1. Juni vor 60 Jahr...
 
Benachrichtigungen
Alles löschen

1. Juni vor 60 Jahren Todesstrafe für Eichmann - Geschichte zum Anfang in der Beiz ( Kneipe)

Seite 1 / 2

Jigal
 Jigal
Themenstarter
Beiträge : 3824

Ich habe jetzt einmal die süddeutsche / schweizerische / österreichische Bezeichnung für die Kneipe verwendet.

EIchmann ist zwar in Solingen geboren, lebte aber in Österreich und trat dort der NSDAP bei.

Adolf Eichmann wurde bei einem weltweit verfolgten Gerichtsprozess in Jerusalem angeklagt in 15 Punkten, unter anderem „Verbrechen gegen das jüdische Volk“, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, „Kriegsverbrechen“ und die „Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation“. Eichmann wurde in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1962 durch Hängen hingerichtet.

 

 

Antwort
52 Antworten
Jigal
 Jigal
Themenstarter
Beiträge : 3824

[-gestrichen-; mfg fr:-)sch80-mod]

 

jigal antworten
29 Antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

In einem Film über Avner Less, einem ehemaligen Berliner und Vernehmer von Eichmann habe ich gesehen, dass Eichmann behauptet hat er wäre kein Antisemit gewesen.

jigal antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7370

@jigal

dass Eichmann behauptet hat er wäre kein Antisemit gewesen.

Er hat sich ja als Bürokrat dargestellt, der nur getan hat, was man ihm sagte. Hanna Ahrendt hat es ihm abgenommen und was über Banalität des Bösen geschrieben.

Es gibt Gründe dafür, dass dies wenigstens zum Teil Verstellung war, und er doch ein Überzeugungstäter. Das mit „kein Antisemit” nehme ich ihm nicht ab.

hkmwk antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@hkmwk Gabriel Bach hat da ja genauer nachgehakt. Eichmann hat gesagt dass er ja auch Juden geholfen hätte und Gabriel Bach so meine Erinnerungen aus Dokus hat in so weit überführt, dass er als doch die Macht gehabt hatte und sich nicht hinter dem Befehl verstecken kann.

So hat er ihn auch gefragt wenn er den Befehl bekommen hätte seinen Vater zu deportieren, ob er das auch getan hätte.

jigal antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3611

@hkmwk 

Hanna Ahrendt hat es ihm abgenommen und was über Banalität des Bösen geschrieben.

 

Das ist nun allerdings eine ziemlich saloppe Abwertung dessen, was Hanna Ahrendt damals meinte. Ich kann überhaupt so recht nicht erkennen, warum Überzeugungstäter und Bürokrat zu sein einander ausschlössen.

jack-black antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@jack-black  Eichmann war ein Bürokrat und 1960 kannte in Israel kaum jemand Eichmann.  Erst im Vorlauf zum Prozess tauchte der Namen in sehr vielen Akten auf. Das Tonbandinterview ist eindeutig. Gegenüber dem Interviewer bedauert Eichmann, dass nicht mehr umgekommen sind, er war also Bürokrat und Überzeugungstäter.

 

jigal antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3611

@jigal Genau das meinte ich ja: Man kann Bürokrat und Überzeugungstäter sein. Mit "Banalität des Bösen" meinte Hannah Ahrendt etwas anderes, als dass Eichmann "nur" Bürokrat gewesen sei.

jack-black antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7370

@jack-black 

Was Hanna Ahrend betrifft; Kannst du das näher erläutern, damit ich was dazu lerne?

Die zentrale Aussage von mir war: „Das mit „kein Antisemit” nehme ich ihm nicht ab.” Und ich denke, darüber sind wir einer Meinung.

hkmwk antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3611

@hkmwk

Kannst du das näher erläutern, damit ich was dazu lerne?

Ich weiß ja nicht, was Du schon weißt und was Du noch zu lernen hättest. Über den Terminus "Banalität des Bösen" hab ich in meiner Studienzeit mal an 'nem Seminar teilgenommen. Es war an der philosophischen Fakultät, aber unser Dozent meinte, das Thema wäre "in unserer soziologischen Abteilung genausogut aufgehoben". Er hätte wohl noch die "politologische Abteilung" hinzufügen können, dachte ich mir damals schon im Laufe des Seminars, als da dann auch Stichworte wie Arafat oder Intifada fielen.

Am Terminus "Banalität des Bösen" sind ja schon zwei Begriffe problematisch: das Böse und das Banale.

Ich bin nicht die beste Adresse, wenn es um die Verteidigung des Terminus geht, da ich mit dem Begriff des Bösen so große Probleme habe, dass ich ihn für kaum operationabel halte. Er ist in meinen Augen eine Frage der Perspektive. Für die Maus ist der Bauer, der Gift auslegt, um die Schädlinge zu bekämpfen, böse. (Und das Beispiel habe ich bewußt gewählt hinsichtlich des Umstands, dass die Nazis die Juden als Schädlinge behandelten, wir kennen alle das ästhetische Framing beispielsweise aus "Der ewige Jude".) Der Bauer hatte (inzwischen sind wir da ja ökologisch ein bisserl weiter... 😉 ) aber keinerlei moralische Bedenken hinsichtlich seines Handelns, betrachtet also sich selbst keinesfalls als böse.

Nehmen wir aber um des Arguments willen einmal an, das, was die Nazis den Juden antaten, sei grundlegend/faktisch böse gewesen, dann, so Hannah Arehndt, stellt sich die Frage, ob das Böse, was die Nazis taten, mit den herkömmlichen philosophisch-ethischen Systemen überhaupt begreifbar sei.

Zum Verständnis ist es am einfachsten, das traditionelle Verständnis zum Vergleich heranzuziehen, das in der Personifikation des Bösen durch den Teufel zusammengefaßt werden könnte. Der Teufel will das Leid und Unglück, er ist das Prinzip des Destruktiven, welches das Konstruktive (Gute) aktiv bekämpft. Er hasst da Gute. Diesem traditionellen Verständnis nach hat das Böse eine Art dämonischen Geheimnisses, oder eine metaphysische Rätselhaftigkeit: es hat Tiefe, auch wenn diese Tiefe als schwarzer Abgrund, als herabziehendes Loch empfunden werden kann. Der Antagonist in den tradierten Erzählungen über das Böse wird gern als diabolisches Genie gezeichnet, beispielsweise als Mephisto in Goethes Faust. Er hat hinterhältige Pläne, um seine bösen Ziele zu erreichen. Um seine Pläne zu durchschauen, muss man erkennen, was er will, und das macht den gruseligen Wohlfühlfaktor aus im Umgang mit ihm: Man darf oder muss sogar sich in ihn hineinversetzen.

In unserer modernen Version des Gut vs. Böse- Märchens ist es in aller Regel der Oberschurke, der die James-Bond-Filme voneinander unterscheidbar ist, und wie dieser Oberschurke gezeichnet wird, wie glaubhaft seine Boshaftigkeit dargestellt ist, entscheidet darüber, wie gut der Film ist (und der letzte war in dieser Hinsicht sehr, sehr schlecht... 😉 ).

Nun saß da aber mit Eichmann eben kein Bond-Antagonist auf der Anklagebank. Sondern ein kleinkarierter, spießbürgerlicher, karriegegeiler Bürokrat, so narzisstisch wie empathiebefreit. Er war zwar nicht strunzdoof, aber auch nicht hochintelligent, ihm fehlte das Mephistophelische, die Gewieftheit, die Hinterhältigkeit, das Dämonische. Er war Bürokrat und auch Ideologe, aber kein Ideologe mit ideologischem Sendungsbewußtsein (wie z.B. Goebbels, Himmler oder Hitler). Man darf davon ausgehen, dass er womöglich ebensogut unter Stalin hätte Karriere machen und statt der Juden eben die "Klassenfeinde" verfolgen können.

Er beging seine himmelschreienden Verbrechen nicht als individuelle Person, sondern als exemplarischer Typ. Gegenüber seinen Opfern hatte er jenseits der "üblichen" ideologischen Phrasen keine echten persönlichen Handlungsmotive. Seine persönlichen Handlungsmotive bestanden nur darin, Karriere zu machen. Die Juden waren ihm (im humanistischen Sinne) so egal wie die Ratten dem Bauern egal sind. Er problematisierte sein Handeln überhaupt nicht.

Hannah Ahrend konstatierte hier die Abwesenheit des kritischen Urteilsvermögens. Darin besteht für sie die Banalität: im Desinteresse an oder sogar in der Unfähigkeit zum kritischen Denken. Eichmann fühlte sich nicht verantwortlich, weil es ihm an Tiefe fehlte, weil es sich bequem in der ideologischen Brühe mittreiben ließ und sein Handeln nicht kritisch hinterfragte.

Darin bestand die Banalität des Bösen bei ihm, dem typischen Exemplar des bösen Menschen in totalitären Zusammenhängen: das Erschreckende an dem Bösen dieser "neuen Art" ist die Oberflächlichkeit, dieses völlige Fehlen jeglichen Geheimnisses. Faszinierend an Eichmann als Persönlichkeit war nichts, faszinierend ist höchstens diese neue Erkenntnis über das Böse und dessen Zustandekommen in modernen Zusammenhängen: Man sollte nicht zu tief suchen, wenn das eigentliche Problem direkt an der Oberfläche zu finden ist.

Die Banalität des Bösen ist für die Opfer ein schwer erträglicher Gedanke, und daher hat Hannah Ahrendts Diktum auch soviel Gegenwind bekommen. Denn irgendwie scheint es für die Opfer von Gewalt immer noch "sinnvoller" zu sein, sich die Täter als dämonische und hintertrieben-geniale, gefährliche Persönlichkeiten vorzustellen, von denen mißhandelt und gedemütigt worden zu sein sozusagen keine Schande ist, als sich einzugestehen, dass die Täter erbärmliche Durchschnittsspießer waren, die möglicherweise auf der Tanzfläche immer stehen gelassen wurden. Es fällt leichter, das Böse zu hassen, als es zu verachten.

Ahrendts Diktum wird aber auch noch aus einem anderen Grund abgelehnt: Weil es unbequem im Denken ist. Weil es darauf hinausläuft, dass man das kritische Denken niemals einstellen darf, weil es darauf hinausläuft, dass alle Gewißheiten unter stetem Ideologieverdacht gehalten werden müssen: Es ist bequem, individuelle Verantwortliche zu haben, denen man das Böse anlasten kann. Es ist unbequem, stets wachsam gegen alle Formen totalitären Denkens zu bleiben, die eigenen Motive und Gründe stets neu und stets skeptisch zu hinterfragen. Der Teufel als persönliche Quelle des Bösen ist intellektuell bequemer einzuordnen, als Eichmann als Typus des Menschen, der strukturelle Gewalt ermöglicht und exekutiert.

Die zentrale Aussage von mir war: „Das mit „kein Antisemit” nehme ich ihm nicht ab.” Und ich denke, darüber sind wir einer Meinung.

 

Vielleicht. 🙂 Ich hab mit dem Antisemitismus-Begriff auch so meine Probleme, vor allem denke ich, dass sich dieser Begriff in seiner Bedeutung über die Jahrzehnte verändert hat und stets weiter verändert. Ich vermute, es gab damals wie heute genügend Denkfiguren, wie man den Antisemitismus-Begriff so definieren kann, dass man ihn nicht auf sich beziehen braucht. Wenn nun Eichmann von sich selbst behauptete, er sei kein Antisemit, dann stellt sich die Frage, was er damit sagen will - und was er damit sagt. Er will damit vermutlich sagen, dass er nicht unethisch handelte (was voraussetzt, dass er den Antisemitismusvorwurf als ethischen Anwurf versteht). Und er sagt damit aus, dass er verantwortungslos handelte, d.h. sich der Verantwortung, die er per Machtfunktion im System hatte, und der er nicht genügte, nicht einmal bewußt war. Vorausgesetzt die Annahme, dass es so etwas wie eine (humanistische) moralische Pflicht gibt, in Positionen wie der seinen anders zu agieren, als er's tat.

Das Problem besteht nun allerdings darin, diese Pflicht zu begründen - sie kann nicht auf der Grundlage totalitärer Ideologien (wie z.B. auch der Religionen, in denen die letzbegründende Instanz aller Moral befehlen kann, ganze Städte zu entvölkern!) und auch nicht der bloßen Aufklärung (das hatten auch vor der Hintergrunderfahrung des faschistischen Totalitarismus Adorno und Horkheimer in ihrer "Dialektik der Aufklärung" dargelegt) allein fußen und muss, das ist das Komplizierte hoch Zwei an ihr, ständig ihrerseits wieder kritisch hinterfragt werden.

Darin besteht die unbequeme Herausforderung an die damaligen Zeitgenossen und auch an uns Nachfolgenden: wir müssen immer wieder zweifeln daran, ob die Todesstrafe für Eichmann richtig war, oder ob er nicht nur als Sündenbock praktischerweise gerade greifbar war für etwas, das sich ob seiner Oberflächlichkeit gar nicht greifen läßt: die Banalität des Bösen. Des Bösen, das, inform der Gedankenfaulheit und der Kritik- und Verantwortungsunwilligkeit der vielen, ja der massenhaft auftretenden Individuen in den modernen Gesellschaften, möglich und gegebenenfalls zum Teil der gesellschaftlichen Struktur wird.

 

jack-black antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3611

Leider war die Zeit zum Editieren zu schnell abgelaufen, nun müssen Tipp- Formatierungs- und Satzstellungsfehler, sowie schlechte Formulierungen so stehn bleiben.

jack-black antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@jack-black  Eichmann begründet das mit der Aussage er hätte Juden auch geholfen.

In der Art wäre ich ein Antisemit würde ich doch keinem Juden helfen.  Gerade das wurde in der Wannsee Konferenz ja  häufig angebracht, dass es nicht mehr ginge dass jeder seinen guten Juden vorbrächte für die die Deportation nicht gelten könne.

jigal antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3611

@jigal Eichmann begründet das mit der Aussage er hätte Juden auch geholfen.

Kann ich mir gut vorstellen, dass er solcherart versuchte, sein Selbstbild aufrecht zu erhalten. Ein typisches Beispiel der Kritikimmunisierung nach dem Motto: "Der Vorwurf XYZ kann ja gar nicht stimmen, weil..."

Gerade solche leicht durchschaubaren Ausflüchte lassen sich als Belege für die Banalität des Mannes deuten. Allerdings, wie ich meine, auch für die Untauglichkeit das Antisemitismusvorwurfs. Er wird, so vermute ich, von Eichmann zwar als moralischer Vorwurf wahrgenommen, aber trifft auf eine völlige Abwesenheit von Schuldbewußtsein. Aus Eichmanns Perspektive kann der Vorwurf nicht zutreffen, denn träfe er, müßte da doch irgendsowas wie ein "schlechtes Gewissen" sein. Das ist aber bei ihm nicht vorhanden. Aus seiner Perspektive scheint es so, als sei der Vorwurf, ein Antisemit zu sein, objektiv falsch. Und so macht er sich auch keine tiefe Gedanken darum, ihn zu entkräften, sondern nimmt das erstbeste ad hoc-Argument.

Soweit, so jämmerlich. Interessant (und auch beängstigend) wird "der Fall Eichmann" eigentlich erst, wenn wir Eichmann nicht als Individuum, sondern als Typus verstehen.  Und in der Hinsicht ist Dein Hinweis

Gerade das wurde in der Wannsee Konferenz ja  häufig angebracht, dass es nicht mehr ginge dass jeder seinen guten Juden vorbrächte für die die Deportation nicht gelten könne.

so wichtig. Dieses Argument, es ginge nicht, dass nun ständig Ausnahmen gemacht werden könnten, ist ja durch und durch technokratischer Art. Die moralische Dimension wird komplett ausgeblendet und nur noch Effizienz als gültiges Kriterium anerkannt. Die individuellen Gewissensnöte oder auch nur die individuellen Solidaritätsbeziehungen - also das, was nach humanistischer Sichtweise essentiell für Menschen ist - werden als bloße Störfaktoren, als Sand im Getriebe betrachtet.

jack-black antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19094

@jack-black 

Gut zusammengefasst, vielen Dank 😊 

tristesse antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3611

@tristesse Danke für's Lob!

Mich beschäftigt die Thematik aus einem Grund, der auf den ersten Blick vermutlich zusammenhanglos wirkt: Ich betrachte unsere heutige Zeit, unsere Gesellschaft und die in ihr Verantwortung Tragenden und sehe Parallelen. Und zwar nicht hinsichtlich des immer noch virulenten Antisemitismus (den gibt's auch), sondern grundsätzlicher: Kann es sein, dass wir das Böse, das wir als Gesellschaft bewirken, so wenig erkennen, wie Eichmann und Konsorten es früher taten? Welches Böse? Das, was wir der Welt und zukünftigen Generationen durch unseren "way of life" antun.

Es gab da ja vor einiger Zeit mal ein pseudo-dokumentarisches Fernsehspiel (Ökozid), in welchem unsere damalige Kanzelerin in einer nicht weit in der Zukunft liegenden Gerichtsverhandlung angeklagt wird, nicht genügend hinsichtlich der Abwendung/Entschleunigung des Klimawandels getan zu haben.

Kann man das vergleichen? Die systematische Ermordung der Juden mit dem kollektiven Versagen unserer Amtsträger und Entscheider?

Die stereotype Antwort lautet: Nein - denn sonst droht eine Relativierung des Holocaust und das darf nicht sein.

Aber mir geht es um die Banalität des Bösen. Um die Mechanismen der Kritik-Abwehr derer, die Verantwortung haben und ihr nicht gerecht werden. Die moralische Faulheit, mit der man sich über Anklägerinnen wie z.B. Greta Thunberg lustig macht, sie als "Wutmädel" bespottet und die ständig gleichen Entschuldigungen und Zweckrationalisierungen für das eigene falsche Verhalten vorbringt.

Wir verhalten uns feindlich und das heißt: böse. Gegenüber all den Lebewesen, die unseretwegen, aufgrund unserer Bequemlichkeit, unserer Ignoranz, unserer Gier sterben. Reihenweise sterben ganze Spezies aus unseretwegen, wir sind die Monster, deren brutaler Rücksichtslosigkeit z.B. die süßen Eisbärbabies zum Opfer fallen (und Myriarden anderer, weniger "süßer" Tiere). Wir sind die Monster, welche die Erde verheeren mit Müllmengen, die wie schwimmende Kontinente die Meere verpesten. Wir verwandeln Teile der Welt in eine Hölle, in der die Luft nicht mehr zu atmen ist, in der man vor Hitze nicht mehr leben kann.

Und wir können nicht behaupten, wir hätten von nichts gewußt. Auch die Entscheidungsträger da oben können das nicht behaupten. Aber sie tun so, als hätten sie nicht anders entscheiden können, als sie's taten. Und sie werden das auch zukünftig tun und vermutlich ähnlich reuelos ihre Renten bis zum Ende verzehren, wie es die "kleinen Räder" des NS-Regimes taten: sich keiner moralischen Schuld bewußt.

Und warum? Weil das kritische Bewußtsein weiterhin so wenig verbreitet ist. Weil nur sehr wenige a la Greta es schaffen, sich und anderen ehrlich zu sagen: Unser ganzes System ist falsch!

Wir leben, so meine Interpretation des Diktums von der Banalität des Bösen in einem unbemerkten Totalitarismus: dem internationalen Finanz-Kapitalismus mit seiner de-facto-Anbetung des Privateigentums.

Das Problem, vor welches mich diese Analogie stellt: Eichmann konnte erst vor Gericht angeklagt und schließlich auch verurteilt werden, nachdem das totalitäre System, dem er als rund laufendes Rädchen diente, besiegt worden war.

Vor welches Gericht sollten wir, bzw. die Repräsentanten und Verantwortungsträger unserer kapitalistischen Ideologie gestellt werden?

jack-black antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19094

@jack-black 

Hi,

danke für die Antwort.

Wir verhalten uns feindlich und das heißt: böse. Gegenüber all den Lebewesen, die unseretwegen, aufgrund unserer Bequemlichkeit, unserer Ignoranz, unserer Gier sterben. Reihenweise sterben ganze Spezies aus unseretwegen, wir sind die Monster, deren brutaler Rücksichtslosigkeit z.B. die süßen Eisbärbabies zum Opfer fallen (und Myriarden anderer, weniger "süßer" Tiere). Wir sind die Monster, welche die Erde verheeren mit Müllmengen, die wie schwimmende Kontinente die Meere verpesten. Wir verwandeln Teile der Welt in eine Hölle, in der die Luft nicht mehr zu atmen ist, in der man vor Hitze nicht mehr leben kann.

Allen Idealismus in Ehren, hier schießt Du meiner Meinung nach übers Ziel hinaus, weil Du nicht "die Menschheit" im Allgemeinen und als Ganzes anklagen und verurteilen kannst. Genauso wie Du nicht "die Deutschen" verallgemeinernd für den Holocaust und jetzt gerade aktuell "die Russen" für den Einfall in die Ukraine und die Gräueltaten verantwortlich machen kannst. Es sind immer einzelne, manche, viele, die Mehrheit vielleicht auch, aber niemals alle. 

Das kann nur ungerecht werden, weil es immer noch genug Menschen auf dieser Welt gibt, die gegen die "kapitalistische Ideologie" angehen und nicht mitmachen. 

Wenn Du Dich für feindlich und böse allen Lebewesen gegenüber hältst, wenn Du vom "wir" sprichst, tut mir das sehr leid und ich bin sicher, Du setzt alles was Du kannst dran, damit sich das ändert, ich für meinen Teil stelle mich und die Menschen, die ich gut kenne nicht unter Dein Urteil. Klar mache ich Fehler, natürlich bin ich nicht perfekt, aber ich bin weder ein Monster noch böse.

Lg Trissi 

tristesse antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21528

@tristesse 

Allen Idealismus in Ehren, hier schießt Du meiner Meinung nach übers Ziel hinaus, weil Du nicht "die Menschheit" im Allgemeinen und als Ganzes anklagen und verurteilen kannst. Genauso wie Du nicht "die Deutschen" verallgemeinernd für den Holocaust und jetzt gerade aktuell "die Russen" für den Einfall in die Ukraine und die Gräueltaten verantwortlich machen kannst. Es sind immer einzelne, manche, viele, die Mehrheit vielleicht auch, aber niemals alle.

Die individuelle Schuld ist sicher  verschieden, aber im Grunde tragen wir doch alle zum Klimawandel bei... jeder ein wenig.

Ich denke, der Nazivergleich ist hier natürlich problematisch, weil man da sofort auf Abwehr schaltet... aber Jack könnte hier tatsächlich einen Punkt haben: Dass wir uns "zeitgemäß" an das anpassen können, was "gut" und was "schlecht" ist.

Ich halte es nicht für völlig abwegig, wenn etwa zukünftige Generationen sich von uns mit Grausen abwenden, weil wir Tiere geschlachtet und gegessen haben.

Möglicherweise wird das für diese Leute genau so unverständlich sein wie für uns heute die Gladiatorenkämpfe im alten Rom und anderswo... wir halten das für barbarisch und grausam, damals war es eine harmlose Unterhaltung für langweilige Nachmittage.

Vielleicht haben sich die Nazis hier nur einen Mechanismus zu eigen gemacht, der in uns Menschen angelegt ist... dass wir sehr flexibel entscheiden können, was wir für richtig und für falsch halten.

Falls das so sein sollte, dann wäre es sehr sinnvoll, diese Mechanismen zu kennen und zu verstehen.

 

 

lucan-7 antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19094

@lucan-7

Dagegen ist ja nichts zu sagen. Aber kollektiv in seinem sozialistischen Eifer mal eben die westliche Welt als Monster und schlimmeres zu bezeichnen, kann es auch nicht sein. 

tristesse antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21528

@tristesse 

Dagegen ist ja nichts zu sagen. Aber kollektiv in seinem sozialistischen Eifer mal eben die westliche Welt als Monster und schlimmeres zu bezeichnen, kann es auch nicht sein.

Ich hatte es jetzt nicht so verstanden, dass es sich nur auf die "Westliche Welt" bezieht, sondern auf die Menschen allgemein.

Und da benehmen wir uns tatsächlich wie "Monster", je nachdem wo man hinschaut. Und ich sage bewusst "wir", denn unser Konsumverhalten basiert nach wie vor sehr wesentlich  auf Ausbeutung der Entwicklungsländer - um mal nur einen Punkt zu nennen. Und vieles verdrängen wir dabei auch.

Ich bin nicht sicher, ob man den Nazis ein ähnliches Verhalten der Verdrängung unterstellen kann, oder ob es da nicht doch ganz andere Mechanismen gab.

Aber es wäre zumindest eine gute Erklärung, wie die Verbrechen damals überhaupt möglich waren - und warum auch die schlimmsten Verbrecher keine Reue empfanden. Auch wenn es aus unserer Perspektive erschreckend ist - aber möglicherweise empfanden sie ihre Taten tatsachlich schlicht und einfach als gut, richtig und notwendig.

 

lucan-7 antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19094

@lucan-7 

Ich hatte es jetzt nicht so verstanden, dass es sich nur auf die "Westliche Welt" bezieht, sondern auf die Menschen allgemein.

Das ändert ja nichts an meiner Kritik, im Gegenteil.

Und da benehmen wir uns tatsächlich wie "Monster", je nachdem wo man hinschaut. Und ich sage bewusst "wir", denn unser Konsumverhalten basiert nach wie vor sehr wesentlich  auf Ausbeutung der Entwicklungsländer - um mal nur einen Punkt zu nennen. Und vieles verdrängen wir dabei auch.

Nein, "wir" benehmen uns nicht wie "Monster", das ist eine verallgemeinernde Aussage, die man so nicht treffen kann und darf, weil man damit immer Menschen Unrecht tut. Frau Arendt bezieht sich bei der Frage nach der Banalität des Bösen auf Menschen, nicht auf die Menschheit. Und da macht Jack nun mal einen inhaltlichen Fehler.

Aber es wäre zumindest eine gute Erklärung, wie die Verbrechen damals überhaupt möglich waren - und warum auch die schlimmsten Verbrecher keine Reue empfanden. Auch wenn es aus unserer Perspektive erschreckend ist - aber möglicherweise empfanden sie ihre Taten tatsachlich schlicht und einfach als gut, richtig und notwendig.

Da gegen hab ich ja nichts. Aber es sind immer einzelne, mehrere, viele oder vielleicht auch fast alle. Aber nicht "Wir alle" und schon gar nicht die ganze Menschheit. 

tristesse antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21528

@tristesse 

Frau Arendt bezieht sich bei der Frage nach der Banalität des Bösen auf Menschen, nicht auf die Menschheit. Und da macht Jack nun mal einen inhaltlichen Fehler.

Ich kann jetzt natürlich wieder nur schreiben, wie ich es selbst verstanden habe... ich denke, Jack geht es um Mechanismen, nicht um Anklage. Es geht auch nicht darum, jeden Menschen zum "Monster" zu erklären.

Aber wir Menschen sind dazu in der Lage, uns Dinge schön zu reden oder unschöne Dinge zu ignorieren - und das betrifft tatsächlich "uns alle". Und wir verwenden dazu eine Methodik im Denken, die auch den Nazis ihre Verbrechen ermöglichte.

Und das heisst natürlich NICHT, dass wir jetzt alle potentielle Nazis sind. Aber auch wenn wir uns aufrichtig bemühen, "gut" zu sein und das richtige zu tun, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass auch wir dabei blinde Flecken haben und Dinge nicht wahrnehmen, die auch aufgrund unseres Verhaltens als schlecht und bösartig bezeichnet werden sollten. Und es ist nicht zu weit hergeholt, dass wir dabei ähnliche Mechanismen der Verdrängung nutzen, welchen auch den Nazis ihre Verbrechen ermöglicht haben.

Und es geht dabei natürlich nicht um eine Gleichsetzung der Taten... wie Jack schon richtig anmerkte wäre das eine Relativierung der Nazi Verbrechen und damit inakzeptabel.

Am Ende denke ich, dass es hier um ein zutiefst christliches Thema geht: Die eigene Sündhaftigkeit. Manches können wir an uns selbst erkennen und auch eingestehen... vieles verdrängen und relativieren wir aber und wollen es nicht wahrhaben.

 

 

lucan-7 antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19094

@lucan-7 

Am Ende denke ich, dass es hier um ein zutiefst christliches Thema geht: Die eigene Sündhaftigkeit. Manches können wir an uns selbst erkennen und auch eingestehen... vieles verdrängen und relativieren wir aber und wollen es nicht wahrhaben.

Mag sein.

Macht mich aber dennoch nicht zu einem Monster. Schon gar nicht im christlichen Kontext. 

tristesse antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7370

@tristesse (zum Beitrag)

Nein, "wir" benehmen uns nicht wie "Monster",

Ich finde schon, dass die Menschheit sich so benimmt.

Das heißt ja nicht, dass wir auch Monster sind.

hkmwk antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19094

@hkmwk 

Ich finde schon, dass die Menschheit sich so benimmt.

Das heißt ja nicht, dass wir auch Monster sind.

Das kannst du gern so finden.

Ich sehe es anders *schulterzuck*

tristesse antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 3611

@tristesse 

hier schießt Du meiner Meinung nach übers Ziel hinaus, weil Du nicht "die Menschheit" im Allgemeinen und als Ganzes anklagen und verurteilen kannst.

(...)

Es sind immer einzelne, manche, viele, die Mehrheit vielleicht auch, aber niemals alle.

 

Nun: zuerst einmal geht es mir nicht um das Anklagen und Verurteilen. Sondern um Einsicht darein, wie das Böse "funktioniert". Wie oben dargelegt, aber vielleicht nicht deutlich genug formuliert, war/ist mir die Person Eichmann egal. Ob der nun verurteilt wurde und zu was für einer Strafe ist nur insofern von Belang, als damit ein Bekenntnis, oder sagen wir vielleicht: eine Selbstverpflichtung derer, die ihn verurteilten, zusammen gedacht werden kann. Das, wofür Eichmann als Typ steht, ist etwas, das wir nicht zulassen dürfen.

 

Dein zweiter Punkt zielt auf die Frage der Kollektivschuld. Die Argumente, die für das Konzept der Kollektivschuld sprechend und die, welche dagegen sprechen, werden ja immer mal wieder durchgekaut und ich will mich da jetzt gar nicht weiter positionieren, weil ich eben das ganze Schuldkonzept für fragwürdig halte: es ergibt nur im Zusammenhang mit dem traditionellen Verständnis "des Bösen" überhaupt einen Sinn. Die Frage: wer hat schuld? führt im konkreten Fall häufig dazu, die Prioritäten falsch zu setzen. Statt sich darum zu kümmern, dass das Übel, der Mißstand korrigiert wird, kümmert man sich darum, diejenigen ausfindig zu machen, die man für die Verursacher hält - um sie dann zu bestrafen. Weil man eben davon ausgeht, dass sie das Übel (als Konsequenz ihrer Taten) wollten oder wenigstens klar erkannten, und aus egoistischen Gründen zuließen.

Das, was ich das "traditionelle Verständnis des Bösen" nenne, ist vermutlich die default-Einstellung bei weit über 95 Prozent aller Menschen. So sind wir sozialisiert worden, so ist unser kollektives Weltbild, gerade hier im christlich geprägten Europa, wo die Begriffe "Schuld" und "Verantwortung" gern synonym verwendet werden. Da ich selbst hier sozialisiert wurde, kann ich nicht einmal sagen, wieviel dieses Verständnisses auf Erziehung beruht, und wieviel damit zusammenhängt, dass sich ethisch relevantes Verhalten dadurch objektiv am besten erklären läßt. Womöglich ist uns dieses Verständnis sogar genetisch einprogrammiert und wir können uns moralische Beziehungen gar nicht (oder nur unter großer Anstrengung) anders als unter Zugrundelegung des Konzepts persönlicher Schuld vorstellen - ich weiß es nicht.

Jedenfalls geht es mir nicht darum, nach Schuld zu fragen und zu verurteilen. Eigentlich ist der Kern dessen, worum es geht, in Deinem Zitat schon angerissen: einzelne, manche, viele...

Es stand ja nicht "das deutsche Volk" vor Gericht, sondern Eichmann als jemand, dem Verantwortung übertragen worden war. Ich weiß nicht mehr, ob es Hannah Ahrendt selbst war, oder ob ich das nur im Zusammenhang mit ihr gelesen habe - jedenfalls wurde die Frage, ob hinsichtlich ihres Diktums "banal" und "gewöhnlich" synonym zu verstehen seien, schon öfter diskutiert. Ist Eichmann ein "gewöhnlicher" Nazi gewesen, also sozusagen der Normalfall - oder meinte sie etwas anderes?  Mußten alle oder doch zumindest die Mehrheit der Deutschen so getickt haben wie er, damit seine Taten überhaupt möglich waren?

Erinnern wir uns an die psychologische Charakterisierung Eichmanns als eines narzisstischen und so gut wie empathieunfähigen Menschen. Kann davon ausgegangen werden, dass damals die Mehrheit der Deutschen narzisstische und empathieunfähige Leute waren? Wohl kaum.

Ich habe die Zahlen jetzt wirklich nur sehr vage im Kopf, aber meines Erinnerns hieß es, dass dieser psychologisches Typus in allen Gesellschaften auftritt und zwar zu einem niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentanteil (3 bis 7 Prozent). Die Frage stellt sich nun, in welchen gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen dieser Typus wie und in welchem Umfang Schaden anrichten (Böses bewirken) kann. Die vorherrschende Ideologie entscheidet darüber, ob das Verhalten solcher Leute überhaupt auffällt und als skandalös eingeschätzt werden kann. Hannah Ahrendts Forschungsschwerpunkt war bekanntermaßen der Totalitarismus.

 

Meine - ich gestehe: gewagte - Übertragung auf unsere Gegenwart besteht darin, dass ich eine Art verborgenen totalitären Wahn behaupte, der unsere Gesellschaften überfallen hat und der dafür sorgt, dass bestimmte Handlungsweisen akzeptiert werden, die eigentlich, wenn man als Grundlage unserer Moral das "Wohl aller" zugrunde legen würden, unbedingt skandalös wären. Nur ein Beispiel: die vielen distanzlosen "Dokumentationen" des Luxuslebens der "Reichen und Schönen" (gern im nachmittäglichen Unterschichtenfernsehen), die Idolisierung des Reichtums a la Musk & Co. Die Verlogenheit solcher Sprüche wie "Für Reichtum braucht man sich nicht zu schämen" (als ginge es nicht um hemmungslosen Konsum von begrenzten Ressourcen).

In einer Gesellschaft, in der man es für eine Art natur- oder gottgegebenes Menschenrecht hält, dass ein normaler Bürger mindestens einmal pro Jahr in den Urlaub zu fliegen "sich leisten" kann - in der kann man eben auch durchsetzen, dass Kohle- oder Kernkraftbetreiber sich den Ausstieg aus diesen Technologien milliardenschwer abkaufen lassen. Immerhin seien die ja ihren Aktionären Rechenschaft schuldig. Und so weiter und so fort. In so einem ideologischen System können kühle Karrieristen weiterhin für klimakativistischen Stillstand sorgen. Denn während das Prinzip "Eigentum verpflichtet" nur als schöner Poesiealbum-Spruch irgendwo der freien Interpretation zugänglich in Grundsatzartikeln versteckt ist, ist unser Rechtssystem in all seiner Unübersichtlichkeit doch erkennbar auf einen Zweck hin perfektioniert: das Eigentum der Besitzenden zu schützen. Und die "Freiheit der Bürger" wird am vehementesten dort verteidigt, wo es um die Freiheit der Besitzenden, unreglementiert zu konsumieren geht. Wenn wir von uns als einer "Konsumgesellschaft" sprechen, dann tun wir das, ohne schamesrot uns einen Ort zum Verstecken zu suchen: wir akzeptieren es, dass sich die Mehrheit der Leuten über ihr Konsumverhalten definiert.

In so einem System können höhnische Witze über Greta Thunberg (die ich nur stellvertretend für all die MahnerInnen, die es selbstverständlich auch gibt, nenne) gemacht werden, können Cum-Ex-Verbrechen in Milliardenhöhe durchgezogen werden, können Politiker, die sich mit Gedächtnislücken hinsichtlich solcher Verbrechen aus der Affäre ziehen, nachher Bundeskanzler werden, können sich Brooker, die noch nie sich auf dem Feld mal die Hände schmutzig machen mußten, gigantische Quartalsboni durch Wetten auf Getreidelieferungsengpässe verdienen.

 

Klar mache ich Fehler, natürlich bin ich nicht perfekt, aber ich bin weder ein Monster noch böse.

Darum geht es mir doch gerade, dass dieses Verständnis des Bösen nicht jenes ist, was Hannah Ahrendt meinte. Wenn wir die Problematik darauf verkürzen, unseren eigenen Anteil an Schuld zu betrachten, wenn wir gut und böse als Charaktereigenschaften mißverstehen statt als Betrachtungsweisen von Taten - dann bleiben wir eben im traditionellen Denken verhaftet, das dann allerdings vor solchen Leuten wie Eichmann rat- und planlos stehenbleiben muß. Kritisches Bewußtsein, so zumindest meine Interpretation des Themenkomplexes, besteht nicht darin zu fragen: "Wie bin ich?" Sondern darin: "Was tue ich und was bewirkt mein Tun?"

Ausgangspunkt dieses Seitenasts war ja die Behauptung Eichmannes, er sei kein Antisemit. Das war seine Verteidigung: "Ich bin nicht so und so."

Aber das adressiert ja gar nicht, worum es eigentlich geht: dass er so und so handelte, obwohl er anders hätte handeln können (müssen?).

 

 

jack-black antworten
frosch80-mod
Moderator
(@frosch80-mod)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 670

@jigal 

Hej Jigal,

 

mal so rein formal: der hebräische Text ist insofern kein schlimmes Problem, als ja die deutsche Übersetzung dabei ist. Nur hättest du das bitte auch so dazuschreiben sollen, weil das für die, die keine Ahnung von dieser Sprache haben, nicht erkennbar ist.

Inhaltlich habe ich ein etwas größeres Problem mit diesem Posting. So ganz persönlich finde ich deine Wünsche, was du in dem Thread nicht haben möchtest, gar nicht unsympatisch. Nur steht es dir nicht zu, festzulegen, was du hier lesen möchtest und was nicht. Wer sich an die Spielregeln hält, ist hier willkommen, auch wenn uns seine Meinung nicht passt. Wenn du der Ansicht bist,  dass ein Beitrag chartawidrig ist, kannst du dich freilich gerne an mich wenden.

Liebe Grüße

fr 🙂 sch

frosch80-mod antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@frosch80-mod  Ach Frosch wenn im Frauencafe stehen darf dass keine Männer schreiben dürfen, kann man doch auch schreiben, was hier nicht erwünscht ist.

jigal antworten
frosch80-mod
Moderator
(@frosch80-mod)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 670

@jigal 

Hallo Jigal,

ohne Frage bewegen wir uns hier in einem Bereich, in dem man unterschiedlicher Ansicht sein kann. Was du hier machst, ist ausgrenzend (Schwurbler etc - was immer du darunter genau verstehen magst); auch im Frauen-Cafe wird ausgegrenzt (Männer - was das ist, ist immerhin einigermaßen klar). Das Frauen-Cafe ist einer der ganz wenigen Orte (ein anderer fällt mir grad gar nicht ein), wo das erlaubt ist. Und zwar deshalb, weil der Wert dieses Raumes, der für einige Frauen darin besteht, dass sie von Männern ungestört kommunizieren können, als höher eingeschätzt wird, als der Schaden, der in der unbestritten vorhandenen Ausgrenzung besteht. Daraus irgendwelche eigenen Rechte abzuleiten, wie du es hier tust, ist aber völlig unzulässig.

Du musst mit meinem Moderieren nicht einverstanden sein, du darfst dagegen (per Mail bitte) gerne auch protestieren. Was aber gar nicht geht, ist, dass du dich über meine Moderation einfach hinwegsetzt, wie du es vor etwa einer Stunde getan hast. Damit das nicht gleich wieder passiert, werde ich dich für drei Tage sperren. Bitte melde dich, wenn ich vergessen sollte, dich wieder freizuschalten (im neuen Forum geht das leider nicht mehr automatisch).

Liebe Grüße

fr:-)sch

frosch80-mod antworten
frosch80-mod
Moderator
(@frosch80-mod)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 670

Hej Jigal,

danke für deine einsichtige Mail 🙂 

Da bin ich doch einfach mal so inkonsequent und schalte dich wieder frei.

 

Liebe Grüße

fr:-)sch

frosch80-mod antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19094

@frosch80-mod 

Das finde ich aber jetzt sehr nett von Dir 😍 

tristesse antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@frosch80-mod  danke.

jigal antworten


Jigal
 Jigal
Themenstarter
Beiträge : 3824

Ich habe ja Respekt vor Rafi Eitan und seinem Kameraden, nicht allein wegen der Zugehörigkeit zum  "Institut" wie der Mossad übersetzt heisst. Die hätten ja Eichmann einfach erschiessen können und die Sache wäre erledigt. Nein, sie haben sich zurückgehalten, auf eine Maschine der EL AL gewartet und so getan als wäre Eichmann ein besoffenes Besatzungsmitglied und sind  mit ihm nach Israel geflogen um ihn vor Gericht zu stellen.

jigal antworten
BeLu
 BeLu
Beiträge : 5075

@jigal Bei dem Titel ist der Thread vermutlich nicht auf den ersten Blick als Männerkneipe zu erkennen.

Aber zum Thema: Ja, der Mossad hätte ihn sicher auch vor Ort erledigen können. Aber ich denke, der Prozess hatte eine viel größere öffentliche Wirkung, als wenn er von einer Spezialtruppe ausfindig gemacht und vor Ort erschossen worden wäre, so wie die Amerikaner es mit Bin Laden gemacht haben. Ich denke, der Prozess war ein wichtiger Teil der israelischen Aufarbeitung des Holocausts.

belu antworten
7 Antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@belu  Die weltweite Aufmerksamkeit hat in Frankfurt ja erst den ersten Auschwitz-Prozess möglich gemacht.

jigal antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@belu Beiz ist bei uns auch nicht mehr so gebräuchlich, aber Kneipen gibt es praktisch nicht, höchsten eine Wirtschaft, aber so was die die klassische Berliner Eckkneipe die man auch im Ruhrgebiet so oft findet ist im Südwesten selten.

jigal antworten
BeLu
 BeLu
(@belu)
Beigetreten : Vor 22 Jahren

Beiträge : 5075

@jigal Kneipenkultur ist in verschiedenen Ecken Deutschlands wohl unterschiedlich, aber ich glaube, die klassische Kneipe ist vielerorts auf dem Rückzug.

belu antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@belu ja  bei NSU in Neckarsulm einer Firma die heute den Audi A8 produziert haben sie die letzte Kneipe gegenüber vom Werkstor jetzt auch geschlossen.  Es sind eben nicht mehr die 50er Jahre als dort viele Motorräder auch für Motorradweltmeisterschaften produziert wurden, das Geld freitags in die Tüte kam und gegenüber vom Haupttor gleich mal ein Stück in Bier umgesetzt wurde.  Ich glaube es braucht Großstadt und kleine Wohnungen dass man auf ein Bier in eine Kneipe geht.  Für einen Badener gehört auch ein Vesper dazu.  Mein Opa hatte da so eine Klassiker. Wurstsalat und ein Viertel Rotwei später Rotweinschorle.

jigal antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7370

@jigal 

aber so was die die klassische Berliner Eckkneipe die man auch im Ruhrgebiet so oft findet

Die Eckkneipen sind auf dem Rückzug, mindestens in Berlin. Es gibt hier leerstehende Eckkneipen, oder ehemalige Eckkneipen, in den jetzt irgendwelche Büröchen sind. Einmal habe ich vom Bus aus eine mit Namen „Zwanglos III” entdeckt, fand ich interessant. Bei einer der nächsten Fahrten auf dieser Strecke habe ich dann aber auch das etwas kleiner geschriebene »Swinger Club« entdeckt - auch das ist keine Eckkneipe mehr. 😢 

hkmwk antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7370

@jigal (zum Beitrag)

Belu schrieb:

Bei dem Titel ist der Thread vermutlich nicht auf den ersten Blick als Männerkneipe zu erkennen.

Darauf du:

Beiz ist bei uns auch nicht mehr so gebräuchlich

Beiz/Kneipe hin oder her, ich habe erst gar nicht kapiert, dass das die neue Männerkneipe ist, weil ich den Hinweis ǵanz am Ende der Überschrift glatt überlesen habe. Ich denke BeLu hat so was gemeint. Ich glaub es war BeLus Satz, der dazu führte, dass bei mir der Groschen fiel.

hkmwk antworten
BeLu
 BeLu
(@belu)
Beigetreten : Vor 22 Jahren

Beiträge : 5075

@hkmwk Genau so hatte ich es gemeint.

belu antworten


PeterPaletti
Beiträge : 1317

@jigal 

Nichts gegen den Eichmann-Prozess als Thema, aber mit diesem titelgebenden Element ist nicht ganz klar , was dieser Thread hier sein soll. Eine Diskussion über den Holocaust und seine strafrechtliche Bedeutung oder doch lieber eine Männerkneipe, in der auch ganz andere Themen zur Sprache kommen sollen? Den Eingangspost finde ich dann doch etwas unglücklich gewählt.  

peterpaletti antworten
1 Antwort
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@peterpaletti   Der Eichmann Prozess ist praktisch das Eingangsthema,  er war die letzten Tage im TV das Thema bei Sendern wie Tagesschau de. Ich habe ja geschrieben als erstes Thema. Natürlich wird man keinen Monat darüber reden. Wenn man darüber reden möchte, dass sich manche Leute die Erdbeeren nicht mehr gepflückt leisten können, dann entwickelt sich der Thread so.

[-gestrichen-; mfg fr:-)sch80-mod]

jigal antworten
Jigal
 Jigal
Themenstarter
Beiträge : 3824

Die ARD hat den Film  die Akte General gedreht. Fritz Bauer war Generalstaatsanwalt in Frankfurt am Main und war der Meinung wenn er das Büro verlässt ist er auf feindlichem Territorium einfach weil es genügend Richter gab die vor 45 auch schon Richter waren.Eichmanns Aufenthalt war vermutlich dem BND bekannt und die Vermutung der BND würde Eichmann warnen. Er hat natürlich Gesetze gebeugt wenn er Kontakt zu einem Staatsanwalt in Ost Berlin hat, in einem Staat zu dem es keine Beziehungen gibt, der für die Bundesrepublik gar nicht existiert. Die Quellen kann er also nicht nennen, wenn er Leute anklagt.  Dann macht er einen "Urlaub" in Israel. Da sind dann wohl die Informationen ausgetauscht worden um den Mossad beauftragen zu können.

Ich selbst habe damit kein Problem, da Eichmann sonst gar nicht gefasst worden wäre und Israel wenig Geld hatte und auch andere Probleme. Eichmann war wenig bekannt. Erst im Vorfeld des Prozesses tauchten immer mehr Akten mit seiner Unterschrift auf.

So mal zur Information der Situation.

 

Na und wenn jetzt jemand über Garmisch reden will, da bin ich zu wenig informiert.

jigal antworten
2 Antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7370

@jigal

Na und wenn jetzt jemand über Garmisch reden will

Wird denn nur über Fernsehen geredet in ner Kneipe? War doch bei den bisherigen Runden nicht so, da kamen auch andere Themen zur Sprache.

Übrigens hätte ich ebenfalls eine „neutrale” Eröffnung (und dann Eichmann als erste „Antwort”) besser gefunden.

hkmwk antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3824

@hkmwk das kannst du ja im Juli machen.

 

jigal antworten


Seite 1 / 2
Teilen:

Hey du!

Dieses Forum ist für dich kostenlos.
Das funktioniert nur, weil uns treue Menschen regelmäßig mit ihrer Spende unterstützen.
Bist du dabei?