Lk 16,25 - das Leben als Nullrechnung?
Hallo,
in Lukas 16,25 bekommt der Arme nach dem Tod erst seinen Trost, der Reiche nach dem Tod allerdings auch seine Strafe. Muss sich alles im Leben immer irgendwo ausgleichen, so dass endlich das ganze Leben eine Nullrechnung ist? Wie kann man z.B. genießen und sich des Lebens freuen, wenn man weiß, dass das gute Leben Leiden nach sich zieht? Wäre ein diesseitiges Leben im ständigen Leid dann nicht besonders erstrebenswert?
Liebe Grüße,
Plueschmors.
Ich denke auch, dass es nicht darum geht, dass am Ende alles auf null aufgeht. Aber es stimmt schon: Arme gibt es, weil es Reiche gibt (Lk 6,24-25). Unser Reichtum hier zeigt sich oft nicht im Kontostand, sondern in Möglichkeiten – z.B. Zugang zu Wasser, Bildung, medizinischer Versorgung, Konsum. Damit gehören wir global gesehen schon zu den Reichen (1 Tim 6,17-18).
Jesus sagt, eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Himmelreich kommt (Mk 10,25). Nicht, weil Reichtum an sich böse ist, sondern weil er unser Herz fesselt (Mt 6,21) und wir meinen, ihn behalten zu müssen. Wir vergessen, dass uns alles gegeben ist, um Gutes zu tun (1 Kor 4,7; Mt 25,40).
Leid ist da kein Gegenpol. Auch Leid kann zu einer Art Trophäe werden, die wir stolz vor uns hertragen (Mt 6,16), statt es Gott hinzugeben und in ihm Sinn und Frucht zu finden (Kol 1,24). Beides – Reichtum und Leid – kann das Herz binden.
Am Ende wird Gott nicht fragen, ob wir genug genossen oder gelitten haben, sondern ob wir gelernt haben zu lieben (1 Kor 13,13).
Seit gesegnet.
Das ist eine Frage, welche sich u.a. die Kartäuser Mönche gestellt haben. Und ihre Antwort war eben wie die deine. Lieber hier ein Leben in Armut, Schmerz und Entbehrung, dafür die Ewigkeit in "Saus und Braus".
Aber ich denke, es geht in dieser Frage nicht um Leid oder Geniessen, sondern um Gerechtigkeit und Nächstenliebe. Wer im Angesicht von Leid und Entbehrung dieses ignoriert und sein Leben geniesst, der handelt weder gerecht noch aus Nächstenliebe.
Nun stehen wir ja moralisch vor dem Dilemma, dass wir wissen, dass unser Wohlstand auf Kosten anderer geht. Ich moderiere zwar meinen Konsum, aber das ist ja keine wirkliche Lösung, und auch mein Spenden, hilft da nicht wirklich weiter, es lindert zwar punktuell das Leid von Einzelnen, aber es löst nicht das Problem. Ich kann das Leid in der Welt durch mein Handeln nicht wirklich beeinflussen.
Aber etwas nehme ich aus diesem Gleichnis, und dies ist die persönliche Dimension. Ich bin davon überzeugt, dass dort, wo ich Not persönlich begegne, ich eine Verantwortung habe. Ich darf mich, dem, was mir in meinem Alltag begegnet, nicht verschliessen. Und wenn ich diese Verantwortung wahrnehme und mich in Gerechtigkeit und Nächstenliebe übe, dann ist auch am Geniessen der guten Dinge nichts Falsches.
Wie kann man z.B. genießen und sich des Lebens freuen, wenn man weiß, dass das gute Leben Leiden nach sich zieht? Wäre ein diesseitiges Leben im ständigen Leid dann nicht besonders erstrebenswert?
Ein gutes Leben, das man auch wirklich genießen kann, geht ohne die Fixierung auf das Materielle und dem einseitigen Nachgehen von oberflächlichen Vergnügungen. Es geht ohne Benutzen seiner Mitmenschen zur Befriedigung der eigenen Gier. Es geht ohne eitles Sich-zur-Schau stellen und Konkurrenzkampf. Ich behaupte mal, ein Leben in Zufriedenheit und Freude geht gar nicht, wenn man lebt, wie z.B. die Geißens.
Muss sich alles im Leben immer irgendwo ausgleichen, so dass endlich das ganze Leben eine Nullrechnung ist?
Nein.
Dieses Gleichnis "funktioniert" nur, wenn man an ein Leben nach dem Tod glaubt.
Dann kann es eine Mahnung an die scheinbar vom Leben Bevorteilten und ein Trost für die scheinbar vom Leben Benachteiligten sein.
Für mein Dafürhalten gibt es keine Gerechtigkeit auf dieser Welt. Sie kann auch nicht politisch hergestellt werden.
Wie kann man z.B. genießen und sich des Lebens freuen, wenn man weiß, dass das gute Leben Leiden nach sich zieht?
Wenn ich weiß, dass mein gutes Leben letztendlich (bei Anderen) Leiden bewirkt oder (bei mir selbst) Leiden nach sich zieht, dann kann ich es nicht genießen. Aber ich bin sicher, dass die meisten Menschen in dieser Sache so denken. Der Spruch "Leben und leben lassen" kommt ja nicht von ungefähr.
Allerdings sehen die meisten Leute nur das unmittelbare Umfeld und nicht wirklich die weltweiten Zusammenhänge und Abhängigkeiten unseres Wohlstandes. Und daher ist es schon fast ein fataler Automatismus, dass unser Lebensstil an anderen Orten zu Lasten der dort lebenden Menschen geht.
Wäre ein diesseitiges Leben im ständigen Leid dann nicht besonders erstrebenswert?
Leiden um des Leidens willen erscheint mir weder vernünftig noch erstrebenswert - und schon gar nicht biblisch begründet.
Muss sich alles im Leben immer irgendwo ausgleichen, so dass endlich das ganze Leben eine Nullrechnung ist?
Muss nicht, kann aber eine Möglichkeit sein. Zumindest auf jeden von uns als Einzelne bezogen.
Mir fällt da ein uralter Song von Reinhard Mey ein ("Ich denk', es war ein gutes Jahr") wo es u.a. heißt:
"Hab nichts gewonnen und nichts verloren, ich denk' es war ein gutes Jahr":
https://www.youtube.com/watch?v=OOTpUQulIBA&list=RDOOTpUQulIBA&start_radio=1
So denke ich, dass es kann manchmal recht einfach sein kann:
Und wenn ich mich eines Tages in die große schwarze Kiste abmelde und die Übriggebliebenen feststellen,
dass ich nicht mehr genommen als gegeben habe, dann war die "Nullsummenrechnung" eigentlich schon erfreulich.
Nachdenkliche Grüße von
Dschordsch
Ich denke nicht, dass das Leben eine Null-Nummer sein muss. Ich glaube aber auch nicht, dass ein gutes Leben kausal Leid nach sich zieht.
Wenn ich solche Bibelstelle lese, frage ich mich ja, warum der Großteil des Christentums rechte und wirtschafts-liberale Politik feiert.
Auch heute wird wieder auf die Armen drauf gehauen und nach unten getreten. Es ist einfacher den "bösen Bürgergeldempfänger" und den "bösen Flüchtling" die Schuld zu zuschieben, als ein Stück des eigenen Reichtums, z.B. in Form einer Reichensteuer, zu teilen.
Es ist einfacher die Arbeitsbedingungen bei Shein, TikTok Shop, Temu und Co. zu ignorieren, statt bei fairen Alternativen einzukaufen, die viele sich ebenso leisten könnten.
Es ist einfacher den Klimawandel zu leugnen und zu ignorieren, statt Umweltbewusst zu leben und Gottes Schöpfung zu schützen.
Und ja, ich denke Gott wird uns nach unserem Tod, diese Doppelmoral aufzeigen.
(Ja, mir ist klar, dass ich hier verschiedene politische Themen sehr impliziert wiedergegeben habe)
Was du jetzt mit Nullrechnung meinst, verstehe ich nicht.
Vorweg: In der Ökonomie gibt es den Begriff des Nullsummenspiels. Das heißt, dass die Begrenzung der Ressourcen führt dazu, dass der Reichtum notwendig mit (relativer Armut) einhergeht. Es gilt nicht, es gibt Arme und Reiche, sondern es gibt Arme weil es Reiche gibt.
Im biblischen Sinne ist der negative Reichtum genaus dieser, der auf der Armut / Ausbeutung der Mitmenschen beruht. Das ist auch dann der Fall, wenn keine unmittelbare Beziehung zwischen Arm und Reich besteht, weil der Reiche sein Reichtum nicht angemessen teilt. Dazu zählen ich auch, wenn man seinen Genuss in emotinaler oder sexueller Ausbeutung sucht.
Das Problem ist nicht der Genuss ansich, sondern worin er besteht, wie er gelebt wird und wohin er führt. Wer denkt, er brauche alle naselang neue Klamotten um sich wohl zu fühlen sollte darüber nachdenken warum es so ist (z.B. Eitelkeit).
Auch muss man sich klar machen, wenn man das eine tut, muss man das andere lassen. Genießen ist unabdingbar, um sich zu erholen und auszugleichen. Aber Genuss ist kein Selbstzweck.
@plueschmors Vielleicht geht es dabei eher um die "geistige Orientierung"; wir sollen uns ja auch nicht am weltlichen orientieren und das ist der Materialismus. Das können wir ja nicht ins Leben nach dem Tod mitnehmen, daher ist es besser, sich ihm nicht zu sehr hinzugeben, sondern sich lieber auf "geistige Werte" wie Wissen, Erfahrung ect. zu konzentrieren.
xD Ich hoffe, ich hab mich verständlich genug ausgedrückt.