darstellten, weswegen sich z.B. gerade in der Romantik eine Diskussion über das "Erhabene" in der Natur/Kunst entwickelte. Insbesondere die Bilder William Turners drehten sich um diesen scheinbaren Widerspruch: er malte das brennende Parlament in London, oder eine Lawine, welche ein Haus unter sich verquetscht, er ließ sich am Schiffsmast festbinden, um einen gefährlichen Sturm sozusagen besser "studieren" zu können und diese Eindrücke später in allen möglichen "echten" oder mytholgischen Katastrophendarstellungen (Sintflut etc.) verarbeiten zu können.

Einschub Ende.

 

 

Insbesondere geht das Kalokagathie-Konzept davon aus, dass Schönheit per se etwas ausdrückt/bedeutet. Das beruht auf dem Trugschluß, dass, weil uns Menschen sowohl das Schöne als auch eine ethisch gute Handlung angenehm sind, das Wahrnehmen von etwas Schönem und das Wahrnehmen einer guten Handlung sozusagen dasselbe seien.

Von solchen Analogie-Schlüssen ist das griechische Denken durchzogen wie Cambozola von Schimmelkulturen. Man findet sie in praktisch sämtlichen sokratischen Dialogen, und sie haben sich halt bis heute tradiert in solchen zu Formeln geronnenen Gedanken wie "gut und schön" (die Formel, die Lucan oben wählte), aber auch im gesamten "Erzählraum": Prinzen und Prinzessinen, Helden und Heldinnen sind schön, die Bösewichte sind häßlich.

Dabei weiß man freilich als Erwachsener, dass "der Schein" (also die ästhetische Wirkung" häufig trügt, hinter der schönen Fassade  (ästhetische Wirkung) das Böse lauern kann: dass also unsere angeborene Neigung, im Schönen auch das Gute zu vermuten, eine Neigung ist, der man nicht vorschnell nachgeben sollte.

Denn Schönheit hat keine ethische Bedeutung per se. Wir evolvierten allerdings in einer Umgebung, in welcher bestimmte ästhetische Phänomene reflexhaft ethisch einordnen zu können einen Selektionsvorteil bedeutete.

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 6637

@jack-black 

"Schönheit hat keine ethische Bedeutung per se."

Natürlich nicht, nicht per se. Aber man kann ja irgend etwas, was eine solche Eigenschaft für sich genommen überhaupt nicht hat,

Ich würde darauf wetten, dass nicht wenige Menschen die Benutzung einer uralten Straßenbahn  einer ganz modernen vorziehen würde, wenn es ginge.

Warum? Klar, weil ihr ein Wert beigefügt wurde, "alt ist kostbar".

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@queequeg Da scheint irgend ein Teil dessen, was Du schriebst, verloren gegangen zu sein?

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 6637

Ja, da war ich wohl abgelenkt. Was ich meine, das "Schönheit" für sich genommen, keine moralische Kategorie ist. Ich weiß nicht, was Schönheit per se ist, vermute aber, dass sie reinweg nichts ist.

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@queequeg Ich weiß nicht, was Schönheit per se ist, vermute aber, dass sie reinweg nichts ist.

Du meinst, wir brauchen den Begriff überhaupt nicht? Sind für Dich alle Inhalte der Ästhetik "reinweg nichts" und ist dann die Ästhetik sozusagen ein leeres Themengebiet? Ich frage das ernsthaft, man könnte es ja so betrachten, falls man abstrakten Gegenständen generell Existenz oder zumindest Inhalt abspricht.

Aber mir kommt das zu einfach vor.

Es ließe sich Schönheit ja wenigstens definieren, beispielsweise als wahrgenommene* Eigenschaft eines beliebigen konkreten Gegenstands, dessen Form von Menschen regelmäßig/üblicherweise als angenehm empfunden wird, ohne dass diese Form irgendeinen weiteren Nutzen für den Menschen hätte.

 

* Unabhängig von einer (subjektiven) Perspektive existiert Schönheit selbstverständlich nicht, aber das hat sie ja mit allen abstrakten Gegenständen gemeinsam.

jack-black antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 6637

@jack-black 

"Unabhängig von einer (subjektiven) Perspektive existiert Schönheit selbstverständlich nicht"

Das ist genau der Punkt.

queequeg antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@queequeg Das ist genau der Punkt.

Nun gut. Aber unabhängig von subjektiven Perspektiven existieren auch ethische Gegenstände nicht.

jack-black antworten
Tatokala
(@tatokala)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 3191

@queequeg Es gibt aber auch keine Welt, in der es keine subjektiven Perspektiven gibt. Unbelebte Planeten natürlich ausgenommen, aber die würde ich nicht als "Welt" definieren.

tatokala antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 6637

@tatokala 

Was soll das für eine Welt sein, z.B. auf Alpha-Centauri, die ziemlich unbewohnt ist, aber durchaus subjektive Perspektiven zugänglich.

queequeg antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@queequeg

Ein Fotograf kann durch geschickte Wahl von Perspektive, Ausschnitt und Licht Ästhetik schaffen. Das tut sicher auch ein Naturfotograf. Allerdings gibt es dort den Anspruch, die vorhandene Schönheit der Schöpfung zu dokumentieren, herauszuarbeiten und nicht unbedingt etwas Kaputtes in ein harmonisches Stillleben zu verwandeln.

Die Fotos wie die Fotografie sind Hilfen, um das Sehen zu lernen, den Blick auf die Ästhetik der Schöpfung zu erkennen. Für mich als Hobbyfotograf ist das der Kern der Fotografie, der für mich noch über dem Ergebnis, dem Foto, steht.

Aber wenn ich als Biologe die Schöpfung betrachte, dann sehe ich da noch mehr von der Schönheit der Schöpfung als nur den äußeren Schein. Du kannst da in eine Welt von Struktur, Funktion und Prozess schauen - und das vor dem Hintergrund einer Einzigartigkeit jedes Individuums. Das ist grundlegend etwas anderes als menschengemachte Geschöpflichkeit. Gottes Geschöpfe sind nicht perfekt - aber sie sind genial, was noch einmal deutlich besser als perfekt ist. Denn das Perfekte kann sein Optimum im Laufe des Lebens verlieren. Das Geniale hat die Fähigkeit, Schäden zu kompensieren und Wege zu finden, trotz Defiziten das Leben zu meistern. Dazu gehört natürlich auch die Kooperation von Organismen, die hier altruistisch helfen können.

Der "Struggle of life" liefert einen Sieger, der nicht zwangsläufig der Stärkste sein muss, sondern den, mit dem erfolgreichsten Lebenskonzept. Und das kann im Rahmen eines sozialen Kontextes andere Sieger liefern als solche, an die Platon vielleicht denken würde.

Diese Schönheit ist weit mehr als nur Ästhetik. Sie ist in der Genialität des Schöpfers beheimatet und schließt die Individualität der Geschöpfe mit ihrer Orchestrierung zu einem genialen Ganzen mit ein.

Dies steht in krassem Widerspruch zu totalitären Konzepten, die auf Perfektion, Gleichmacherei und dem Diktat einer Elite gegründet sind. Auch dies hat seine Ästhetik, wie man in den Werken von Leni Riefenstahl sehen kann. Aber es ist dies die Ästhetik toter Strukturen. Wäre es eine lebendige Struktur, so würde der Fotograf zumindest im goldenen Schnitt den bunten Abweichler finden, der den Hinweis auf das Leben und die Genialität des Ganzen gibt.

 

goodfruit antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@ga2 Hallo Goldapfel,

Danke für Deinen Beitrag!

Ich stimme Dir voll zu, dass wir das Gute, Wahre und Schöne nur bei Gott finden. Wir können das aber auch in seiner Schöpfung erkennen - ebenso wie in seinem Wort.

Es mag das Philosophieren eine intellektuelle Spielerei sein. Ich finde es zumindest interessant und ich habe bei diesen kleinen Vorträgen des Herrn Dr. Ziegler schon viele Erkenntnisse bekommen, die mir geholfen haben, aktuelle Diskussionen zu verstehen und politische Zusammenhänge mehr von der Wurzel her zu erkennen.

Der Philosoph, um den es hier eigentlich geht, Karl Popper, ist für mich als Naturwissenschaftler von fundamentaler Bedeutung. Und der Ansatz, die Welt offen zu denken, ist für die naturwissenschaftliche Betrachtung absolut wichtig weil allein richtig. Seine Übertragung dieser Erkenntnisse auf gesellschaftliche Erkenntnisse, sind wichtige Grundlage und Argumente für eine Demokratie. In seinem Kontext erscheint die Demokratie alternativlos - quasi naturwissenschaftlich begründet.

Und das ist grade in heutiger Zeit, wo Demokratien überall auf der Welt sich in Krisen befinden, eine Botschaft, die gehört werden sollte.

goodfruit antworten
Goldapfel
(@ga2)
Beigetreten : Vor 1 Monat

Beiträge : 185

@goodfruit 

In Sachen Demokratie bin ich mir inzwischen leider nicht mehr so sicher, dass die grundsätzlich funktioniert.

Wenn eine intolerante Minderheit eine Demokratie zu Fall bringen kann?

Wenn eine Demokratie Meinungen und Denkweisen aushalten muss, die der Gesellschaft schaden können, wie kann das zusammen gehen, wenn die Meinungsäußerer hartnäckig und laut genug sind? 

Wenn sich Gesellschaft in ein oben und unten zu trennen scheint, oben meint, die alleinige oder beste Erkenntnis zu haben, die sich auf Theorien und Ideologien stützt und unten der Ansicht ist, dass die Praxis für viele ganz anders aussieht und sich nicht gesehen und gehört vorkommt? 

Wenn es keinen echten Diskurs zwischen oben und unten mehr zu geben scheint?

Weil oben die Bedürfnisse und das Erleben der anderen von unten als bedeutungslos, schädlich oder einfach irrelevant abtut? Oder nur das bei unten ankommt?

Andererseits erlebt man aber, dass oben Minderheiten, deren Interessen den Ideologien von oben näher stehen, bevorzugt.

Liegt es vielleicht einfach in der Natur der Sache oder in diesem Fall des Menschen, dass auch Demokratien scheitern (müssen)?Eben weil Menschen nicht grundsätzlich gut sind oder dem demokratisch Gedanken verpflichtet? Oder auch weil um die Demokratie herum nicht immer Gesellschaften sind, die Demokratie feiern und sich dadurch bedroht sehen? Niemand existiert im luftleeren Raum. 

 

 

ga2 antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@ga2 In Sachen Demokratie bin ich mir inzwischen leider nicht mehr so sicher, dass die grundsätzlich funktioniert.

Wenn eine intolerante Minderheit eine Demokratie zu Fall bringen kann?

Nun, die Demokratie kann angegriffen werden wie jede andere Staatsform auch. Bei Angriffen denken wir meist an Armeen und Soldaten. Das gibt es heute sicher auch noch und es ist etwas, wo man sich auf den Schutz des Landes und seiner Verfassung vorbereiten muss. Die deutlich größere Gefahr geht aber von innen aus. Ich denke da an Trolle, die als Armeen formiert die öffentliche Meinung beeinflussen. Ich denke an intolerante Menschen, die sich über andere Meinungen erheben und sich dann nicht mehr um inhaltliche Aspekte kümmern, sondern die Vertreter dieser Meinungen nur noch Etiketten versehen und gemäß der Etiketten draufhauen.

Das ist immer noch eine Gefahr, aber wir haben das jetzt erlebt und wir wissen, dass wie wir auf solche Reaktionen reagieren können. Das kann dann so weit gehen, dass Menschen wie Trump an die Regierung kommen, was ich nicht für eine Panne der Demokratie halte, sondern für ein notwendiges Korrektiv, dass gegriffen hat, weil die Prinzipien des pluralen und offenen Austausches entsprechend meiner Ausführungen im Absatz zuvor verletzt wurden und das System des gut austarierten öffentlichen Diskurses aus dem Gleichgewicht geriet, die offene Gesellschaft sich in unguter Weise geschlossen hatte.

Sicher würde hier etwas Ähnliches wie in den USA passieren, wenn es nicht gelingt, die Gesellschaft zu öffnen. Eine Frau Bundeskanzlerin Weidel ist nicht unmöglich. Und Elon Musk empfiehlt sie ja sogar. Würde ich vielleicht auch tun, wenn sie nicht in einer Partei wäre, die die einen oder anderen ultrarechten Vertreter dabei hat. Ich würde eine Frau Bundeskanzlerin Weidel nicht als das Ende der Demokratie betrachten. Die AfD ist im großen Vorteil, zu dauerhafter Opposition verurteilt zu sein. Da kann man nichts falsch machen und so sind es denn ausschließlich die anderen Parteien, die den Zorn der Bürger auf sich ziehen. Obwohl sicher nicht besser, steht die AfD denn so besser da. Das Prinzip der offenen Gesellschaft wurde verletzt und nun dürfen, die, die es verletzt haben, die Sache selber ausbaden.

Aber es gibt ja verschiedene Mitspieler in der Demokratie. Die Presse gehört dazu - und wenn Du aktuell in den Online Medien etwas über die AfD suchst, wirst Du lange suchen müssen. Für mich sieht es so aus, als würde da ein Regulativ greifen - von dem ich mir nicht sicher bin, ob es denn nun der Demokratie dient oder nicht.

Weil oben die Bedürfnisse und das Erleben der anderen von unten als bedeutungslos, schädlich oder einfach irrelevant abtut? Oder nur das bei unten ankommt?

Ich sehe hier in erster Linie ein Versagen der Parteien, die von ihrer Herkunft her für die Arbeiter und sozial schwachen da sein sollte. Ich verstehe nicht, wie so etwas passieren kann. So schnell ist die Roth-Händle gegen eine Havanna ausgetauscht. Statt dienlicher Politik versteift man sich auf Ideologie, die nichts bringt - zumal immer deutlicher wird, dass sie nichts bringen kann, weil sie auf Unfug baut.

Es gibt ja einige neue Parteien in der Parteienlandschaft. Eine starke Partei mit christlich-sozialer Prägung hat sich leider noch nicht durchgesetzt - jedenfalls nicht bundesweit. Aber das kann ja noch kommen. Ich habe immer noch Hoffnung für die Demokratie!

goodfruit antworten
Goldapfel
(@ga2)
Beigetreten : Vor 1 Monat

Beiträge : 185

@goodfruit 

Wir sehen einiges ähnlich. Nur, dass ich mir nicht sicher bin, ob oder wie die Demokratie überleben wird oder kann.

Nicht, weil ich Sorge vor einem Trump oder einer Weidel oder auch einem Milei habe, sehe sie ähnlich wie du als Korrektiv.

Meine Sorge rührt daher, (zukünftig) durch einen gesellschaftlichen Umbau, einen Trump oder eine Weidel und/oder deren WählerInnen zu verhindern, bzw. Tendenzen zum „Aufruhr“ im Keim zu ersticken. Die Begründung wäre dann, dass man es ja gut meint und die Demokratie schützen müsse. Ich gehe bei dem Gedanken ja durchaus mit, dass Demokratie etwas schützenwertes ist, halte aber die Umsetzung von sowas für problematisch.

Also im Prinzip würde das geschehen, was die derzeitigen Noch-Regierenden als umgekehrtes Schreckensszenario entwerfen, wenn es zu einem Machtwechsel kommt und die anderen regieren.

Ich sehe leider die Gräben und die Spaltungen auch bei uns in D größer werden. Dazu sehe ich aktuell keinen Politiker und keine Partei dem/der ich es zutrauen würde, das zu überwinden, integer zu sein oder wenigstens zu werden und noch Deutschlands Probleme auf allen Ebenen anzugehen. 

Als Christin muss ich mich auch fragen, inwiefern ich meine Hoffnung auf meine Staatsform bzw. auf meine Regierung, Menschen setze, statt auf Gott.

Bis Corona hätte ich gesagt, es ist zwar nicht alles perfekt, aber es läuft besser als in vielen anderen Ländern.

Inzwischen sehe ich es etwas anders.

Ich denke, jede Partei steht in der Gefahr, die Macht und damit verbundenen Privilegien zu missbrauchen oder zumindest Gefallen daran zu finden. 

ga2 antworten
der_alte
(@der_alte)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 1396

@ga2 am Ende müssen alle menschlichen System scheitern, einfach weil es menschliche System sind und der Urgrund, die Sünde immer noch in der Welt ist. Erst "am Ende der Zeit" wird es die perfekte Gesellschaft geben, aber dann haben sich die Grundbedingungen geändert. 😘 😘 😘 😘

der_alte antworten
Goldapfel
(@ga2)
Beigetreten : Vor 1 Monat

Beiträge : 185

@der_alte 

Darauf wollte ich wohl hinaus.

ga2 antworten
der_alte
(@der_alte)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 1396

@ga2 😘 😘 😘 😘

der_alte antworten
Mariposa22
(@mariposa22)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 795

@der_alte 

am Ende müssen alle menschlichen System scheitern, einfach weil es menschliche System sind und der Urgrund, die Sünde immer noch in der Welt ist. Erst "am Ende der Zeit" wird es die perfekte Gesellschaft geben, aber dann haben sich die Grundbedingungen geändert

"Perfekt" wird es erst, wenn die Menschheit lernt, auf Perfektion zu pfeifen und lernt, anderen deren Nicht-Perfektsein zu vergeben. Darin besteht meiner Meinung nach die Christliche Botschaft.

mariposa22 antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 14 Jahren

Beiträge : 24089

@ga2 

In Sachen Demokratie bin ich mir inzwischen leider nicht mehr so sicher, dass die grundsätzlich funktioniert.

Wenn eine intolerante Minderheit eine Demokratie zu Fall bringen kann?

KEINE Regierungsform kann dauerhaft bestehen, wenn das Volk nicht mitmacht. Das gilt für Demokratien wie Diktaturen und ist eigentlich recht  belanglos...

lucan-7 antworten
Tatokala
Beiträge : 3191
Veröffentlicht von: @jack-black

Es ließe sich Schönheit ja wenigstens definieren, beispielsweise als wahrgenommene* Eigenschaft eines beliebigen konkreten Gegenstands, dessen Form von Menschen regelmäßig/üblicherweise als angenehm empfunden wird, ohne dass diese Form irgendeinen weiteren Nutzen für den Menschen hätte.

Z.B.  Symmetrie als Bestandteil von Schönheit usw.

tatokala antworten
3 Antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3412

@tatokala Z.B. Symmetrie als Bestandteil von Schönheit usw.

 

Dafür gibt es sogar einen biologischen Hintergrund:

https://en-m-wikipedia-org.translate.goog/wiki/Fluctuating_asymmetry?_x_tr_sl=auto&_x_tr_tl=de&_x_tr_hl=de&_x_tr_pto=wapp

Hier die Google Übersetzung für "Fluctuating Asymmetry"

Wenn sich Organismen entwickeln, dann kann es sein, dass sie durch Phasen von extremem Stress gehen - schwere Krankheiten z.B.. In solchen Phasen kann die Symmetrie der Entwicklung leiden. Unsymmetrische Körper (insbesondere natürlich Gesichter) werden oft als nicht so attraktiv wahrgenommen.

goodfruit antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@goodfruit Dafür gibt es sogar einen biologischen Hintergrund

Symmetrie. Richtig.

Wobei allerdings - Stichwort symmetrische Gesichter - perfekte Symmetrie wiederum als nicht ganz so schön empfunden wird (ein Grund für den uncanny valley-Effekt).

 

Meiner Vermutung nach (o Wunder! 😉 ) steht unser ästhetisches Empfinden ohnehin in "biologischen Diensten", d.h. wir betrachten einen Gegenstand (Ding oder Situation) als schön dann, wenn es in irgendeiner Weise dem evolutionären Erfolg dienlich ist, solche Gegenstände zu besitzen, sich in ihrer Nähe zu befinden oder sie herbei zu führen.

Mein Lieblingszitatebruch-Philosoph hat dazu ja mal den - heute vermutlich als politisch inkorrekt und misogyn verstanden zu einem Shitstorm führenden - Satz formuliert: "Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das schöne nennen konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt".

Interessant an dieser Formulierung ist, dass sie einerseits grundsätzlich hinterfragt, inwiefern ästhetische Urteile (schön, häßlich) überhaupt objektiv sein, also rational begründet werden, können, andererseits aber implizite weiterhin behauptet, sie würden vom Intellekt gefällt (hier nur eben vom umnebelten männlichen Intellekt). Man merkt: Schopenhauer als "Vordenker der Psychologie" war hier doch noch in der rational-idealistischen Denkweise seiner Vorgänger gefangen und hatte die biologische Grundstruktur des Menschen noch nicht so richtig als entscheidenden Faktor auf dem Radar, wie es nach Darwin (den er meines Wissens, obwohl sie Zeitgenossen waren, noch nicht rezipierte) immer üblicher wurde bei solchen Fragestellungen.

Ein Indiz darauf, dass unser ästhstisches Urteil biologisch/evolutionär beeinflusst sein könnte, sind die weitverbreiteten Übereinstimmungen darüber, dass und insbesondere welche Natureindrücke als schön empfunden werden. Von der lauen (nicht kalten, aber auch nicht heißen) Luft über die Sonnenaufgänge bis hin zum Vorhandensein von "üppigem Grün" und (Süß-) Gewässern: Kurz: das Idyllische. Evolutionsbiologisch lässt sich leicht erklären, warum wir "milde" Temperaturen bevorzugen und Umgebungen, in denen sich wahrscheinlich leicht pflanzliche und tierische Nahrung finden lässt und wo immer genug Trinkwasser zur Verfügung steht.

Die Indizien ziehen sich bis in noch heute gängige Sprachformeln wie: "schön und hell", "schön und klar" oder, ganz ohne Konjunktion, "schön lebendig".

jack-black antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 4591

@tatokala Symmetrie als Bestandteil von Schönheit usw.

Ja. Eins von diversen Beispielen - allerdings wäre damit Schönheit nicht definiert, denn es werden auch ästhetische Gegenstände als schön empfunden, die gerade nicht symmetrisch sind. Klassiker: der goldene Schnitt.

jack-black antworten


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