Tatort / Polizeiruf Saison 2024/2025
Seid gegrüßt, liebe Sonntagskrimi-Gemeinde,
wir hoffen, Ihr habt den Sommer mit Paralympics, Olympischen Spielen, IrgendwasmitFußball und den Wiederholungen gut verlebt und hattet vielleicht sogar Zeit, nach außerhalb des ARD-Sendegebiets zu reisen, weil es ja keine neuen Tatorte und Polizeirufe gab. Dafür ist es jetzt zu spät!
Ab kommenden Sonntag, 15. September, versorgt uns die ARD wieder mit frischen Ausgaben der Traditionskrimireihen.
Darum soll es auf mehrfachen (also von mehr als einer Person geäußerten) Wunsch wieder einen Tatort-Polizeiruf-Thread geben. Wir tauschen uns aus, bestätigen uns in unseren Meinungen oder fragen uns, ob wir eigentlich denselben Film gesehen haben, werben oder raten ab oder tun beides oder schreiben einfach auf, was uns ein- und auffällt.
Bewährt hat sich:
Der Thread sollte die ganze Saison umfassen, aber dabei nicht zu unübersichtlich werden. Darum beschränkt er sich auf die Sendungen "Tatort" und "Polizeiruf 110".
Für die Erstausstrahlungen versuchen wir, jede anzulegen. Bei interessanten Wiederholungen alter Folgen fühlen wir uns frei, auf sie hinzuweisen oder nicht.
"Hm, aber was wenn ich jetzt nicht über den Film reden kann, ohne wichtige Details zu verraten?"
Manche von uns sehen den Film sofort im Fernsehen, andere später in der Mediathek. Manche auch nur, wenn sie hier lesen, ob er sehenswert ist. Für all die ist es wichtig: Wenn wir relevante Filminhalte posten, setzen wir ganz oben in unsern Kommentar fettgedruckt das Wort "Spoiler".
Manchmal sind wir unterschiedlicher Meinung, wie relevant ein Inhalt ist. Wenn wir nicht sicher sind, wie andere das empfinden: Lieber einmal zu oft "Spoiler" schreiben.
- Eine neue Sendung legen wir an, indem wir immer auf diesen Eingangspost hier antworten. Der Post zur neuen Sendung wird fett überschrieben mit dem Datum und dem Namen und Ort des Films. Also z.B. 35. Mai Heidelberg "Tod im Hörsaal" oder so.
- Für weitere Kommentare zu einer neuen Sendung antworten wir nicht auf diesen Post hier, sondern auf den Kommentar, mit dem die Sendung angelegt wurde. Solche Antworten lassen sich "einklappen".
- Spoilern tun wir sinnvollerweise dann erst in der Antwort auf den Post zur jeweiligen Sendung und nicht in diesem selbst.
Wenn das mal nicht hundertprozentig klappt, sind wir alle barmherzig.
Wir freuen uns auf eine spannende Saison mit Euch.
Gruß von
Andreas
22.12. Zürich "Fährmann"
Ein weiterer Krimi zur Weihnachtszeit, wenn auch nicht unbedingt ein Weihnachtskrimi. Und auch eher Thriller alter Schule als Kriminalfilm.
Aber, meine Güte, der war ziemlich gut. Nein, zum Mitraten gibt es nicht viel, aber zum Mitfiebern durchaus. Und es ist eine Lust, v.a. Lukas Gregorowicz in seiner Episodenhauptrolle aufspielen zu sehen. Er spielt die diabolisch-charmante Bösewichtfigur (sorry, das ist kein Spoiler, sondern ab der ersten Sekunde mit ihm klar) mit solcher Eleganz und Freude, das man immer kurz davor ist, ihn sympathisch zu finden, aber an genau der Schwelle stehenbleibt. Dass die anderen im Team damit auch schauspielerisch einige Anstrenung aufwenden müssen, mit ihm mitzuhalten, ist zwar sichtbar, aber spiegelt die Rollen im Film und geht damit völlig in Ordnung.
Habe ich ihn bisher im Polizeiruf nicht vermisst, sehe ich seinen Ausstieg dort jetzt sogar als Gewinn für den Tatort.
Der Film spielt mit griechischen Mythen, Kapitalismuskritik, der Vergangenheit von Grandjean, aber verwebt all das auf eine Weise, dass keins zu wichtig wird und keinem die Luft genommen ist.
Der Züricher Tatort hat ein wenig gebraucht, seinen Stil zu finden, aber spätestens seit diesem erwarte ich den nächsten schon mit Vorfreude.
SPOILER
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meine Güte, der war ziemlich gut.
Die erste Stunde fanden wir leider viel zu gewollt, um gut zu sein. Grandjean benimmt sich von der ersten Minute an, als hätte sie noch nie im Team einen Mordfall gelöst. Natürlich hat der Fall mit ihrer Vergangenheit zu tun und anstatt sich das zunutze zu machen und ihr Team miteinzubeziehen startet sie ne völlig unverständliche Solotour.
Das ganze Setting, die Düsternis, der Nebel, griechische Mythologiie und der dem Tode geweihte Täter, das wurde einem dermassen aufgedrängt, war fast unangenehm.
"Seht her! Die Kulisse spiegelt die Düsternis des Protagonisten kunstvoll wieder!!", das wurde einem regelrecht um die Ohren geschlagen, damit es auch der Dümmste merkt.
Und dann, Überraschung (!) steht Grandjean, durch ihre eigene Dummheit verschuldet selbst am Styx und schaut ins Licht, was ich schon nach 15 Minuten vorausgesehen hab.
Lukas Gregorowicz war aber wirklich gut, vor allem in der letzten halben Stunde wurde es dann spannend und schlüssiger, aber du hast recht damit, dass er das gesamte Team an die Wand spielt.
Nebenher wurde der Erklärbär wieder bemüht, um die soziale Ungerechtigkeit anzuprangern, aber am Ende ist wieder alles gut, weil Tessa so vermögend ist, dass sie ihrem Freund aus der Patsche helfen kann und der beruhigte Zuschauer freut sich daran, dass wir alle bessere Menschen geworden sind.
Abschießend muss ich zugeben, dass er unterhaltsam war und man einiges geboten bekam, aber es reicht bei mir nur für 2, 5 Silbermünzen und ein Glas Glühwein oben drauf
26.12. Dortmund "Made in China"
Wünsche eine frohe weitere Weihnachtszeit.
Dieser Tage werden wir quasi doppelt so oft mit Sonntagskrimis beschenkt wie sonst, nämlich auch am 2. Weihnachtstag und an Neujahr. Der Pedant in mir will sie wenigstens in der richtigen Reihenfolge anlegen, auch wenn wir kaum mit dem Schauen und diskutieren nachkommen werden.
Gefühlt ist Weihnachten mit diesem Film vorbei. Harte Realität.
Der Film beginnt, indem er der Dynamik im schon wieder neu durchgemischten Team viel Raum lässt. Es gibt als Animositäten und eine neue Chefin, auch wenn wir alle sie schon erwartet haben. Das ist unterhaltsam anzusehen, launig geschrieben und engagiert gespielt, weckt aber trotz allem den Wunsch, jetzt doch bald mal mehr vom Fall zu sehen.
Und der ist, als der Film endlich Fahrt aufnimmt, intelligent und flott erzählt. Ein Mordgeständnis mit vielen Spuren, aber ohne Leiche führt zu einem Fall, der immer weitere Kreise zieht, bis zur notwendigen Kontaktaufnahme mit Bundesbehörden. Man könnte sagen, dass der Film damit am Ende mehr wollte, als er benötigt hätte. Aber nicht mehr, als ihm guttat. Der Film hätte ein so kompliziertes Team wie das Dortmunder nicht gebraucht, aber es ist dann auch schön zu sehen, dass auch ein solches Team sich für interessante Fälle zusammenraufen kann. Und die Auflösung war dann tatsächlich eine, die ich noch nicht eine halbe Stunde vor Schluss riechen konnte.
29.12. Polizeiruf München "Jenseits des Rechts"
Der dritte Fall von Cris Blohm in München wurde von der Kritik hoch gelobt. Mir persönlich gefiel er auch, hätte mir aber mit ein bisschen mehr Fokussierung auf weniger Aspekte noch besser gefallen.
Titelgebendes Thema des Films ist: Wenn ich aufgrund eines DNA-Abgleichs den exakten genetischen Verwandtschaftsgrad der Täterperson mit einer Person, die freiwillig DNA abgab, erfahren habe, darf ich diese Erkenntnis nicht verwerten. Warum das so ist, wird im Film plausibel erklärt. Aber was dann tun?
Diese Frage führt die Beteiligten in einige interessante Rechts- und Gewissenskonflikte und auch in reichlich absurde Situationen. All das ist mit viel Freude und Können inszeniert und gut mit anzusehen. Der Film verzichtet darauf, uns mit irgendwelchen Effekten zu erklären, wie skurril die Lage gerade ist, sondern lässt uns selbst darauf kommen.
Daneben gibt es weitere Themen, die der Film nicht gebraucht hätte. Etwa Großkapital und Amateurpornos. Vermutlich kann eine tiefgehende Interpretation des Films mir erklären, warum die zwar gerade eben noch jugendfreie, aber trotzdem deutliche Darstellung genau zu dieser Erzählung passte. Funktioniert hätte sie aber auch ohne das genauso gut. Und wer sich solche Bilder nicht antun will, muss wegschauen oder gar nicht schauen.
Der Krimi samt Auflösung ... ach ja, solide. Ist okay so.
Unterm Strich einer der besseren Filme dieser Saison.
1.1. Ludwigshafen "Der Stelzenmann"
Gesegnetes neues Jahr!
Lena und Johanna ermitteln mit dem neuen geteilten Assistententeam Nico und Mara im Fall einer aktuellen und einer alten Kindesentführung. Dass dabei eine Zeugin stirbt, ist für die Erzählung überflüssig, aber irgendwie muss ja die Mordkommssion dazukommen
Da der Darsteller des entführten Jungen offenbar nach Niedlichkeit gecastet wurde, geht das schon nah an die Triggergrenze.
Großartige Entscheidung war das Casting von Samuel Benito als "Swen", der vor Jahren entführt wurde und nun mit 18 damit zu leben versucht. Wie er den Charakter spielt, empfiehlt ihn für weitere Engagements. Für ihn lohnt sich meiner Meinung nach das Einschalten.
Ebenso gut gefiel mir, dass Figuren, die in der vorigen Folge noch als eher eindimensional bis lächerlich dargestellt wurden, nun mehr Tiefe bekommen und sympathischer werden. Auch für diese Entwicklung meine Empfehlung, ihn zu sehen. Ob Mara und Nico sogar als Nachfolger aufgebaut werden sollen, wie manche vermuten?
Nicht ganz überzeugend fand ich die eigentliche Storyline. Der Film entwirft in der Exposition ein ziemliches Rätsel über die Motive für das seltsame Handeln des Täters. Dessen Lösung fällt dann allerdings eher schmal aus und war für mich nicht plausibel. Gerade mit Johanna Stern, die mal als Profilerin ins Team kam, hätte das Drehbuch an dieser Stelle für mich mehr Futter gebraucht.
Müsste ich entscheiden, welchen der drei zuletzt in kurzen Abständen ausgestrahlten Filme ich empfehlen wollte, fiele es mir schwer. Alle drei haben ihre Stärken. Fürs Zuschauerempfinden scheint mir der Dortmunder Tatort der beste Film, cineastisch analysiert der Münchner Polizeiruf, aber bei diesem Ludwigshafener Tatort deutet sich vorsichtig eine lineare Erzählung an, und da darf man natürlich auch keinen verpassen.
Und Ihr so?
5.1. Köln "Restschuld"
Ein Freddy-und-Max-Film wie aus dem Lehrbuch.
Wer Freddy-und-Max-Filme mag, und sei es nur wegen Freddy und Max, wird diesen auch mögen.
Ansonsten kann ich die Rückmeldung nicht wohlwollender äußern als mit einem Zitat aus wiewardertatort.de:
Seine besten Momente hat der 1288. Tatort dann, wenn er als stark besetztes Sozialdrama im Krimimantel den täglichen Kampf und das Versteckspiel der Betroffenen illustriert
Für mich ist "Sozialdrama im Krimimantel" eher eine Negativ-Kritik, aber das müssen ja nicht alle so sehen. Als Sozialdrama ist er sehr gut. Als Krimi funktioniert er auch einigermaßen. Wer aber wegen der hohen Schlagzahl der Sonn- und Feiertagskrimis gerade ein wenig im Verzug ist, würde m.E. beim Weglassen von diesem hier am wenigsten verpassen.
12.1. Kiel "Borowski und das hungrige Herz"
Solltet Ihr im Verzug mit dem Gucken sein und überlegen, auf welchen man erstmal verzichten könnte: auf diesen.
Nicht, dass er wirklich schlecht war, aber auch nicht herausragend gut, und er ist bereits 2021 gedreht und seine Ausstrahlung immer wieder verschoben worden. Er wird also nicht wirklich nötig sein, um den letzten Borowski-Tatort, der im März ausgestrahlt werden soll, zu verstehen.
Borowski und Sahin ermitteln im Mlilieu der Sex- und Liebessüchtigen, und es scheint, als hätten die Sendeanstalten der ARD irgendeinen Unterbietungswettbewerb laufen, wer es schafft, Sex-Szenen am unerotischsten darzustellen. Die 20:15-Sendezeit wird dabei optisch nicht riskiert, aber schön ist das ganze trotzdem nicht. Dass in demselben Film auch Sahin einen alten Lover trifft, ist so unvermittelt wie überflüssig, aber optisch netter.
Ansonsten hat der Film eine eher irritierende Ästhetik, auf die man sich einlassen müsste und es wohl auch könnte, wenn man denn einen Grund dazu hätte. Hat man den?
Es gibt am Anfang eine Tote, am Ende eine Auflösung, ein paar dramatische und ein paar lustige Szenen, man kann ein wenig miträtseln, kommt dann kurz vor Borowski auf die Lösung und fühlt sich gut. Ein funktionierender, sauber gestrickter Krimi. So wie viele andere auch. Ist das ein Grund, ihn einzuschalten? Geht so.
Positiv hervorzuheben ist die schauspielerische Arbeit von Laura Balzer, die zwar für ihren Namen nichts kann, aber deren Rolle gut dazu passt, mit einem Balzverhalten verschiedenster Nuancen, von charmant über mitleiderweckend bis angsteinflößend. Sie diese gebrochene Liebeshungrige und Sexsüchtige spielen zu sehen, ruft schon einiges an Bewunderung hervor. Aber ich gehe nach dieser Leistung davon aus, dass wir sie häufiger sehen werden.
(Soll ich einen Spruch darüber schreiben, dass Til Schweiger bei seinem Spiel auch mal mehr seinem Namen entsprechend arbeiten sollte? ...Nein, zu billig. Ups!)