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Chemische Reinigungen - warum gibt es kaum noch welche?

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ALF.MELMAC
Themenstarter
Beiträge : 2157

Ist euch das schon mal aufgefallen?

Die Anzahl der chemischen Reinigungen hat stramm abgenommen. Früher hatte man in jedem Ortsteil mindestens eine. Aber nach und nach wurden die immer weniger.

Wenn man Glück hat, gibt es noch irgendwo eine Annahmestelle in der Nähe, wo die Wäsche dann zu einer Zentralreinigung gebracht wird, was natürlich alles ein paar Tage dauert.

Woher kommt das?

Weiß jemand was darüber?

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19 Antworten
MrOrleander
Beiträge : 2211

Finde mal 'ne Änderungsschneiderei...
Da sieht es auch nicht viel besser aus. Von 5 Treffern im Internet hatten 4 schon dichtgemacht...

mrorleander antworten
4 Antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 22790

Bei meiner Freundin Schneiderin kommen die Kurgäste und bringen ihre Sachen von zu Hause mit und lassen sie während ihres Urlaubs richten.
Da sind schon Stammkunden, die jedes Jahr kommen.

Wenn sie nun bald irgendwann zumacht, dann weiß ich auch nicht. Sie ist jetzt 70 geworden und immer noch munter unterwegs und täglich in ihrem Ein-Frau-Geschäft.

deborah71 antworten
MrOrleander
(@mrorleander)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 2211
Veröffentlicht von: @deborah71

Wenn sie nun bald irgendwann zumacht, dann weiß ich auch nicht. Sie ist jetzt 70 geworden und immer noch munter unterwegs und täglich in ihrem Ein-Frau-Geschäft.

Auf längere Sicht erwarte ich ja, daß das Ausbessern von Kleidung wieder attraktiv wird, weil neue Sachen sehr viel teurer geworden sind. Aber ob ich das noch erlebe? 😊

mrorleander antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19045

In den Geschäften, in denen ich normalerweise meine Klamotten kaufe, gibt es einen In-House-Änderungsservice. Wenn mir also ein gekauftes Kleidungsstück nicht passt, kann ich es im Haus ändern lassen. Bei dem einen kostet das etwas, bei dem anderen ist es im Kaufpreis inbegriffen.

Es gibt also schon die Chance, Klamotten umnähen zu lassen, aber dann halt nicht durch externe Schneidereien, sondern hauseigene Näher*innen.

tristesse antworten
Orangsaya
(@orangsaya)
Beigetreten : Vor 7 Jahren

Beiträge : 2983

Also bei mir im Umfeld, gibt es einige Änderungsschneidereien. Es machen immer wieder Läden auf. Allerdings halten die oft nicht lange.
Meistens sind es Menschen mit ausländischem Hintergrund, oder besser die Frauen davon, die wohl so die Familie mitfinanzieren.

Der Schuster ist bei uns ein Problem. Einen Schuster, der die Schuhe wieder fachgerecht instand setzt, kenne ich gar nicht in meiner Stadt. Es gibt nur etwas wie Mister Minit, doch das hält nicht lange.

orangsaya antworten


Orangsaya
Beiträge : 2983

Reinigungen gibt es noch. Es hat sich nur geändert.
Die Reinigungen haben sich zentralisiert. Es gibt Annahmestellen, die Kleidung zu großen Reinigungen weiterleiten.
Die Kleidung, die man nicht selber reinigen kann, tragen noch viele und werden gereinigt.
Für die, die einfache Kleidung früher nicht selber gewaschen haben, gibt es heute Waschsalons. So hat sich der Bedarf geändert. Dieses Klientel gibt nur Tischdecken für Festtage und ggf. Bettwäsche in die Reinigung.

orangsaya antworten
Kantor
 Kantor
Beiträge : 49

Ich denke, der Eindruck täuscht, weil bedingt durch die hohen Ladenmieten in Innenstädten der Trend zu kleinen Annahmestellen geht, die keine Reinigungsmaschinen mehr im Hinterraum haben, sondern die Textilien abgeholt und an zentralen Stellen gereinigt werden.
In jeder kleinen Änderungsschneiderei kannst Du Deine Sachen zum Reinigen lassen abgeben und in jeder Einkaufspassage, großen Bahnhöfen usw. ist mindestens eine Annahmestelle.

Dann gibt es Konzepte wie Shop-in-Shop, d.h. dass man keine eigenen Läden für Annahmetheken und Kleiderständer mehr braucht.
In vielen großen Bürogebäuden stehen Boxen, da können die Angestellten ihre Sachen einwerfen und einige Tage später gereinigt wieder abholen.

Schwierig waren natürlich die zwei Corona-Jahre mit Home Office. Wer im Home Office nur seinen Schlafanzug, Bademantel, Slip oder einen Trainingsanzug trägt, braucht keine chemische Reinigung.

An etlichen Arbeitsstellen kann man auch nur in Jeans und Sweatshirt / T-Shirt rumlaufen, da braucht es auch keine Reinigung.

Einigen reicht es auch, sich bei C&A einen Polyester-Anzug für 79 Euro zu kaufen, der kann in die Waschmaschine, aber es darf einem dann nichts ausmachen, wenn man damit im Büro wie eine Vogelscheuche herumläuft.

Chemische Reinigungen haben ein Geschäftskonzept, das sich seit vielen Jahrzehnten nicht geändert hat. Die Reinigungsmaschinen sind stylischer geworden, aber gereinigt wird nach wie vor mit Perchlorethylen oder chlorierten Kohlenwasserstoffen. Das sind sehr umweltproblematische Chemikalien.
Übernahmen von Immobilen, in denen mal früher eine chemische Reinigung oder eine kleine Autowerkstatt war, sind immer riskant, wegen möglichen Chemikalien oder Altöl im Boden.

Mehrere Jahre war ich der Finanzleiter bei dem Start-Up FRED BUTLER. Das war eine neu gegründete Tochtergesellschaft des LINDE Konzerns. Man hatte Patente in den USA gekauft, wie man Kohlendioxid verflüssigt und darin speziell entwickelte Reinigungsdetergenzien hinzufügt. Das flüssige Kohlendioxid hat vergleichsweise die Trägerfunktion des Wassers in einer Waschmaschine.

Diese Methode sollte die Textilreinigungsbranche revolutionieren. Es gab keine umweltschädigenden Chemikalien mehr, Allergien bei den Kunden entstanden nicht mehr, und es wurde nur das Kohlendioxid in einem Kreislauf verwendet, dass vorher schon da, d.h. es wurde kein neues CO2 produziert und aus dem geschlossenen System entwich nur wenig CO2 beim Öffnen der Tür.

Bei der Methode waren die Sachen dann auch richtig sauber. Wenn man eine dunkle Hose oder dunkles Jackett ein paarmal zum chemischen Reiniger gegeben hat, bemerkt man oft, dass die Sachen glänzen. Das liegt daran, dass die Maschine in chemischen Reinigungen zwar Filter haben, aber nicht jeden Schmutz herausfiltern können. D.h. die Hose ist mit etlichen anderen Textilien von anderen Kunden in der Maschine, Schmutz wird gelöst, aber nicht vollständig weggefiltert, sondern gleichmäßig über alle Textilien in der Maschine verteilt.

Bei der Reinigung mit Kohlendioxid passierte dies nicht. Die Sachen waren nicht nur optisch rein, sondern tatsächlich sauber.

Mit dem Verfahren konnte man auch Sachen reinigen, an die der chemische Reiniger nur ungerne rangeht, wie teure Lederjacken oder der Pelzmantel der Frau Gemahlin. Zwar ist da der Reinigungspreis ein Vielfaches gegenüber einfachen Teilen, aber wenn danach die Lederjacke oder der Pelz ruiniert ist, zahlen die chemischen Reiniger nur das 15-fache des Reinigungspreises als Schadenersatz.

Wir hatten CO2-Reinigungsanlagen in Großstadtregionen in Deutschland (Frankfurt, München und Düsseldorf – in Berlin natürlich nicht durch das niedrige Preisniveau, da schicken viele von Berlin die Sachen nach Polen zum Reinigen), in den Niederlanden, Schweden und Dänemark.

Weltweit gab es vier Unternehmen, wir in Europa, je eines in China, Japan und in den USA, die dieses Konzept der Textilreinigung mit flüssigem CO2 probiert haben. Davon ist jedes gescheitert.

Man hat zwar viele junge Leute, die mit viel Meinung und wenig Ahnung auf der Straße für Umweltschutz und Klima krakeelen und rumhüpfen. Aber zu wenige sind bereit, für die Umwelt auch mehr Geld auszugeben, wollen für die umweltfreundliche Reinigung ihrer Jacke nicht einen Euro mehr bezahlen, als der chemische Reiniger um die Ecke nimmt.

In einer chemischen Reinigung arbeiten häufig z.B. Mustafa oder Mohammed, nehmen sich als Hilfe ihre Schwester Ayse und Mutter Fatma. Das ist Familie, die arbeitet mehr als acht Stunden und den gesetzlichen Mindestlohn wird sicherlich auch nicht jedes Familienmitglied erhalten.
In unseren Annahmestellen wurden hingegen Tariflöhne gezahlt, Entgelt für Urlaub und Krankheit, und wenn das Personal dort mangels zu bedienender Kunden nichts zu tun hatte, weil in den Läden nichts gereinigt und gebügelt wurde; die CO2-Maschinen waren so groß, dass man dafür Reinigungsfabriken brauchte, musste man das Personal natürlich auch bezahlen.

Daneben brauchte man eine ganze Logistikkette, Software, Reinigungsfabriken, Lieferfahrzeuge, Fahrer usw., so dass die Kosten höher lagen, als beim chemischen Reiniger an der Ecke, der nur die Kosten für sein Ladengeschäft hat.

Außerdem hatten wir in den Reinigungsfabriken mit gelernten Textilfachkräften und Textilmeistern gearbeitet. Höhere Qualifikationen, als wenn um die Ecke ein Ungelernter / Angelernter sein Glück versucht, um hartnäckige Flecken zu entfernen, kosten auch mehr.
Das größte Problem waren übrigens Schlipse (Krawatten). Den Anzug geben Leute normalerweise schon in die Reinging, wenn er nicht mehr gut riecht oder wieder mal aufgebügelt werden muss. Flecken sind da aber eher weniger drin.
Hingegen gibt Opa Willi seine Krawatte erst dann in die Reinigung, wenn er Bratensaft oder Rotwein darauf gekleckert hat, also wirklich üble Flecken in der Krawatte sind. Oma Erna hat dann den Schaden richtig schlimm gemacht und zuerst versucht, die Flecken selbst wegzurubbeln.
Krawatten bestehen aus mehren Stofflagen. Wenn man die nassmacht, quellen sie unterschiedlich auf, notfalls muss die Krawatte aufgetrennt werden.
Das ist übrigens bei Flecken das Schlimmste, was man machen kann, wenn man ohne Ahnung versucht, die Flecken erst selbst wegzureiben. Dadurch dringen sie dann richtig tief in die Fasern ein.
Dann ärgert sich Opa Willi lautstark, wenn er für die Reinigung der kleinen Krawatte durch einen erfahrenen Detacheur 10 Euro zahlen soll, während sein großes Jackett nur 7 Euro kostet.

Zusammenfassung:
================
Wer Flecken in seiner guten, hochwertigen Kleidung hat, bitte gleich in die Reinigung bringen, und nicht zuvor selbst Reinigungsversuche starten.

kantor antworten
4 Antworten
ALF.MELMAC
(@alf-melmac)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2157
Veröffentlicht von: @kantor

Start-Up FRED BUTLER. Das war eine neu gegründete Tochtergesellschaft des LINDE Konzerns. Man hatte Patente in den USA gekauft, wie man Kohlendioxid verflüssigt und darin speziell entwickelte Reinigungsdetergenzien hinzufügt. Das flüssige Kohlendioxid hat vergleichsweise die Trägerfunktion des Wassers in einer Waschmaschine.

Das ist ja interessant! Die Firma gibt es nicht mehr, wenn ich recht gelesen habe?

alf-melmac antworten
Kantor
 Kantor
(@kantor)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 49

Hallo Alf,

ja, das stimmt leider, die Firma gibt es nicht mehr, die Kosten waren zu hoch.

Hier findet man noch etwas darüber:

https://www.erdoelfrei.de/de/aktuelles-beitrag/news/fred-butler-linde-startet-europaweiten-roll-out-fuer-umweltfreundiche-textilreinigung.htm

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/reinigungskette-fred-butler-schmutzloeser-im-franchise-system-1.194008

https://www.wiwo.de/unternehmen/fred-butler-linde-chef-reitzle-will-reinigungsbranche-ins-rotieren-bringen/5359708.html

Kann sein, dass man die Links nicht direkt öffnen kann, sondern in den Browser kopieren muss.

Das Konzept wurde in vier Ländern in der EU versucht von 2008 bis Ende 2011.
Ich war der "Head of Finance" für Europa. Sehr schade, ich hatte dort in München gerne gearbeitet und gewohnt.
Ich hatte immer Pionierpositionen, wenn es sich um neue Geschäftsideen gehandelt hat, neue Länder / Märkte erschlossen wurden.

Aber ich kann zum Abschluss aus meiner Zeit des Ausflugs in die Textilreinigungsbranche noch einen Tipp zum Geldsparen geben:

Eine Waschmaschine hat fast jeder, aber viele geben ihre Oberhemden in die Wäscherei, weil sie die Hemden nicht bügeln wollen / können.
Oft hat man dann zwei Preise: Einen für Hemden maschinengebügelt, und einen (natürlich) teureren Preis für Hemden handgebügelt.

Zahlt dann nur den billigeren Preis für maschinengebügelt!
Es ist gar nicht möglich, ein Hemd nur perfekt per Maschine zu bügeln.
Professionelle Wäschereien nehmen kein Bügelbrett, sondern stecken das Hemd auf eine Puppe, die aufgeblasen wird.
Dadurch ist das Hemd zwar schon recht ordentlich geglättet. muss aber dennoch kurz per Hand nachgebügelt werden, d.h. etwas handbügeln ist immer dabei, auch wenn man nur "maschinengebügelt" bezahlt hat.

kantor antworten
ALF.MELMAC
(@alf-melmac)
Beigetreten : Vor 3 Jahren

Beiträge : 2157

Eine bekannte von mir mir hatte mal eine Franchise von einer Firma namens Martinizing, aber das ist über 20 Jahre her

Die Firma kam ebenfalls aus den USA, scheint sich aber aus D zurückgezogen zu haben....

alf-melmac antworten
Kantor
 Kantor
(@kantor)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 49

Ich hatte immer gesagt, "Franchise" reimt sich auf "Scheiß"

Das große Problem ist, dass man als Franchiseinteressent nicht die Plausibilität der Prämissen beurteilen kann, die der Franchisegeber in seinen Hochglanzbroschüren angibt.
Die zu tätigenden Investitionen sind klar, aber ob man die berechneten Einnahmen und die erhoffte Kundenanzahl erzielen kann, weiß bei neuen Franchisemodellen höchstens der Franchisegeber.
Wenn man Pech hat, hat der Franchisegeber die Zahlen sehr geschönt, nur um die Eintrittsgebühr in sein Franchisesystem abzukassieren.
Ist das Geschäftsmodell Schrott, nutzt einem auch der vom Franchisegeber gegebene Gebietsschutz nichts.

Wenn's schiefgelaufen ist wird behauptet, das Franchisesystem war Klasse, nur der Franchisenehmer war zu doof, war eben doch keine Unternehmerpersönlichkeit.
Natürlich gibt es langjährig erprobte, bewährte und sehr erfolgreiche Franchisesysteme wie z.B. McDonald's, aber da braucht man für einen Einstieg mehr als nur Kleingeld.

kantor antworten


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