Augustinus - ein sc...
 
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Augustinus - ein schlechter Kirchenvater?

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GoodFruit
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Hallo Community,

ich bin grade über eine Auseinandersetzung mit calvinistischen Inhalten auf Augustinus gestoßen.

Augustinus wird 354 als Augustinus von Hippo in Nordafrika geboren. Er hat eine christliche Mutter und einen heidnischen Vater. Er lebt seine Jugend ohne Gottesbezug, lebt in "wilder Ehe" und macht wohl so einiges an sexuellen Erfahrungen, die ihn dann später dazu verleiten, massiv gegen Sexualität zu predigen. Mich erinnert das an den Kaiser Augustus, der in sexuell wilden Zeiten es als Kaiser in Rom besonders wild treibt und dann extrem restriktive Ehegesetze erlässt, die durch ein Spitzelsystem überwacht werden und so den römischen Staat zum Terrorstaat, der sich vom Gut seiner Opfer schöne Tempel baut, werden lässt.

Augustinus kommt über ein Rhetorikstudium zur Philosophie und schließlich zur gnostischen Sekte der Manichäer und dann aber zum Christentum.

Hier eine nette und leicht zu lesende Darstellung des Lebenslaufs des Augustinus:

http://theologie-kompakt.de/beitrag/augustinus/

Am Ende seines Lebens wird er die Theologie in Europa maßgeblich geprägt haben und zahlreiche Lehren installiert haben, die im Licht der Bibel fraglich scheinen und die Theologie und das, was wir heute glauben, aber stark geprägt haben. Er hat auch den Orden der Augustiner gegründet.

Weshalb ich auf Augustins gestoßen bin, war eine aktuelle Auseinandersetzung mit der Thematik der Prädestination.

Hier ein kurzes Video dazu von Roger Liebi, evangelikaler Theologe, der lange an der theologischen Hochschule in Basel gelehrt hat:

https://www.youtube.com/watch?v=gUE9_UDOvjQ

Roger Liebi stellt hier vor allem die Dissertation von Ken Wilson vor, die in Deutschland als Buch unter dem Titel: "War Augustin der erste Calvinist?" erhältlich ist. Wilson hat sämtliche Schriften Augustins in zeitliche Reihenfolge sortiert und so eine Art geistlichen Lebenslauf des Kirchenvaters erstellt. Dabei stellt Wilson einen Bruch in der Lehre des Augustinus fest, bei dem es zu einem Rückfall in die Lehren der gnostischen Manichäer und philosophisch geprägter Theologie kommt. Hier findet sich dann eine Hinwendung zur Lehre einer totalen Prädestination - also jener Lehre, nach der Menschen mehr oder weniger Marionetten Gottes sind und die dann sogar zu Auswüchsen führt, dass Menschen als Gerettete oder Verlorene abgeurteilt und entsprechend behandelt werden. Das führt dann zu einem Fassadenchristentum und einer Angst als gescheiterter Christ zu gelten. Verbreitet hat diese Lehre in jüngerer Zeit insbesondere Calvin, der aber als Augustinusexperte seine Lehre von Augustinus und damit letztendlich von den Manichäern übernommen hat.

Damit hätten wir das Problemfeld "Prädestinationslehre" mit Augustinus als Theologe, der sie in die christliche Theologie eingeschleust und stark gemacht hat.

Weitere Themen sind:

Verwendung von Allegorien zum Verständnis der Schrift.

Viele seiner Lehren saugt Augustinus aus Allegorien, die er quasi zwischen den Zeilen der Bibeltexte liest bzw. Bilder, die er aus Bibeltexten herauszieht und dann auf anderen Kontext überträgt. Dies ist eine in der Philosophie bekannte Technik, die bis dahin in der Theologie nicht so Anwendung fand. Die Bibel wird nicht mehr wörtlich genommen, sondern im übertragenen Sinne - und um diesen übertragenen Sinn verstehen oder überhaupt erst erkennen zu können, bedarf es philosophischer Ausbildung - das war also nichts mehr für Laien.

Hier ein Artikel, der beispielhaft zeigt, wie Augustinus die Schöpfungsgeschichte geistlich - als Abbild heilsgeschichtlicher Prozesse (Jüngerschaft) umdeutet und wie sich dieses Bild im Laufe des Lebens des Augustinus verändert:

https://www.evangelium21.net/media/873/augustinus-und-der-buchstaebliche-adam

Hier ein mehr genereller Aufsatz zum Thema:

https://www.vision.org/de/die-schatten-des-augustinus-959

Überhaupt ist Augustinus stark von Philosophen wie Plotin geprägt. Er vertritt eine neuplatonische Sicht, die auf der einen Seite eine starke Veränderung auf die Sicht auf das Wort Gottes mitbrachte, auf der anderen Seite aber auch schon eine Art Sollbruchstelle mit dem aufkommenden naturwissenschaftlichen Denken vorbereitete. Denn davon hielt Augustinus nicht besonders viel - aus der zuletzt zitierten Schrift:

Augustinus hinterließ der Kirche ein Weltbild, das sein Wissen über die materielle Welt aus der allegorischen Deutung von Bibelstellen gewinnen wollte, die nicht für diesen Zweck geschrieben waren. Der Prozess Galileis illustriert dies. Die Kirche stufte sein Konzept des Universums als Irrlehre ein.

Philosophisch zu deuten ist auch Augustins Ablehnung des Sexuellen:

Augustinus' Ansichten über Sex waren durch Vorstellungen außerhalb der Bibel verzerrt. Weil in der Philosophie so vieles auf dem Dualismus beruhte, in dem das Körperliche als böse und das Geistige als gut bewertet wurde, idealisierten manche Philosophen die Ehelosigkeit. Sexuelle Beziehungen waren körperlich und somit böse. (auch aus dem Aufsatz bei vision.org)

Damit werden dann auch gleich die Herkunft vieler problematischer Haltungen der Kirchen der letzten Jahrhunderte deutlich.

Augustinus philosophische Sicht bescherte uns auch die Lehre von der Erbsünde und damit der Notwendigkeit, bei Maria eine unbefleckte Empfängnis anzunehmen:

Man ging zum Beispiel davon aus, Jesus sei unbefleckt empfangen worden - ohne Sünde, da sein Vater Gott war. Da aber seine Mutter Maria einen menschlichen Vater hatte, war sie von der Erbsünde betroffen. Um Jesus Christus nun als perfekten Nachkommen zu präsentieren, der von keinem Elternteil Sünde geerbt hatte, musste die Kirche einen Weg finden, Maria als sündenfrei zu bezeichnen. Das tat sie mit der Lehre der unbefleckten Empfängnis, obwohl dies unausweichlich weitere Fragen aufwirft.

[...]

Augustinus' Fehldeutung der Sünde beruht darauf, dass er die Bibel durch das Prisma des Dualismus las - und wird tragischerweise von den meisten zeitgenössischen Theologen als Dogma akzeptiert. Die Lehre der Erbsünde hat mehr mit Augustinus' Wunsch zu tun, den Philosophen nachzueifern, als mit der Heiligen Schrift.

Augustinus haben wir die Kindertaufe als Standard zu verdanken (die es bis dahin wohl nur als Nottaufe gab). Denn wenn es Erbsünde - eine Lehre, die Augustinus aus seinen philosophischen Betrachtungen der Bibel generierte - gab, dann musste die ja abgewaschen werden, damit das Kind nicht in die Verdammnis kam. Ob die Kinder, die Jesus zu sich rief, als er den Umstehenden erklärte, dass den Kindern das Himmelreich gehöre, getauft waren?

Augustinus prägte auch wohl die Vorstellungen von der Hölle, die dann die geistliche Welt im Mittelalter mit Angst besetzte.

Es scheint mir, dass so gut wie alle Thematiken, die heute Gemeinden trennen und uns den Leib Christi in einer Vielfalt gebracht haben, der mir nicht gut erscheint, von Augustinus eingeführt wurden.

Ich schreibe dies alles nicht, um Augustinus dafür zu verurteilen, sondern weil ich es für wichtig erachte, dass man einfach mal schaut, woher die einen oder anderen Ansichten kommen, die heute große Probleme für die Einheit des Leibes Christi darstellen.

Wie Paulus vom Pharisäertum geprägt war, weil dies seine Ausbildung war, so ist Augustinus vom philosophischen Denken geprägt, dass sich oft krass vom hebräischen Denken unterscheidet.

Was Augustinus in meinen Augen ehrt, das ist der Umstand, dass er fähig war, Irrtümer einzugestehen und Ansichten zu verändern. Dass er dabei dann auf die Ansichten einer gnostischen Sekten zurückfiel, muss wohl als tragisch betrachtet werden.

Augustinus hatte es sicher nicht leicht. Die philosophische Sicht der Dinge war in jenen Jahren "in" und vermutlich musste die Kirche da irgendwie reagieren. Augustinus hatte sich mit Lehren aller möglichen Art auseinanderzusetzen und in einem höchst breit gefächerten Feld an Ansichten zu argumentieren.

Zu beachten ist auch noch der historische Kontext, in dem Augustinus lebte. Das römische Reich befand sich im Zustand des Verfalls. Das war insofern problematisch, als das Christentum ja nach Kaiser Konstantin römische Staatsreligion geworden war und eng mit dem römischen Reich verknüpft war. Wenn Konstantin eine erste Welle unguter geistlicher Verformungen in die christliche Welt brachte - mit den von ihm verordneten brachte (Liturgie und Gebäude der Gottesdienste den Krönungsfeiern für römische Kaiser nachempfunden, Talare sind im Grunde genommen Dienstkleidung römischer Beamter, "Eingemeindung" von heidnischen Bräuchen mit christlicher Umwidmung ...), so war es Augustinus, der mit seinen philosophischen Ansätzen biblische Inhalte verformte und Lehren aufbrachte, die wir wohl biblisch als Irrlehren betrachten müssen. Den nächsten großen Schritt der Verformung (wenn wir mal die Krisenzeiten des Papsttums mit seinen weltlichen Verfremdungen und Allmachtsphantasien ausklammern), dann kommt die nächste große Welle der Verfälschung erst bei Bultmann und seinem Ansatz der Entmystifizierung der Bibel.

Aber wir waren ja beim historischen Verdienst des Augustinus - und der ist nicht unterzubewerten. Augustinus hat das Christentum aus einem untergehenden römischen Reich herausgerettet:

https://www.deutschlandfunk.de/augustinus-vater-der-abendlaendischen-theologie-der-fall-100.html

Augustinus war sich gegen Ende seines Lebens wohl bewusst, dass er theologisch so einigen Unfug von sich gegeben hatte. Er versuchte in seinem Werk "Retractiones" viele Ansichten zu revidieren und so den Schaden zu begrenzen. Dass er dazu fähig war, zeichnet ihn als verantwortungsvollen Denker aus. Viel Erfolg hatte sein Rückruf aber wohl nicht. Seine Ansichten prägten das Christentum über die Jahrhunderte - und da sie oft vom Evangelium wegführten, leider nicht in positiver Hinsicht.

Ich wollte das einfach mal zusammenstellen, weil mir die Tragweite der Person des Augustinus erst grade jetzt bewusst geworden ist.

Wenn ich da Irrtümern aufgesessen bin, dann korrigiert mich bitte. Und wenn Euch noch Aspekte bekannt sind, mit denen Augustinus die Kirchengeschichte und die Thologie geprägt hat, dann schreibt das bitte auch.

Wichtig finde ich auch, wie wir als Christen aus der Nummer wieder raus kommen. Denn die Reformation hat ja von den Abwegen der römische katholischen Kirche jener Jahre zurückgeführt - aber eher auf den Status Quo des Augustinus hin als wie auf das wahre Fundament, das Eveangelium zu.

Liebe Grüße,

GoodFruit

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156 Antworten
Deborah71
Beiträge : 22788

@goodfruit 

Beachtlich, wie du da dich reingekniet hast.  Über Augustinus weiß ich kaum etwas und lese daher gespannt mit und acker mich auch mit der Zeit durch deine links durch.

deborah71 antworten
7 Antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2561

@deborah71 Ich habe grade selber noch von den Links, die ich gegeben hatte, weitergesurft und war da auf zwei weitere vision.org Seiten gestoßen, die sich als ausgesprochen ergiebig erwiesen:

https://www.vision.org/de/biografien-augustinus-ein-gigant-abseits-seiner-zeit-717

https://www.vision.org/de/der-giftbecher-des-augustinus-385

Dort hab ich dann auch gelesen, dass der Augustiner Orden sich zwar auf Augustinus beruft - aber viel später gegründet wurde. Martin Luther war Augustinermönch.

Es gibt da noch viele andere Seiten im Netz. Einige fand ich inhaltsreich, aber sehr schwer zu lesen - unter anderem auch deshalb, weil da ein gewisser Disput mit Theologen verschiedener Meinung ausgetragen wurde.

Hier noch eine Buchbesprechung des Buches, das Roger Liebi zum Anlass seines kurzen Statements (YouTube Link im Eröffnungsthread) nimmt:

https://www.evangelium21.net/media/3219/war-augustin-der-erste-calvinist

Hannah Arendt hat ihre Dissertation über den Liebesbegriff bei Augustinus verfasst.

Wittgenstein hat sich philosophisch mit Augustinus auseinandergesetzt.

Es gibt da wirklich sehr, sehr viel - einfach, weil Augustinus auch sehr viel geschrieben hat und weil sein Wirken große Auswirkungen im westlichen Europa hatten.

Für mich war einfach auffällig, dass so gut wie alle großen Streitthemen innerhalb der christlichen Kirchen, sich auf Lehren von Augustinus zurückführen lassen, die dieser aufgrund einer philosophischen Betrachtung der Schrift aufstellte. Vielleicht wäre hier ein Schlüssel, sich das mal kritisch anzusehen und dann zu einer größeren Einheit innerhalb des Christentums zu kommen.

Wenn ich mir die Prädestinationslehre einfach mal als Beispiel nehme, so gehe ich davon aus, dass sie entstanden ist, weil göttliche Realität zu menschlich gesehen wurde. Die Ewigkeit ist keine sehr, sehr lange Zeit, sondern die Ewigkeit kennt keine Zeit - es ist eine Realität ohne Zeitachse. Und da Gott ewig ist, sieht er natürlich alles, wenn er auf uns blickt: er kennt uns schon vor der Geburt und er weiß, wo wir einmal landen - und das bedeutet keinesfalls, dass unsere Entscheidungen in der zeitgebundenen, materiellen Welt damit nicht frei und offen wären.

Hilfreich ist es immer auch, sie die Konsequenzen von Augustinus Lehren vor Augen zu führen. Während die reinen Lehren oft logisch nachzuvollziehen sind, werden sie oft absurd, sobald man sie auf reale Beispiele anwendet. Nehmen wir die absolute Prädestination: Sie würde bedeuten, dass Menschen geboren werden, die nur leben, um zu scheitern, während andere zwangsläufig erfolgreich sein werden. Dann kann ich fragen: warum gibt es die Menschen, die scheitern? Wenn Gott Ihr Schöpfer ist, dann hieße das, dass Gott entweder unfähig ist (das Erdenleben als Qualitätskontrolle, die Fehlproduktionen aussortiert) gute Menschen zu schaffen - oder aber dass Gott bewusst unfähige Menschen schafft - also in gewisser Weise pervers sein muss. Und wenn ich mir jetzt überlege, dass ich, wenn ich Prädestinationslehre predige, automatisch mit predige, dass Gott entweder unfähig oder pervers sein muss - dann wird der ganze Unsinn der Lehre schön deutlich.

Und so lässt sich das mit vielen Dingen machen. In den Texten, die ich gefunden habe, wird ein seinerzeit diskutiertes Beispiel als Argument gegen die Lehre der Erbsünde und der daraus folgenden Notwendigkeit zur Kindertaufe vorgestellt: Eine Hure bekommt ein Kind und legt es einer christlichen Familie vor die Tür. Die Familie nimmt das Kind auf, lässt es taufen, das Kind stirbt, gilt als gerettet. Eine fromme, herzensgute Frau bekommt ein Kind und das Kind stirbt, bevor es getauft werden kann - das Kind kommt wegen der Erbsünde in die Hölle. Ist das eine sinnvolle, nach dem, was wir von Gottes Gerechtigkeit aus der Bibel wissen, gerechte Sache?

Auch kritisch gesehen werden muss die Ablehnung von Naturwissenschaft aus Gründen der Bevorzugung philosophischer Techniken zum Erkenntnisgewinn. So wie es für mich grad aussieht, sind die Kirche und die Naturwissenschaft nicht aus biblischen Gründen, sondern aus philosophischen Gründen aneinander geraten. Man lehnte einfach die schnöde Erkenntnis aus der materiellen Welt ab. Damit wäre ein Hauptkritikpunkt am Glauben, den viele Atheisten anführen (und zu Recht anführen), nicht aus dem Evangelium heraus entstanden, sondern wäre der Bevorzugung philosophischer Techniken, die nichts mit dem Glauben an sich zu tun haben, anzulasten.

Augustinus war sicher eine große Persönlichkeit und eine wichtige Stütze der Kirche in der kritischen Phase des Untergangs des römischen Reiches. Er musste die Kirche aus einer Situation herausführen, in die sie biblisch nie hätte kommen dürfen - aus der Situation einer stark staatlich verbandelten Kirche in einem sterbenden Staat.

Er tat dies als gelehrtes Kind seiner Zeit, mit Techniken, die auf der Höher ihrer Zeit waren. Die Tragik darin erinnert mich an den Versuch zu Davids Zeiten, die Bundesladen auf einem Ochsenkarren zu transportieren statt sie, wie gefordert, an den Stangen zu tragen.

Augustinus ahnte bereits zu Lebzeiten den Schaden, den er da gesetzt hatte. Sein Versuch, Lehren mit der letzten großen Schrift zurückzuziehen, zeigt dies ebenso wie der Umstand, dass die Wände seines Sterbezimmers mit Bußpsalmen beklebt waren.

Ich denke nicht, dass da Augustinus eine wirkliche Schuld trifft und überhaupt gilt ja auch für ihn die Gnade des Kreuzes. Er hat sein Leben nach bestem Wissen und Gewissen Gott gegeben und er hat wohl nicht nur Gutes getan. Vieles bleib "gut gemeint".

Aber wenn wir heute sehen, dass die Kirchen und weite Teile der Christenheit unter seinen Lehren leiden, indem da Streit ist unter ihnen und so manche Lehre zu unvorstellbar bösem Tun von fehlgeleiteten Christen führt, könnte man ja mal überlegen, in eine Reformation, die zum Kern des Evangeliums, die zum neuen Bund führt, anzugehen.

 

goodfruit antworten
Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1211

@goodfruit Jedem aber, dem viel gegeben ist – viel wird von ihm verlangt werden; und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man desto mehr fordern. Luk 12, 48 - fällt mir dazu ein.

Bei dem Thema erinnere ich mich immer an Abraham und was wäre, wenn er und Sarah es geschafft hätten, ohne eigene Hilfe auf Gott zu vertrauen und Ismael gar nicht erst entstanden wäre. Wieviele Kriege, wieviel Leid bis in den persönlichsten Bereich … jedenfalls gäbe es auch die Jahreslosung nicht in der Form mit dieser Hintergrundgeschichte und da sehe ich plötzlich auch die Segenslinien überall, die sich durch finsterste Situationen ziehen und gelegentlich zu einem hellen Schein werden. Gott war und bleibt immer der Souverän.

Das ganze Schauspiel hier auf Erden scheint ja zu geschehen, damit die Finsternis wirklich überwunden wird, nicht einfach nur verboten und eliminiert, was Gott zweifellos tun könnte. Im persönlichen Durchstehen und Jesu Werk am Kreuz in uns lebendig werden zu lassen, tun wir etwas, das in Ewigkeit seinen Wert hat und nebenbei noch eine Menge Blödsinn.

Wenn Gott die Menschen nicht verwirft, sondern ihnen sogar Macht gibt, dann hat er auch einen Ausweg, mit der Fehlerhaftigkeit umzugehen. Sicher hat Augustinus auch falsche Lehren verbreitet. Ehre sei diesem Vorvater für das Gute und den Rest, du hast Recht, darf man zur Diskussion stellen und daraus lernen. Danke also für deine Ausführungen, ich kann da noch viel lernen bzw. wenig beitragen. 

eine Reformation, die zum Kern des Evangeliums, die zum neuen Bund führt, anzugehen.

Wie meinst du das? Versucht nicht fast jede Erneuerungsbewegung und Kirchenneugründung genau das zu tun?

tagesschimmer antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2561

@tagesschimmer Hallo Tagesschimmer,

was ich hier beleuchten will ist einmal die historische Situation, in der die Kirche eine Wendung nahm, die uns heute noch sehr bestimmt und zum anderen, vielleicht die Aufgabe, die für uns daraus erwächst, wenn wir zu einer Kirche kommen wollen, die wirklich Leib Christi in Einheit werden kann.

Ich verstehe Augustinus aus seiner historischen Situation heraus und will ihn jetzt nicht mit dem Wissen von heute verurteilen.

Er war vor allem mal eine große Persönlichkeit und in der Situation, in der die Kirche seinerzeit stand, war genau so jemand erforderlich. Er war ein Mann, der seinen eigenen Weg ging - das hatte er schon von Jugend auf gezeigt. Er war ein Mann, der offen war für Neues und der sich nicht scheute, Leid und Not auf sich zu nehmen, um voranzukommen. Er hatte eine gute Ausbildung. Als Experte für Rhetorik konnte er reden und die Menschen überzeugen. Seine Zeit in der gnostischen Sekte hat ihm möglicherweise Kontakte verschafft, die gesellschaftlich wichtig waren. Andererseits kamen von hier einige irrige Gedanken wie die der Prädestination und er hätte nach den Regeln der Kirche mit so einer Geschichte nie Bischof werden dürfen. Und er wollte ja auch nicht Bischof werden - man hat ihn in dieses Amt gedrängt, weil die Lage der Kirche wohl so verzweifelt war. Es ging darum, nicht mit dem Staat, an den man sich so eng gebunden hatte, unterzugehen. Und dies zu verhindern, ist vielleicht der größte Verdienst des Augustinus und hier ist er denn auch ganz Kirchenvater geworden.

Er war aber in seinem ganzen Denken von griechischer Philosophie durchdrungen. Das war damals modern und er konnte damit glänzen und hat vielleicht die Kirche damit auch attraktiv und modern gemacht. Aber dies war nun mal nicht der Weg, wie Jesus gedacht und argumentiert hat und so driftete die Theologie dann weg von ihren Wurzeln.

Und das wurde nie korrigiert. Wir heute sind zumeist im Kontext mit Kirchen, die stark vom Augustinischen Denken geprägt sind. Und selbst wenn unsere persönliche Kirche dies nicht sein sollte, so ist doch die Kirche, die in der Gesellschaft wahrgenommen wird, Augustinisch geprägt, mit all ihren Unzulänglichkeiten, die ihre Wurzeln bei Augustinus selber haben.

- die Prädestinationslehre und daraus erwachsend richtete gesellschaftliche Strukturen, die mitunter satanische Ausmaße annehmen können und ihren Protagonisten die Gnade Gottes verbauen werden.

- die Frage der Erbsünde

- die Frage Kindtaufe/Erwachsenentaufe (erwachsend aus der Lehre der Erbsünde)

- die krass ausgeprägte Ablehnung körperlicher Liebe

- die Vorbehalte gegenüber naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn

- die durch Techniken der Philosophie geprägte Art und Weise, die Bibel zu lesen, mit Konsequenzen für das, was da dann hineininterpretiert wird (als Konsequenz die vielen Bibelübertragungn statt Bibelübersetzungen mit entsprechend mehr oder weniger starken theologischen Verfärbungen)

- daraus folgend das Verschließen des Zugangs der Theologie für Laien und das weitere Herausbilden einer Geistlichkeit mit klaren Herrschaftsansprüchen auf das Denken der Gläubigen.

- daraus folgend dann das Unterbinden wirklicher Gottesbeziehungen der Gläubigen und damit das Scheitern der Zweckbestimmung der Menschen.

In der Summe haben wir so eine Kirche, die das Evangelium nicht mehr klar predigt - vielleicht auch, weil sie das Evangelium und den neuen Bund überhaupt nicht mehr versteht. Und wir haben zahllose unbiblische Lehren, die von einigen Kirchen als elementarer Schatz betrachtet werden und die den Leib Christi erfolgreich geteilt und im Streit zurücklassen.

Für mich ist das eine Situation, die dringend geklärt werden muss. Wir leben in heilsgeschichtlich blockierten Zeiten - und das schon ziemlich lange. Vielleicht ist es ein Trick des Satans, mit dem er den Retter von den Menschen fernhält und so die Zeit bis zum jüngsten Gericht verzögert. Das ist nur so eine Idee von mir, die das Geschehen zu erklären versucht. Fakt ist für mich, dass viele Christen in ihren Kirchen weit unter ihre Möglichkeit bleiben bis dahin, dass sie komplett am Ziel vorbeileben.

In Jeremia 4,3 heißt es:

Denn so spricht der HERR zu denen in Juda und zu Jerusalem: Pflüget ein Neues und säet nicht unter die Dornen!

Vielleicht ist das dran für uns. Der Acker muss neu bestellt werden - vielleicht gibt es auch Dornenhecken zu roden - wir brauchen die Bereitschaft, neu zu ackern und zu säen, damit uns wieder Frucht erwächst.

Dies zu überdenken, ist eine Intention für diesen Thread.

 

Liebe Grüße

GoodFruit

goodfruit antworten
Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1211

@goodfruit Ich stimme dir in vielem zu. Was wären für dich die ersten Schritte? Bisher kenne ich zwei Ansätze: 1. in eine Kirche eintreten bzw. in ihr bleiben und erneuernd wirken, 2. sich in Gruppierungen zusammenschließen und neues versuchen.

tagesschimmer antworten
GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2561

@tagesschimmer Ich denke, dass das eine Sache ist, die stark vom persönlichen Umfeld und von der persönlichen Situation geprägt ist. Für den einen mag das bedeuten, in seiner Kirche Position zu beziehen - ein anderer fährt vielleicht besser, wenn er mal im Umfeld sondiert, ob es da nicht passendere Gemeinden gibt, die offener für kritische Betrachtung von spaltenden theologischen Haltungen sind.

Was jeder tun kann, ist aber, die problematischen theologischen Themen nicht als Anlass zu nehmen, sich von anderen Christen, die da andere Position beziehen, abzugrenzen. Wer weiß, dass diese Haltungen nicht biblisch, sondern nur philosophisch-theologisch entstanden sind, kann da drüber stehen und die Dinge vielleicht einfach ausklammern.

Da, wo ich hart auf die Annahme solcher Sichtweisen gedrängt werde, ist es vielleicht besser, die Gemeinde zu verlassen.

goodfruit antworten
Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1211

@goodfruit Ok, wenn man in so einem Umfeld ist, ist immerhin noch Kontakt da. Ich kenne aus den 90ern noch theologische Diskussionen, bei denen es richtige Positionen gab. Jetzt suche ich den Kontakt. Aber z.B. beim Alianzgebet gibt es hier gar kein Interesse, näher miteinander zu gehen. Deshalb bleibt der Kontakt auch oberflächlich und freundlich.

Also theologische Gespräche habe ich viel mit Gleichgesinnten, aber dass jemandem noch z.B. die Babytaufe so wichtig ist, dass er sich dafür einsetzt, habe ich lange nicht mehr erlebt. Zum Thema Geistesgaben, dass Jesus der einzige Weg ist oder Gebet höre ich ab und zu Spott und Sticheleien, immer so, dass kein Gespräch möglich ist. Ich erlebe es eher so, dass bestimmte Themen vorsichtig und freundlich abgefragt werden und man dann einfach abblitzt, wenn man nicht dazupasst. 

tagesschimmer antworten
TanjaRatowski
(@tanjaratowski)
Beigetreten : Vor 1 Jahr

Beiträge : 2

@goodfruit Vielen Dank für diesen nützlichen Beitrag

tanjaratowski antworten


GoodFruit
Themenstarter
Beiträge : 2561

Hier als Ergänzung noch ein interessanter Artikel zum Manichäismus, jener Sekte, zu der Augustinus eine Zeit lang gehörte, der er dann entsagte, um in den späten Jahren seines Schaffens doch wieder z.T. in deren Denken zurück zu verfallen. Begründer der Sekte war der Perser Mani (216–276/277).

https://www.welt.de/geschichte/article154324079/Manichaeismus-Die-perfekte-Religion-entsagte-Sex-und-Drogen.html

Das war also eine synkretische Sekte, die verschiedene Religionen vereinen wollte, die mit extremer Enthaltsamkeit daher kam, extrem elitär war (Trennung in Lehrer und Hörer) und die in der Zeit des Augustinus sehr aufstrebend war und vielleicht sogar das Zeug gehabt hätte, das Christentum zu verdrängen. Ein besonders charakteristisches Merkmal der Sekte ist die klare Scheidung zwischen gut und böse. Die Sekte ist somit so etwas wie die Mutter des schwarz-weiß Denkens. Das wird auch in dem Wikpedia Artikel zum Thema:

https://www.wikiwand.com/de/Manich%C3%A4ismus

... hier der letzte Abschnitt, deutlich.

Hier noch ein interessanter Artikel

https://www.deutschlandfunk.de/manichaeismus-apostel-des-lichts-100.html

 

goodfruit antworten
Gelöschtes Profil
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@goodfruit 

Augustinus - ein schlechter Kirchenvater?

Wie bei den meisten Kirchenvätern, gibt's bei ihm Gutes und Schlechtes. Das Gute bei Augustinus scheint mir jedoch schwerer zu finden zu sein als bei anderen (und bei Roger Liebi fällt's mir noch schwerer).

Deinen Hinweis auf Augustinus' "Reactiones" finde ich interessant, das werde ich mir anschauen. Vielleicht bessert sich mein Bild von ihm dadurch.

 

 

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GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2561

@billy-shears Nun, ich würde das Gute bei Augustinus in seinem kirchenpolitischen Wirken sehen. Was den theologischen Einfluss angeht, so hat er sicher ungute Entwicklungen abgewendet - aber andererseits einige ungute Entwicklungen und Haltungen induziert. Ihm war das wohl gegen Ende seines Lebens bewusst und er wollte Dinge ungeschehen machen. Das ist ihm nicht mehr gelungen. Aber dafür können wir, wenn uns bewusst geworden ist, wo wir da alten Zöpfen, die am falschen Kopf hängen, folgen, uns neu orientieren. Diese Neuorientierung wird dann automatisch Grenzen zwischen theologischen Strömungen und Gemeinden verschwinden lassen - der Leib Christi würde mehr das, was er sein sollte.

goodfruit antworten


Jigal
 Jigal
Beiträge : 3777

Augustinus ist ja sympathisch. Er tritt für die Kindertaufe ein.

Augustinus war für die französische Armee in Algerien wichtig. Der Magreb ist weit entfernt von Arabien und das Arabisch ist dort sind so geschliffen. Die Franzosen versuchten die Algerier von der islamischein Seite mit Augustinus wegzuziehen. Ihr seid keine Araber ihr seid Berber wie Augustinus auch ein Berber war.

jigal antworten
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Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 17470

@jigal 

Das "Berber" die indigene, von,  während der islamischen Expansion gewaltsam eingedrungen,  Arabern unterscheidbare, Ursprungsbevölkerung  Algeriens, Marokkos , Mauretaniens, Libyens, Tunesiens ist, ist Dir bekannt?

Amazigh haben eine von Arabern deutlich unterscheidbare Kultur und eigene Sprache.

 

Tamaziɣt gehört zur afro-asiatischen Sprachfamilie, Arabisch zur semitischen.

Auch wenn sie inzwischen mehrheitlich muslimisch sind, würde ich es, persönliche Erfahrung, niemals (mehr) wagen einen Amazigh als Araber zu bezeichnen.

 

 

 

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Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3777

@antonioa Natürlich ist mir klar, dass Berber keine Araber sind. Das sagt mein Beitrag ja auch aus. Die arabische Sprache kam nur durch die Islamisierung.

jigal antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7242

@antonioa (zum Beitrag)

Tamaziɣt gehört zur afro-asiatischen Sprachfamilie, Arabisch zur semitischen.

Die semitische Sprachfamilie ist ein Zweig der afro-asiatischen Sprachen (sviw sind alle in Asien gesprochenen afroasiatischen Sprachen semitisch).

hkmwk antworten
Jimmy
 Jimmy
Beiträge : 167

@goodfruit Hallo, du schreibst: "Ich verstehe Augustinus aus seiner historischen Situation heraus und will ihn jetzt nicht mit dem Wissen von heute verurteilen."

Das ist ein guter Ansatz. Leider verlinkst du Texte, die Augustin mehr oder weniger nur negativ darstellen. Natürlich lebte Augustin in seiner Zeit und musste sich den Herausforderungen seiner Zeit stellen. Er ging von dem damals selbstverständlich üblichen Schriftverständnis (Allegorien) aus. Dass ein evangelikaler Fundamentalist wie Roger Liebi das nicht gut findet, ist geschenkt.

Wenn bei vision.org der Einfluss der Philosophie auf die Theologie kritisiert wird, hat das zwar seine gewisse Berechtigung. Die westliche Theologie ist sicher neben der Bibel auch von dem griechischen philosophischen Denken geprägt und nicht von einem hebräischen Denken, das auch mal Gegesätze nebeneinander stehen lassen kann. Allerdings zeigen die Autoren, auf die du verweist, wie sehr sie selber diesem griechischen Denken verhaftet sind, in dem sie von ihrer Position aus urteilen, was angeblich falsch und richtig sein solle. Nun muss aber jeder Theologe sich mit dem Denken seiner Zeit auseinandersetzen und in "Anknüpfung und Widerspruch" (so ein guter berühmter Aufsatz von Rudolf Bultmann zum Thema der natürlichen Theologie) darauf reagieren. Mein Lehrer Prof. Oswald Bayer hat die Theologie daher als "Konfliktwissenschaft" bezeichnet, die eben immer wieder mit dem Denken der jeweiligen Zeit im Konflikt steht, aber auch nicht einfach sagen kann, alles sei schlecht, was die Denker der Zeit sagen. Da muss man schon genauer differenzieren. -

Zum Thema Prädestination nur kurz: natürlich habe ich es als Lutheraner leichter als die Reformierten, weil Calvin von einer doppelten Prädestination ausging. Allerdings ist der Gedanke der Erwählung durchaus biblisch. Da müßte man nun  genauer untersuchen, wie das zu interpretieren ist. -

Augustin hat die Naturwissenschaft auch nicht pauschal abgelehnt. Im Gegenteil konnte er die Schöpfungsgeschichte gut mit seinem Wissen über Naturwissenschaft vereinbaren, weil er die Genesis allegorisch las. Da hat heute ein evangelikaler Fundamentalist eher seine Probleme, wenn er Genesis 1-2 als wörtliche historische Berichte verstehen will und sie zu keiner Vorstellung von Evolution zu passen scheinen.

Ja, auch Luther hat manche Gedanken von Augustin übernommen und damit gewisse Ideen der Theologie/Philosophie des Mittelalters kritisiert. Andererseits hat Luther auch nicht alles von Augustin übernommen. So verfuhr auch Luther gegenüber Augustin in Anknüpfung und Widerspruch.

Zu Augustins gebrochenem Verhältnis zur Sexualität kann man nur sagen: vor seiner Bekehrung war sein Leben wohl sehr "ausschweifend" und später - in seinen "Bekenntnissen" - hat er die Sexualität fast gänzlich abgelehnt. Beides sind klare Übertreibungen gewesen, die leider (besonders) die katholische Kirche prägen (angefangen von der Idee des Zölibats). Das führte zu einer Sexualfeindlichkeit, die auch die evangelikale Sexualethik der vergangenen 200 Jahre geprägt hat, auch wenn das nicht direkt nur auf Augustin zurückgeht.

Du siehst insgesamt, wie Augustin - genauso wie alle Menschen - auch aus heutiger Sicht gute und schlechte Ideen und theologische Lehren hatte, auch wenn sie z. T. aus seiner Zeit erklärbar sind.

Der reformatorische Grundsatz "Ecclesia semper reformanda" (Die Kirche muss immer wieder reformiert werden.) gilt auch da. Heute muss auch bei Augustins Lehren in Anknüpfung und Widerspruch weitergedacht werden, wie Theologie heute zu beschreiben ist.

Gruß, Jimmy

jimmy antworten
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GoodFruit
(@goodfruit)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2561

@jimmy Hallo Jimmy,

vielen Dank für Deine lange Antwort!

Du bist da viel besser ausgebildet als ich, der sich vieles immer nur autodidaktisch aneignet.

Was Augustinus angeht, so finde ich den Zustand der Kirche zu der Zeit, als er die Bühne betritt, bemerkenswert. Die Kirche, die sich stark an den römischen Staat angekoppelt hatte, war damit gut gefahren, solange das römische Reich die Supermacht war. Das Untergehen dieser Macht stellte daher eine große Gefahr für die Kirche dar. Und da war Augustinus genau der richtige Mann zur richtigen Zeit. Er war bestens ausgebildet, er konnte reden, er war vom Wort Gottes fasziniert und er hat die Sache der Kirche zu seiner eigenen gemacht und hat sich persönlich ganz in diese Aufgabe hineingegeben. Das war und ist eine große Leistung.

Jeder Mensch ist durch seine Zeit und auch durch seine Ausbildung geprägt. Das ist bei mir und bei Dir so und das war bei Paulus nicht anders und auch bei Augustinus nicht.

Mich haben geprägt meine Kindheit auf dem Hof, die Nähe zur Natur, aber auch das Fehlen von vielfältigen menschlichen Kontakten. Zu Schafen und zu Kühen habe ich immer noch schnell eine Beziehung aufgebaut - aber zu Menschen ... Ich bin ein Kind der Mondlandung und großer technologische Fortschritte bis hin ins Internetzeitalter mit künstlicher Intelligenz, ein Kind naturwissenschaftlichen und damit stark auf Materielles bezogenes Denken. Ich bin ausgebildet von Lehrern, die die Freiheit der 68iger genossen haben und diese an ihre Schüler weitergeben wollten. Und in all dem bin ich ein Kind des Internets und ein Wissen-und Weisheitsliebender, der viel Zeit damit verbringt, Wissen zu sammeln, sich weiterzuentwickeln, neues kennenzulernen und zu diskutieren - und das mache ich hier auf Jesus.de seit vielen Jahren.

Augustinus war ein Mensch, der früh sein Leben selber in die Hand genommen hat, eigenständig eine Familie gegründet hat und dann die Bildung für sich entdeckte. Sein Denken war dabei stark von den Konzepten Platons geprägt. Er wurde zum Kenner Ciceros und das griechische Denken wird seine Firmware im Hirn. Er ist bereit, große Opfer zu bringen, sich selber aufzugeben, um in Fragen des Wissens und der Weisheit voranzukommen. Dafür war er bereit, sich der gnostischen Sekten anzuschließen, in der er extreme Askese und eine spezielle Weltsicht und eine elitäre Haltung kennenlernte. Und dann kam die Hinwendung zur Bibel, zu christlichen Mentoren, die seine Fähigkeiten bemerkten und ihn in die Aufgaben führten, für die wir ihn heute kennen.

Augustinus war bestens vorbereitet in seiner Zeit philosophisch zu argumentieren und auch die Kirche politisch in der schwierigen Zeit zu führen. Das war damals außerordentlich wichtig - so schätze ich das jedenfalls ein.

Aber wir müssen eben auch sehen, dass Augustinus in seiner Theologie sich der Bibel in einem Denken nähert, das dem hebräischen Denken fremd ist und damit in der Gefahr steht, Dinge falsch zu beurteilen und Weichen falsch zu stellen.

Und an der Stelle greift meine Kritik, die weniger Augustinus Schuld in die Schuhe schieben will als wie vielmehr dazu aufrufen möchte, die Theologie des Augustinus zu hinterfragen und anzuregen, nach einer hebräischen Sicht auf das Evangelium zu suchen. Für dringend geboten halte ich diesen Ansatz, seit ich entdeckte, dass alle große Themen, die christlich Kirchen trennen, bei Augustinus eine bibelferne Prägung erfahren haben und heute noch Kern vieler theologischer Überzeugungen sind und auch in der Reformation nicht Gegenstand wurden, hinterfragt zu werden, sondern vielmehr zum Status Quo wurden, den man wieder anstrebte. Erbsünde, Säuglingstaufe, doppelte Prädestination bzw. stark ausgeprägte Prädestination, das philosophische Denken und die philosophische Sicht auf biblische Inhalte selbst, daraus abgeleitet die Bildung einer Geistlichkeit, die das Evangelium dem einfachen Volk entfremdete, Vorstellungen von der Hölle, Ablehnung der Sexualität aufgrund von einer in jungen Jahren erreichten Sättigung der Libido auf der einen Seite wie auch die sektiererische Askese mit radikaler Ablehnung der Sexualität auf der anderen Seite. All das sind Dinge, mit denen Augustinus die Theologie geprägt hat und das ist eine Prägung, die heute noch wirkt.

Wir Christen glauben an einen Gott, der lange Zeit seine Geschichte im hebräischen Kulturkreis gemacht hat. Der Messias der Hebräer ist unser Herr - aus der heilsgeschichtlichen Perspektive des hebräischen Kulturkreises kommend. Wenn ich die Worte Jesu verstehen möchte, dann halte ich es für wichtig, das Denken, das Jesus vertraut war, zumindest zu kennen, damit ich seine Worte richtig einschätzen kann.

Hier Webseiten, die sich dem hebräischen Denken beschäftigen:

https://lenasblog.de/2020/03/03/wie-dein-griechisches-weltbild-dich-sabotiert/

Hier der erste Teil eines sehr guten Vortrags, der das hebräische Denken vorstellt:

https://www.youtube.com/watch?v=04x5NHrCxd4

Wenn ich das so höre, dann muss ich sagen, dass ich vermutlich theologisch die meiste Zeit meines Lebens auf Abwegen unterwegs war. Ich bin doch Christ, bin lange in Gottesdienste und Hauskreise gegangen, habe viele Vorträge gehört und Bücher gelesen und bin lange hier auf Jesus.de aktiv. Und doch habe ich grad den Eindruck, dass ich vom Denken her überhaupt nicht die Voraussetzungen mitbringe, um die volle Dimension des Evangeliums denken zu können.

Und diese Beobachtung mache ich in einer Zeit, wo mir die Kirche zersplittert und kraftlos zu sein und immer mehr zu werden scheint als je zuvor - bei gleichzeitigem Aufkommen starker weltlicher Herrschaftsansprüche, die bis in den Geist hineinreichen, das Reich Gottes, von dem Jesus spricht, mit einschließen.

Vielleicht ist das grade eine Zeit, die der des Augustinus nicht unähnlich ist. Aber diesmal werden wir uns als Christen nur retten, indem wir uns der Wurzeln und der daher zu erwartenden Kraft und Macht öffnen. Das ist jetzt was, was mir gerade in diesem Moment bewusst wird.

Gott will die Menschen zu seinem Gegenüber und er will, dass sie sich ihm über Jesus als seine Kinder nahen. Das habe ich selbst als von griechischen (wenn auch eher aristotelischem als wie platonischen Denken geprägt) kapiert. Dass in unserem Glauben noch viel mehr Kraft und Inhalt schlummert als mir aktuell bewusst ist, das ahne ich nur. Ebenso wie der Eindruck, dass uns nicht viel Zeit bleibt und es eine große Notwendigkeit gibt, dies für uns jetzt zu entdecken.

Viele Grüße

GoodFruit

goodfruit antworten
Deborah71
(@deborah71)
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Beiträge : 22788

@goodfruit 

Sehr schön geschrieben von Lena auf ihrem Blog und das Wesentliche deutlich gemacht. Danke für den link.

Durch den Hebräischunterricht ist mir hebräisches Denken schon etwas geläufiger.  Das Beispiel mit dem Stuhl bringt es schön hervor, wie sich das Denken unterscheidet.

Ein Beispiel, das ich früher mal gehört habe, drehte sich um eine Kaffeemaschine. 😉  Sagt der eine zum anderen: "Ich habe eine Kaffeemaschine!" Im griechischen Denken wird statischer Besitz ausgedrückt und verstanden. Im hebräischen Denken ist es eine Einladung auf nen Kaffee. ☕ 

Und so verstehe ich auch Mt 28,  20 ....und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. - entsprechend aktiv. Nicht das Hirn mit Bibelwissen vollstopfen, sondern  so: und lehret sie (einhalten=) anwenden alles....

Denn Handeln und die Auswirkungen erleben, verankert eine biblische Wahrheit ganz anders und zwar zuerst  im Herzen und danach im Verstand. So wirkt diese Reihenfolge Glauben/Vertrauen.

deborah71 antworten


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