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Sonderverwaltungszonen in Nevada?

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Tertullian
Themenstarter
Beiträge : 415

Bin heute über diesen Artikel gestolpert:

https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-technologie-libertarismus-1.5199920

Zumindest in Deutschland sind libertäre Ansichten ja ziemlich eindeutig dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen. Bei mir würde die Aussicht, von einem großen Wirtschaftskonzern (auch politisch) zumindest teilweise regiert zu werden, ganz sicher keine Begeisterung hervorrufen. Ich halte solche Entwicklungen langfristig für eine Gefahr. Wenn so etwas in anderen (US-) Staaten Schule machen sollte sind das IMHO keine gute Nachrichten für die Demokratie. Natürlich gibt es (zunächst) sehr hohe Hürden, um überhaupt in den "Genuss" eines solchen Systems zu kommen. Aber: Ist das womöglich erst der Anfang von einer umfassenderen Entwicklung? Kommen die USA so nicht vom Regen in die Traufe? Schließlich ist man gerade erst Trump losgeworden. Und: Ja, der Gouverneur von Nevada ist Demokrat, nicht Republikaner. Sieht das jemand ähnlich kritisch wie ich? Oder eher unproblematisch? Würde mich über eine sachliche Diskussion ohne Verschwörungstheorien freuen.

Antwort
18 Antworten
GoodFruit
Beiträge : 2643
Veröffentlicht von: @tertullian

Zumindest in Deutschland sind libertäre Ansichten ja ziemlich eindeutig dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen. Bei mir würde die Aussicht, von einem großen Wirtschaftskonzern (auch politisch) zumindest teilweise regiert zu werden, ganz sicher keine Begeisterung hervorrufen. Ich halte solche Entwicklungen langfristig für eine Gefahr.

Nun, in Deutschland haben wir das sicher nicht so extrem - aber es gibt doch auch Tendenzen.

Denken wir nur an große Unternehmen oder Unternehmerpersönlichkeiten, die lokal prägend sind. Die ersetzen dann zwar nicht den Gemeinderat - aber gegen diese Unternehmen wird der Gemeinderat kaum agieren und wenn dann Vorschläge plus Finanzierung als Angebot kommen, wird kaum jemand "Nein" sagen können.

Denken wir an den Lidl Chef Dieter Schwarz. Zu dem heißt es in einem Fild über ihn:
"Dieter Schwarz ist ein absoluter Heilbronner im positiven Sinne. Für Heilbronn tut er fast alles."
Quelle:
https://www.rnz.de/politik/suedwest_artikel,-neckarsulm-zdf-bringt-die-lidl-story-_arid,388411.html

Schwarz hat seiner Heimatstadt ne Uni spendiert:
https://www.businessinsider.de/wirtschaft/der-lidl-gruender-finanziert-in-seiner-heimatstadt-heilbronn-ein-nie-dagewesenes-uni-experiment-2018-10/

Oder man denke an SAP und Dietmar Hopp:
Bei dem war es keine Unis sondern ein Fussballverein - und da gab es nicht nur positive Stimmen zu dem Ansatz:
https://www.sportbuzzer.de/artikel/warum-dietmar-hopp-gehasst-hass-bvb-bayern-fans-investor-hoffenheim-kritik/

Man denke an Wolfsburg und VW, was nicht nur die Autostadt als Teil hat sondern gewissermaßen durch und durch Autostadt ist.

Diese Beispiele zeigen zum einen, wie postivi es sein kann, wenn Unternehmen die Möglichkeit haben, Ihr Geld lokal zu investieren. Wenn man sich die Beispiele aber genau aniseht, dann wird man immer auch Kritikpunkte finden, die Aufzeigen, wo solche Projekte im Sinne eine Demokratie problematisch werden und wo eine Opposition es sehr schwer haben wird, weil man sich da nicht nur gegen die Macht eines gewählten Volksvertreters sondern wirtschaftlich gegen den Ast, auf dem man sitzt, wendet.

Im Übrigen glaube ich, dass die Entwicklung hin zu libertären Konzepten in den USA längst schon ganz lange läuft. Der Markt ist liberalisiert (wobei liberal und libertär nicht dasselbe ist!). Wir haben einen Turbokapitalismus, der von Demokraten wie Republikanern gleichermaßen gefördert wurde. Das Resultat sind wenige sehr, sehr Reiche und ganz viele sehr Arme.

Ohne eine Revolution, die die Verhältnisse grundlgend ändern würde, sehe ich nur libertäre Konzepte als Ausweg - d.h., die sehr sehr Reichen geben Geld um die Infrastrukturen zu schaffen, in denen die Armen dann leben. Das muss kein schlechtes Leben sein, aber eine wirkliche Freiheit dürfen wir da nicht mehr erwarten und selbst wenn Wahlen noch unabhängig sein mögen, so wird gegen die lokalen Herren doch kaum Politik zu machen sein. "Wer zahlt befiehlt" - "Wes Brot ich ess', des Lied ich sing."

In der Bibel heißt es, dass von dem, wem viel gegeben ist, auch viel gefordert wird (LK12, 48b). Viele scheinen vergessen zu haben, dass Reichtum auch Verantwortung mit sich bringt. Und so sollte es ja auch sein. In den USA wird die Politik, die Tendenzen zum Superreichtum födert, so gerechtfertigt, dass man da ja eine große Gießkann füllen würde und die dann die Menschen versorgt. Leider scheitert das an der mangelnden sozialen Verantwortung und offenbar auch der Gier der Superreichen - sonst könnte es nicht sein, dass in Silicon Valley Unternehmen dicke Gewinne machen - und gleichzeitig Vollbeschäfitgite der Unternehmen in ihren Autos leben müssen, weil sie sich keine Wohnung leisten können. Ein solches System droht dann an mangelnder sozialer Kompetenz der Superreichen oder aber an mangelnder politischer Regulierung zu scheitern - und der Ausfriedensbruch im Capitol war nicht nur eine Trump Veranstaltung sondern sicher auch das erste Anzeichen einer REvolte, die nicht mehr bereit ist, sich politisch in derartige Situationen hineinführen zu lassen.

Wo Kaptialisten kein soziales Gewissen haben, da muss die Politik regulieren. Dies kann über Steuern geschehen oder aber auch über eine bessere Kontrolle des Wirtschaftens, was Fehlentwicklungen vorbeugen kann. Die Politik, die so etwas regelt, macht immer einen Balanceakt, der weder die Wrtschaft zu sehr einengen noch deren Einfluss zu groß werden lassen darf. Das ist ein "Gärtnern" im positiven Sinne.

Dort, wo eine kleine Gruppe an Menschen zu viel Kaptial und damit Macht in der Hand hat, besteht immer die Gefahr des Missbrauchs und des Verelendens breiter Massen. Ich kann für die USA da nur hoffen, dass die Menschen der verschiedenen Lager die Achtung voreinander bewahren und ihre Verantwortung entdecken. Schlimmsten Falles kommt es zu einem Abkapseln einer schönen Welt von einer überflüssigen Welt, welche sich dann irgendwann ganz von selbst erledigt weil ihr die wirtschaftliche Grundlage fehlt.

Für mich ist weder Kaptialismus oder gar Turbokapitalismus noch die Übertreibung auf der anderen Seite: der Sozialismus/Kommunismus die Lösung. Die Bibel spricht viel über richtiges und verantwortbares Wirtschaften. Wenn die Menschen ihr Christsein Ernst nehmen (und hier natürlich insbesondere auch die Unternehmer!), dann sind die politischen Rahmenbedingungen eigentlich egal - das System wird in Frieden leben und alle werden gut versorgt sein. Und auch eine Libertäre Welt könnte so funktionieren, wenn die Sponsoren einer solchen Welt, die Freiheit und damit die Würde der Menschen achten.

Wohin die Reise in den USA geht, wird man sehen. Ich wünsche ihnen jedenfalls von Herzen gutes Gelingen, wirtschaftliches Wohlergehen und Frieden in jeder Hinsicht. Möge Amerika "great, again" in einem positiven Sinne werden und wieder als Modell für eine moderne Welt werden, die als erstrebenswert gelten kann - mit einer lebendigen und bunten Kultur, die aus dem Herzen heraus ein Leben der Achtung, der Übernahme von Verantwortung und der kreativen Anwendung und Entwicklung von moderner Technologie lebt, das Mitmensch und Umwelt in Wohlwollen und Liebe mit einschließt.

Und da ist es mir egal, ob das nun eine Regierung oder ein wirtschaftlich folrierendes Unternehmen so etwas vorantreibt.

Ein großes Hemmnis scheint mir hier die Angst zu sein, dass sich in Freiheit unvorteilhafte Entwicklungen ereignen könnten. Das führt zu einer Haltung der Paranoia mit kreative Prozesse unterbindende Kontrollmechanismen. So wird man keine bessere Welt begünden können sondern einen kulturellen Zerbruch und Verfall fördern, an dessen Ende es keinen Gewinner geben wird. Denn was soll ich mit meinem ganzen Geld, wenn die Basis, die schöne Dinge erschaffen könnte, nachhaltig zerstört ist, und ich nichts mehr kaufen kann?

Da langfristiges und nachhaltiges Denken und wirtschaften in der derzeitigen wirtschaftlichen Kultur oft nicht so ausgeprägt ist, halte ich solch einen dramatischen Verfall für nicht eben unwahrscheinlich. Und hier muss die Welt dann aufpassen, dass sie sich nicht von diesem Virus anstecken lässt und die Menschheit in die größte Krise ihrer Existenz hineinschlittert. Die Kultur, die sich da abkapseln kann, wird die kulturbestimmende Region für die nächsten Jahrhunderte sein ...

goodfruit antworten
3 Antworten
Ungehorsam
(@ungehorsam)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 3336

Denken wir nur an große Unternehmen oder Unternehmerpersönlichkeiten, die lokal prägend sind. Die ersetzen dann zwar nicht den Gemeinderat - aber gegen diese Unternehmen wird der Gemeinderat kaum agieren und wenn dann Vorschläge plus Finanzierung als Angebot kommen, wird kaum jemand "Nein" sagen können.

Ja, genau so läuft es in unserem Städtchen auch. Dieser Unternehmer ist sogar Mitglied der ev. Kirchengemeinde. In letzter Zeit ist er damit aufgefallen, neue Projekte mit großem Tamtam angekündigt zu haben - nur die Realisierung läßt auf sich warten.

ungehorsam antworten
Tertullian
(@tertullian)
Beigetreten : Vor 22 Jahren

Beiträge : 415

Guter Beitrag. Bei uns sind die milliardenschweren Unternehmer im Grunde sehr unterschiedlich drauf. Die meisten tun (zumindest vordergründig) viel Gutes in der Kultur- oder Sportförderung. Und meistens reden sie - anders, als es uns in der Bergpredigt nahegelegt wird - aber auch viel darüber. Dieter Schwarz gehört wiederum zu denjenigen, die sich nicht gerne ins Rampenlicht der Medien stellen, aber trotzdem sehr viel Einfluss nehmen - ähnlich wie die inzwischen verstorbenen Aldi-Brüder. Hopp, Würth und andere sind da schon medienaffiner. Allerdings gibt es in Deutschland zum Glück auf allen Ebenen ausschließlich mit allgemeinem, gleichem und geheimem Wahlrecht gewählte Volksvertreter.

tertullian antworten
Jigal
 Jigal
(@jigal)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3838

Die machen Dinge, die ihnen in der Jugend ggf. gefehlt haben.
Die Schwarz Stiftung mit dem Bildungscampus in Heilbronn.
Würth seit Jahrzehnten mit Kunst.
In Schwäbisch-Hall gibt es Kunstmuseen in die man kostenlos unterschiedlichste Kunstwerke sehen kann. In der Johanniterkirche alte Werke und in der Kunsthalle moderne Werke.

Hopp macht viel für die Jugend. Es ist nicht nur die TSG Hoffenheim, es sind Trainingsplätze in Zuzenhausen, talentierte Spieler werden gefördert, so lange die Schulnoten auch stimmen.
Jugendprojekte im Großraum Rhein-Neckar haben gute Chancen auf Fördermittel. Die TSG erhält meines Wissens keine wirtschftliche Förderung mehr, sie soll sich selbst tragen.

jigal antworten


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