Tatort / Polizeiruf Saison 2022/23
Willkommen liebe Krimifreunde!
Am Sonntag beginnt die neue Saison, diesmal geht es in Ludwigshafen los.
Hier ist der Ort, wo sich über die Sonntagskrimis ausgetauscht werden kann.
Bewährt hat sich:
Der Thread sollte die ganze Saison umfassen, aber dabei nicht zu unübersichtlich werden. Darum beschränkt er sich auf die Sendungen "Tatort" und "Polizeiruf 110". Sollte es ein interessantes Spin-Off geben (wie damals "Schmimanski"), klar, kein Problem. Aber jedes andere wertvolle Stück aus der Krimilandschaft würde den Rahmen sprengen. Faustregel: Lief es am Sonntagabend im Ersten?
Für die Erstausstrahlungen versuchen wir, jede anzulegen. Bei interessanten Wiederholungen alter Folgen fühlen wir uns frei, aus sie hinzuweisen oder nicht.
Manche von uns sehen den Film sofort im Fernsehen, andere später in der Mediathek. Manche auch nur, wenn sie hier lesen, ob er sehenswert ist. Für all die ist es wichtig: Wenn wir relevante Filminhalte posten, setzen wir ganz oben in unsern Kommentar fettgedruckt das Wort "Spoiler".
Manchmal sind wir unterschiedlicher Meinung, wie relevant ein Inhalt ist. Wenn wir nicht sicher sind, wie andere das empfinden: Lieber einmal zu oft "Spoiler" schreiben.
Mit dem neuen Forensystem müssen wir schauen, dass es nicht zu unübersichtlich wird. Mein Vorschlag dazu wäre:
- Eine neue Sendung legen wir an, indem wir immer auf diesen Eingangspost hier antworten. Der Post zur neuen Sendung wird fett überschrieben mit dem Datum und dem Namen und Ort des Films.
- Für weitere Kommentare zu einer neuen Sendung antworten wir nicht auf diesen Post hier, sondern auf den Kommentar, mit dem die Sendung angelegt wurde. Solche Antworten lassen sich "einklappen".
- Spoilern tun wir sinnvollerweise dann erst in der Antwort auf den Post zur jeweiligen Sendung und nicht in diesem selbst.
Ist das verständlich? Wenn das mal nicht hundertprozentig klappt, sind wir alle barmherzig. Für weniger komplizierte Vorschläge bin ich auch offen.
Gruß von
Andreas
Schwarzwald 14.05.23
Tobler und Berg, wunderbar unaufgeregt und kollegial, ermitteln im befreundeten Umfeld eines jungen Farbigen, der tot aus dem Main gefischt wird. "Das geheime Leben unserer Kinder" - ein sperriger Titel für einen spannenden Krimi, der Abgründe aufdeckt, wo es um Familiendramen und ihre Geheimnisse geht und am Ende waren wir so sehr in dieses Netz verstrickt, dass wir das offensichtliche völlig aus den Augen verloren hatten. Vieles hätte nicht passieren müssen, wenn man etwas eher dem anderen gegenüber den Mund aufgemacht hätte, das ließ uns nicht unberührt.
Die kleine Nebenhandlung mit Toblers Nichte fügte sich gut in den Handlungsverlauf ein ohne zu stören, vielleicht hätte man am Ende etwas weniger Zeitlupe gebraucht, aber wenn die Schwarzwälder schon mal einen Showdown wagen, dann wird der auch zelebriert. Aktuell fanden wir die Geschichte, aber ohne dass ständig einer belehrend das soziale Gewissen informieren musste. Ein paar Kleinigkeiten waren unstimmig, aber alles in allem wurde in diesem Tatort alles richtig gemacht.
Bekommt 5 von 5 blauen Polizeilichtern und ne Packung veganen Pizzakäse obendrauf.
Schaute ihn erst nachträglich, maximal neugierig ob sehr diverser Rezensionen und maximaler Punktzahl von Trissi.
Weiß nicht:
Das ganze ließ sich gut gucken. Bin trotzdem etwas ratlos, wie ich es bewerten würde.
Wie schon immer wieder mal in letzter Zeit ergab sich die Spannung nicht aus der Ermittlung im Mordfall, sondern der Mordfall war Auslöser, sich mit dem Umfeld zu beschäftigen, wo es dann spannend wird. Aber wenigstens wurde es das.
Der Titel "Das geheime Leben unserer Kinder" lässt erwarten, dass hier massiv Generationenkonflikte erzählt werden und wir beim Zuschauen schon auch ein bisschen was mitfühlen von Sorge, Angst, Kontrollverlust. Darauf hatte ich Sonntag keine Lust, und war deswegen Montag einerseits erleichtert, dass es nicht so war, andererseits kommt es auch ein bisschen oberflächlich rüber. All die großen Themen - Klimakatastrophe, Heimatverlust, Behinderung, Rassismus, Drogen, heimliche Liebe und natürlich Generationenkonflikte - waren eher Stichwortgeber als wirklich Themen dieses Films.
Insofern kann ich den Gesamteindruck eines guten Films verstehen: Der Plot war vielleicht nicht innovativ, aber gut ausgedacht und interessant zu verfolgen. Die darin involvierten Personen mit ihren Situationen hätten aber auch ganz andere sein können, ohne dass es am Plot irgendwas geändert hätte. Der Film hätte genausogut "Der Tote am Wehr" heißen können.
Bessere Unterhaltung als befürchtet, weniger Tiefgang, als der Titel versprach / befürchten ließ. Und beides bedingt sich halt gegenseitig. Tja.
Lässt sich schadlos gucken.

All die großen Themen - Klimakatastrophe, Heimatverlust, Behinderung, Rassismus, Drogen, heimliche Liebe und natürlich Generationenkonflikte - waren eher Stichwortgeber als wirklich Themen dieses Films.
Nun ja. Es war ja auch "nur" ein Krimi. Der sollte die Probleme der großen weiten Welt meiner Einschätzung nach auch nicht groß erörtern. Genau das hat uns gefallen.
@tristesse Da stimme ich Dir grundsätzlich zu, würde aber noch weiter gehen und sagen: Dann hätte zumindest die Hälfte dieser Themen auch gar nicht erwähnt werden müssen, ohne dass es der Story geschadet hätte.
Das hätte die Stärken der Story ernstgenommen, die diese Themen nicht brauchte - und paradoxerweise die Themen auch, weil es zugegeben hätte, dass sie zu groß für einen normalen Kriminalfilm sind.
21.05. München "Game over"
Der Franz, der Ivo und immer mehr der Kalli ermitteln in der, nun, da streiten sich die Geister: Die einen würden von "Zocker-", die andere "E-Sport-", dritte vielleicht "Gaming-" Szene sagen, und da brauchen der Franz und der Ivo den Kalli, weil der sich da auskennt und die beiden älteren Herren nicht.
Ausgerechnet den Ivo dann auf eine Verfolgungsjagd im realen Leben zu schicken, die der Bildsprache von Ego-Shooter-Spielen folgt, ist schon eine geniale Idee.
Auch sonst zeigt sich der Film durchaus durchdacht. Vielleicht hätte es ihm gut getan, ein zwei Themen einfach gar nicht zu behandeln und den andern mehr Raum zu geben. Dann wäre es vielleicht kein typischer Tatort mehr, aber es gäbe schlimmeres.
Es gab am Anfang Tote, am Ende eine Auflösung, dazwischen Ermittlungen, Dramen, Infos, Kollegengespräche, überraschende Wendungen, also im Grunde all das, wofür wir seit Jahren sonntags einschalten.
Man mag auf hohem Niveau meckern, dass das ganze schon sehr routiniert rüberkam, aber das kann man dem dienstältesten Tatort-Team bei seinem 93. Fall schlecht zum Vorwurf machen.

Auch sonst zeigt sich der Film durchaus durchdacht. Vielleicht hätte es ihm gut getan, ein zwei Themen einfach gar nicht zu behandeln und den andern mehr Raum zu geben. Dann wäre es vielleicht kein typischer Tatort mehr, aber es gäbe schlimmeres.
Ich fand es z.T. auch ein wenig verwirrend und musste zwischendurch immer mal wieder Verständnisfragen stellen. Das ging doch alles recht schnell und auch durcheinander.
Es gab am Anfang Tote, am Ende eine Auflösung, dazwischen Ermittlungen, Dramen, Infos, Kollegengespräche, überraschende Wendungen, also im Grunde all das, wofür wir seit Jahren sonntags einschalten.
Und das haben sie auch richtig gut gemacht. Mir gefällt, dass der Kalli langsam mehr und mehr Spielzeit bekommt, ich vermute, der wird für die Nachfolge schon vorbereitet.
Man mag auf hohem Niveau meckern, dass das ganze schon sehr routiniert rüberkam, aber das kann man dem dienstältesten Tatort-Team bei seinem 93. Fall schlecht zum Vorwurf machen.
Immer noch eins meiner Lieblingsteams mit einem soliden Fall und bekommt daher 4 Punkte 😎
29.05.23 Wien - "Azra"
Um viertel vor 9 haben wir dem Fall noch 15 Minuten gegeben, dann hätten wir ausgemacht, wenn Bibi und Max das Ruder nicht rum gerissen hätten.
Sie haben.
Beide ermitteln im Milieu der georgischen Mafia, teilweise wochenlang im Zeitraffer, das war ungewöhnlich. Dass sie am Anfang nicht so recht voran kommen, macht das Ganze die erste Hälfte zäh und langweilig. Dann ziehen Tempo und Handlung auf einmal an und enden in einem Twist, den wir nicht haben kommen sehen. Wenn man sich von Anfang an so bemüht hätte, dann hätte das der stärkste Tatort der Saison werden können.
Wunderbar gefilmt mit z. T. ganz starken Dialogen und einer Einigkeit, die demonstriert, warum das Team so lange schon so gut funktioniert:
Ernstl zu Bibi "Wann wirst du aufhören, ihn (Max) zu verteidigen?"
"Wann I tot bin!" 😊
Auch wenn es den einen oder anderen Kopfklatscher gibt, ist die Loyalität der beiden zueinander das schönste in diesem Film.
Dennoch kann ich ihm wegen der lahmen ersten Hälfte keine volle Punktzahl geben. Und irgendwas stimmte mit der Tonspur nicht, teilweise waren die Protagonisten nicht zu verstehen und das lag nicht an der Wiener Mundart. Der Ton war einfach zu dumpf.
@tristesse Ja, er steigerte sich, wobei mir der Twist am Ende fast zu schnell war.
Zu Anfang fragte man sich schon, was das jetzt noch werden soll. Ich vermute, das war Absicht, denn als Zuschauer spürte man das Zähe und Frustrierende und damit auch Langweilige der Ermittlungsarbeit sehr gut mit.
Ich konnte trotzdem auch die erste Hälfte ziemlich genießen, weil sie mit jedem Bild und jedem Tonfall sagte "Servus, wir mach'n diesmal einen Mafiafilm!" Das arbeitete so sehr mit Mafiafilm-Ästhetik, dass es von der Hommage hin und wieder zur Selbstironie wurde, auf jeden Fall hatte ich Freude am Gucken.
Der Schluss war dann schon grandios.
Für mich einer der stärksten seit längerem. Ob der Stärkste - ja, vermutlich nicht ganz, da gab es noch beeindruckendere. Nicht Meisterschaft, aber schon Champions League

Ja, er steigerte sich, wobei mir der Twist am Ende fast zu schnell war.
Zu Anfang fragte man sich schon, was das jetzt noch werden soll. Ich vermute, das war Absicht, denn als Zuschauer spürte man das Zähe und Frustrierende und damit auch Langweilige der Ermittlungsarbeit sehr gut mit.
Man hätte die Handlung der ersten dreiviertel Stunde etwas kürzen können, um für die Auflösung mehr Zeit zu haben, dann wäre es auch nicht ganz sooo zäh gewesen.
Der Schluss war dann schon grandios.
Aufgrund der Mafiathematik waren wir felsenfest überzeugt, so eine Undercovergeschichte kann einfach nicht gut ausgehen und sahen Bibi und Max schon quasi im Blut waten... aber dafür war es dann wie kam umso überraschender.
Für mich einer der stärksten seit längerem. Ob der Stärkste - ja, vermutlich nicht ganz, da gab es noch beeindruckendere. Nicht Meisterschaft, aber schon Champions League
Wie gesagt, man darf die Zuschauer am Anfang nicht so langweilen, dass sie ausmachen, da hat der Tatort gerade noch die Kurve gekriegt. Aber dann sensationelles Ende.
4.6. Franken / Oberpfalz "Hochamt für Toni"
Der Franken-Tatort wandelt auf den Spuren des französischen Autorenkinos. Hätte das ein wenig Selbstironie dabei, wäre es ein wunderbarer Murot-Film gewesen, jedenfalls für die, die einen typischen Murot-Film wunderbar finden.
Es war aber Felix Voss, und der nahm und meinte all das ernst. Ringelhahn und Goldwasser kamen halt auch vor, weil sie zum Ensemble gehörten, aber es war die Geschichte von Voss.
Der hat zu Studienzeiten mit seinen Freunden Antonia und Marcus eine vermutlich platonische, aber nicht attraktionsfreie Art Dreierbeziehung in Berlin gehabt. Nun in der Oberpfalz will Marcus etwas über Toni aufdecken, ist dann tot, und wenig später steht Voss vor Tonis Grab und vor einer ganzen Reihe von Rätseln, sowohl kriminalistischer, als auch persönlicher Natur. Wir begleiten ihn dann dabei, wie er versucht, die Rätsel zu lösen.
All das ist ganz großartig anzusehen, Voss ist wie kein anderer sanft und hart zugleich, Leid, Liebe, Wut, alles kommt bei ihm zusammen, Kamera und Musik tun ihr Übriges zu einem sommerlich sanften Drama und einem wirklich guten Film. Ja, hier wurde von den Großen gelernt.
Auf ein paar Tatort-Standard-Situationen (der Dorfpolizist und der Chef sind halt wie aus dem Abziehbildalbum) hätte er gut verzichten können, ohne dass etwas gefehlt hätte.
Zwei Fragen könnte man dem Film stellen: Zum einen ist es halt wie französisches Autorenkino, aber doch nah an der Kopie, wo ist die eigene Note? Das ist der Punkt, den ich nicht bemängele. Meine Güte, es ist am Ende doch bloß Fernsehen.
Die andere wäre: Ist es eigentlich auch ein guter Krimi? Ich würde sagen: Ja, aber man merkt es nicht.
Der reine Kriminalplot ist gut gearbeitet, auch wenn wir als Profi-Gucker die "überraschende Wende" schon erwarten, was aber eher unser Problem ist. Aber es wird angesichts des persönlichen Perspektive von Voss auf den Fall irgendwie zweitrangig. Wir wünschen dem Ermittler, dass er dem Rätsel auf die Spur kommt, aber wir selbst rätseln nicht mit, sondern leiden mit ihm mit oder genießen die Inszenierung. Oder beides.
All das ist für einen Fernsehabend völlig okay. Ich würde ihn empfehlen.