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Grundlagen rechter Gewalt

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Anonymous
 Anonymous
Beiträge : 0

Trotz zwischenzeitlicher Enttäuschung ist mir der Wunsch, dass die Gefahr rechter Gewalt deutlich und bewußt wahrgenommen wird, positiv hängen geblieben.

Mich beschäftigt die Frage, was die Grundlagen rechter Gewalt sind.

Welche Weltbilder liegen dem zu Grunde und wie würdet ihr die Strukturen beschreiben?

Was können Linke oder Konservative dagegen tun?

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27 Antworten
Orangsaya
Beiträge : 2984

Eigentlich wollte ich einen Thread aufmachen und fragen wer der Täter war. Es scheint nämlich so, dass er ziemlich unauffällig war. Der Vater ist entsetzt, die Mutter selbst scheint eine Antisemitin zu sein. In der Naziszene scheint er unbekannt zu sein. Seinen sonstigen politischen Hintergrund gibt es nicht. Auch wenn in der rechten Szene Antisemitismus der Regelfall ist, so ist es ein gefährlicher Irrtum Antisemitismus nur bei rechts zu sehen. Im Gegenteil, der Antisemitismus ist eine Brücke politischer Gegensätze. Bei der Ship-to-Gaza Aktion saßen, um gemeinsame Sache zu machen, rechte Nationalisten und Mitglieder des Bundeskanzler der Linken in einem Boot. Es ist viel zu kurz gegriffen, wenn Antisemitismus auf rechts beschränkt wird. Ich schließe nicht aus das der Täter ein Rechtsextremist ist. Im Gegenteil ich halte es für wahrscheinlich. Es ist allerdings ein gefährlicher Irrtum, wenn man gleich Rechtsextremist gleich annimmt, wenn Gewalt gegen Juden stattfand. Es gibt in Europa Länder, da ist es bislang schlimmer als in Deutschland. Hier ist an erster Stelle Frankreich, aber auch Belgien zu nennen. Viel Antisemitismus kommt da aus dem Islam. Deutschland ist auf dem besten Weg in dieser Richtung. Als ein Brandanschlag auf die Synagoge verübt wurde, hieß es, es seien Palästinenser und einige meinten es sei ein Konflikt mit dem wir nichts zu tun haben. Heute ist es so, dass z. B. Ein vermeintlicher ist Jude, öffentlich mit dem Gürtel auspeitscht wird. Es kam aus der Richtung des arabischen Antisemitismus, den wir quasi importiert haben.
Deutschland hat in Anbetracht der Geschichte eine besondere Verantwortung,das sind wir nicht zuletzt uns selber schuldig. Dewegen hat es eine besondere Tragweite, wenn Gewalt gegen Juden stattfindet. Ich wünsche mir, dass in Deutschland lebende Juden, eines Tages mit Stolz sagen: "Ich bin ein deutscher Jude und nicht ein Jude in Deutschland. Nur den Vertrauensvorschuss, denn wir im Kaiserreich hatten, haben wir uns selber vesaut.

orangsaya antworten


PeterPaletti
Beiträge : 1317

rechtsextremistisches Weltbild
Das rechtsextreme Weltbild ist gekennzeichnet durch einen aggressiven Nationalismus. Aus seiner Sicht ist das deutsche Volk höherwertig und deshalb vor 'rassisch minderwertigen' Ausländern oder Juden – auch mit Gewalt. - zu schützen. Es ist eine aggressive, extrem gewaltbereite Fremdenfeindlichkeit als Ergebnis einer Wiederbelebung rassistischen und damit verbunden antisemitischen Gedankenguts. Das geht einher mit Relativierung oder sogar Leugnung der Verbrechen des "Dritten Reiches" und damit verbunden eine Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus Hinzu kommt die Vorstellung von einer Volksgemeinschaft auf rassistischer Grundlage, die die Rechte des Einzelnen einschränkt und das Modell des Volkskollektivismus („Du bist nichts dein Volk ist alles“) hochhält bis hin zur Errichtung eines „Führerstaates mit militärischen Ordnungsprinzipien.
Klarer Weise richtet man sich damit gegen Antipluralismus, demokratische Institutionen und ihre Repräsentanten.

Quelle http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41312/was-ist-rechtsextrem?p=all

peterpaletti antworten
Vigil
 Vigil
Beiträge : 386

Grundlagen für Gewalt in Gesellschaften sind immer wirkliche oder individuell empfundene Missstände.
Wirkliche haben wir z.B. mit der sich immer weiter öffnenden Einkommensschere, mit Verslumung von Stadtteilen (Duisburg Marxloh), Entwohnung von Dörfern, mit durch mediale Präsenz übersteigerte Darstellungen von Unrecht und Gewalt, mit zu Recht bestehenden Existenzängsten wegen andauernder Globalisierung und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt - nur dürftig aufgezählt.
Persönlich empfundene haben wir durch die sich weiter immer mehr entwickelnde Individualisierung und Anonymisierung in der Gesellschaft, den Verlust von gesellschaftkonformen allgemeinen Wertvorstellungen. Persönlich wachsende Ängste vor Gewalt im öffentlichen Raum, Angst vor Verletzung privater Räume, Angst vor Verlusten von Bindungen tragen ihr Übriges bei -auch hier nur dürftig benannt; es sprengte den Rahmen, in die Tiefe zu gehen. Insgesamt wirkt unsere Gesellschaft tw. rücksichtslos(er) im Umgang miteinander.
Und eine "gesellschaftliche Hackordnung" gab es immer, gibt es immer: Immer besteht die Neigung zum Blick auf andere - in Verachtung und Abwertung.
Und hier werden alte Strukturen im Denken gepflegt, die Jahrzehnte eben so gepflogen wurden, tw. sogar staatlich verordnet. Das zieht sich dann von Judendiskrimimierung bis Verachtung von Kommunisten über Antifa-Bewegungen, über alternative Lebensformen, wird betitelt mit "links-grün", national-braun, einfach rot, einfach schwarz und trifft nie genau (wie auch), aber plakativ. Das gibt es auch noch zwischen Katholiken und Protestanten, auch hier im Forum.
Die Tradition der alten Bundesrepublik argwöhnte immer gegen alles, was irgendwie links war, in der DDR wurde der Antifaschismus gepflogen. Hat's was gebracht?
So werden Vorurteile wieder geweckt, die überwunden schienen, es aber nie waren.
Und einzelne, sich berufen fühlende, werden gewalttätig - oder auch ganze Gruppen, die sich zusammenfinden.
Wenn ich das hier schreibe, merke ich, wie schwach eigentlich alle Möglichkeiten des Ausdrucks sind für das, was da brodelt. Man müsste es vertiefen.
Rechte Gewalt scheint aber mehr Zuspruch zu finden zurzeit und bisher.
Ob die Ereignisse in Halle da was ändern?

vigil antworten


Groffin
Beiträge : 1873

Zuerst müssen wir unterscheiden zwischen rechts, rechtsradikal und rechtsextrem.

Rechtsextreme sind quasi die Vordenker - sie entwickeln bzw. unterstützen rassistische Weltbilder und diskutieren über mögliche Maßnahmen um den von ihnen wahrgenommenen Problemen entgegenzuwirken. Oft entgegen den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Rechtsradikale sind diejenigen, die zur Tat schreiten. Also die Überlegungen der Rechtsextremisten umsetzen.

Rechtspopulistisch ist wiederum eine Schnittmenge aus rechten und linken Ansichten, die für sich vereinnahmen, mit der "Stimme des Volkes" zu sprechen. Wie auch immer dieses Volk dann jeweils definiert ist, sind dann auch die Stoßrichtungen unterschiedlich.

Es gibt sicher mehrere Grundlagen für rechte Gewalt. Wesentlich sind hier sicher Ängste: Angst vor Machtverlust, gesellschaftliche Veränderungen, Identitätsverlust, Bedeutungslosigkeit, usw.

Entgegen der linken Gewalt liegen im rechten Spektrum eher persönliche Gründe vor.

Auszug aus Forum Kriminalpräventation "Zur Psychologie der rechten Gewalttäter"

Mit Blick auf die PMK-rechts (Anm: Polizeiliche Kriminalstatistik) fällt auf, dass rechte Einstellungen und Gewalttaten in Deutschland größtenteils als Probleme von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen5 aus zerrütteten Familienverhältnissen sowie mit niedrigem Bildungsstatus interpretiert werden, wobei individuumbezogene Implikationen im Vordergrund stehen. Der „pathologisierende“ Ansatz scheint bei der Erklärung individueller Motive nach wie vor hoch im Kurs zu stehen.

Dabei ist nicht die von Maaz 6 vorgetragene Forderung nach massenhafter Therapie der ostdeutschen Bürger gemeint.
So stellt Marneros7 seine Befunde rechter Gewalttäter aus psychopathologischer Perspektive dar, um kriminogene soziobiographische Hintergründe auszuleuchten. Demnach stammten fast 70 Prozent der rechtsextremistischen Gewalttäter
aus zerrütteten Familien. Bis zu 80 Prozent der Täter hätten ein niedriges oder sogar sehr niedriges Bildungsniveau, wobei es bei einem Viertel der Untersuchten Hinweise auf eine intellektuelle Minderbegabung gebe. 89 Prozent der Gewalttäter hätten nicht einmal ansatzweise eine gnosiologisch fundierte Ideologie.
„Sehr auffallend ist die Störung des Sozialverhaltens, das bei ¾ rechtsextremistischen Gewalttätern eine pathologische
Dimension erreicht und in zirkuläre Prozesse wie Familie, Bildungsniveau, rechtsextremistische Orientierung und
Gewaltbereitschaft eingreift“.

8 Diese Faktoren seien aus der defizittheoretischen Sicht für den Rechtsextremismus ausschlaggebend, wobei ideologische Motive keine Rolle spielen würden. Heitmeyer9 behauptet übereinstimmend:
„Der Weg von Jugendlichen in das fremdenfeindliche und rechtsextremistische Terrain verläuft also nicht in erster Linie
über die Attraktivität von Parolen, die eine Ideologie der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit betonen, um diese mit Gewalt durchzusetzen, sondern über Gewaltakzeptanz, die im Alltag entsteht und dann politisch legitimiert wird. Dies verweist nachdrücklich zuerst auf zentrale gesellschaftliche Strukturen und Sozialisationsmechanismen und nicht auf die politischen Ränder.“

Der Verweis auf das hohe Maß von Gewalterfahrung in der kindlichen Sozialisation von Straftätern gehört zu einer der Konstanten (sozial-)psychologischer Ansätze. Demnach sei die rechte Ideologie lediglich ein „politisches Mäntelchen“, den die Straftäter sich umhängen, um die gemeine Gewaltkriminalität zu legitimieren. Die These hat eine gewisse Berechtigung. Zugleich wird ein „Großteil der Menschen mit solchen Erfahrungen nicht gravierend auffällig und umgekehrt kommen viele Gewalttäter aus einem nicht besonders aggressiven Milieu.

Wie bei der Prävalenz wird die Frage nach den Ursachen der Aggression und Delinquenz oft zu pauschal gestellt und
beantwortet“.1

Nachtrag vom 14.10.2019 1243
Quelle und weiterer Text hier (PDF-Dokument)

groffin antworten
Anonymous
 Anonymous
Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @lavoisine

Mich beschäftigt die Frage, was die Grundlagen rechter Gewalt sind.

[Gestrichen. Für den sinnvollen Teil dieses Beitrags bitte runterscrollen. MfG AleschaMod]

Im Ernst: Ich vermute, dass Du die von Dir gestellte Frage kompetenter beantworten kannst, als die meisten von uns. Was gegen rechte Gewalt getan werden könne - darüber sind sich ja selbst die Experten uneins, bzw. werden unterschiedliche Fokusse gesetzt. Die einen setzen auf stärkere Beobachtung der Szene und umfassenderen Verfolungsdruck, die anderen setzen auf Bildung und Aufklärung. Problematisch finde ich die Tendenz unserer Medien-und Meinungsgesellschaft, wie automatisch Einzeltaten wie die des Versagers aus Halle sofort und ohne jede Reflexuntersuchung zur Bestätigung des eigenen Weltbildes herangezogen werden. Je nach Weltbild wird so das Ereignis verstanden: mal als Beleg für die Schädlichkeit von Computerspielen, mal als Beleg für die besondere Beziehung zwischen Gott und seinem auserwählten Volk (Jehova selbst hielt die Tür vermutlich zu, damit nicht Juden, sondern zufällige Flaneure ermordet würden), mal als Beleg für die hoffnungslose Rückständigkeit der Ostdeutschen, mal als Beleg dafür, das strengere Zensurregeln im Internet gebraucht werden, mal als Beleg dafür, das Höcke als Personifikation des Bösen angesehn werden müsse, mal als Beleg dafür, dass alle Männer zwischen sechzehn und sechzig unter Aufsicht gestellt werden müssen.
Was man, ob links oder konservativ, effektiv (!!!) tun könne, um rechte Gewalt zu verhindern, weiß ich nicht. Persönlich habe ich einem langjährigen Jugendfreund wegen dessen antiseimitischer und fremdenfeindlicher Einstellung die Freundschaft gekündigt und den Kontakt zu ihm abgebrochen. Und frage mich immer wieder einmal, ob das richtig oder eher kontraproduktiv war. Aber letzten Endes ist auch der braune Scheiß für mich dann ein ästhetisches Problem: er ekelt mich schlicht und ich mag mich nicht weiter, Verständnisbereitschaft heuchelnd, damit beschäftigen. Es taugt halt nicht jeder zum streetworker...

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Suzanne62
(@suzanne62)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 7672
Veröffentlicht von: @blackjack

Persönlich habe ich einem langjährigen Jugendfreund wegen dessen antiseimitischer und fremdenfeindlicher Einstellung die Freundschaft gekündigt und den Kontakt zu ihm abgebrochen. Und frage mich immer wieder einmal, ob das richtig oder eher kontraproduktiv war.

Es war vor allem erst mal dein gutes Recht, das zu tun. Als Freunde möchte man doch Menschen haben, deren Haltung man zumindest respektieren kann, auch wenn man sie nicht teilt - und das ist bei Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit nun mal nicht möglich.

Veröffentlicht von: @blackjack

Es taugt halt nicht jeder zum streetworker...

Vor allem nicht im Privatbereich. Du hast durch deinen Kontaktabbruch zumindest deutlich gemacht, dass dieser Mensch nicht überall auf ungeteilte Zustimmung stößt. Das ist - auch wenn ich mir davon nicht unbedingt eine Änderung seiner Denke erhoffen würde - in jedem Fall eine wichtige Erfahrung, die man solchen Leuten nicht vorenthalten sollte: es gibt in diesem Land auch noch Leute, die anders denken.

suzanne62 antworten


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Beiträge : 18002

Ich glaube nicht, dass es eine Lösung speziell für rechte Gewaltprobleme gibt. Auch wenn der aktuelle Druck durch den Vorgang in Halle immens ist, endlich etwas zu tun.

Die ganze Gesellschaft atmet Gewalt. Rechte, linke, islamische Gewalt auf den Straßen; zunehmende verbale Gewalt in den Socialmedien, Gewalt gegen Andersdenkende, Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Kinder, Gewalt auf Schulhöfen durch Mobbing, man amüsiert sich in der Freizeit mit Gewalt per Playstation, usw. usf.

Rechte Gewalt ist nur ein Symptom für eine durch Gewalt durchzogene Gesellschaft.
Die Grundsatzfrage wäre: welche Strategie entwickeln für eine gewaltfreie Lebensart.

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Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0

Strategie

Veröffentlicht von: @banji

Die Grundsatzfrage wäre: welche Strategie entwickeln für eine gewaltfreie Lebensart.

Vielleicht dafür werben, dass Menschen nicht mehr aufgrund des Geschlechts, der Sexualität, des Alters, der Herkunft, der Religion und Nationalität diskriminiert oder ausgenrenzt werden.

Und auf die Sprache achten. Nicht jeder Nationalist ist ein Nazi und weder Feminismus noch Gendern macht eine neue DDR. Auch werden keine Kulturen oder Lebensräume zerstört. So, dass niemand in den Verteidigungsmodus wechseln muss.

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Groffin
(@groffin)
Beigetreten : Vor 22 Jahren

Beiträge : 1873
Veröffentlicht von: @lavoisine

Vielleicht dafür werben, dass Menschen nicht mehr aufgrund des Geschlechts, der Sexualität, des Alters, der Herkunft, der Religion und Nationalität diskriminiert oder ausgenrenzt werden.

Allgemein ist das nicht verkehrt, trifft das Problem Rassismus bzw. Rechtsextremismus aber eher am Rande.
Sicher sind nicht alle Rechtsextremen dumm - aber der Mangel an Bildung und soziale Probleme in der Kindheit sind hier stärker vertreten als in anderen Gruppen. Gewalt und Ausgrenzung ist in diesem Milieu ein gängiges und probates Mittel.

Wir haben also zum einen eine erhöhte Gewaltbereitschaft, dann persönliche Probleme und ein niedriges Bildungsniveau.
Der Rechtsextremismus passt dort genau hinein: scheinbar einfache Lösungen (die anderen da sind Schuld an Deinem persönlichen Problem, denn du bist ja völlig in Ordnung). Wenn Du etwas verändern willst, musst Du nichts an Dir ändern, sondern an den anderen. Und weil Du am besten mit Gewalt Probleme löst, tu es auch hier.

groffin antworten
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