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Bedeutung sakraler Räume für christliche Gemeinden

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GoodFruit
Themenstarter
Beiträge : 2609

Hallo Community,

ich möchte mir mit Euch zusammen Gedanken darüber machen, welche Bedeutung sakrale Bauten - also Kirchen - für christliche Gemeinden haben. Ist das nur ein beliebiger Versammlungsort oder wohnt diesem Ort etwas Besonderes, etwas Heiliges, inne, das ihn für das Glaubensleben bedeutsam macht?

Inspiriert hat mich die Hochzeit von Christian Lindner und seiner Frau, die beide nicht Mitglied einer Kirche sind, aber in einer Kirche geheiratet haben. Über diese Hochzeit, den Ort, die Gäste, die Kosten usw. wurde ja viel diskutiert und ich wundere mich ein wenig, dass es hier nie ein Thema war. Zur Hochzeit selber kann ich sagen, dass ich Christian Linder von Herzen alles Gute wünsche und dass ich mich darüber freue, dass er eine schöne Feier an einem besonders schönen Ort haben durfte. Ich will da einfach neidlos gönnen und mich einfach mitfreuen.

Weshalb mich diese Hochzeit dann doch zu diesem Thread inspirierte ist folgendes: Ich kann mich erinnern, dass es eine Zeit gab, in der für viele Kirchenmitglieder zentrales Moment ihres Dranbleibens an der Gemeinde, die Möglichkeit war, besondere familiäre Anlässe wie z.B. eine Trauung in der Kirche feiern zu können. Der Ort war da fast wichtiger als der Pfarrer und es ist eine "richtige Kirche" ja auch ein gutes Umfeld für das Jawort. Es war klar, dieser Ort nicht offen war für Hochzeiten, wenn beide zu trauenden Partner nicht in der Kirche waren.

Die Hochzeit in der Kirche zu Keitum markiert nach meinem Eindruck hier eine historische Wende. So empfinde ich das zumindest. Die Kirche wird zur Event-Location mietbar für jeden, der es sich leisten kann (ich denke mal, dass die Kirche da angemietet wurde und nicht einfach so zur Verfügung stand).

Das dürfte Konsequenzen haben einmal für die christlichen Gemeinden, die sich vermutlich bald von all jenen Gemeindegliedern Abschied nehmen dürfen, die nur wegen der Exklusivrechte an der Kirche noch an Bord waren. Dann aber auch für die Kirchen selbst, die jetzt nicht mehr den Gottesdienst als einzig zentrales Moment haben.

Als kleinen Input habe ich ein PDF im Netz gefunden, das sich mit sakralen Räumen in verschiedenen Religionen befasst:

https://www.potsdamer-toleranzedikt.de/wp-content/uploads/2018/11/IRK-2016.pdf

Herausgegeben hat es ein Verein "Potsdamer Toleranzedikt e.V.".

Ich finde da den Beitrag zum christlichen Verhältnis zu Sakralbauten (Seite 4 im PDF) eine sehr gute Übersicht.

Das Christentum startete ja als jüdische Sekte. Für Paulus waren es immer die jüdischen Gemeinden, die er zuerst aufsuchte und wo er den Gottesdienst besucht haben dürfte. Darüberhinaus fand das speziell christliche Leben in den Häusern der Gemeindeglieder statt - heute würden wir das wohl "Hauskreise" nennen.

Mit Kaiser Konstatins Zuwendung zum Christentum (bzw. jener Mischform aus Christentum und Anbetung des Sol Invictus, die ihm als Christentum verkauft wurde), entstanden erste große christliche Sakralbauten, die sich von Basiliken ableiteten, die für die Krönung von römischen Kaisern verwendet wurden - wo dann einfach das Kaiserbild durch eine Jesusdarstellung ersetzt wurde. An sich ja eine wirklich schöne Geste und ein schönes Bild: wir krönen im Gottesdienst Jesus zum Kaiser! (wobei: hat das nicht eigentlich Gott schon ein für alle Mal gemacht?). Der Talar der Pastoren ist übrigens von der alten römischen Beamtenbekleidung abgeleitet.

In dem oben verlinkten Dokument findet sich folgende Aussage: "Es gibt keine besonderen sakralen, heiligen Räume mehr. Das ganze Leben soll geheiligt sein. Das Christentum ist seit Pfingsten, dem Fest der Geistkraft Gottes, eine ortlose Religion, oder besser: eine Religion an allen Orten."

und weiter unten im Text:

"Kirchen sind aus evangelischer Perspektive Orte der Einkehr, der Stille, des Gebets, der Musik und der Feier, Orte der Verkündigung der frohen Botschaft, der liebevollen Zuwendung Gottes zu seiner ganzen Schöpfung. Es ist das Anliegen, der Gottsuche einen schützenden Raum zu geben, auch wenn sich die äußere Form von Kirchen verändert."

Damit ist die Aufgabe der Kriche, des Kirchengebäudes, in evangelischem Kontext gut umrissen. Es sind Orte der Gottesbegegnung und Orte, wo diese Gottesbegegnung einen besonderen geschützten Raum erfährt.

Bei diesem Schutzraum denke ich oft an dieses Jesuswort:

Mt 23,37 Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt!

Für mich ist das ein Bild, das ich gerne verwende, wenn ich Schutz suche. Ich stelle mir dann bildlich vor, wie ich in Golgatha unter dem Kreuz stehe - und Jesus hat die Arme weit ausgebreitet. Unter diesen ausgebreiteten Armen finde ich Schutz wie ein Küken unter den Flügeln der Glucke. Und wer wissen möchte, wie mächtig so ein Schutz ist, darf gerne mal versuchen einer Glucke ein Küken zu nehmen ...

Diesen Schutz kann ich wirklich überall haben. Vielleicht sind Kirchen ein Ort, wo man diese Visualisierung besonders gut einüben kann. Aber auch ganz praktisch haben ja immer wieder Menschen in Kirchenbauten Schutz gesucht - in Kriegen, bei Sturmfluten an der Küste, im Kirchenasyl ...

Ich sehe diesen Schutzraum nicht durch eine Teilnutzung der Kirche als Eventlocation gefährdet. Wohl aber scheint mir jeder inner Zwang zur Gemeindemitgliedschaft aus Gründen der Option der Kirchennutzung gebrochen zu sein. Das dürfte einerseits ein reinigender Effekt sein, weil sich so die Gemeindeglieder auf jene reduzieren dürften, denen der Glaube ein wirkliches Anliegen ist. Andererseits könnte das durch viele Kirchenaustritte Gemeinden in Geldnöte bringen - Geldnöte, die vielleicht sogar die Finanzierbarkeit eines alten sakralen Raums unmöglich machen könnten.

Und wenn das passiert, dann ist die eigentlich zentrale Funktion der Kirche als Gebäude in Gefahr.

Nicht überall dürfte sich die Umwidmung so extrem gestalten (das hier war mal ein Gotteshaus der NAK):

https://www.gruseleum.de/

Aber der geistliche Schutzraum mit dem besonderen Charakter ist dann futsch.

Nun Fragen von mir an Euch:

Wie wichtig ist die Kirche für Euren Glauben?

Könntet Ihr Euch vorstellen, dass die Kirche als Eventlocation vermietet werden könnte?

Für welche Events würdet Ihr das einschränken wollen?

Wären Euch auch deutlich günstiger zu betreibende Zweckbauten ein möglicher Ersatz für eine alte Kirche?

Sind sakrale Bauten für Euch von bvesondere Bedeutung - und wenn ja: welche Bedeutung haben sie für Euch?

Viele Grüße

GoodFruit

 

Antwort
16 Antworten
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@goodfruit 

Wie wichtig ist die Kirche für Euren Glauben?

Überhaupt nicht. Gerade als Jesus Freaks sind wir gewohnt Gottesdienste auch an ungewöhnlicheren Orten zu feiern. Meine persönlichen Highlights waren die alte Utting und einmal eine Kneipe, wo ich am Freitag meinen Geburtstag gefeiert habe und am Sonntag da im Gottesdienst war.

Könntet Ihr Euch vorstellen, dass die Kirche als Eventlocation vermietet werden könnte?

Auf allen meinen Reisen besuche ich Kirchengebäude immer sehr gerne, und dabei stellt sich mir eher die Gegenfrage: War eine Kirche jemals etwas anderes?

Wenn ich zB an den Aachener Dom denke, dürfte das jedem klar sein was ich meine, aber ich war mal zu einer Taufe in einem Dorf mit ~2.000 Einwohnern irgendwo in der Pfalz, und als da die Orgel eingesetzt hat, ist mir klar geworden, dass selbst im hintersten Dorf die Kirchengebäude über viele Jahrhunderte den besten Sound, die besten Musiker, die beste Lichtshow und teilweise sogar Nebelmaschinen hatten. 

Für welche Events würdet Ihr das einschränken wollen?

Ich bin selbst mit einer Gemeinde in Kontakt, wo aktuell erwogen wird, das Kirchengebäude auch außerhalb zu vermieten. Grundsätzlich würde ich da erstmal sagen, dass der Besitzer Hausrecht hat und er erlauben und einschränken kann, wie es ihm passt.

Ich persönlich würde da, neben den klassischen Hochzeiten, auch Kulturveranstaltungen gut heißen, musikalisch natürlich, aber auch für andere Künste. Einschränken würde ich es für Dinge, die obiges nicht im Vordergrund haben, die politisch sind und natürlich für Dinge die explizit antichristlich sind oder sich gegen den Hausherren richten.

Wären Euch auch deutlich günstiger zu betreibende Zweckbauten ein möglicher Ersatz für eine alte Kirche?

Ich finde Zweckbauten völlig in Ordnung, finde aber (auch profane) Altbauten grundsätzlich attraktiver, selbst wenn sie modernisiert wurden. Ich kenne tatsächlich wenige Zweckbauten bei denen ich sagen kann, dass sie gelungen sind oder dessen Gebäudebesuch ich weiterempfehlen würde. 

Ich denke dass es für eine Gemeinde oder dem Christentum an sich wieder wichtig werden muss, einen attraktiven Versammlungsort zu haben und zu bieten.

Sind sakrale Bauten für Euch von bvesondere Bedeutung - und wenn ja: welche Bedeutung haben sie für Euch?

Eigentlich haben sie für mich nur architektonische, künstlerische und historische Bedeutung (wenn sie es denn haben). Die Idee sakraler Gebäude oder Orte lehne ich grundsätzlich ab, wenn ich aber auch anerkennen muss, das Gott an manchen Orten vorliebiger zu wirken scheint und ich das Gefühl habe, dass man das manchen Orten auch abspüren kann. 

 

 

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lubov
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@goodfruit 

Wie wichtig ist die Kirche für Euren Glauben?

Die Kirche als Gebäude ... nun, viele Kirchen sind mit dem Ziel gebaut, den Blick, die Gedanken und Gefühle auf Gott zu richten, als Hilfestellung zur Gottesbegegnung, als expliziter Ort der Gottesbegegnung. Das merkt man vielen davon an, und als solche finde ich sie hilfreich.

Natürlich ist "die Kirche" als Leib Christi, als Gemeinschaft der Gläubigen bzw. Gemeinschaft der Heiligen, viel kostbarer. Kirchen sind aber Orte, wo der Leib Christi sich gezielt sammeln kann, das gibt ihnen Wert.

Könntet Ihr Euch vorstellen, dass die Kirche als Eventlocation vermietet werden könnte?

Das passiert immer mal wieder, teils nach der Entwidmung, teils - mehr oder minder direkt oder indirekt - durch die Schaffung von Eventkirchen. Hochzeitskirchen, Kletterkirchen, Fastenkirchen, Kirchen, in denen man auch übernachten kann... je nach konkreter Umsetzung finde ich das mal mehr, mal weniger gut. Natürlich eignet sich nicht jede Kirche für jedes Event.

Für welche Events würdet Ihr das einschränken wollen?

Das ist mMn so pauschal nicht formulierbar.

Wären Euch auch deutlich günstiger zu betreibende Zweckbauten ein möglicher Ersatz für eine alte Kirche?

Die pekuniäre Realität führt ab und zu zu solchen Bauten, und es klappt mal mehr, mal weniger gut. Eine alte, "unrettbar" baufällige Kirche abzureißen tut mir weniger aus theologischer denn aus historisch/architektonischer Sicht weh.

Mittlerweile kenne ich doch den einen oder anderen "modernen Zweckbau" - und ja, da kommt es auch auf die Architektur, mMn aber mehr noch auf die Gemeinde an, ob man wahrnimmt, dass da Kirche ist. Weil Kirche halt erst Gemeinschaft der Gläubigen, und danach erst Gebäude ist. Aber ich wiederhole mich.

Sind sakrale Bauten für Euch von bvesondere Bedeutung - und wenn ja: welche Bedeutung haben sie für Euch?

Nicht automatisch. Ganz generell ist aber vielen Sakralbauten (nicht nur Kirchen, sondern auch denen anderer Religionen) eben das Ziel an- und abzuspüren, Raum für Gottesbegegnung sein zu wollen und auch oft zu sein. Und das, finde ich, sollte nach Möglichkeit gewürdigt werden.

lubov antworten
Kappa
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@goodfruit

""Kaiser Konstatins Zuwendung zum Christentum (bzw. jener Mischform aus Christentum und Anbetung des Sol Invictus, die ihm als Christentum verkauft wurde),""

Ich weiß ja nicht was Dir als Christentum verkauft wurde, aber die alte Kirche der ersten Jahrhunderte welche den Terror des römischen Staates mit dem Blut unzähliger Märtyrer überwunden hatte, diese ist das Christentum und die Wurzel aller heutigen Gläubigen. Oder kannst du mir eine andere Linie aus der Zeit zeigen, die bis heute existiert?

Die Bischöfe denen du vorwirfst Jesus sein Willen mit einem Sonnenkult vermischt zu haben, die sind für Christus größeren Teils gestorben. Das zeitlich sich in der Nähe befindende Konzil bezüglich des Auftreten Konstantins, bei diesen gab es von den Bischöfen nur eine Handvoll, die nicht extreme Spuren von Folter an sich trugen. Das ist dokumentiert. Aber ja, alle diese Menschen haben das nicht für den Namen Jesus getan, sondern für eine von vorne bis hinten verheuchelte Mischung eines römischen Sonnenkultes. Muss sich ja richtig gelohnt haben für die Bischöfe.

 

kappa antworten


Kappa
 Kappa
Beiträge : 240

Achso, wenn Du glaubst das die alte Kirche ein heidnischer Kult gewesen ist, warum gründest Du deinen Glauben dann auf das religiöse Buch genau dieser Gruppe??

Good fruit es ist mir klar Du willst Gott reines Gewissens dienen. Aber nicht aller Nonsens der im Evangelikalen Bereich über die Kirche verzapft wird hat Hand und Fuss oder ist korrekt 

Geh zu YouTube oder Ticktok, da finden genug Theologische Diskussionen auf Augenhöhe statt zwischen Vertretern der Konfessionen, ich selbst kenne auch noch einen Marcel dort, der kennt sich Geschichtlich und Theologisch ausgezeichnet aus. Dann kannst Du Argument gegen Argumentation hören und sehen, was Sache ist. 

 

 

kappa antworten
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