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Wie klar und eindeutig sind die Worte des Glaubens?

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Lucan-7
Themenstarter
Beiträge : 21519

Vielleicht eine etwas sperrige Überschrift. Ich hatte zunächst überlegt, sie in "Theologie" einzustellen, aber es geht hier um mehr. Es geht mir um die Begrifflichkeiten, die nicht nur in religösen Texten, sondern auch von Gläubigen immer wieder verwendet werden.

Als Jurist oder als Wissenschaftler ist es von größter Wichtigkeit, dass die Worte, die man benutzt, eindeutig definiert sind, um richtig verstanden zu werden. Im Glauben erscheint mir das jedoch nicht möglich, auch wenn es sicher immer wieder Versuche einer Klärung gibt.

So wie ich es sehe gibt es im Glauben keine eindeutigen Definitionen von "Gott", von "Liebe", "Ewigkeit, "Heiligkeit", "Himmel", "Jenseits", "Leben", "Wunder" und vielem mehr.

Das heisst jetzt nicht, dass diese Begriffe völlig beliebig wären, und natürlich kann man sie weiter eingrenzen, um auszudrücken, was man meint. Und natürlich kann man auch individuell recht konkrete Vorstellungen haben, was genau die Begriffe denn nun bedeuten. Aber in der Kommunikation schwingt immer ein gewisser Anteil an Beliebigkeit mit. Es ist nie ganz klar, ob das Gegenüber die Worte genau so versteht wie man selbst.

Und genau darin liegt der Vorteil. Wenn jemand sagt: "Das wichtigste ist doch, dass Jesus in der Mitte ist!" oder "Es geht um die Liebe!", dann kann man dem als gläubiger Christ immer zustimmen... auch dann, wenn jeder unter "Jesus" oder "Liebe" etwas völlig anderes versteht.

Wie seht ihr das? Was ist euer Eindruck, wenn es um die Bedeutung dieser Begriffe geht?

Und: Wie eindeutig können diese Begriffe im Glauben tatsächlich sein?

Antwort
50 Antworten
Praktiker
Beiträge : 706

@lucan-7 In der Theorie ist alles möglich . Bleibt der Glauben theoretisch wird er auch nicht in der Praxis geprüft aus der man erst erkennen kann , ob es stimmt . 

Ist der Glaube praktisch gibt es 2 Möglichkeiten . Einen Glauben ohne Gott und einen mit .  Etwas hart ausgedrückt . Wenn ich auf Gott höre wird mein Glaube praktisch "mit Gott" . Glaube ich "ohne Führung" ist mein Glaube in den Möglichkeiten eingegrenzt , die mir meine natürliche Umgebung bietet .

Es gibt die Möglichkeit , das Wort auf das Fleisch zu predigen . Das ist die 2. o. g. Variante . 

Gruß

Praktiker

praktiker antworten


holscha
Beiträge : 190

@lucan-7 

So wie ich es sehe gibt es im Glauben keine eindeutigen Definitionen von "Gott", von "Liebe", "Ewigkeit, "Heiligkeit", "Himmel", "Jenseits", "Leben", "Wunder" und vielem mehr.

Gibt es schon - man sollte eben nur ernstnehmen, dass sich (zBsp) der Glaube eines Mitgliedes einer geschlossenen Brüdergemeinde stark vom Glauben eines erzkonservativen Katholiken (der Piuswbruderschaft) unterscheidet - aber dem jeweiligen anderen Mitgliedern der Glaubensgemeinschaften durchaus bekannt sind.

Ob Adventist, Apostole, Freikirchler oder Lutheraner usw. = für die jeweiligen "Glaubensgeschwister" sind die Begriffe (wahrscheinlich) klar und eindeutig

holscha antworten
Lachmöwe
Beiträge : 1527

Wie konkret lässt sich Glaube fassen?

Mir fällt - v.a. bei deinen Nachfragen, Lucan - auf, dass Glaube individuell ist. Dennoch ist und bleibt der gemeinsame Nenner: Wir glauben an den EINEN Gott. Was mir auch auffällt, wir legen ein und dieselben Texte immer wieder neu aus, wie wir uns gleichzeitig aber auch auf Erkenntnisse aus vergangenen Zeiten stützen und über Jahrhunderte hinweg in Tradition zu Glaubensgeschwistern sind. Glaube ist Beziehung und Lebensgeschichte. Glaube ist beständig und in Bewegung.

Du hast bewusst nicht in Theologie geschrieben. Theologisch wäre es sicher „ein Leichtes“ diversen Begriffen (mit viel Text 😉 ) auf die Spur zu kommen. Ich fühle mich bei deinem Thema an Psychologie oder auch Kulturgeschichte erinnert. Wie ich bereits über Sprache ansich geschrieben habe - hier gilt doch dasselbe Phänomen: Wir nutzen Begriffe, Vorgehensweisen,… ohne dass Worte, Verhalten klar definiert sind. Es ist also wahrhaft kein alleiniges Phänomen von Glauben.

Zurück zu dem EINEN Gott. Warum ist Er für den nicht-Gläubigen so unkonkret? … weil Er sich eben erst in(!) der Beziehung entdecken lässt. Von außen kannst du nur einen Götzen beschreiben. Und warum ist das für Gläubige anders? Sie erleben - im Geist - etwas Verbindendes. Gott setzt uns durch sich miteinander in Verbindung. Das wiederum lässt sich auch von außen wahrnehmen. Gegenbeispiele dafür sind innerreligiöse Konflikte - sie zeugen nicht vom Geist Gottes sondern u.a. vom menschlichen Machtstreben.

Wir haben ja schon festgehalten: Für den Einzelnen ist Glaube, sind Worte des Glaubens klar. Wie gelingt es, dass wir Einheit schaffen? Letztendlich ist dies nur im Austausch, im wechselseitigen Wahrnehmen, im sich-aufeinander-Einlassen möglich. Genau das erscheint mir Gott-gewollt. Vater, Sohn und Heiliger Geist stehen zueinander in Beziehung. Für uns Menschen ist genau das wesentlich: In Beziehung sein - mit Gott und den Mitmenschen. Und das ist etwas sehr Konkretes, was - hier schließt sich der Kreis - sehr individuell und eben auch nicht (mit klaren Beweisen) fassbar ist.

 

 

seidenlaubenvogel antworten
2 Antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21519

@seidenlaubenvogel 

Mir fällt - v.a. bei deinen Nachfragen, Lucan - auf, dass Glaube individuell ist. Dennoch ist und bleibt der gemeinsame Nenner: Wir glauben an den EINEN Gott. Was mir auch auffällt, wir legen ein und dieselben Texte immer wieder neu aus, wie wir uns gleichzeitig aber auch auf Erkenntnisse aus vergangenen Zeiten stützen und über Jahrhunderte hinweg in Tradition zu Glaubensgeschwistern sind. Glaube ist Beziehung und Lebensgeschichte. Glaube ist beständig und in Bewegung.

Richtig. Und auch wenn es von vielen abgelehnt wird gibt es damit logischerweise auch einen "Zeitgeist" im Glauben. Die Leute im Mittelalter hatten nun einmal andere Vorstellungen und Erfahrungen, da war dann natürlich auch der individuelle Zugang ein Anderer.

Zurück zu dem EINEN Gott. Warum ist Er für den nicht-Gläubigen so unkonkret? … weil Er sich eben erst in(!) der Beziehung entdecken lässt. Von außen kannst du nur einen Götzen beschreiben.

Ich hätte es jetzt wohl anders formuliert... aber es stimmt, man kann Gott nur "Äusserlich" beschreiben, die individuelle Erfahrung ist schwer in Worte zu fassen.

Wir haben ja schon festgehalten: Für den Einzelnen ist Glaube, sind Worte des Glaubens klar. Wie gelingt es, dass wir Einheit schaffen? Letztendlich ist dies nur im Austausch, im wechselseitigen Wahrnehmen, im sich-aufeinander-Einlassen möglich.

Und eben das ist die Frage: wieviel Einigkeit gibt es denn tatsächlich, wenn über das Zentrale im Glauben kaum gesprochen werden kann?

Ist die Einigkeit der Christen möglicherweise nur eine Illusion, weil die individuellen Vorstellungen ganz verschieden sind - und in ganz unterschiedliche Richtungen führen?

Man merkt es doch schon daran, dass man natürlich versuchen kann, bestimmte Begriffe näher zu erläutern und zu definieren, wie es Theologen tun - aber es wird dann zu keiner Einigung kommen, die für alle Christen gültig ist.

 

lucan-7 antworten
Lachmöwe
(@seidenlaubenvogel)
Beigetreten : Vor 12 Jahren

Beiträge : 1527

@lucan-7

Ist die Einigkeit der Christen möglicherweise nur eine Illusion, weil die individuellen Vorstellungen ganz verschieden sind - und in ganz unterschiedliche Richtungen führen?

Für den, der Gott für eine Illusion hält - vermutlich ja. Ich als Christ sehe und erlebe Einheit - unter Christen und in Gott. So wie ich auch Jesus, Gott-Vater und Heiligen Geist als Einheit erlebe. Ich kann beides nicht beweisbar darlegen, brauche ich für mich auch nicht; meine innere Gewissheit empfinde (wieder so ein „weicher“ Begriff) ich deutlich.

 

seidenlaubenvogel antworten


frosch80
Beiträge : 816

@lucan-7 

Hej Lucan,

 

ein interessantes Thema,  das ich sofort zur Kenntnis genommen hatte, als du diesen Thread vor ein paar Wochen eröffnet hast. 

Ganz generell halte ich es für eine Illusion, zu glauben, dass sich zwei Menschen wirklich verstehen können, wenn sie sich unterhalten. Und zwar ganz egal, worum es geht. Freilich kann man sich dem Verstehen beliebig annähern, möglichst gute Definitionen von möglichst vielen der verwendeten Wörtern in einem Dialog sind dabei sicher hilfreich, gerne räume ich auch ein, dass es Inhalte gibt, wo es deutlich leichter möglich ist, durch gute Definitionen zu einem möglichst guten gemeinsamen Verstehen zu finden als bei anderen Inhalten. 

Vor einigen Jahren, könnte schon über zehn Jahre her sein, habe ich hier im Forum mal ein Experiment gemacht. Ich habe behauptet, dass ein Ereignis, das NIE eintritt, in 0% aller Fälle eintritt, während eines, dass IMMER eintritt, in 100% aller Fälle eintritt. Das ist ja mathematisch einigermaßen einsichtig, und dem hat damals auch niemand widersprochen. Aber in wieviel Prozent aller Fälle tritt denn ein Ereignis ein, dass SELTEN vorkommt? Oder OFT? Oder FAST IMMER? Oder MEISTENS?. Oder manchmal, häufig, so gut wie nie, praktisch ausnahmslos und was weiß ich, was mir damals alles eingefallen ist. Ich habe damals die Leser dieses Threads gebeten, diesen "häufigkeitsanzeigenden" Wörtern die ihrer Meinung nach zutreffende Prozentzahl zuzuweisen. Etwa zehn "ausgefüllte Fragebögen"  kamen zurück. Signifikanz habe ich nie behauptet, ich weiß auch die genauen Ergebnisse nicht mehr, aber ich weiß, dass es da krasse Diskrepanzen gab. So in der Art, dass der eine sagte "Oft" entspräche 40% und "Manchmal" entspräche 60%, während ein anderer es exakt umgekehrt gewichtete.

Dass Juristen exakter im Definieren sind als fromme Fragebogenbeantworter, mag ja gut sein (sicher bin ich mir da aber auch nicht), aber ich bin mir nahezu sicher, dass auch bei Juristen abweichende Ergebnisse herauskämen. Du erweckst ein wenig den Eindruck, als wären Juristen und Wissenschaftler (ich gehe mal völlig fahrlässig davon aus, dass du und ich das gleiche unter Wissenschaft verstehen) Garanten dafür, dass ihr Handeln und Denken auf eindeutigen Prämissen basieren würde. Dafür sind mir denn die Urteile in zweiter Instanz doch zuweilen allzu sehr von denen der ersten Instanz abweichend. 

Ganz jenseits aller Wissenschaftlichkeit, jenseits allen exakten Definierens gibt es dann noch so etwas wie Begegnung. Und in Begegnung steckt das Potential zu einem Verstehen jenseits von Definitionen zu kommen. Und das kann sowohl für zwei Christen geltend, die bezeugen, dass sie gemeinsam erlebt haben, dass Jesus in der Mitte war, was ich für möglich halte auch dann, wenn sich die Definitionen, die die beiden von "Jesus" und von "Mitte" haben, ziemlich deutlich voneinander unterscheiden. 

Ähnlich mögen sich zwei Juristen, Staatsanwalt und Verteidiger etwa, beim zweiten Bier nach einem langen Verhandlungstag daruf einigen, dass §1 nicht zwingend  doppelt so stark zu werten ist wie §2, und das mag dann am nächsten Verhandlungstag zum Durchbruch führen. 

 

Liebe Grüße

fr 🙂 sch

 

frosch80 antworten
1 Antwort
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21519

@frosch80 

ein interessantes Thema, das ich sofort zur Kenntnis genommen hatte, als du diesen Thread vor ein paar Wochen eröffnet hast. 

Ja... wobei es ja einige Tage so schien als würde der Thread ohne Antworten wieder in der Versenkung verschwinden. Im neuen Forum dauert vieles etwas länger...

Ganz generell halte ich es für eine Illusion, zu glauben, dass sich zwei Menschen wirklich verstehen können, wenn sie sich unterhalten. Und zwar ganz egal, worum es geht.

Natürlich. Wir reden hier immer nur von einer Annäherung. Die kann dann allerdings doch sehr verschieden sein.

Aber in wieviel Prozent aller Fälle tritt denn ein Ereignis ein, dass SELTEN vorkommt? Oder OFT? Oder FAST IMMER? Oder MEISTENS?

Ich denke eigentlich nicht, dass sich hier genaue Prozentzahlen angeben lassen. Wenn ich sage, dass ich "selten" nach Berlin fahre, dann kann das ein oder zweimal im Jahr sein - oder in zehn Jahren. Spreche ich als Geologe davon, dass Vulkanausbrüche in Deutschland "selten" sind, dann rede ich hier von etlichen tausend Jahren.

Meiner Ansicht nach verwenden wir diese Worte ja gerade dann, wenn wir nur eine Tendenz, aber keine klaren Zahlen haben und diese auch nicht so wichtig für die Aussage sind.

Dass Juristen exakter im Definieren sind als fromme Fragebogenbeantworter, mag ja gut sein (sicher bin ich mir da aber auch nicht), aber ich bin mir nahezu sicher, dass auch bei Juristen abweichende Ergebnisse herauskämen. Du erweckst ein wenig den Eindruck, als wären Juristen und Wissenschaftler (ich gehe mal völlig fahrlässig davon aus, dass du und ich das gleiche unter Wissenschaft verstehen) Garanten dafür, dass ihr Handeln und Denken auf eindeutigen Prämissen basieren würde.

Gäbe es so eine Garantie müsste es unter Wissenschaftlern und Juristen wesentlich mehr Einigkeit geben. Gerade bei Juristen ist vieles eben nicht eindeutig - aber der Punkt ist, dass es ihnen bewusst ist. Wobei bei den Juristen die Eindeutigkeit vor allem in der Gesetzgebung wichtig ist - Anwälte nutzen schwammige Formulierungen dann oft zum eigenen Vorteil (frag' jetzt nicht nach prozentualen Werten!). Und selbst Gesetze sind ja oft bewusst nicht eindeutig formuliert, wenn es um Politik geht...

Ich denke, dass man sich auch in der Theologie grundsätzlich darüber klar ist, dass viele Begriffe einiges an Interpretationsspielraum lassen. Im christlichen Alltag und in den Gemeinden ist das aber nicht unbedingt ein Thema. Ich erinnere mich jedenfalls an keine Predigt, wo zuvor erst mal die Begriffe geklärt wurden... aber meine Eindrücke liegen hier auch schon eine ganze Weile zurück.

Ganz jenseits aller Wissenschaftlichkeit, jenseits allen exakten Definierens gibt es dann noch so etwas wie Begegnung. Und in Begegnung steckt das Potential zu einem Verstehen jenseits von Definitionen zu kommen.

Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt. Kommunikation findet ja nicht nur durch Worte statt. Ob ein anderer Mensch das was er sagt, genau so meint wie ich es verstehe erkenne ich ja auch an seinen Taten. Der Hinweis aus der Bibel "An ihren Taten sollt ihr sie erkennen" greift ja genau diese Problematik auf.

Und ob jemand unter "Nächstenliebe" das gleiche versteht wie man selbst, das erkennt man dann natürlich auch...

 

 

lucan-7 antworten
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