Wie wäre es mit einer Welt ohne Zeit und ohne Zahlen?
Hallo Community,
Eben noch verfolgte ich Beiträge in einem anderen Thread, bei dem es um linguistische Themen ging. Es ging da (offtopic) unter anderem um Grammatik und Zeitformen.
Mir kam da der Gedanke, ob es wohl ein Volk bzw. eine Kultur ohne Zeitbegriff gibt und wie da wohl die Sprache aussehen würde. Und so etwas gibt es tatsächlich! Es ist das ein kleines Volk im Regenwald von Brasilien – die Pirahã. Für die Linguisten anfangs eine Unmöglichkeit, weil es gleich mal einen ganzen Haufen an Sprachtheorien über den Haufen warf. Aber natürlich auch ein „gefundenes Fressen“ für die Wissenschaft.
Ich gebe Euch gleich mal ein paar Zeitschriftenartikel. Alle sind lesenswert. Klar gibt es Überschneidungen, aber sie ergänzen sich ganz gut.
Gut geschrieben, mit Hinweisen zur linguistischen Besonderheit:
https://www.spiegel.de/wissenschaft/leben-ohne-zahl-und-zeit-a-bfa53617-0002-0001-0000-000046707709
https://www.zeit.de/wissen/2010-09/amazonas-piraha-indianer/komplettansicht
Netter Artikel – aber hier ist die Bilderstrecke, der Grund für den Link:
https://www.geo.de/reisen/reiseziele/piraha-die-ureinwohner-brasiliens-30165008.html
Mehr philosophische Betrachtungen, denn das, was die Pirahã leben, hätte kommunistischen Vordenkern sicher sehr gefallen:
https://taz.de/Die-Welt-der-Pirah-Indianer/!5112728/
Und hier ein Artikel über Probleme der Pirahã mit der heutigen Zeit und den Einflüssen modernerer Kulturen:
https://www.zeit.de/gesellschaft/2015-10/piraha-indianer-amazonas-brasilien/komplettansicht
Hier noch ein sehr schöner Artikel mit Details, die ich woanders nicht gefunden habe:
http://www.medien-gesellschaft.de/html/orale_sprache_der_piraha.html
Wäre das was für Euch? Angeblich sollen die Pirahã sehr glücklich leben.
Sie kennen nur das Hier und Jetzt. Abstrahieren ist ihnen fremd. Deshalb können sie auch nichts mit Jesus anfangen. An jemanden zu glauben, den sie nicht sehen, den sie nicht anfassen können, können sie noch nicht einmal denken. Genauso ist es mit der Mathematik. Sie kennen keine Zahlen und das, was man anfangs für Zahlwörter für eins und zwei hielt, meint wohl eher wenige und viele. Es war nicht möglich, ihnen auch nur das kleine 1x1 nahezubringen. Sie sind nicht dumm. Aber sie haben einfach keine Begrifflichkeit für diese abstrahierende Zahlenwelt. Sie können es nicht denken. Gleiches gilt für Zeitbegriffe. Auch das, was die Linguistik "Rekursion" nenne, ist ihnen fremd. Damit können sie keine Schachtelsätze bauen. Sie können nicht Dinge auf Dinge beziehen, sondern reihen immer einfache Sätze nur hintereinander.
Es erinnert mich sehr an moderne gesellschaftliche Ziele: kein Besitz, aber sehr glücklich …
Wäre so etwas übertragbar? Immerhin ist das totale hier und jetzt ja ein geistliches Ziel vieler östlicher Religionen und als Christ lebe ich zwar mit der Perspektive Ewigkeit und aus der Gnade, die der Menschheit vor ca. 2000 Jahren zuteilwurde – aber ich lebe hier und jetzt und das ist gut so.
Gibt es etwas, das ich von diesen Menschen lernen kann?
Gibt es etwas, was ihr glaubt, dass es den Menschen fehlt, dass sie es dringend haben sollten?
Wie kämen wir ohne Zeit und Zeitmessung klar? Brauchen wir Kultur, um glücklich zu werden? Die Pirahã haben keine.
Sie leben nicht ohne geistliche Welt und die Geister, die sie sehen, sind real zugegen. Ich sähe da für sie die Möglichkeit, auch Jesus oder den Heiligen Geist so wahrzunehmen und ich meine, dass es für sie eine Bereicherung wäre. Gott wüsste schon mit diesen Kindern etwas anzufangen, was sie nicht aus ihrer Lebenswelt herausreißt, sie aber in eine neue Dimension bringt.
Die Pirahã leben das Hier und Jetzt intensiv. Sie müssen ständig am Kommunizieren sein und dabei auch oft lachen.
Für Veganer ist das aber eher nichts. Hier ein Zitat aus dem letzten von mir verlinkten Artikel:
Als der Missionar sich einmal einen Salat hatte schicken lassen und zubereitete, fragte ihn ein Pirahã verwundert danach und erklärte: „Warum isst du Blätter? Hast du kein Fleisch? Wir Pirahã sprechen unsere Sprache gut und wir essen keine Blätter.“
Wäre das was für Euch? Und wenn es nur mal als Traumwelt wäre – hätte das etwas Attraktives? Oder würdet ihr als Mensch, der von so einer anderen Welt geprägt wurde, das alles so weit weg, dass ihr es weder erreichen könnt noch erreichen wollt?
Ich bin mal gespannt, ob jemand hier in eine Diskussion einsteigen möchte!
GoodFruit
Angeblich sollen die Pirahã sehr glücklich leben.
Na ja, auch die haben sicher Probleme. Aber sie sind offenbar gut für das Klischee des edlen, glücklichen Wilden geeignet.
Mir fällt ein, dass ich vor einiger Zeit (gefühlt ein Jahr, aber es war wohl eher in einem Sommer) einen Bericht über Bhutan sah, in dem die Regierung sogar das Glück der Leute zum Regierungsziel erkoren hat. Und dann habe ich gestern mal auf den Demokratieindex geschaut - mit gings vor allem um die letzten Plätze, Nordkorea und Eritrea (die beiden Länder interessierten mich). Aber dann habe ich mir mal den mittleren Platz 84 (83 Plätze davor, 83 dahinter) angeschaut, und da stand Bhutan …
Das ändert sich natürlich jedes Jahr, wenn im Februar der für 2023 veröffentlicht wurde, steht da vielleicht ein anderes Land - aber so glücklich wie im Fernsehbericht sind die Leute in Bhutan wohl kaum.
Und die Pirahã sind sicher auch anders.
@hkmwk Das Besondere bei den Pirahã ist, dass ihre Sprache sie in Bezug auf Adaption kultureller Werte der deutlich weiter entwickelten Welt beschützt. Du kannst denen gerne von Deinem Leben erzählen - sie würden es nicht versehen. Selbst wenn sie es wollten, würde ihnen die Begrifflichkeit dafür fehlen. Sie können sich keine Sorgen machen, weil ihnen Gedanken über Morgen nicht vertraut sind und sie können nicht bitter werden ob erlittenen Unrechts, weil gestern schnell vergessen ist - es ist einfach zu belanglos, als dass sie sich daran erinnern könnten.
Sie können nicht zählen und so können sie auch nicht vergleichen - höher, schneller, weiter findet bei ihnen nicht statt. Sie fangen so viel Fisch, wie sie meinen, dass sie brauchen und dann bereiten sie den zu und futtern den auf. Ich habe zusätzlich zu dem verlinkten Material auch noch einen Film geschaut. Da hieß es, dass eine Mutter keine Ahnung hätte, wie viel Kinder sie hätte. ABer sie kennt alle beim Namen und kennt ihr Gesicht ganz genau.
Bislang habe ich nur von dem gesprochen, was den Leuten fehlt und nicht, was sie mehr haben als unsereiner. Und das ist (laut dem Film, den ich gesehen habe (mit dem Missionar/ Linguisten, der sie erforscht hat)) ihre Fähigkeit alle Tiere und Pflanzen ihrer Umgebung genau zu kennen. Sie können sie mit Namen benennen und sie kennen ihre Biologie und Ökologie sehr differenziert.
In Ihrer Sprache können sie dieselben Dinge sagen, singen oder pfeifen. Ja, sie können sich mit Pfeiftönen umfassend unterhalten, was bei gemeinsamer Jagd eine wichtige Sache ist, um im Stimmengewirr des Regenwaldes nicht als Jäger erkannt zu werden.
Sie leben wirklich wie im Paradies: Viel Arbeit gibt es nicht. Sie haben keine Häuser, Kleidung erst seit sie von den Missionaren damit versorgt werden. Sie brauchen eigentlich immer nur so viel zu jagen, wie sie zum Leben brauchen. Die Lebenserwartung ist wegen Krankheiten, Parasiten, Jagdunfällen und kriegerischen Auseinandersetzungen mit anderen indigenen Völkern nicht besonders hoch. Aber das hält sie nicht davon ab glücklich zu sein, denn sie kennen ja keine Sorgen und auch kein Erinnern schlimmer Erlebnisse.
An sich möchte Jesus ja auch, dass wir sorgenfrei leben, darauf vertrauen, dass unser Vater uns schon versorgen wird. Und auch das Nachtragen von Schuld sollte nicht unser Ding sein, weil Vergebung ganz weit oben auf unserer to-do Liste steht. Uns ist da also ein ganz ähnlicher Schlüssel zum Glück gegeben. Unser Problem ist nur, dass wir anders können und eigentlich anders geprägt sind. Wir (zumindest wohl die meisten in unserem Kulturkreis) planen mit unseren Vorräten, wir eifern um immer mehr, wir können schwer vergessen, wenn uns schlimmes angetan wurde - und so stehen wir uns dann selber zu unserem Glück im Wege.
Was Butan angeht, so hat das Land als eines der ersten sich überlegt, dass es clever wäre, sich nach möglichst viel Glück auszustrecken. Es gibt eine Glücksforschung, die da Anregungen gibt. Das Bruttosozialglück ersetzt dort das Bruttosozialprodukt. Das Land ist eine konstitutionelle Monarchie, hat also einen König. An sich sollte der damit jede Möglichkeit haben, sein Land zu einem glücklichen Land umzugestalten. Allerdings ist Armut ein Problem und wenn ich von 5-Jahres-Plänen lese, dann kenne ich das glücksverhindernde Problem des Landes: Planwirtschaft ist nun mal ein Garant für Armut, mangelnde Menschenachtung, Unterbindung von persönlicher Initiative (und damit nicht nur performanter Wirtschaft, sondern auch von persönlichem Glück). Schade, dass die Glücksforschung das wohl noch nicht erkannt hat.
Sie können sich keine Sorgen machen, weil ihnen Gedanken über Morgen nicht vertraut sind
Das glaube ich nicht.
Sie können nicht zählen
Zum Zählen braucht man Zahlwörter. Und es gab (gibt hoffentlich heute noch) eine ganze Reihe von Sprachgruppen, die buchstäblich nicht bis drei zählen konnten.
Aber niemand kann mir weismachen, dass die Pirahã nicht wissen, wo sich Fischfang lohnt, weil der Fluss näher ist als andere und/oder mehr Fische enthält, die man fangen kann. Oder vergleichbare Überlegungen für andere Nahrungsquellen. Ohne Vergleichsmöglichkeiten kannst du im Urwald schlecht überleben.
Diese Gruppe wird ja schon fast wie Leute mit (etwas) geistiger Behinderung dargestellt …
Und das ist (laut dem Film, den ich gesehen habe (mit dem Missionar/ Linguisten, der sie erforscht hat)) ihre Fähigkeit alle Tiere und Pflanzen ihrer Umgebung genau zu kennen
Das gilt für so ziemlich jedes Volk, das nicht in Städten o.ä. lebt und das letzte Mal vor vielen Generationen gewandert ist. Unökologisch verhalten sich Leute, deren Umwelt sich verändert hat, sei es durch Migration oder Klimawandel. Und natürlich Städter oder marginalisierte Unterschichten in entsprechenden Gesellschaften.
Sie leben wirklich wie im Paradies: Viel Arbeit gibt es nicht.
Na ja, Paradies ist nicht das Gleiche wie Schlaraffenland.
Ich erinnere mich auch daran, dass Leute, die in der Wüste als Jäger und Sammler leben, auch relativ wenig zu tun hatten. Wer die Umwelt kennt, kann es sich überall dort, wo es wenig Menschen und viel Natur gibt, relativ bequem einrichten. Erst mit zu großer Bevölkerungsdichte kam es zu Viehzucht und Ackerbau und zu Sesshaftigkeit, was dann zu Mehrarbeit führte (z.B.: wer nicht sesshaft ist, kann Abfall einfach in die Gegend schmeißen, bis er da wieder vorbei kommt, ist der längst verrottet). Aber besser auf dem Acker schuften als verhungern …
Aber haben die Pirahã wirklich keine Probleme mit den Geistern, die sie z.B. aus Träumen kennen?
@hkmwk Aber niemand kann mir weismachen, dass die Pirahã nicht wissen, wo sich Fischfang lohnt, weil der Fluss näher ist als andere und/oder mehr Fische enthält, die man fangen kann. Oder vergleichbare Überlegungen für andere Nahrungsquellen. Ohne Vergleichsmöglichkeiten kannst du im Urwald schlecht überleben.
Sie haben Worte die so viel wie "wenige" und wie "viel" bedeuten. Absolute Zahlen können sie nicht. Man hat versucht ihnen einfachste Mathematik beizubringen. 1+1=2. Keine Chance. Das können sie nicht und das brauchen sie nicht können. Sie müssen keine Vorräte sammeln, weil die Natur ihnen immer genug gibt. Und sie nehmen da so viel, dass sie satt werden. Und wenn es mal nicht so viel gibt, dann ist das auch kein Problem.
Sie sind Jäger und zwar nur Jäger. Sie sammeln nicht, sie bauen nichts an, sie züchten kein Vieh, auch wenn vielleicht das eine oder andere Schwein oder Affe mit ihnen vergesellschaftet lebt.
Aber haben die Pirahã wirklich keine Probleme mit den Geistern, die sie z.B. aus Träumen kennen?
Sie träumen und sie nehmen die Träume als real wahr. Sie registrieren die Existenz von Geistern, aber sie brauchen sie nicht zu werten und sie können sie nicht werten, weil ihnen dafür das Denkwerkzeug fehlt. Das scheint ein Segen für sie zu sein.
Diese Gruppe wird ja schon fast wie Leute mit (etwas) geistiger Behinderung dargestellt …
Was ist eine geistige Behinderung? Eine Behinderung generell ist doch etwas, was verhindert, dass ich meinen Alltag leben kann, dass ich das tun kann, was die meisten anderen können und was wichtig ist, um über die Runden zu kommen. Wo sind sie da behindert? Beim Handel mit Menschen außerhalb ihrer Gemeinschaft werden sie übervorteilt - klar, bei solchen Beziehungen haben sie klare Nachteile. Aber innerhalb ihrer Welt haben sie doch alles, was sie brauchen. Und mehr noch: all das, was dazu führen kann, dass sie in die Probleme unserer Zivilisationen geraten: Sorgen, Nöte, Ängste, Machtstrukturen, Wettbewerb, Lüge, ...
Das kennen sie alles nicht. Davon sind sie frei. Vor dem Hintergrund sind wir dann wohl eher die geistig Behinderten, weil unser Denken das Eindringen von Machtstrukturen, von Gewissensbissen, von Sünde etc. erlaubt.
Sie sind Jäger und zwar nur Jäger.
Sie essen auch Honig (kam in der Bilderstrecke vor, und wie sie den bekommen, ist nebenbei auch ein Beispiel für angewandtes »wenn-dann« Denken), und den bekommen sie nicht, indem sie »Bienen jagen«. Pflanzen werden auch nicht gejagt.
Aber innerhalb ihrer Welt haben sie doch alles, was sie brauchen
Und sie haben das Werkzeug dazu: Wenn-dann Denken für planvolles Handeln, eine Sprache, um Pläne aufzustellen, die dann realisiert werden … und Abstraktionsvermögen, um z.B. zu verstehen, warum Krokodile oder Giftschlangen gefährlich sind.
Der fehlende Zeitbezug bedeutet nicht das, was du da hineinprojizierst.
Wenn sie wirklich so wären wie du sie darstellst, wären sie längst ausgestorben, so kann man auch im Urwald nicht überleben.
Na ja, ich denke, dass sie nicht den Fehler machen, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören, wie das so ziemlich die restliche Menschheit in großem Maßstab tut. Das könnte man von ihnen lernen. Und einiges andere sicherlich auch, was mit den elementaren Dingen des Lebens zu tun hat.
"Gibt es etwas, was ihr glaubt, dass es den Menschen fehlt, dass sie es dringend haben sollten?"
Schwer zu sagen. Da müsste man genau hinschauen, was sie für Probleme haben. Aber wenn, dann würde ich sagen erst mal nur lebensnotwendige Dinge wie frisches Wasser und Nahrung, falls ihnen da was fehlen sollte.
"Sie leben nicht ohne geistliche Welt und die Geister, die sie sehen, sind real zugegen."
Welche Geister sehen sie denn?
@suchender_345ab
nur lebensnotwendige Dinge wie frisches Wasser und Nahrung, falls ihnen da was fehlen sollte.
Sie leben in einem Paradies, das sie durch ihre genaue Kenntnis der Umwelt auch nutzen können. Was ihnen klar fehlt, wäre medizinische Versorgung. Wer da erkrankt oder schwer verletzt wird, der wird möglicherweise nicht lange leben. Man wird ihn schnell vergessen und auch nicht lange nachtrauern - war ja schon gestern, dass er gestorben ist ...
Was die Geister angeht, so ist das ein animistisches Umfeld. Man hört von anderen Missionaren, die bei anderen Stämmen unterwegs sind, dass das für die Menschen sehr belastend sein kann und dies wird gerne als Argument genommen, ihnen den christlichen Glauben zu bringen, damit ist diesen Kram loswerden bzw. Herr darüber werden können.
Es ist da einiges an Missonswerken unterwegs. Aus unseren Sprachraum z.B. die Schweizer Indianer Pionier Mission (die inzwischen zu idicamino umbenannt wurde) oder Deutsche Indianer Pionier Mission (DIPM).
Brauchen die Pirahã Jesus?
Daniel Everett kam ja als Missionar zu den Pirahã. Er lernte sie kennen und er musste akzeptieren, dass sie Jesus nicht wollten, nichts mit ihm anfangen konnten. Daniel Everett akzeptierte dies und wurde zum Forscher, zum Linguisten, der ihre Sprache lernte und darüber forscht. Leider wurde er auch zum Atheisten.
Jesus kam als Retter für die Sünder. Können Pirahã sündigen? Ich meine nein.
Biblisch geht das Sündigen nach Genuss vom Baum der Erkenntnis los, der Erkenntnis von gut und böse.
Haben die Pirahã diese Erkenntnis? Ich meine aufgrund der Einschränkungen in ihrer Sprache und damit ihrem Verständnis der Welt können sie diese nicht einmal haben. Sie kennen kein gestern und morgen, sie kennen kein wenn-dann. Von daher kann ein Erkennen von gut und böse in ihrer Wahrnehmung nicht stattfinden.
Viele Indianerstämme leiden sehr unter der animistischen Geisterwelt, weshalb Missionare ihren Auftrag auch darin sehen, sie von dieser Not zu befreien. Andererseits nutzen diese Indianerstämme die geistige Welt auch über Flüche und Zauberei. Die Geistwesen gibt es auch bei den Pirahã. Sie nehmen sie wahr - aber die Geister können keine Macht über sie bekommen. Muss für diese Geister ziemlich fies sein: überall sonst können sie Angst verbreiten mit wenn-danns, mit Flüchen, die in bestimmte Dinge mit bestimmten Folgen in der Zukunft verbinden. All das läuft bei den Pirahã nicht, weil sie diese Zusammenhänge nicht denken können. Klar könnten sie ihnen vielleicht Schaden zufügen, aber das bliebe dann ohne Angst und damit ohne Machtgewinn seitens der Geisterwelt, da die Pirahã den Zusammenhang nicht realisieren könnten. Die Pirahã sind da immun.
Mich erinnert das Leben der Pirahã an paradiesische Zustände. Das sind keine Zustände, in denen es kein Leid gibt. Aber es gibt dort nur hier und jetzt und das leben sie so intensiv wie möglich. Sie kennen keine Zukunftsangst und niemand kann wirklich Macht über sie bekommen.
Ich meine, dass dieses Volk keinen Jesus benötigt, weil es da nichts gibt, was sein Blut abwaschen könnte.
Bei Daniel Everett sieht das anders aus. Er ist Mensch in einer modernen Welt und spricht eine Sprache, die ihn anfällig macht für Sorgen, für planvolles Handeln, für Erkennen von gut und böse und damit auch für die Sünde. Er braucht den Befreier, den die Pirahã vielleicht wirklich nicht benötigen.
Könnt ihr mir hier folgen, oder sehe ich da etwas entscheidend falsch?
Vor diesem Hintergrund: Wäre so ein Leben für Euch attraktiv? Würdet Ihr mit den Pirahã tauschen wollen?
Viele Indianerstämme leiden sehr unter der animistischen Geisterwelt, weshalb Missionare ihren Auftrag auch darin sehen, sie von dieser Not zu befreien.
Inwiefern "leiden" die denn darunter? Es entspricht einfach nur ihrer Vorstellungswelt...
Nö, das lässt sich auch konkret nachweisen. Angst vor bösen Geistern, oder Schamanen, die zwar Mittel gegen böse Geister kennen, aber ihre Zaubermacht auch zu höchst egoistischen Zwecken einsetzen, etwa »gib mir deine zweite Frau, oder …«.
Dass Jesus stärker ist als die Geister und sie nur Gott um Hilfe anrufen müssen, statt einen mächtigen Schamanen zu bemühen, ist dann schon eine Leid mindernde Botschaft.
Auf die Pirahã passen diese Beispiele wohl nicht.
Nö, das lässt sich auch konkret nachweisen. Angst vor bösen Geistern, oder Schamanen, die zwar Mittel gegen böse Geister kennen, aber ihre Zaubermacht auch zu höchst egoistischen Zwecken einsetzen, etwa »gib mir deine zweite Frau, oder …«.
Ich sehe da jetzt nichts, was grundsätzlich anders wäre. Geistliche, die ihre Macht missbrauchen haben wir hierzulande auch genügend.
Und ob man jetzt Jesus oder einem Schutzgeist als guter Macht vertraut ist eine Frage des persönlichen Glaubens... also welchen von den beiden man persönlich für real hält.
Und ob man jetzt Jesus oder einem Schutzgeist als guter Macht vertraut
Es ging nicht um Vertrauen in gute Schutzgeister, sondern um Angst vor bösen Geistern. Nicht jeder, der Geister glaubt, die böse werden können, wenn man sich falsch verhält (was auch immer »falsch« bedeutet) kennt auch gute Geister.
Wie würdest du dir denn einen Geist vorstellen, der mit dafür sorgt, dass du keinen Kontakt zum Schöpfer hast, so dass der in deiner Religionsausübung nicht vorkommt? Schutzgeist?
Wie würdest du dir denn einen Geist vorstellen, der mit dafür sorgt, dass du keinen Kontakt zum Schöpfer hast, so dass der in deiner Religionsausübung nicht vorkommt? Schutzgeist?
Das Konzept "Gute Mächte" vs. "Böse Mächte" ist dem Christentum ja nun nicht wirklich fremd... wo soll da jetzt der konkrete Unterschied sein?
wo soll da jetzt der konkrete Unterschied sein?
Unterschied wozwischen?
Klar, es gibt Geistliche, die ihre Macht missbrauchen (vom geistlichen Missbrauch über den seelischen bis zum körperlichen Missbrauch), es gibt Christen, die vor lauter Angst vor Teufel und Dämonen das Evangelium nicht glauben (bzw. nur als Theorie, die keine praktischen Auswirkungen hat), da kannst du jede Menge Ähnlichkeiten finden.
Diejenigen, die sich Jesus zugewandt und Befreiung erlebt haben, die sehen jedenfalls einen Unterschied. Ob in Europa oder im Urwald.
Unterschied wozwischen?
Die Ausgangsfrage war ja die, inwiefern eine Bekehrung zum Christentum für die Urwaldbewohner eine "Befreiung" wäre.
Klar, ausgehend davon, dass man das Christentum für wahr hält und alles andere für gefährlichen Götzendienst stellt es aus dieser Sicht natürlich eine "Befreiung" dar.
Außerhalb von Glaubensvorstellungen sehe ich da allerdings nicht viel davon. Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, anderen Völkern von Jesus zu erzählen und ihnen anzubieten, an dieser Religion teilzuhaben. So etwas steht grundsätzlich allen Religionen frei.
Wo da aber jetzt der konkrete Nutzen sein soll erschließt sich mir nicht... die kulturellen Grundlagen und Herangehensweisen sind hier völlig verschieden.
Subjektiv (also aus deren Sicht): Ja.
Du meinst aus Sicht der Bekehrten? Das ist ja nun keine Besonderheit... wer sich zu einer anderen Religion bekehrt, der tut das, weil er diese für besser hält. Das trifft auch auf Christen zu, die Muslime oder Buddhisten werden... das macht die anderen Religionen aber nicht automatisch besser.
@lucan-7 Inwiefern "leiden" die denn darunter? Es entspricht einfach nur ihrer Vorstellungswelt...
Vor vielen Jahren habe ich mal ein Buch darüber gelesen. Da war z.B. eine schwangere Frau kurz vor der Geburt. Irgendein Magier hatte behauptet, sie sei verflucht. Jetzt wollte keine bei ihr sein, ihr bei der Geburt beistehen und das Kind durfte niemand annehmen. Das war eine Konsequenz aus ihrem Geisterglauben und Frau und Kind wären sicher zugrunde gegangen, wenn nicht Menschen außerhalb dieses Kontextes das mitbekommen hätten und ihr beigestanden wären.
Darüber hinaus ist das Leben viel mit okkulten Dingen und Zauberei durchdrungen. Das gibt den einen Macht und die anderen leiden darunter.
Vor vielen Jahren habe ich mal ein Buch darüber gelesen. Da war z.B. eine schwangere Frau kurz vor der Geburt. Irgendein Magier hatte behauptet, sie sei verflucht. Jetzt wollte keine bei ihr sein, ihr bei der Geburt beistehen und das Kind durfte niemand annehmen.
Kommt mir bekannt vor... Mitte des letzten Jahrhunderts nannte man das "Alleinerziehende Mütter", und je nachdem wo sie sich befanden hat sich da auch keiner gekümmert, weil: Skandal!
Das war eine Konsequenz aus ihrem Geisterglauben und Frau und Kind wären sicher zugrunde gegangen, wenn nicht Menschen außerhalb dieses Kontextes das mitbekommen hätten und ihr beigestanden wären.
Geisterglaube, Moral, Engstirnigkeit... Gründe finden sich da immer, da muss man nicht in den Dschungel für gehen.
Darüber hinaus ist das Leben viel mit okkulten Dingen und Zauberei durchdrungen. Das gibt den einen Macht und die anderen leiden darunter.
Auch da sehe ich keinen großen Unterschied zum übrigen religiösen Denken.
Wenn man dies oder das nicht glaubt, dann kommt man in die Hölle... das ist dann wohl die "zivilisierte" Art?
Können Pirahã sündigen? Ich meine nein.
Die Frau von Everett ist immer noch als Missionarin unter den Pirahã tätig, sieht das also offenbar anders. Er darf den Stamm nicht mehr besuchen, die Indianerschutzbehörde hat ihm das verboten. Vielleicht wegen der Schmuckketten, mit denen er die Pirahã beglückt hat?
sie kennen kein wenn-dann
Zitat aus einem ersten Link:
Einmal, bei einem seiner ersten Besuche, wollten die Pirahã Daniel Everett töten. Da war er noch nicht ihr »bàgìáì«, Freund, und ein fahrender Händler hatte ihnen dafür jede Menge Whisky versprochen
Da haben wir nicht nur Pirahã, die einen wenn-dann-Zusammenhang verstanden haben (»wenn wir diesen Fremden töten, bekommen wir Whisky«), nebenbei erfährt man auch ein ziemlich sündiges Verhalten (Töten aus Habsucht).
Du konstruierst dir was zurecht, was es so bei den Pirahã nicht gibt.
@hkmwk Da haben wir nicht nur Pirahã, die einen wenn-dann-Zusammenhang verstanden haben (»wenn wir diesen Fremden töten, bekommen wir Whisky«), nebenbei erfährt man auch ein ziemlich sündiges Verhalten (Töten aus Habsucht).
Ich weiß nicht, ob sie das so wahrgenommen haben. Wenn sie nicht reflexiv denken können, dann war der Zusammenhang, den Du da und wohl jeder von uns so sehen wurde, nicht bewusst. Es gab, da dann einfach einen, der Macht über sie hatte und ihnen folgenden Ablaufplan gab: Mr. Everett töten. Punkt. Whiskey bekommen. Punkt. Mehr nicht - keine logische Verknüpfung. Eine Aneinanderreihung von Dingen, die passieren werden. Kann man da von Schuld sprechen? Töten von Menschen ist ihnen auch nicht fremd, weil sie ständig Auseinandersetzungen mit Nachbarvölkern haben.
Es gab, da dann einfach einen, der Macht über sie hatte
Und wie hat er Macht über sie bekommen? Durch Handel. Das ist schon mal ein Widerspruch zu deiner Konstruktion, wonach noch nicht mal Geister Macht über die Pirahã bekommen können …
Mehr nicht - keine logische Verknüpfung
Auch wenn sie nicht formuliert wurde, ist sie doch vorhanden.
Ich hatte ja schon nebenbei Koreanisch erwähnt. Ist nicht so extrem wie Pirahã, und ich hab die Sprache auch nicht gelernt, kann das nicht im Detail fehlerfei darstellen. Aber da ist es zum Beispiel so, dass die Identifikation der handelnden Person anders erfolgt als bei uns. Die Verbform deutet ja schon an, ob der Akteur und der Angeredete einen höheren gesellschaftlichen Rang (als der Sprecher o.ä.) hat - was zusammen mit einem weiteren Parámeter 8 verschiedene Verbformen (in 4 »Höflichkeitsstufen«) ergibt. Das und die Unterscheidung,. ob »er« nun hier (isaram), dort beim Hörer (kysaram) oder woanders (chosaram) ist, reicht im allgemeinen aus, zu verdeutlichen, wer gemeint ist. Ist für Europäer nicht immer einfach.
Und das gilt umgekehrt genauso - ein russlanddeutscher Prediger erzählte mal (ich saß unter den Zuhörern), wie er in Korea predigte, und der Übersetzer bei jedem zweiten Satz nachfragte, wer denn nun mit »er« gemeint sein? Also hat er bald keine Pronomen mehr benutzt und immer den entsprechenden Namen (Jesus, Petrus etc.) genannt 😉
Und auch im Koreanischen kommt es oft vor, dass Sätze einfach nur so zusammenstehen und man sich den logischen Zusammenhang selber erschließen muss. Nicht so extrem wie bei den Pirahã, aber es geht eben auch ohne das.
Leute die überhaupt keine logischen Verknüpfungen erkennen können, sind einfach nur geistig unterbelichtet. Und die Pirahã sind das offensichtlich nicht.
@goodfruit unvorstellbar , das geht mit 8 Milliarden einfach gar nicht.
Wir sind auf Wissenschaft angewiesen und auf Utopien, die von realen Umständen ausgehend die Welt zu einem besseren Ort zu machen vermögen.
Dafür braucht es zahlen, Statistik, Medizin, moderne landwirtschaftliche Technik, Aufklärung und eine Vorstellung von Zukunft und Vergangenheit.
Die Sterberate auch sehr junger Menschen wäre in so einer Welt ohne zahlen und Zeit exorbitant und mit dem ersten mit unseren Mitteln vermeidbar toten Kind ist vorbei mit dem Glück.
@streptococcus mit dem ersten mit unseren Mitteln vermeidbar toten Kind ist vorbei mit dem Glück.
Das ist bei uns so – aber nicht bei ihnen. Weil gestern nichts zählt, eigentlich noch nicht einmal existent ist, trauern sie nicht länger, sind nicht traumatisiert etc.
Und muss ich die Umwelt analysieren, wenn ich sie genau kenne? Die Welt in und von der sie leben ist wirklich ihr Zuhause. Sie kennen sie genau – niemand macht ihnen da was vor.
@goodfruit das funktioniert aber nicht mit 8 Milliarden, wir können nicht mehr leben wie Jäger und Sammler, das verträgt das Land so wenig wie den aktuellen Raubbau und unsere Gesundheit auch nicht. was bin ich froh, dass wir die Cholera mit Hygiene, Antibiotika und Kläranlagen mit Kanalisation im Griff haben um nur eins vieler übel aufgrund höherer Bevölkerungsdichte zu erwähnen. Ganz zu schweigen von den tickenden Zeitbomben wie Kernkraftwerken und deren Folgeprodukten.
Ich weiß nicht, für mich ist das nichts als Träumerei und ein verklärtes Relikt aus der Vorzeit.
Dem Rest der Menschheit kann man nicht einfach beibringen, gestern als nicht existent zu betrachten, ich kann mir das selbst nicht beibringen, obwohl ich perfekte Vorraussetzungen dafür habe im Sinne ausgeprägter Vergesslichkeit was private Geschehnisse angeht, die länger als X Monate zurück liegen. So funktionieren wir einfach nicht. Und so funktionieren auch generell keine Kulturen mit starkem jahreszeitlichen Wandel.
Wenn du Menschen so prinzipiell ändern könntest, wären wir schnell alle existenziellen Probleme los, mit denen wir uns konfrontiert sehen 😉
@streptococcus
das funktioniert aber nicht mit 8 Milliarden, wir können nicht mehr leben wie Jäger und Sammler
Eben. Als Jäger und Sammler kann man, wenn man die Umwelt in der man lebt gut kennt, fast überall relativ entspannt leben (»nur gewusst wie«). Aber wenn dann zu viele Leute in einer Gegend sind, muss man entweder hungern, oder einige »überzählige« Menschen töten - oder eben sich die Mühe machen, Vieh zu züchten oder gar Ackerbau zu betreiben. Und wenn das zu Sesshaftigkeit führt, kann man auch nicht einfach den Abfall überall liegen lassen (Nomaden können das - bis sie wider am gleiche Ort ist, ist der längst verrottet und in den biologischen Kreislauf eingebunden).
was bin ich froh, dass wir die Cholera mit Hygiene, Antibiotika und Kläranlagen mit Kanalisation im Griff haben
Tja, die Pirahã sterben früh an Tropenkrankheiten oder Verletzungen (Jagd, Unfälle, …) und sind (angeblich) trotzdem glücklich - warum nicht du 😉
@hkmwk weil es mir zu tiefst widerstrebt. Ich will nicht zusehen, wie Menschen vermeidbar sterben. Und ich werde es nicht.
Das widerspricht meinem Gefühl für Gut und Böse.
Antwort auf ^^
Jetzt kann ich nur hoffen, dass sich Strepto… nicht wegen meinem Post abgemeldet hat - es war eigentlich als Ironie gegen Goodfruit gedacht.
@streptococcus Ich weiß nicht, für mich ist das nichts als Träumerei und ein verklärtes Relikt aus der Vorzeit.
Mir ist schon klar, dass das nicht als Vorbild für die Welt taugt, auch wenn es auch heute Theoretiker gibt, die genau solche Konzepte für uns in der Schublade zu haben scheinen, wenn ich da an "Great Reset" und dergleichen denke.
Ich finde es trotzdem interessant, sich mal in diese Welt hineinzudenken, weil es mir zumindest hilft, Glück aus einer anderen Perspektive zu sehen, geistige Behinderung und schulische Leistungen anders zu deuten, meine Vorstellungen vom Paradies (bevor vom Baum der Erkenntnis gegessen wurde) zu überdenken und die Probleme moderner Zivilisationen neu zu überdenken.
Vieles, was mir wichtig ist, ist vielleicht nicht so wichtig. Vieles, von dem ich keine Ahnung habe, wäre enorm wichtig.
Sie leben von der Natur und sie kennen diese ganz genau. Vermutlich genauer als das sonst irgendein Volk auf der Welt kennt. Weil sie keinen ausgeprägten Jahresgang in der Natur haben, brauchen sie auch keine Vorräte anlegen, brauchen sie nicht zu planen. Sie dürfen einfach nur sein und sich nehmen, was sie grad brauchen. Ansonsten genießen sie das Hier und Jetzt in ihrer Gemeinschaft.
auch wenn es auch heute Theoretiker gibt, die genau solche Konzepte für uns in der Schublade zu haben scheinen, wenn ich da an "Great Reset" und dergleichen denke.
Gibt es den denn, außer als abschreckende Vision (wenn wir den Klimawandel nicht stoppen - oder wer weiß was sonst versäumen - gibts den großen Kollaps und Reset!) beziehungsweise als Verschwörungstheorie, dass angeblich irgendwelche finsteren Mächte so was planen?
Sie leben von der Natur und sie kennen diese ganz genau. Vermutlich genauer als das sonst irgendein Volk auf der Welt kennt.
Quatsch. In der Namib-Wüste (auch die ist Natur!) würden sie sofort untergehen, wohl noch schneller als Europäer, die dort stranden, während jede Technik versagt. Dort kennen Nama oder Ovambo »die Natur« wesentlich besser - und sie können auch stressfreier dort leben als wir in unseren Städten.
Für so ziemlich jede Landschaft gibt es ein Volk, dass dort die Natur besser kennt als jedes andere Volk der Erde. Und du kannst darauf wetten, dass es nicht in Städten lebt und auch ihre Urgroßväter schon dort gelebt haben. Nicht alle diese Völker sind so friedlich wie die Pirahã - und nun?
Das ist bei uns so – aber nicht bei ihnen. Weil gestern nichts zählt, eigentlich noch nicht einmal existent ist, trauern sie nicht länger, sind nicht traumatisiert etc.
Das halte ich für ziemlich unsinnig. Wenn das so wäre, dann könnten sie ja auch nichts lernen, weil sie jeden Morgen wieder vergessen hätten, was sie am Vortag gemacht haben.
Wir reden hier immer noch von Menschen, die ein menschliches Leben führen... nicht von irgendwelchen Außerirdischen auf einer anderen Zeitebene.
@lucan-7 Das halte ich für ziemlich unsinnig. Wenn das so wäre, dann könnten sie ja auch nichts lernen, weil sie jeden Morgen wieder vergessen hätten, was sie am Vortag gemacht haben.
Warum sollten sie lernen? Das, was sie zum Leben brauchen, wissen sie doch und haben es von ihren Vorfahren tradiert bekommen. Sie keinen jede Pflanze und jedes Tier, sie wissen, was man wofür gebrauchen kann und wo man vorsichtig sein muss. Das reicht. Warum sollten sie neues lernen?
Ich habe ja nicht gesagt, dass sie alles sofort vergessen. Wenn es nicht ein Tag ist, dann vielleicht zwei oder drei. Sie kennen die Namen ihrer Vorfahren nicht - wozu auch? Alles ist darauf optimiert, das Leben hier und jetzt zu gestalten und zu genießen.
Wir reden hier immer noch von Menschen, die ein menschliches Leben führen... nicht von irgendwelchen Außerirdischen auf einer anderen Zeitebene.
Sie sind ganz klar Menschen. Aber sie sind Menschen, die außerhalb der Zwänge und Prinzipien, die im Rest der Welt zu gelten scheinen, leben. Ich finde das absolut beeindruckend.
Warum sollten sie lernen? Das, was sie zum Leben brauchen, wissen sie doch und haben es von ihren Vorfahren tradiert bekommen.
Ihre Sprache, zum Beispiel? Dass Kinder viele Dinge lernen müssen ist dir auch klar? Im Urwald überlebt es sich nicht von allein, da müssen die Eltern den Kindern schon einiges erklären. Und wenn die dann jedesmal alles wieder vergessen, dann kommen sie damit nicht weit...
Sie sind ganz klar Menschen. Aber sie sind Menschen, die außerhalb der Zwänge und Prinzipien, die im Rest der Welt zu gelten scheinen, leben. Ich finde das absolut beeindruckend.
Mag sein, dass sie faszinierend sind. Aber man sollte das Ganze trotz allem realistisch betrachten. Sie mögen eine andere Art haben zu leben und die Welt zu betrachten... aber sie sind trotzdem einfach nur Menschen.
@lucan-7 Ihre Sprache, zum Beispiel? Dass Kinder viele Dinge lernen müssen ist dir auch klar? Im Urwald überlebt es sich nicht von allein, da müssen die Eltern den Kindern schon einiges erklären. Und wenn die dann jedesmal alles wieder vergessen, dann kommen sie damit nicht weit...
Da würde ich differenzierter hinschauen. Wenn es um Dinge geht, die in der Vergangenheit liegen - warum sollten die erinnert werden. Wenn der Lernstoff aber Dinge umfasst, die die Kinder tagtäglich umgeben, sieht das schon ganz anders aus. Sie können die Sprache und auch alle Informationen tagtäglich nicht nur praktisch rekapitulieren, sondern auch anwenden.
Mag sein, dass sie faszinierend sind. Aber man sollte das Ganze trotz allem realistisch betrachten. Sie mögen eine andere Art haben zu leben und die Welt zu betrachten... aber sie sind trotzdem einfach nur Menschen.
Für mich ist kein Mensch "einfach nur Mensch". Jeder ist in seiner Art und Weise besonders und für jeden habe ich Achtung. Und diese Menschen finde ich einfach nur faszinierend. Nicht nur wegen ihres Andersseins, sondern weil dieses Andersseins ganz zentrale Punkte umfasst, die in höher entwickelten Kulturen sehr wichtig sind, sie überhaupt erst zu Kulturen gemacht haben. Diese Punkte bringen aber auch spezifische Probleme mit sich, die vielen Menschen in zivilisiertem Umfeld oft eine große Last sind.
Da würde ich differenzierter hinschauen. Wenn es um Dinge geht, die in der Vergangenheit liegen - warum sollten die erinnert werden.
Weil das normal ist. Auch mein Hund erinnert sich an Dinge, sogar über eine bemerkenswert lange Zeit... und soweit ich ihn kenne würde ich trotzdem sagen, dass er auch im "hier und jetzt" lebt. Worum ich ihn manchmal durchaus beneide.
Aber man kann im Dschungel kaum lange überleben, wenn man sich nicht die Dinge vom Vortag merkt. Sei es, wo Nahrung zu finden ist, wo welche Wege liegen oder wo Gefahr lauert.
Für mich ist kein Mensch "einfach nur Mensch". Jeder ist in seiner Art und Weise besonders und für jeden habe ich Achtung. Und diese Menschen finde ich einfach nur faszinierend.
Natürlich ist da vieles faszinierend. Beispielsweise hat man auch herausgefunden, dass Menschen, die dasselbe Wort für die Farben "blau" und "grün" benutzen nicht in der Lage sind, diese beiden Farben zu unterscheiden. Auch das ist bei einigen ursprünglichen Völkern der Fall... und es hat nichts mit ihrer Antaomie zu tun, sondern allein mit ihrer Sprache.
Insofern: Ja, es ist faszinierend, und vermutlich leben sie tatsächlich in einer grundsätzlich verschiedenen Welt als wir das tun.
Aber deshalb sind sie trotzdem noch Menschen und keine Außerirdischen... und ich halte nichts davon, anderen Kulturen irgendwelche seltsamen Eigenschaften zu unterstellen, nur weil uns da manches fremd erscheinen mag.
Beispielsweise hat man auch herausgefunden, dass Menschen, die dasselbe Wort für die Farben "blau" und "grün" benutzen nicht in der Lage sind, diese beiden Farben zu unterscheiden.
Halte ich für ein Gerücht. Es gibt - zum Vergleich - auch Sprachen, die Farben unterscheiden, die für uns gleich sind, im Altgriechischen gibt es zwei Wörter für Rot, im Russischen sviw zwei Wörter für blau. Ach wen das für uns zwei verschiedene Blau- bzw. Rottöne sind: wir können zwischen diesen Farbtönen unterscheiden.
Sogar innerhalb einer Sprachgruppe kann es Unterschiede geben: Für mich ist Orange einfach nur eine Mischfarbe aus Gelb und Rot, für Andere offenbar eine eigene Grundfarbe …
Es gibt Völker, die haben Schwierigkeiten damit, sinnlose Aufgaben zu lösen, also wenn nicht aufgepasst wird, entsteht der Eindruck, dass sie es nicht können, aber vielleicht »wollen« sie es nicht?
Ich kann so was nachvollziehen: Als ich mit 6 Jahren zum Einschulungstest war, lautete eine Farge: Wo steht die Tonne, links oder rechts vom Haus? Ich fand das Bild so eindeutig und die Frage so leicht, dass ich eine gefühlte Minute überlegte, wo da der Haken ist - bis ich endlich die richtige Antwort gab 😉
Halte ich für ein Gerücht. Es gibt - zum Vergleich - auch Sprachen, die Farben unterscheiden, die für uns gleich sind, im Altgriechischen gibt es zwei Wörter für Rot, im Russischen sviw zwei Wörter für blau. Ach wen das für uns zwei verschiedene Blau- bzw. Rottöne sind: wir können zwischen diesen Farbtönen unterscheiden.
Es gab da einen Beitrag von MaiLab, wo genau dieses Phänomen erklärt wird - wenn blau und grün sprachlich nicht unterschieden werden, dann fällt den Menschen auch die Unterscheidung der Farbe selbst schwer (ab 12
https://www.youtube.com/watch?v=r0jXfwPQW9k&t=760s
Sorry, aber da widerspreche ich Maythi. Klar ist, dass es Sprachen gibt, die kein Wort für Blau haben. So wie wir kein Wort für Blau haben, die die alten Griechen voneinander unterschieden, wie die zwei Rottöne. Nur wenn du jemanden diese zwei verschiedenen altgriechischen Farben vorsetzt, wird er zwar im ersten Anlauf sagen, dass beides die gleiche Farbe, nämlich Rot ist - aber auf Nachfrage auch bestätigen, dass das zwei verschiedene Rottöne sind.
Und das gilt analog auch für Leute, in deren Sprache es heute kein Wort für Blau gibt. Wird sogar von Maythi bei ab 12:48 bestätigt.
Gut, dann kommt das Beispiel mit dem Grün. Nur: wenn die drei grünen Farben der Himba erläutert werden, sehe ich den Unterschied sofort. Beim grünen Kreis sind die Unterschiede, die sich daraus ergeben, dass ich die Kästchen im Kreis aus unterschiedlichen Winkeln betrachte (weil sie aus verschiedene Stellen des Bildschirm sind), genauso groß wie die Zeichen dem andersfarbigen Kästchen und den Nachbarkästchen. Und ein Versuch, per Bildschirmeinstellungen (Farbsättigung, Kontrast, Helligkeit, Rot-Grün-Abgleich) den Unterschied zu vergrößern, scheiterte.
Der Unterschied ist tatsächlich minimal: in RGB-Werten laut Screenshot und GIMP: 93/192/33 gegen 79/186/14. Dagegen sind die beiden rechten Farben auf der Auflistung der drei Grünfarben: 57/154/11 (buru) gegen 147/204/9 (dambu) deutlich weiter auseinander. Und der gezeigte Blauton ist 33/193/34. Auch wenn die Abstände im RGB-Raum nicht 1:1 auf den physiologischen Farbraum abgebildet werden können, ist doch deutlich, dass da ja gerade keine zwei gleich großen Unterschiede gezeigt werden.
Dazu kommt noch,. dass die graue Abschattung oben und unten eine optische Täuschung bewirkt, die den Unterschied im Gehirn zusätzlich verkleinert.
Bleibt noch die Tatsache, dass den Himba sie Unterscheidung (so denn die Farben im Test wirklich so waren wie im Video) die beiden grünen Töne leichter als wir unterscheiden können. Das dürfte mit einem Phänomen zu tun haben, dass ich in der Phonologie kennen gelernt habe:
Sprecher überhören leicht Ausspracheunterschiede zwischen zwei leicht unterschiedlich gesprochenen Varianten des gleichen Sprachlauts, während sie physikalisch gleich große Unterschiede zwischen zwei ähnlichen Sprachlauten deutlich hören: Im Grenzbereich werden auch feinste Unterschiede bewusst. Ich vermute mal, das kann man dann analog auf Farben übertragen.
Und weil es thematisch dazugehört: Natürlich gibt es Sprachen, die keine echten Farbwörter haben. Hab mal von einer Sprache gelesen, die nur zwei »Farbwörter« hatte, deren Grundbedeutung aber »nass« und »trocken« war.
Sorry, aber da widerspreche ich Maythi. Klar ist, dass es Sprachen gibt, die kein Wort für Blau haben. So wie wir kein Wort für Blau haben, die die alten Griechen voneinander unterschieden, wie die zwei Rottöne. Nur wenn du jemanden diese zwei verschiedenen altgriechischen Farben vorsetzt, wird er zwar im ersten Anlauf sagen, dass beides die gleiche Farbe, nämlich Rot ist - aber auf Nachfrage auch bestätigen, dass das zwei verschiedene Rottöne sind.
Ich beziehe mich auf das Experiment mit den 11 Grüntönen und einem blauen Feld. Die Leute vom Stamm der Himba in Namibia waren nicht in der Lage, das blaue Feld als unterschiedlich zu den Grüntönen zu benennen. (Minute 13:15)
Da Farben nicht natürlich vorkommen, sondern nur in unserem Gehirn erzeugt werden erscheint mir das durchaus plausibel.
@lucan-7 Menschen, die dasselbe Wort für die Farben "blau" und "grün" benutzen nicht in der Lage sind, diese beiden Farben zu unterscheiden. Auch das ist bei einigen ursprünglichen Völkern der Fall... und es hat nichts mit ihrer Antaomie zu tun, sondern allein mit ihrer Sprache.
Sie abstrahieren offenbar nie. Weder bei Zahlen noch bei Farben. Sie können Farben benennen, indem sie Gegenstände aus ihrem Alltag benennen, die klassischerweise diese Farbe haben (noch nicht reifes Obst etc.). Das verrät ein gänzlich anderes Denken aufgrund einer Sprache, der andere Dinge wichtig sind als der unseren. Sie können Eigenschaften und Biologie von Tieren deutlich klarer benennen als wir - aber keiner kann ihnen das Rechnen beibringen. Sie sind mit ihrer Sprache optimal in ihrer Welt angepasst. Aber dadurch können sie in unserer Welt weder gut leben noch sie vermutlich verstehen.
Sie abstrahieren offenbar nie. Weder bei Zahlen noch bei Farben. Sie können Farben benennen, indem sie Gegenstände aus ihrem Alltag benennen, die klassischerweise diese Farbe haben (noch nicht reifes Obst etc.). Das verrät ein gänzlich anderes Denken aufgrund einer Sprache, der andere Dinge wichtig sind als der unseren.
ja, genau... uns käme es ja nie in den Sinn, eine Farbe "fliederfarben" oder "himmelblau" zu nennen...
@lucan-7 ja, genau... uns käme es ja nie in den Sinn, eine Farbe "fliederfarben" oder "himmelblau" zu nennen...
Da man den Begriff der Farbe als der Sache abgetrennt betrachtete Eigenschaft nicht existiert würde man dann sagen: Sieht aus wie Flieder, oder: sieht aus wie Himmel
Bessere Beispiele wären orange, karmesin, magenta - also Farbnamen, die von Gegenständen oder Materialien abgeleitet sind.
Aber daraus zu schließen, dass die Pirahã nicht abstrahieren können, ist naiv. Natürlich können sie das, davon bin ich fest überzeugt (und auch Everett hat auch nicht behauptet, dass sie das nicht können). Aber sie abstrahieren anders als wir.
Und was Farben angeht: Hab mal vor Jahrzehnten (da waren die Pirahã noch nicht »entdeckt«) von ner Sprache gelesen, in der es nur zwei Farbwörter gab, die aber eigentlich »nass« und »trocken« bedeuteten. Da seh ich keine prinzipiellen Unterschied zu den Pirahã. Eine Sprache ohne echte Farbwörter ist zwar für manche Europäer interessant, aber für Linguisten nichts Neues (und mit Abstraktionsvermögen hat das nix zu tun). Aufregend ist die Behauptung, dass es da keine Hypotaxe (»Nebensätze etc.«) gibt … leider habe ich weder gelesen, dass ein anderer Forscher diese Aussage widerlegen konnte, noch dass irgendein Linguist sie bestätigt hat.
würde man dann sagen: Sieht aus wie Flieder
Nö, denn ein lila Stück Stoff sieht überhaupt nicht wie Flieder aus (hat weder Zweige noch Blätter noch Blüten), nur die Farbe ist gleich. Du musst schon eine Art Begriff (nicht unbedingt ein Wort!) von Farbe haben, um da überhaupt eine Ähnlichkeit zu erkennen, die ein »sieht aus wie …« rechtfertigt.
"Tja, die Pirahã sterben früh an Tropenkrankheiten oder Verletzungen (Jagd, Unfälle, …) und sind (angeblich) trotzdem glücklich - warum nicht du"
Das finde ich einen interessanten Gedanken. Man muss ja auch in unserer modernen hoch-technologisierten Welt nur ein bis zwei Jahrhunderte zurück blicken und schauen, wie da die Lebenserwartung war, wie viele Kinder starben, usw. Waren die damaligen Menschen deshalb alle schwer traumatisiert, konnten sie kein Lebensglück empfinden? Wahrscheinlich war für sie der Tod (auch in jungen Jahren) viel mehr etwas, was einfach zum Leben gehört, als für uns Heutige, die wir kaum noch Tote zu Gesicht bekommen. Ist es erstrebenswert Leid zu mindern? Unbedingt! Aber wenn der Tod für die Pirahã kein Leid bedeutet, gibt es da für mich auch keinen Grund etwas zu ändern. Das ist so ähnlich wie mit Krankheiten (körperliche und psychische). Wenn die betroffene Person nicht leidet, dann gibt es auch i.d.R. keinen Grund zur Behandlung (mit Ausnahmen natürlich, z. B. wenn die Krankheit ansteckend ist). Gerade bei psychischen Erkrankungen ist dann eine Behandlung in Form von Gesprächstherapie gar nicht möglich, weil die betroffene Person keinen Leidensdruck und damit keine Motivation hat. In diesem Fall sollte man auch gar keine Diagnose stellen.
@suchender_345ab
Aber wenn der Tod für die Pirahã kein Leid bedeutet
Das ist noch nicht erwiesen.
@hkmwk Die Frage ist vielleicht auch, wie groß ein Leid sein muss, damit man es unbedingt verhindern muss. Das Ziel ist es sicherlich nicht jedes Leid mit allen Mitteln zu verhindern (auch angesichts der Tatsache, dass die eingesetzten Mittel an anderer Stelle wieder anderes Leid verursachen können). Vor 4 Jahren ist zum Beispiel mein Bruder gestorben. Er war 48 Jahre alt und damit noch weit von der durchschnittlichen Lebenserwartung entfernt. Natürlich war das ein Leid für mich und meine Eltern. Und es bleibt ein Schmerz. Aber ich weiß, dass er seinen Frieden damit hatte und im Grunde (nach langer Krankheit) auch nicht mehr leben wollte. Man hätte medizinisch mehr machen und vielleicht erreichen können, dass er länger am Leben geblieben wäre. Aber das hatte er durch eine Patientenverfügung ausgeschlossen.
Grundsätzlich stelle ich mir die Fragen: Ist die Verlängerung eines Lebens prinzipiell erstrebenswert? Hat ein langes Leben an sich einen Wert (für einen Christen)? Muss man nicht immer den Einzelfall betrachten? Jesus hat unseres Wissens nach nur einmal einen Toten wieder zum Leben erweckt, nachdem ihn die Trauer der Hinterbliebenen überwältigt hatte.
@suchender_345ab
Jesus hat unseres Wissens nach nur einmal einen Toten wieder zum Leben erweckt, nachdem ihn die Trauer der Hinterbliebenen überwältigt hatte.
Meinst du Lazarus?
Die Witze zu Nain, deren Sohn Jesus auferweckte, dürfte auch getrauert haben, zumal ein lebender Sohn damals das Äquivalent zu einer gesicherten Rente war (die es so ja damals nicht gab). Und bei der Tochter des Jairus waren schon berufsmäßige Klagefrauen da, die durch ihr Geschrei das Leid der Hinterbliebenen ausdrückten (was das mit den Gefühlen der Hinterbliebenen machte, können wir uns wohl nur schwer vorstellen, aber offenbar war so was erwünscht und subjektiv hilfreich).
Zwar steht da nichts davon, dass Jesus »überwältigt« war (schließlich standen ihm diese Toten nicht so nahe wie Lazarus), aber Trauer der Hinterbliebenen gab es auf jeden Fall.
@suchender_345ab Man muss ja auch in unserer modernen hoch-technologisierten Welt nur ein bis zwei Jahrhunderte zurück blicken und schauen, wie da die Lebenserwartung war, wie viele Kinder starben, usw. Waren die damaligen Menschen deshalb alle schwer traumatisiert, konnten sie kein Lebensglück empfinden? Wahrscheinlich war für sie der Tod (auch in jungen Jahren) viel mehr etwas, was einfach zum Leben gehört, als für uns Heutige, die wir kaum noch Tote zu Gesicht bekommen. Ist es erstrebenswert Leid zu mindern?
Ich würde mal gar nicht so weit zurückgehen. Ich denke grad an Russland und an all die vielen jungen Männer, die da für mich komplett sinnfrei ihr Leben lassen. Oft sind das wohl junge Männer aus Regionen, wo die Zukunft eher nicht so rosig aussah und wo es für die Familien eine Chance bedeutet, Geld für das Leben der Kinder zu bekommen. Trotzdem frage ich mich, was das mit den Menschen und grade auch den Müttern macht. Warum baut sich da kein Widerstand auf, warum sind die Menschen dort nicht längst auf den Barrikaden? Ich denke auch an den fragwürdigen "Spaß" von russisch Roulette. Es scheint Menschen, die anders ticken, als wie ich das früher mal für möglich gehalten hätte.
Ich denke an meine Oma, die ihren einzigen Sohn an eine Lungenentzündung verloren hat und ihr Leben lang nicht darüber hinweggekommen ist. Ich denke auch an den Film "Verborgene Schönheit" wo es heißt, dass Eheleute, die ein Kind verloren haben, in der Regel bald geschieden werden.
@goodfruit "Warum baut sich da kein Widerstand auf, warum sind die Menschen dort nicht längst auf den Barrikaden?"
Ich glaube, das hat viel mit Ideologie zu tun. Wie die Menschen leben und was sie bei bestimmten Dingen empfinden hängt schon stark davon ab, woran sie glauben und wie sie erzogen wurden. Vieles ist sehr schwer zu glauben. Mir hat vor kurzem jemand erzählt (keine Ahnung ob es wirklich so ist), dass russische Soldaten von ihren Vorgesetzten so miss-handelt werden, dass ein Kriegseinsatz ihnen wie Urlaub vorkommt.
"Ich denke auch an den Film "Verborgene Schönheit" wo es heißt, dass Eheleute, die ein Kind verloren haben, in der Regel bald geschieden werden."
Ich kenne auch Beispiele von Eheleuten, die sich nach dem Tod eines ihrer Kinder nicht scheiden haben lassen, sondern einen Weg gefunden haben damit umzugehen. Aber statistisch mag das so sein.