US-Wahl: Nach dem Elend ist vor der Katastrophe
Zuerst wollte ich das hier in Lucans letztem Politik-Thread schreiben, aber es würde dann vielleicht dort doch etwas zu sehr off topic sein, weswegen ich hier mal einen neuen Thread starte, um mich in Doomism zu suhlen. Was uns, um es mit Lucan zu formulieren "die Politiker zumuten", das gucke ich mir gerade, weil ich heute nachts nicht so lange wach bleiben wollte, als Stream auf YT an: die "mit Spannung erwartete" Debatte zwischen Biden und seinem Herausforderer Trump.
Komme mir dabei wie ein Gaffer auf der Autobahn vor, der unbedingt einen Blick auf die Katastrophe haben will. Horrorfilme sind nicht halb so gruselig. Europa hat rechts bis rechtsradikal gewählt, aber die USA werden, wenn nicht ein Wunder geschieht (und die Demokraten doch noch ihren Kandidaten austauschen), demnächst einen eitlen Psychopathen und selbstangekündigten Diktator zum "Leader of the world" küren. Interessant ist es, in den "Top Chat"-Kommentaren mitzulesen. Offenkundig haben die Demokraten nicht nur bei der Auswahl ihres Kandidaten versagt, sondern auch dabei, genügend Schreihälse in den Kanälen der "social media" zu platzieren. Auf einen Kommentar, der pro Biden auftaucht, kommen gefühlt über hundert, die Trump abfeiern. Wenn das repräsentativ wäre, dann könnte man die USA statt "land of the free" umtaufen in "land of the fools".
Vor Monaten hatte ich tatsächlich noch gehofft, die Republikaner würden den Fehler begehen, Trump zum nächsten Präsidentschaftskandidaten zu küren. Meine Dialektik ging so: gegen Trump ließen sich die demokratischen Wähler eher dazu bewegen, nochmal an die Urnen zu gehen, die Angst vor ihm als Präsidenten wäre größer als die Angst vor einem Präsidenten wie z.B. DeSantis. Der nächste demokratische Präsidentschaftskandidat würde als "kleineres Übel" gewählt und damit würde die Übernahme der Macht und somit die Einleitung einer endgültigen Abschaffung demokratischer Verhältnisse durch die national-religiöse Rechte erstmal verhindert.
Aber ich lag falsch. Ich hätte nicht gedacht, dass der Greis Biden noch ein weiteres Mal aufgestellt würde. Ich hätte gedacht, eine Partei, die vor allem auf junge und gebildete Wähler zählen muss, würde bessere, jüngere, charismatischere Köpfe in ihren Reihen haben und sich nicht noch einmal auf einen Korea-Veteranen verlassen wollen. Vielleicht war bei mir auch nur der Wunsch Vater des Gedankens. Oder sogar schon die Resignation: ich glaubte nicht daran, dass sich die Wähler für einen guten Kandidaten würden mobilisieren lassen, sondern nur daran, dass sie noch soviel Selbsterhaltungstrieb hätten, sich gegen einen katastrophalen Machthaber an den Wahlurnen zu stellen.
Wie auch immer: Trump führt in den Umfragen. Biden hat dieses "Duell" krachend verloren. Auf einen Umschwung in der "Wählergunst" zu hoffen, gelingt nicht mal bei besonders lautem Pfeifen im Walde. Trump wird der nächste US-Präsident und das ist dann das vorläufige Ende der freiheitlichen Demokratie in der mächtigsten Nation der Welt.
Zum Glück habe ich keine Kinder.
Aber hey: Widersprecht mir! Nennt mir kluge, überzeugende Gründe, weswegen meine Untergangsstimmung nur das Geflenne eines alten Mannes sei, der Grusel-Lust geschuldet, die Realitäten verzerrend. Erklärt mir dass, wie und wo ich falsch liege. Bitte!
Veröffentlicht von: @jack-blackNennt mir kluge, überzeugende Gründe,
Wahrscheinlich nicht überzeugend genug. Zumal ich nicht gewillt, bin in die Untergangsstimmung einzustimmen. Pardon, daß ich die meisten Kommentare überspringe und gar nicht erst lese.
Trumps erste Präsidentschaft war chaotisch, hat, um es mal vorsichtig auszudrücken, die Grenzen des Verfassungs- und Rechtsstaats ausgetestet. Was er nicht getan hat im Unterschied zu so gut wie allen seinen Vorgängern, die wenigstens eine vollständige Amtszeit absolviert hatten, war, einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Trump ist nicht Ursache, sondern Symptom eines zutiefst gespaltenen Landes, und da hat der hier so hymnenbekränzte Obama seinen Teil beigetragen. Ich weiß nicht, wie man das heilen kann - in Form einer Republik und Wahlen, deren Form im Fall der USA auch noch die Polarisierung unterstützt, wahrscheinlich sowieso nicht. Insofern sehe ich nicht die Wahl zwischen schwarz-weiß oder demokratisch-totalitär.
Veröffentlicht von: @jack-blackIch hätte nicht gedacht, dass der Greis Biden noch ein weiteres Mal aufgestellt würde. Ich hätte gedacht, eine Partei, die vor allem auf junge und gebildete Wähler zählen muss, würde bessere, jüngere, charismatischere Köpfe in ihren Reihen haben und sich nicht noch einmal auf einen Korea-Veteranen verlassen wollen.
Das hat er aber nach meiner Erinnerung schon relativ kurz nach Amtsantritt gesagt, noch vor den Zwischenwahlen zum Kongreß. Und ich lehne mich mal aus dem Fenster - das hat es noch nie gegeben, daß eine Partei einen Regierungschef (Staatschef, kommt in diesem Fall aufs gleiche raus), der weitermachen will, abserviert hat, obwohl sie seine Amtszeit als positiv verkauft. Lincolns Vorgänger Pearce wurde nicht mehr aufgestellt, aber ich bin nicht sicher, ob er das überhaupt wollte, war alkoholkrank (aus nachvollziehbaren Gründen).
Veröffentlicht von: @jack-blackWie auch immer: Trump führt in den Umfragen.
Dazu noch eine Bemerkung, die (je nach Sichtweise) sowohl zu Opti- als auch zu Pessimismus führen kann: Die Umfragen sind in den USA nicht besonders zuverlässig. Verglichen mit Umfragen in Deutschland ist die Menge der Befragten viel zu klein, und viele Jüngere werden kaum erreicht.
Andererseits: Biden lag 2020 in keiner einzigen Umfrage hinter Trump. Und die Umfragen sehen für Trump in mindestens vier der sechs 2020 besonders umkämpften "Swing States" noch besser aus als landesweit.

@sinnombre
Trumps erste Präsidentschaft war chaotisch, hat, um es mal vorsichtig auszudrücken, die Grenzen des Verfassungs- und Rechtsstaats ausgetestet. Was er nicht getan hat im Unterschied zu so gut wie allen seinen Vorgängern, die wenigstens eine vollständige Amtszeit absolviert hatten, war, einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Trump ist nicht Ursache, sondern Symptom eines zutiefst gespaltenen Landes, und da hat der hier so hymnenbekränzte Obama seinen Teil beigetragen.
Trump versucht in der Tat einen Krieg zu vermeiden... das kann Leben retten, aber auch jede Menge Leben kosten, je nachdem... denn wenn er Diktatoren einfach gewähren lässt, dann kann das ziemlich bitter werden.
Was Obama betrifft... nein, die Sache mit der Spaltung hat sehr viel früher begonnen. Im Grunde noch vor Reagan... und niemand hat es seitdem wirklich aufhalten können.

@lucan-7 Das ist richtig - ich wollte damit auch Obama nicht als allein Verantwortlichen hinstellen.

@sinnombre (zum Beitrag)
Andererseits: Biden lag 2020 in keiner einzigen Umfrage hinter Trump
Er hatte auch bei der Wahl mehr Stimmen als Trump, nur eben nicht genug Staaten gewonnen.

@hkmwk Ich glaube, da liegt eine Verwechslung mit Hilary Clinton 2016 vor 😉 2020 war es aber auch knapp, obwohl Biden deutlich mehr Stimmen hatte, wobei - wenn mich die Erinnerung nicht trügt - die Verteilung außerhalb Kaliforniens weitgehend gleich war.

@sinnombre
Ich glaube, da liegt eine Verwechslung mit Hilary Clinton 2016 vor
Stümmt.

@sinnombre Trump ist nicht Ursache, sondern Symptom eines zutiefst gespaltenen Landes,
Ganz Deiner Meinung!
da hat der hier so hymnenbekränzte Obama seinen Teil beigetragen.
Vielleicht. Dass die Spaltung weiter zurückliegt, hatte ja Lucan schon angemerkt. Ich persönlich schließe mich der Einschätzung von Annika Brockschmidt an, dass es schon spätestens (!) mit dem 68er-Umbruch anfing.
Und dass diese Spaltung, also dieser Kulturkampf, in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren so rasant zunahm, haben wir, so meine ich, nicht zuletzt auch dem ersten Impact der KI (den sogenannten "sozialen Plattformen") zu verdanken - und damit einer Technologie, die zuerst aus den liberal-säkularen Kreisen stammte und dort genutzt wurde.
p.s.: "hymnenbekränzt" halte ich übrigens für eine etwas schräge Formulierung, insbesondere, wenn man da ein kleines "n" überliest... 😉