Zuletzt gesehener Film 2024
Hallo Filmfreunde,
neues Jahr, neuer Thread 😉 Wir tauschen über gesehene Filme aus, egal ob auf der großen Leinwand, im Streaming oder Fernsehen.
Bewährt hat sich, in Fettbuchstaben den Titel anfangs zu posten. Wer möchte kann gern auch eine Kritik schreiben und / oder den Trailer verlinken.
Viel Spaß uns allen,
Trissi
Diva
Filmtipp statt Film-Rezension: Heute abends um halb elf kann man auf hr den Film "Diva" sehen. Dieser französische Thriller von 1981 um einen heimlichen Konzertmitschnitt, um einen schlacksigen Postboten, eine asiatischstämmige Ladendiebin, irre kriminelle Handlanger und eine grandiose Sängerin war in den 80er Jahren schon Kult, ich hab ihn erst irgendwann um 1990 in einem Programmkino im Rahmen einer "französischen Nacht" sehen können und war sofort begeistert. Als ich dann etwas später mein erstes eigenes Loft bezog - eine Fabrikhalle mit nix drin ausser viel Platz, der sich im Winter nicht beheizen ließ - wollte ich auch unbedingt so eine Badewanne darin aufstellen, wie sie in einer der Filmszenen vorkommt (haute dann nicht hin, weil: da den Abfluss zu installieren hätte mich ruiniert). Ich denke, das macht einen Kultfilm zum Kultfilm: dass man auch sowas im eigenen Leben haben will. Allein der nächtliche Spaziergang zu Satie-Klängen haute mich mit seiner Romantik so dermaßen aus den Schuhen...
Wenn Euch das Nations-League-Spiel heute abends nicht so interessiert: schaut da mal rein. 🙂
The Northman
Releasedatum: 2022
Derzeit kostenfrei zu sehen für Amazon Prime-Kunden.
Auf nordischen Sagen basierendes Racheepos in der Wikingerwelt.
Sehr wuchtig, sehr düster, sehr brutal, sehr archaisch.
Man muss sich auf die Fremdheit und das Pathos einlassen, in den ersten fünf Minuten war ich mir nicht sicher, ob das jetzt blödsinniger, hohler und auf billige Horror-Effekte sich verlassender Kitsch sei. Aber dann groovte ich mich ein und bekam dafür einen der besten Filme der letzten Jahre zu sehen, der sich auf wohltuende Weise vom Hollywood-Historien-Action-Kino abhebt: die (Glaubens-) Welt der Wikinger wird ernst genommen und nicht auf modern-christlich umgewurschtelt, es wird auch keine exotische Fantasy-Flucht-Welt gezeigt, sondern eben ein nordisches Epos. Über Rache.
Ich will inhaltlich nichts spoilern, weil der Plot in wirklich nur zwei, drei Sätzen zusammengefasst werden könnte: die Spannung soll Euch nicht verdorben werden. Auch wenn hier nicht ein spannender Plot im Vordergrund steht, sondern das Eintauchen in eine andere Welt.
Kamerabild, Licht, Effekte, Sound, Schnitt
Was durch die Form geschieht: die Computereffekte werden hier sehr sparsam oder sehr gut getarnt eingesetzt und stehen immer im Dienst der Ästhetik, statt sie zu dominieren. Dunkelheit und Fackelschein werden dramatisch klug eingesetzt um die Grenzen des Produktionsbudgets nicht spürbar werden zu lassen, aber eben auch, weil ein aufwendigeres, teurer mit viel Schnickschnack ausgerendertes Szenenbild gar nicht zum Ton der Erzählung gepasst hätte. Da, wo es sich anbietet, wird dankbar die majestätische Weite der nordischen Landschaften ins Bild gesetzt.
Action/Kampfszenen sind gewissermaßen "handfest": keine over the top akrobatischen Super-Heroe-Moves brauchen animiert werden, keine Bullet-Time-Sperenzien wollen als "cool" bewundert werden. Dafür tut jeder Schlag förmlich beim Zuschauen weh, auch weil die Kamera beim Nahkampf (und Fernkampf kommt kaum mal vor) halt nah dran ist. In einer bestimmten Szene wurde mir bewußt, wie klug und auch effektiv da die Kameraführung und der Schnitt sind: statt aufwändige Hong-Kong-Kampfkunst-Choreografien darzubieten, die ja sehr langwierig einstudiert werden müssen von Schauspielern und Stuntmen, spielt sich hier häufig ein Teil des Kampfes ausserhalb des Kamerawinkels ab, manchmal sogar hinter der Kamera: da wird dann jemandes Angriff pariert, ohne dass man ihn überhaupt zu sehen bekommt. Rein budgetmäßig werden hier Kosten eingespart, ohne dass dadurch beim Zuschauer je ein Billig-Gefühl entsteht.
Manche Kämpfe werden durch die Beleuchtung beinahe zu Schattentheater-Aufführungen, wozu auch die dabei lauter dröhnende theatralische Musik ihren Teil beiträgt. Die Musik passt, trotz, oder eben gerade aufgrund ihrer Theatralik perfekt, der Sound ist nicht zu beanstanden (aber ich bin diesbezüglich auch niemand, der besonders darauf achtet oder sich extra für's Heimkino eine Surround-Soundanlage installiert hätte). Manchmal sprechen die Akteure dänisch/norwegisch oder schwedisch. Keine Ahnung, was davon. Es ist halt "Wikingerisch". Mal wird das per Untertiteln übersetzt, manchmal nicht. Ich erwähne das in diesem Abschnitt, weil es als "Sound" sozusagen den ästhetischen Eindruck von Fremdheit und Altertümlichkeit unterstützt. Mir gefällt es.
Inszenierung/Dramaturgie
Das Ganze ist auf eine interessante Weise gleichzeitig realistisch und phantastisch: mythologische Figuren aus den nordischen Sagen tauchen so selbstverständlich auf wie Rotztropfen auf den Bärten, und die Schicksalhaftigkeit des Geschehens, die sich auch in Details (z.B. dem Umstand, dass sich ein Schwert nicht aus seiner Scheide ziehen lässt, weil das eben einer Prophezeihung entspricht) wird so wenig hinterfragt wie das Wetter.
So erinnert mich dieser Film sehr stark und überzeugend an die Lektüre der alten germanischen Götter- und Heldensagen: viel vom Unverständlichen wird nicht erklärt und wird so zum Selbstverständlichen, das nicht hinterfragt werden braucht.
Schauspieler
Was die Darsteller angeht, so konnte Regisseur Robert Eggers hier aus dem Vollen schöpfen: Während ich Alexander Skarsgard, den wuchtig-muskulösen Darsteller des Amleth (die zugrunde liegende norddänische Sagenfigur wurde übrigens auch von Shakespeare in seinem "Hamlet" verarbeitet - aber ganz ehrlich: ausser dem Klang des Namens finden sich hier wenige Parallelen) noch nicht kannte, waren mit viele andere Gesichter sofort vertraut: Ethan Hawke spielt Amleths Vater, Nicole Kidman seine Mutter, Willem Dafoe taucht als ein Narr und/oder Prophet auf, und die schöne Olga vom Birkenwald wird von Anya Taylor-Joy verkörpert, die allen bekannt sein dürfte aus dem "Damengambit". Claes Bang, in der Rolle des ebenfalls wuchtig-muskulösen Antagonisten Fjölnir war mir auch bisher noch kein Begriff, macht seinen Job aber wie alle anderen Darsteller sehr gut und überzeugend.
Es sei aber hinzugefügt, dass die Art dieses Films nicht sonderlich gut dazu taugt, mit schauspielerischen Nuancen zu glänzen, psychologisch verrätselte Persönlichkeitsebenen zu zeigen: Wir haben es hier denn doch vor allem mit Figuren aus Legenden und Sagen zu tun, mit Archetypen - nicht mit "echten" Menschen.
In dieser Hinsicht empfehle ich, sich mal das Gesicht von Nicole Kidman anzuschauen. Das verändert sich im Lauf des Films und man könnte denken: na gut, die Maske muss ja irgendwie zeigen, dass da rund zwanzig Jahre vergangen sind. Aber die Maske versucht nicht, den körperlichen Verfall durch das Alter zu veranschaulichen - sondern eine Veränderung im Wesen ihrer Figur. Oder vielleicht sogar nur die Veränderung der Perspektive auf sie. Nicht Realismus, sondern Ausdruck ist es, dem da die Maske dient.
Entsprechend lässt sich sagen: die Darsteller sind auch deswegen so gut, weil sie so gut zu ihren Rollen passen, sowohl was ihre Gesichter, als auch, was ihre Körper angeht.
Fazit:
Als Fan von alten Sagen bin ich begeistert und gebe 9 von 10 Punkten (irgendwas ließe sich immer verbessern, daher der Sicherheitsabstand zur Bestnote... 😉 )
Zu empfehlen allen, die mit düsteren Gewaltdarstellungen an der Grenze zum Splatter (aber dann doch nie drüber hinaus) gut klar kommen und sich für diese Mischung aus Historienfilm und Tragödie begeistern können.
Nicht zu empfehlen allen, die auch in historischen Filmen aus kulturell fremden Bezügen immer noch moralische Eindeutigkeit und Happy Ends, bzw. alles, was in einer Geschichte passiert, auch wirklich verstehen wollen. Nicht zu empfehlen auch denen, die an Pathos-Allergie leiden und denen, die filmische Mittel gern "dezent" eingesetzt sehen.
Ach ja, was "sexuelle Inhalte" angeht: die sind enthalten, aber wirklich alles andere als zentral. Es gab, soweit ich das erkennen konnte, keine "Nippel-Freigabe". Man(n) vermisst sie hier eh nicht und ihr Fehlen dürfte beim Rating für die US-Kinos ein paar Tausend Dollars Mehreinnahmen zur Folge gehabt haben.