Lebendige Erinnerungen
Eben habe ich mal wieder nachgedacht - über Dinge aus vergangenen Zeiten. Das passiert mir inzwischen fast täglich, dass alte Erinnerungen erst später, im Nachdenken darüber lebendig werden. So dass auch manche Fragen erst entstehen, die mir "damals" noch gar nicht eingefallen waren.
Als ich darüber nachdachte, entstand der Wunsch, meine Erinnerung(en) mit jemandem zu teilen. Und dann kam mir der Gedanke, dass es vielleicht auch noch manche andere Menschen gibt, die Erinnerungen teilen und darüber austauschen möchten. Darum versuche ich es mal mit deisen Thread, in der Hoffnung, dass es hier Menschen gibt, die auch gerne über Erinnerungen aller Art austauschen möchten.
Die Erinnerung, welche mich heute zu diesem Thread animierte, schreibe ich dann in den nächsten Beitrag, damit es klar ist, dass es hier nicht nur um meine Erinnerungen gehen soll, sondern hoffentlich viele interessante Geschichten entstehen.
Ich war ein Nachkriegskind – also, bin 6 Jahre nach Kriegsende geboren. Meine Mutter war zum Kriegsende 17 Jahre alt, mein Vater war zum Kriegsende 22 Jahre alt. Mein Vater wurde auch als Soldat in den Krieg eingezogen. Er zählte später auch zu den Flüchtlingen aus Ostpreußen.
Als ich noch ein Kleinkind war, hat meine Mutter noch sehr oft über den Krieg geredet. Und immer schwang in ihren Berichten die Angst, dass wieder ein neuer Krieg ausbrechen könne. Diese Angst hat auch mich als Kind geprägt. Sonst wusste ich aber nicht viel über den Krieg damals.
Mein Vater hat nicht viel über den Krieg geredet. Dafür aber sehr viel über seine Kindheit. Daraus erzählte er uns auch gerne Einschlafgeschichten über einen kleinen Johannes (war nicht sein Name). Erst später wurde mir klar, dass er selbst dieser kleine Johannes gewesen ist.
Als ich dann schon etwas älter war, vielleicht auch schon jugendlich… ich weiß es nicht mehr genau, fragte ich meinen Vater mal, ob er im Krieg denn auch mal in die Lage gekommen ist, andere Menschen zu töten. Er antwortete, dass er zwei Mal unmittelbar davor stand, auf Menschen schießen zu müssen. Und in beiden Fällen wäre in dem Moment eine Ablösung gekommen. Er schilderte es so, dass sich jemand neben ihn legte, und er gehen konnte. Er meinte, Gott hätte ihm diese Ablösung geschickt.
Diese Geschichte ist mir in Erinnerung geblieben – ich habe sie bis vor ein paar Jahren genau so geglaubt. Nachdem ich inzwischen aber auch Einiges über Menschen aus den Kriegsjahren gelesen und gehört habe, kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht auch ganz anders war, als ich diesen Bericht von meinem Vater interpretiert und mir vorgestellt habe. Vielleicht hat er auch eine Persönlichkeits-Abspaltung erlebt, weil er die Realität so nicht verkraften konnte.
Fragen kann ich meinen Vater jetzt nicht mehr, weil er nicht mehr lebt. Mein Vater war übrigens ein überzeugter Christ und hatte auch im Krieg eine kleine Bibel, mit winzig kleiner Schrift immer bei sich. Diese Bibel hat er sein Leben lang aufgehoben. Jetzt ist sie in Besitz einer meiner Geschwister.
Ich bin offenbar ungefähr ein Jahrzehnt später als du geboren, aber der 2WK hat auch mich indirekt geprägt.
Meine Eltern stammten beide aus Schlesien (sie kannten sich dort schon, haben sich aber erst nach 45 lieben gelernt). Als ich jung war, habe ich (beim damaligen Zeitgeist fast selbstverständlich) gemeint, dass meine Heimat Schlesien ist - wo ich natürlich nie war. Was ich nicht mitbekommen war, die „Fremdenfeindlichkeit” gegenüber den „Flüchtlingen” damals.
Was auch daran lag, dass meine Eltern ein Haus bauten, als ich zwei war (kurz vor meinem dritten Geburtstag war es fertig, ich habe sehr unscharfe Erinnerungen an den Einzug (?) ). In der Neubausiedlung überwogen Vertriebene und DDR-Flüchtlinge, Anfeindungen gegen Vertriebene kenne ich nur aus Erzählungen meiner Eltern - die auch mal Vorfälle erwähnten (z.B. warum sie unbedingt aus der Mietwohnung rauswollten, das lag nicht nur am vierten Kind, das unterwegs war), aber das mehr dahintersteckte verstand ich erst als Teenager.
Da regte ich mein Vater über Türkenwitze auf. Ich hatte noch nichts davon gehört (kannte nur Ostfriesenwitze, wer erinnert sich an sie?), also erzählter er mir ein Beispiel - und dann sagte er: Solche Witze haben sie früher auch über Vertriebene gemacht. Womit ich die Frage klärte, wieso Judenwitze Jahrzehnte später wieder als Türkenwitze auftauchten.
Anders als viele Väter hat meiner auch was vom Krieg erzählt. Was sicher damit zusammenhing, dass er nicht direkt an der Front war, sondern in einer Artillerieeinheit (Granatwerfer). Schießen auf Koordinaten, was die anrichteten sah man ja nicht. Nur selten direkt an der Front - einmal schlief er auf Wache ein, und als er aufwachte stand neben ihm ein Rotarmist, der desertieren wollte. Hätte natürlich auch ganz anders ausgehen können …
Berichte vom Krieg waren somit eher Vorfälle innerhalb der Kompanie, oder was mein Vater im Lazarett erlebte. Harte Sachen erst als wir Kinder schon Teenager waren. Etwa die Geschichte, als die Soldaten durch Schüsse und Schreien vom anderen Seeufer alarmiert wurden. Ein Trupp wurde losgeschickt, kam aber erst über eine Stunde später am Ort des Geschehens an: Mann erschossen, Frau vergewaltigt, zwei Söhne von den Partisanen mitgenommen - die sollten auch kämpfen.
Meine Mutter konnte natürlich auch vom Krieg erzählen: Vom Unternehmen Barthold, wo sie als BDM-Mädchen hin verpflichtet war - militärisch sinnlos, aber das war den jungen Leuten natürlich nicht klar. Dann das Verbot, Vorbereitungen für eine Flucht zu treffen - am nächsten Tag hieß es plötzlich: Schnell, in einer Stunde fährt der letzte Zug, dann kommen die Russen! Ziel der Evakuierung war Dresden, aber da wars so überfüllt, dass der Zug schließlich nach Dresden weiterfuhr (was der Familie meiner Mutter vermutlich das Leben rettete). Bombardierung in Dresden, Einzug und später dann Abzug der Amerikaner, DDR, Flucht in den Westen …
Interessant war auch die Zeit davor, die bewusste Kinderzeit meiner Mutter und Jugendzeit meines Vaters fiel ja in die Nazizeit. Die Großeltern lehnten den Nazismus ab, aber haben aktiv so gut wie nichts dagegen getan. Die Kinder (also meine Eltern, insbesondere meine Mutter) wuchsen da wie selbstverständlich hinein, als meine Mutter erzählte, wie sie den BDM-Dienst schwänzte, hatte das keine ideologischen Gründe, vielmehr wollte sie mehr für die Schule lernen.
Durch solche Alltagserzählungen (und manchem, was ich sonst noch über diese Zeit gelesen habe) habe ich so was wie ein Bauchgefühl bekommen, wie es sich damals lebte. Natürlich nicht so wie jemand, der es selber erlebt hat - aber zuweilen merke ich, wie Urteile der Nachgeborenen nicht stimmen, weil die sich nicht vorstellen können, wie es war. Etwa wenn eine Historikerin Todesanzeigen gefallener Soldaten auswertet und da etwas über die Haltung der Eltern herausfinden will (dabei haben die Zeitungsredakteure vorgegeben, was da passt und was nicht gedruckt wird - wär interessant, ob es dazu auch Richtlinien aus Berlin gab).
Und eine Erkenntnis, die so wohl auch für die DDR zutrifft: Man kann in einem Unrechtsregime aufwachsen, ohne zu merken, dass es ein Unrechtsregime ist. Weil man ja selber kein Opfer ist.
Ich könnte noch viel mehr erzählen (z.B. über den Glauben meiner Eltern) …
Ups, verformuliert. Richtig ist:
Ziel der Evakuierung war Dresden, aber da wars so überfüllt, dass der Zug schließlich nach Chemnitz weiterfuhr.
Danke Helmut, deine Erinnerungs-Beschreibung klingt für mich wirklich sehr interessant. Und einige Abschnitte darin lösen auch bei mir wieder Erinnerungen aus...zB dieser:
....dass meine Eltern ein Haus bauten, als ich zwei war (kurz vor meinem dritten Geburtstag war es fertig, ich habe sehr unscharfe Erinnerungen an den Einzug (?) ). In der Neubausiedlung überwogen Vertriebene und DDR-Flüchtlinge, Anfeindungen gegen Vertriebene kenne ich nur aus Erzählungen meiner Eltern - die auch mal Vorfälle erwähnten (z.B. warum sie unbedingt aus der Mietwohnung rauswollten, das lag nicht nur am vierten Kind, das unterwegs war), aber das mehr dahintersteckte verstand ich erst als Teenager.
Auch meine Eltern bauten ein Haus in solch einer Siedlung, als ich 8 Jahre alt war und wir inzwischen 4 Kinder waren, die Jüngste gerade ein halbes Jahr alt. Aus dieser Phase gibt es auch etliche Erinnerungen. Die Zeit, als meine Mutter (gefühlt täglich) zu Fuß mit uns zur Baustelle ging, die am anderen Ende der Stadt lag - ungefähr 4 km hin und wieder zurück, um dort vieles noch vorzubereiten. Tapeziert hat dann mein Vater alles. Es gab einen Spirituskocher dort im Keller, eine Wasserpumpe auf dem Nachbargrundstück und Johannisbeersaft mit Wasser verdünnt zu trinken.
Dass diese Bauten besonders für Flüchtlinge gebaut wurden, habe ich erst später, als Jugendliche bemerkt, weil eine Tante (Schwester meiner Mutter) meinte, das Haus hätten wir nur bekommen, weil mein Vater Flüchtling sei. Und das klang in dem Moment so, als wenn sie neidisch darauf war, und das ungerecht fand.
Woran ich mich noch besonders erinnere ist, als wir eingezogen waren, hat die Ortszeitung kurz vor Weihnachten einen Artikel mit Foto über uns geschrieben, mit dem Titel "Schönstes Geschenk - unterm eigenen Dach". Auf dem Foto war die ganze Familie, um einen Tannenbaum, der gerade für die Feier aufgestellt wurde. Dieses Foto wurde uns in unserer (sehr gestrengen) Gemeinde (exclusive Brüdergemeinde) zum Verhängnis. Mein Vater wurde gerügt, dass wir solch einen (heidnischen) Brauch überhaupt mitmachen würden. Man bezog sich auf irgendeinen Bibeltext um einen "Baum ohne Wurzeln". Das war dann auch das letzte Weihnachten, an dem wir einen Weihnachtsbaum hatten. Aber meine Mutter hat auch das gut gelöst. Sie hat seitdem zu Weihnachten mehrere Tannenzweige in Vasen verteilt und geschmückt, so dass wir den Baum nicht unbedingt vermisst haben.
Meine Mutter konnte natürlich auch vom Krieg erzählen: VomUnternehmen Barthold, wo sie als BDM-Mädchen hin verpflichtet war - militärisch sinnlos, aber das war den jungen Leuten natürlich nicht klar.
Meine Mutter hat berichtet, dass sie so gerne auch zum BDM gehört hätte. Aber sie wurde abgelehnt, weil sie zu jung war. Aber sie war wohl eine Zeitlang in einem Programm der "Kinder-Landverschickung". Sie hat davon erzählt, dass es dort immer gut zu essen gab. Vorher kannte sie wohl auch magere Zeiten, wo sie hungrig war und es nicht genug gab. Ich erinnere mich, dass sie erzählte, dass sie Pfannkuchen-Reste der Katze nach draußen bringen sollte und unterwegs noch etliche Pfannkuchen gegessen hat, weil sie die für dir Katze viel zu schade fand.
Für die Jugend waren solche Vereinigungen wahrscheinlich was Tolles. Was dahinter stand, war ihnen nicht klar. Meine Mutter sagte auch, dass sie erst ganz am Schluss, als ihr Elternhaus zerstört wurde, merkte, dass der Krieg verloren war.
Interessant war auch die Zeit davor, die bewusste Kinderzeit meiner Mutter und Jugendzeit meines Vaters fiel ja in die Nazizeit. Die Großeltern lehnten den Nazismus ab, aber haben aktiv so gut wie nichts dagegen getan.
Die Familie meiner Mutter hat scheinbar auch nicht gemerkt, dass Nazi's am Werk waren. Ihre Brüder und ihr Vater waren bei der Marine. Ein Bruder ist mit der "Bismarck" untergegangen. Vieles, was im Krieg schief gelaufen ist, wurde ihnen erst im Nachhinein bewusst.
Und eine Erkenntnis, die so wohl auch für die DDR zutrifft: Man kann in einem Unrechtsregime aufwachsen, ohne zu merken, dass es ein Unrechtsregime ist. Weil man ja selber kein Opfer ist.
Wie es in der DDR lief, habe ich selbst auch erst als Jugendliche begriffen. Ich erinnere mich, dass eines Abends im Radio über einen Fluchtversuch berichtet wurde, bei dem ein Mensch erschossen wurde. Ich war ziemlich erschüttert, dass so etwas in Deutschland passiert. Denn bis dahin dachte ich, die Soldaten und Polizei würden hier immer nur im Krieg und gefährliche Verbrecher töten.
Eine Zeitlang kam eine Verwandte meines Vaters "Tante Anna" aus der DDR jedes Jahr für zwei Wochen zu uns zu Besuch. Ich empfand sie furchtbar und wir waren alle froh, wenn sie wieder weg war. Sie nahm sich heraus, was sie meinte, dass es ihr zusteht. Manchmal musste einer von uns Kindern mit ihr in die Stadt zum einkaufen gehen. Ich fand sie immer sehr peinlich, wie sie auftrat. Was in ihrem Land geschah, fand sie okay. Und so formte sich für mich ein Bild von Menschen in der DDR - denen man am besten aus dem Weg ging.
Ich könnte noch viel mehr erzählen
Oh ja .... sehr gerne .... ich liebe solche Geschichten 😊
Und einige Abschnitte darin lösen auch bei mir wieder Erinnerungen aus
Und einiges, was du jetzt geschrieben hast, löst bei mir auch Reaktionen aus.
Mein Vater wurde gerügt, dass wir solch einen (heidnischen) Brauch überhaupt mitmachen würden.
LOL. Das „heidnischste” am Weihnachtsbaum ist der Bezug zu katholischen Heiligenkalender bzw. zum Gedenktag an Adam und Eva am 24.12. Aber als sich der zum Brauch gewordene Baum im 18/19.Jh. in D verbreitete, gab es tatsächliche manche, die darin was Heidnisches witterten. Die synagoge (altgriechisches Wort für Versammlung 😉😋) deiner darbistischen Eltern stand da also nicht alleine, auch wenn im 20.Jh. nur noch wenige Gruppen so was sagten.
Meine Mutter hat berichtet, dass sie so gerne auch zum BDM gehört hätte. Aber sie wurde abgelehnt, weil sie zu jung war. Aber sie war wohl eine Zeitlang in einem Programm der "Kinder-Landverschickung".
Das war nicht wirklich eine „Veranstaltung”, vielmehr wurden Kinder aus größeren Städten aufs Land verschickt, wo keine Bombenangriffe befürchtet wurden. So was gabs auch in GB, das ist der Hintergrund des ersten Bands der „Narnia”-Geschichten (falls dir das was sagt).
Und wenn deine Mutter bei Kriegsende 17 war, dann war sie so alt wie meine und nicht zu jung für den BDM. Nur anfangs (1933 etc.).
"Tante Anna" aus der DDR
An Besuch aus der DDR kann ich mich nicht erinnern. Es gab Pakete von da, u.a. mit Kinderbüchern. Und natürlich haben wir Westpakete geschickt. Ab und zu hab ich Leseratte in einem Buch auch DDR-Propaganda gefunden, etwa als in den Erinnerungen eines Dompteurs in einer Nebenbemerkung was von Tierquälereien auf „westdeutschen Güterbahnhöfen” die Rede war. Aber das kam in homöopathischen Dosen.
Aber ich hatte eine Patentante „drüben”, und habe also jeden Abend auch für die Tante Käthe gebetet. Als die Wende kam, lebte sie schon nicht mehr …
Und einiges, was du jetzt geschrieben hast, löst bei mir auch Reaktionen aus.
Super - dann klappt das ja tatsächlich mit diesem Thread 🤗
Diesynagoge(altgriechisches Wort für Versammlung) deiner darbistischen Eltern stand da also nicht alleine,
Ja, "Darbysten" wurden sie von Außenstehenden genannt. Sie selbst verstanden sich eher als "Christen ohne Sonderbekenntnis". So zumindest wurde uns Kindern das beigebracht. Das allumfassende Schlüsselwort für die Art ihrer Zusammenkunft lautete: "Absonderung". Das war ihnen besonders wichtig, die Absonderung von anderen christlichen Gemeinschaften ... und überhaupt von "der Welt". Es gab in unserem Ort sogar zwei von diesen Gemeinden. Wobei diejenige, in die ich hineingeboren wurde, sich selbst als die richtige verstand, und von der anderen Gemeinde dieser Art bewusst abgrenzte. Deshalb wurde sie auch "die Exclusiven" genannt.
Als ich 19 Jahre alt war, sind wir dann als Familie aus dieser ausgetreten. Wobei es dort natürlich auch (angeblich) keine "Mitglieder" in dem Sinne gab. Auslöser waren meine um ein Jahr ältere Schwester und ich, die beschlossen hatten, die Jugendgruppe der anderen (etwas offener) Gemeinde zu besuchen. Meine Schwester war eher eine Kämpferin, die vieles in Frage stellte und irgendwie durchgeboxt hat. Ich war zu der Zeit eher diejenige, die gerne in ihrem "Windschatten" hinterher gesegelt bin. 😉
Letztendlich ging es um die Frage, ob wir überhaupt noch am Abendmahl teilnehmen dürften. Daran durften nämlich immer nur diejenigen teilnehmen, welche vor den "Brüdern" als "richtig" befunden wurden. Wenn Gäste von anderen Gemeinden daran teilnehmen wollten, dann mussten diese ein "Empfehlungsschreiben" von der Heimatgemeinde mitbringen, das vor dem Abendmahl vorgelesen wurde. Ein Satz, der in jedem dieser Empfehlungsschreiben vorkam, war "er/sie geht mit uns den Weg der Absonderung und nimmt am Brotbrechen teil". Abendmahl gab es übrigens jeden Sonntag, am Vormittag. Und die Predigt kam dann am Nachmittag. Also der Sonntag war gefüllt mit Versammlungsbesuch. Das hieß nämlich nicht, dass am Vormittag nur Menschen in den Gottesdienst kamen, die auch am Abendmahl teilnehmen durften. Aber wer nicht zur erlesenen Elite gehörte, die teilnehmen durfte, an dem wurde der Kelch und das Brot einfach vorbei gereicht, von seinen Sitznachbarn. Man wurde also offensichtlich "diskrimniert".
Vormittags war aber auch bei den meisten Familien die Zeit, an dem auch die Kinder mitgebracht wurden. So ungefähr ab 3 Jahren wurden sie an das geräuschlose Stillsitzen gewöhnt.
Der Vormittags-Gottesdienst bestand auch nur aus Lesungen aus der Bibel, Lieder singen und Gebete - die dann mit dem Abendmahl besiegelt wurden. Das Ganze lief etwa eine bis anderthalb Stunde. Danach konnten die Kinder - etwa ab fünf Jahre - noch in eine "Sonntagsschule" gehen - also Kindergottesdienst.
Nach unserem Austritt gingen wir dann zur Baptistengemeinde. Ich war zu dem Zeitpunkt das erste Mal kritisch und habe mich gesträubt, weil ich in die Gemeinde gehen wollte, die ich ja nun durch die Jugendgruppe kannte. Aber etwa ein halbes Jahr später habe ich mich dann gefügt und habe mich meiner Familie bei den Baptisten angeschlossen.
Das war nicht wirklich eine „Veranstaltung”, vielmehr wurden Kinder aus größeren Städten aufs Land verschickt, wo keine Bombenangriffe befürchtet wurden. So was gabs auch in GB, das ist der Hintergrund des ersten Bands der „Narnia”-Geschichten (falls dir das was sagt).
Und wenn deine Mutter bei Kriegsende 17 war, dann war sie so alt wie meine und nicht zu jung für den BDM. Nur anfangs (1933 etc.).
Ich weiß natürlich nicht, zu welchem Zeitpunkt meine Mutter dort angefragt hat. Aber kann sein, dass es eher am Anfang war, als es den BDM gab. Aber vielleicht wurde das ja auch örtlich unterschiedlich geregelt ... keine Ahnung.
Die Familie meiner Mutter lebte in Kiel. Das trifft natürlich auf eine Großstadt zu, besonders auch durch die Mündung zur Ostsee. Ich erinnere mich auch noch an etliche ausgebombte Ruinen dort, direkt neben dem Wohnhaus, in dem meine Großeltern wohnten. Als ich mal ein halbes Jahr bei meiner Oma wohnte, als ich dreizehn Jahre alt war, haben wir (Kinder in dem Wohnviertel) dort oft auch gespielt - wenn das auch nicht wirklich erlaubt war.
Es gab Pakete .......
Bei dem Stichwort "Pakete" erinnere ich mich an Pakete aus Florida, die ab und zu von einer "Tante Maria", Verwandte meiner Mutter, aus Amerika kam. Manchmal kam auch ein Brief mit 5 Dollar. Dafür bekamen meine Eltern etwa 20 DM beim wechseln von der Bank.
Da wir nicht so begütert waren und als "kinderreich" galten (6 Kinder) bekamen wir Pakete auch oft von Gemeindeangehörigen von Brüdergemeinden, die uns auf irgendeine Weise (oft über meine Großeltern) kannten. Besonders in Erinnerung sind mir Pakete von "Müller aus Kirespe". Die hatten eine Molkerei und schickten uns ofter mal große Pakete mit Butter und sonstige Erzeugnisse. Diese Pakete kamen immer mit der Bahn. Und weil die in unserem Ort noch sehr lange mit einem Pferdefuhrwerk geliefert wurden, wussten wir, wenn dieses Fuhrwerk zu unserem Haus kam: "ah - da kommt ein Paket von Müller aus Kierspe". 😉
Das waren dann immer einige Festtage, wo es reichlich Dinge zu essen gab, die sonst kaum mal auf unseren Tisch kamen.
Oh man ... gibt gerade wieder so viele Stichworte, wozu mir etwas einfällt ... ich höre besser auf, bevor ich anfange zu spammen 😆
Westpakete
Ich erinnere mich auch, dass wir Westpakete verschickt haben. Wenn ich mich recht erinnere, an eine "Tante Trudi" in Leipzig. In welcher Beziehung wir zu der standen, weiß ich nicht, sie war aber keine Tante meiner Eltern oder so. Wenn es eine verwandtschaftliche Beziehung gegeben haben sollte, muss die über viele Ecken gewesen sein.
Ich glaube, diese Tante Trudi ist auch schon vor der Wende verstorben.
@hkmwk Ich kann mich an Ostpakete - bzw. deren Inhalt erinnern.
Wir hatten eine Partnergemeinde im Erzgebirge. Und die haben uns mit wunderschönen geschnitzten Figuren und Räuchermännchen beschenkt. Zur Adventszeit stand das immer bei unseren Katechumenen- und Konfirmandenunterricht auf dem Tisch. Ich habe die Gemeinde, die uns da so nett bedacht hat, nie kennengelernt. Aber irgendwie habe ich immer noch liebe Erinnerungen an diese Figuren und ein überaus positives Bild über die Menschen, die so etwas herstellen und verschenken.
@goodfruit
Wir haben an unserer Schule (ein Gymnasium der Salesianer Don Bosco) im Winter 1981/82 und 82/83 regelmässig Hilfspakete für eine Partnerschule Zakopane in der Hohen Tatra/Polen gepackt.
Mehl, Zucker, Obst-/Gemüsekonserven, Kleidung, Schoki uvm.
Erschütternd waren immer die Berichte von denen die mitfahren durften über die Armut dort. Und dann kam das Kriegsrecht noch oben drauf 🙁
Das was Polen damals durchmachen musste, war der erste Schritt zur deutschen Wiedervereinigung.
Das sollten wir nicht vergessen
Oh ja .... sehr gerne .... ich liebe solche Geschichten
Ich erzähl jetzt erst mal was von Großeltern und Nazis.
Mein Großvater väterlicherseits war Bauer, und in den 20-er Jahren beinahe pleite gegangen (u.a. ist eine Scheune abgebrannt, und er war unterversichert). Mein Vater wuchs deshalb in sehr bescheidenen Verhältnissen auf - Schokolade gabs nur zweimal im Jahr - zum Geburtstag (und das musst er auch noch mit seinem Zwillingsbruder teilen!) und einmal, wenn eine Tante mit Schokolade für die Kinder kam.
Politisch war er wohl liberal, ganz genau weiß ichs nicht. Jedenfalls war er auch Bürgermeister seines Dorfs - klein genug, dass niemand Machtstreben o.ä. vermuten konnte, und wohl auch als zuverlässig bekannt. Als das Dorf (um 1929, vermute ich) eingemeindet wurde, blieb dann der Vertrag zur Eingemeindung bei ihm, mein Vater hat ihn auch mal anschauen dürfen.
Mein Vater ist vor 1933 für die HJ angeworben worden - ein Spielkamerad aus dem Dorf schwärmte davon. Aber als er das erste mal kam, hatte er das Pech (bzw. Glück, im Nachhinein betrachtet), zu einem ideologischen Schulungsabend zu kommen, an dem ein für einen Jungen totlangweiliger politischer Vortrag gehalten wurde. Danach ist mein Vater nie mehr hingegangen.
Die Haltung meines Großvaters zu den Nazis kenne ich nur aus Geschichten, vor allem drei:
- Eine Frau von der Partei kreuzt auf dem Hof auf und erkundigt sich, wie die »Ostarbeiter« verpflegt werden. Denn die dürfen nicht mit der Bauernfamilie am gleiche Tisch essen. Mein Großvater protestiert: Er sieht nicht ein, dass seine Frau zweimal kochen muss. Es bleibt dabei: Die »Ostarbeiter« bekommen das gleiche Essen wie die anderen auch.
- 1939 sagte der Großvater den Kindern, dass der Krieg schon verloren sei. Denn irgendwann würden die USA England zu Hilfe kommen, und dann der Krieg ähnlich wie 1918 mit einer Niederlage enden.
- Als mein Vater auf Fronturlaub (wohl Genesungsurlaub nach Verwundung) war, hat er meinen Großvater begleitet, um die Milch zur Molkerei zu bringen. Und wundert sich: Sein Vater packt Fresspakete! Für die kurze Strecke und zurück völlig unnötig. „Die sind nicht für uns, die sind für die Fremdarbeiter in der Gurkenfabrik” (die lag auf dem Weg). - „Aber die bekommen doch von der Fabrik genug zu essen!” - „Das glaubst auch nur du!”. Und tatsächlich: an einer nicht einsehbaren Stellen warten hinter dem Zaun des Fabrikgeländes schon einige Arbeiter, denen die beiden dann die mitgebrachten Lebensmittel zuwarfen.
Mein Großvater mütterlicherseits war preußischer Beamter, und damals wurde man bei einer Beförderung i.d.R. auch an einen anderen Ort „befördert”. Davon kenne ich die Heimat meiner Großmutter (Grafschaft Glatz in den schlesischen Sudeten), der Geburtsort meiner Mutter (in Oberschlesien) und die Stadt, in der er am Ende landete (in Niederschlesien). Denn nach 1933 wurde er nicht mehr befördert.
Die Großeltern mütterlicherseits waren Monarchisten, von dem Typ Konservative, die sich als (erwünschtes, also quasi unvermeidliches) Hitlerbild das Bild vom Tag in Potsdam aufgehängt hatten, auf dem Hitler nicht so vorteilhaft aussah.
Ein Konfliktpunkt war die Judenfrage. Meine Mutter erinnerte sich, das er manchmal nach Hause kam und seiner Frau sagte: heute hat man mich wieder darauf angesprochen, dass du beim Juden eingekauft hast. Muss das sein, ich habe deswegen doch nur Ärger.
Als Justizinspektor konnte er Infos durchsickern lassen: So war die örtliche Landeskirchliche Gemeinschaft (der alle Großeltern angehörten) gewarnt und konnte ihren Jugendclub auflösen, bevor er zwangsweise der HJ angegliedert wurde. Schon wieder wurde mein Vater kein HJ-Mitglied …
Meine Mutter erinnerte sich auch, dass es einmal ein quasi konspiratives Treffen mit einem Juden gab, dem ihr Vater Rat: Gehen sie nach Danzig. Ob das nur als Zwischenstation gedacht war oder ob der Betreffende 1939 in Danzig in der Falle saß, konnte sie auch nicht sagen …
Von einem Onkel weiß ich. dass der Großvater einmal seine Befürchtung aussprach, dass auf Deutschland schwere Zeiten zukommen werden, denn in der Bibel heißt es: »Wer euch [das Volk Israel] antastet, der tastet meinen Augapfel an.”
Denn auch wenn man nicht alles wusste: Dass den Juden Unrecht geschah, war nicht zu übersehen. In der Stadt war es nach dem 9.November 1938 Tagesgespräch, dass die SA am es nicht geschafft hatte, das Schaufenster eines Juweliers einzuwerfen: Sein Panzerglas hielt den große Pflastersteinen stand, die dagegen geworfen wurden.
Und eines Tages sprach meine Großmutter mütterlicherseits auf dem Bahnsteig einen Bahnbeamten an: Da in den Güterwagen am Ende des Zugs sind ja Menschen! Sie hatte Stimmen gehört. „Seien sie bloß ruhig, oder wollen sie auch ins KZ”, vermutlich hatte der Beamte selber Angst. - Ein Blick auf die Landkarte macht klar, dass die Waggons nach Auschwitz fuhren.
Wie gesagt: kein systematischer Widerstand gegen die Nazis, aber eben hier und da doch etwas gegen die Barbarei.
Ich erzähl jetzt erst mal was von Großeltern und Nazis.
👍... super .... finde ich sehr interessant.
....hatte er das Pech (bzw. Glück, im Nachhinein betrachtet)....
Bei den ganzen Geschichten aus dem Krieg, welche ich schon gelesen und gehört habe, habe ich ohnehin den Eindruck, dass tatsächlich viele Menschen davor bewahrt blieben, aktiv bei den Nazis mitzumachen, indem sie verhindert wurden durch Situationen, die sie in dem Moment nicht gut empfunden haben - also als "Pech", wie du es ausdrückst. Und so erlebe ich auch bis heute oft das Wirken Gottes bei Dingen, die man in dem Moment, in denen man sie sich wünscht, die Gefahren nicht wirklich einschätzen kann - und zunächst trauert darüber, dass man "verhindert" wurde ... auf welche Weise auch immer. Für mich ist das ein schönes Beispiel davon, dass ich mich in jeder Situation auf Gott verlassen kann - und darum IHM immer vertrauen kann, dass ER es gut macht ... auch wenn es manchmal nicht so aussieht.
Die Haltung meines Großvaters zu den Nazis kenne ich nur aus Geschichten, vor allem drei: .....
Diese Geschichten zeigen, für mein Empfinden, ziemlich deutlich, dass man nicht unbedingt die ganze Lage und Politik verstehen muss, um das Richtige zu tun. Dein Großvater hatte wohl einfach solche "Eingebungen", was denn in den Situationen "richtig" sei - und hat es getan. Mit viel Weisheit durch seine Begründungen. So sehe ich das auch bei Jesus, in den Berichten der Bibel. ER hat oft anders gehandelt und gepredigt, als es von den "Schriftgelehrten" üblich und "Gesetz" war. Und trotzdem konnte man ihm nichts anhängen, was ihn verurteilen würde.
Wie gesagt: kein systematischer Widerstand gegen die Nazis, aber eben hier und da doch etwas gegen die Barbarei.
Ich finde ohnehin, dass es oft nicht wesentlich darum geht, GEGEN etwas zu kämpfen, als FÜR etwas. Heutzutage versteht man "Kampf" fast nur noch im Sinne von Krieg gegen Gegner. Den Kampf um das Positive - das was wirklich etwas zum Guten (oder wenigstens Besseren) kommt dabei oft viel zu kurz.
......
Bei uns zu Hause ging es nie um Politik. Es wurde schlicht nie darüber geredet. Meine Eltern stützten sich darauf, dass Gott die "Obrigkeit" einsetzt und gebraucht. Und da in der Bibel gefordert wird, der Obrigkeit untertan zu sein, bringt es nichts, sich dagegen zu stellen. Aber das, was unter den Menschen in der eigenen Umgebung passiert - das ist es, worauf wir Einfluss haben - und zwar einen Einfluss, der zum Guten führt.
Ich sage nicht, dass es die richtige Haltung ist, die "Obrigkeit" so ganz zu ignorieren und nicht auch etwas dort bewirken zu können. Aber vom Ansatz her finde ich auch heute noch eine Haltung richtig, welche den Blick auf die eigene kleine Welt - die Menschen und Dinge, welche für einen selbst greifbar und veränderbar sind, vorzuziehen, vor dem, was gegen "die da oben" geschieht. Und dann kann man auch ein Stück weit "die Welt" verändern - da, wo man in direkter Berührung mit ihr ist.
@hkmwk Von einem Onkel weiß ich. dass der Großvater einmal seine Befürchtung aussprach, dass auf Deutschland schwere Zeiten zukommen werden, denn in der Bibel heißt es: »Wer euch [das Volk Israel] antastet, der tastet meinen Augapfel an.”
Da ist was Wahres dran. Ich denke, dass sich totalitäre Mächte irgendwann immer an die Juden vergreifen - und dann ist ihr Ende schon besiegelt.
Oh ja .... sehr gerne .... ich liebe solche Geschichten
Ich hatte ja versprochen, auch was über meine christlichen „Wurzeln” zu schreiben.
Wie schon nebenbei erwähnt, waren meine Großeltern alle in einer pietistischen „landeskirchlichen” Gemeinschaft. Diese Gemeinschaften sind als Ergänzung zur Kirche entstanden, quasi als fromme Kerngemeinde, die sich nicht nur zur „Gemeinschaftsstunde” traf, sondern auch den Gottesdienst besuchte. Zuweilen auch eine Art Opposition gegen ungläubige Pfarrer war.
Nach dem Krieg landete mein Vater zunächst in einem Dorf in der Nähe von Göttingen (das wär ne Geschichte für sich), einer der wenigen reformierten Gemeinden in Norddeutschland, als lutherisch geprägter Pietist fühlte er sich dort in der Kirche nicht wohl - im Dorf gings (mit einigen war er befreundet, andere eher das Gegenteil, wie es halt so ist). Dort ist mein älterer Bruder geboren, aber als mein Vater nach seiner Ausbildung keine Arbeit in der Gegend fand, hat ihn sein Doppelschwager eine Arbeit in NRW vermittelt.
»Doppelschwager«: Damit meine ich, dass mein Vaters die jüngere Schwester der Ehefrau seines älteren Bruders geheiratet hat. Durch diese doppelte Verschwägerung habe ich Cousins und Cousinen, die mir genetisch so nahe wie Halbgeschwister sind.
Der Arbeitgeber meines Vaters war Mitglied einer darbistischen efG (die also nicht so sektiererisch war wie das, was yaeli beschreibt), also ein frommer Christ, aber kein guter Arbeitgeber. Und sogar nach damaligen Standards ein Umweltsünder, in der Nähe der Firma musste man darauf achten, dass die Wäsche auf der Leine nicht schmutzig wurde. Mein Vater hat relativ bald die Stelle gewechselt …
Die piestistische Frömmigkeit meiner Eltern hat uns Kinder von Anfang an geprägt. Ein Segensgebet der Mutter beim Abschied vor dem Weg zur Schule, Abends Familienandacht, fromme Bücher - als Leseratte habe ich alle frommen Kinderbücher gelesen, und sowohl die einbändige Kinderbibel wie die beiden Erzählbände für Teenager, alle von Anne de Vries, von vorne bis hinten durchgelesen (nebenbei: Anne war ein männlicher Holländer 😎).
Als ich ungefähr 12 war, kamen meine Eltern (endlich!) in Kontakt zu einer landeskirchlichen Gemeinschaft. Die hatte aus einem inzwischen baufälligen Tersteegenhaus an einem Ende der Stadt in ein neu gebautes Gerhard-Tersteegen-Haus am anderen Ende umziehen müssen, und kurz danach erfuhren meine Eltern von deren Existenz. So gingen wir in die Gemeinschaftsstunde dort, und es gab einen Jugendkreis, kurz: Da habe ich erste Schritte im Glauben gemacht.
In dem alten Tersteegenhaus soll auch Gerhard Tersteegen „gewirkt” haben (was immer das heißt - in seinen Biographien im Netz wird es nirgends erwähnt). Und kleiner Gag am Rande: So flexibel, wie noch im 18.Jh. Familiennamen geschrieben wurden (z.B. ter Steegen), ist das der gleiche Familienname wie der eines bekannten Torhüters.
Wie oben angedeutet: Auch Bücher haben mich geprägt. So etwa die »kleinen Erzählungen«, in denen Wilhelm Busch (natürlich der hier 😉) seine Begegnungen mit Menschen schilderte, das wurde eine ganze Reiche von Heften. Überhaupt Biographien - und Apologetik. Längere Zeit war ich auch Kreationist …
»Doppelschwager«: Damit meine ich, dass mein Vaters die jüngere Schwester der Ehefrau seines älteren Bruders geheiratet hat. Durch diese doppelte Verschwägerung habe ich Cousins und Cousinen, die mir genetisch so nahe wie Halbgeschwister sind.
Uuups... von deiner Beschreibung kriege ich zunächst fast einen Doppelknoten im Gehirn, den ich erst mal entfesseln muss 😜
.... also - diese Bezeichnung kannte ich bisher noch nicht.... man lernt nie aus 😉
Die piestistische Frömmigkeit meiner Eltern hat uns Kinder von Anfang an geprägt. Ein Segensgebet der Mutter beim Abschied vor dem Weg zur Schule,
Ja, das erinnert mich ... haben wir auch sehr lange gemacht. Aber nicht als "Segensgebet", sondern einfach immer diejenigen, die aus dem Haus ging (wohin auch immer) beteten zuvor um Bewahrung und Jesus Begleitung. Das wurde so zur festen Angewohnheit, dass es unmöglich schien, ohne Gebet aus dem Haus zu gehen.
Abends Familienandacht, fromme Bücher - als Leseratte habe ich alle frommen Kinderbücher gelesen, und sowohl die einbändige Kinderbibel wie die beiden Erzählbände für Teenager, alle von Anne de Vries, von vorne bis hinten durchgelesen
Bei uns wurde meistens aus dem Kalender: "Der Herr ist nahe" vorgelesen. Sonntags zum Mittag und sonst Abends. Danach mussten alle sich hinknien und nacheinander ein Abendgebet sprechen. Es ging hier, wie immer, nach Alter: zuerst der Vater, dann die Mutter .... usw. Ich glaube, keiner von uns Kinder liebte diese Gebetszeit. Es galt eigentlich der Anspruch, "frei" zu beten. Aber letztendlich fiel selten jemandem etwas neues ein. Es war mehr Krampf um eine Pflicht.
Lesen war auch unser aller Hobby. Hauptsächlich aber für uns Mädels und der Mutter. Die Jungs und mein Vater waren da weniger belesen. (4 Mädels und 2 Jungs)
Fernsehen gab es ohnehin nicht, war von der Gemeinde aus "verboten". So waren die Bücher allgegenwärtig und wurden in jeder freien Minute gelesen ... oft auch heimlich. Es wurde alles gelesen, was uns vor die Nase kam. Die Kinderbibel habe ich auch mehrmals durchgelesen, immer wieder gerne. Mit den "kleinen Brockhaus-Taschenbüchern" wurde die Bibliothek immer mal aufgefrischt. Später legte sich meine (um 1- 1/2 Jahr ältere) Schwester die gesamte Sammlung von "Karl May" zu (etwa 50 Bücher) ..... und verbrannte diese später im Garten wieder, weil sie, nach irgendwelchen Predigten, diese Sammlung als "Götzen" befand.
(nebenbei: Anne war ein männlicher Holländer).
Echt? ... das wusste ich nicht. "Holländer" wusste ich, aber nicht, dass es ein "Er" war.
Biographien - und Apologetik. Längere Zeit war ich auch Kreationist …
Biographien mag ich auch. Sach- und Lehrbücher waren damals nicht so mein Ding. Sie erinnerten mich eher an langweilige Predigten, so wie in der Gemeinde, zu der wir gehörten.
Missionsgeschichten habe ich auch gerne gelesen. Hatte auch eine längere Zeit vor, selbst als Missionarin ins Ausland zu gehen. bin aber dann, nach längerem Anlauf, doch in Deutschland geblieben. Habe aber beruflich in verschiedenen Missionsgesellschaften gearbeitet. Und durch anschauen vieler Missionsvorträge auch einen Blick auf die ganze Welt gefunden. Zuvor (ungefähr bis zu meinem 20. Lebensjahr) hat sich meine Welt nur im kleinen Radius der Familie, des Wohnortes und der Gemeinde(n) gedreht.
Fällt mir jetzt noch als Ergänzung ein: Wir hatten auch alle Schallplatten "Frohe Botschaft für Kinder", meistens mit "Onkel Peter" und einem Hörspiel. Dies Schallplatten haben wir auch rauf und runter angehört, bis wir sie auswendig kannten. Aus die Lieder vom Schulte Verlag: "Frohe Botschaft im Lied" waren fast vollzählig bei uns vorhanden und wurden immer wieder neu abgespielt und angehört.
.... also - diese Bezeichnung kannte ich bisher noch nicht....
Wie auch, ich hab sie ja erfunden 😆
Kalender: "Der Herr ist nahe"
Bei uns wars der Neukirchner Kalender, irgendwann auch mal ein anderer (weiß nicht mehr warum der Neukirchner nicht mehr erwünscht war). Mir fällt auch noch ein Andachtsbuch für Kinder ein, ob das nun allein oder mit Neukirchner gelesen wurde, weiß ich nicht mehr. Irgendwann waren wir jedenfalls zu groß dafür.
Danach mussten alle sich hinknien und nacheinander ein Abendgebet sprechen
Niederknien war nicht nötig, Reihenfolge auch egal (meist so, wie wir saßen), also irgendwie lockerer. Ich hab es manchmal auch als Pflicht empfunden, aber nie gehasst. Vielleicht auch, weil wir in den Gebeten der Mutter ein lebendiges Vorbild hatten.
Das freie Gebete eintönig werden können, das hab ich damals auch erlebt.
Missionsgeschichten habe ich auch gerne gelesen.
Ach ja …
@hkmwk Der Neukirchner Kalender wurde und wird bei meinen Eltern auch täglich gelesen, zum Abschluss des Abendessens. Beim Frühstück wird eine Andacht aus einem Andachtsbuch gelesen (Licht und Kraft), beim Mittagessen die tägliche Bibellese und beim Abendessen das Kalenderblatt. Das haben meine Großeltern schon so ähnlich gemacht, und meine Eltern haben das weitergeführt.
@yaeli Hast du schon mal überlegt, deine Erinnerungen aufzuschreiben? Für (falls vorhanden) Kinder, Enkel, Nichten, Neffen etc.?
Meine Eltern sind im Krieg geboren, mein Vater hat seinen Vater, also meinen Opa, erst kennen gelernt, als der aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekommen ist (mein Opa ist schon früh, im Herbst 1946, zurückgekommen). In letzter Zeit, wohl auch ausgelöst durch das, was derzeit in der Ukraine geschieht, spricht mein Vater öfter mal von Dingen, die Opa in den Jahren nach seiner Rückkehr erzählt hat. Eigentlich war mein Vater damals noch zu jung, um diese Dinge erzählt zu bekommen, aber er hat es eben mitbekommen, wenn Opa mit Freunden und Verwandten darüber gesprochen hat. Durch das, was mein Vater erzählt, erfahre ich erst jetzt, wie viel er über Opas Kriegserfahrungen weiß. Ich finde es wichtig, dass solche persönlichen Erinnerungen weitergegeben werden, denn das können Geschichtsbücher niemals leisten.
Hast du schon mal überlegt, deine Erinnerungen aufzuschreiben? Für (falls vorhanden) Kinder, Enkel, Nichten, Neffen etc.?
Mache ich hier ja gerade ... 😉
Ja, ich habe drei Kinder und ziemlich viele Nichten und Neffen. Meinen Kindern erzähle ich zur Zeit ziemlich viel.
Aber ich habe auch schon seit 15 Jahren etliche Seiten in meinen Blogs aufgeschrieben. Das mache ich aber einfach nur, weil es mir Spaß macht, zu erzählen. Es ist nicht besonders geordnet, sondern chaotisch kreuz und quer durch meine Gedanken.... mitten im Leben und meinem Glauben.
Das, was mich zu diesem Thread angeregt hat, ist überhaupt nicht geplant. Ich hatte einfach das Bedürfnis, Erinnerungen - ohne irgendeinen bestimmten Fokus - mitzuteilen und ähnliche Erinnerungen von anderen Menschen anzuregen. Einfach, weil ich selbst gerne solche Geschichten höre/lese, wo es um das pure (Er-)Leben geht - ohne Schnickschnack und Verschönerungen. Dass es nun bei dem Thema "Kriegszeiten" schon so ausführlich wird, war gar nicht geplant. Mein Wunsch wäre, auch von anderen Usern ihre "Geschichten" zu lesen - aus den verschiedensten Phasen und Zeiten ihres Lebens.
Aber jetzt lasse ich das erst einmal einfach so laufen - so lange vielleicht Interesse besteht und es niemanden stört. Gibt ja auch die Möglichkeit, den Link zum Thread zu speichern, für Leute, die es interessiert. Vielleicht gibt es dann auch mal eine Möglichkeit, das Ganze in Druckversion zu speichern - so wie es im vorigen "Jesus.de" möglich war. Da diese Version des Forums ja gerade noch ziemlich neu ist, gehe ich mal davon aus, dass es noch nicht so schnell "versenkt wird" im Nirwana...oder sonstwo. 🤔
Hast du schon mal überlegt, deine Erinnerungen aufzuschreiben? Für (falls vorhanden) Kinder, Enkel, Nichten, Neffen etc.?
Danke für diesen Anstoß. 🤗
Zuerst wollte ich eigentlich nur ganz locker Erinnerungen austauschen, ohne irgendwelche Vorgaben. Hat sich dann aber ganz anders entwickelt, als ich gedacht habe. Weil meine ganz persönliche Erinnerungen wahrscheinlich für Außenstehende oft langweilig sind, aber später vielleicht von meinen Nachkommen interessant sein könnten, nutze ich nun meinen bestehenden Blog dafür. Dort hatte ich in der letzten Zeit ohnehin nicht mehr viel geschrieben. Jetzt wird er eben ganz gezielt für "Erinnerungen" genutzt.
Hier kann es ja trotzdem locker weitergehen, wie gehabt.... Stichworte lösen weitere Erinnerungen aus ... zum Austausch, falls noch Interesse daran besteht.
Also nochmal: Danke für den Tipp 😎
Meine Mutter erzählte manchmal von einem ihrer Brüder, der „ungehorsam“ war und deshalb ertrunken ist … um uns damit vor Ungehorsam zu warnen.
Sein Vater hatte ihm verboten, auf das Eis im See zu gehen. Aber eines Tages ging er doch. Sein jüngerer Bruder warnte ihn noch, dass es ja verboten sei. Aber er antwortete nur: „das gilt für dich – nicht für mich“. Er ging dann raus und schlug mit einem Spaten ein Loch in das Eis (keine Ahnung, warum). Scheinbar fiel sein Spaten ins Loch und er versuchte ihn rauszuholen … wobei er in das Loch fiel und ertrank.
Der jüngere Bruder lief schnell nach Hause um Hilfe zu holen (sie wohnten scheinbar ziemlich nahe am See). Aber jede Hilfe kam zu spät. Es wurde berichtet, dass er den Spaten noch fest umklammert hätte, als er gefunden wurde. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt wohl noch ziemlich klein. Sie erinnert sich aber, dass der Bruder auf dem Sofa lag, und sie mehrmals gerufen hätte: „Hans wach auf“.
Eine andere Geschichte zur Mahnung, von dem gleichen Bruder bekamen wir oft am Tisch zu hören. Besonders dann, wenn wir uns zu wild auf das Mittagessen stürzten, und ermahnt wurden, den anderen vorzulassen. Maßnahme dazu war dann, nach Alter … Vater kam zuerst, dann die Mutter, dann das älteste Kind ...usw. Und dann kam die Geschichte: „Hans war geduldig. Er hatte mal (lange) am Tisch gesessen und immer vor sich hin gesagt: „Ich kann warten … ich kann warten“ ….
….meine Mutter machte eine Atempause, und fügte dann noch hinzu: …. „und später ist er ertrunken“….
Ich weiß nicht mehr, bis zu welchem Alter. Aber eine längere Zeit entstand bei mir, durch diese beiden zusammengefügten Geschichten immer ein Bild von einem Familientisch am See, wo der Bruder so lange wartete, bis er mit seinem Stuhl nach hinten kippte (Stuhlkippen war nämlich auch verboten) und in den See fiel und ertrank.
Ich kannte eigentlich beide Geschichten getrennt voneinander. Aber im Zusammenhang, so wie meine Mutter diese dann zusammengefügt erzählte, entstand dabei für mich eine lange Zeit eine ganz neue Geschichte. Bis ich dann irgendwann merkte, dass die beiden Geschichten, getrennt voneinander, ganz anders geschehen waren, als sie bei mir angekommen sind.
Für mich ist diese Geschichte auch manchmal ein Bild dafür, wie weiter erzählte wahre Geschichten sich im Laufe der Zeit verändern können. Je nachdem, was einzelne Menschen sich vorstellen, was sie verstanden haben – und es weitererzählen … und wieder individuell unterschiedlich verstehen und weitergeben.
@yaeli ein interessantes thema hast du da aufgemacht.
kurz zu mir - ich lebe in österreich.
ich bin so wie du 6 jahre nach ende des 2. weltkriegs geboren. mein vater, jahrgang 1927, wurde nicht mehr einberufen. wohl zwei ältrere brüder. meine mutter, ebenso jahrgang 1927 hatte 10 geschwister, davon nur 2 buben. der ältere war sehr lange in russischer´gefangenschaft, der jüngere wurde kurz vor weltkriegsende noch einberufen und ist in frankreich gefallen.
mütterlicherseits hatten wir ein gasthaus, das während des krieges von den frauen geführt wurde. was mich an den erzählungen meiner mutter irritiert hat, sie hatte so viele fotos von soldaten, mit denen wie während des krieges korrespondiert hat, ihr ganzes leben lang aufgehoben. und bei besuchen von ihren geschwistern wurden diese fotos hervorgekramt und ziemlich schwärmend von ihnen erzählt.
in der schulzeit, meine lehrkräfte haben z.t. den krieg aktiv erlebt, z.t. als teenager. so erinnere ich mich, dass ein slogan meiner schulzeit hieß: Nie wieder krieg. und was es bedeutet, ein neutrales land zu sein.
das gasthaus gibt es immer noch. es ist ein kleines dorfwirtshaus mit grad mal 45 plätzen, es wird jetzt in 5. generation geführt. ob es noch eine 6. generation geben wird, ist fraglich, die pandemie hat ihre spuren hinterlassen.
@yaeli ein interessantes thema hast du da aufgemacht.
Oh, das freut mich, dass es dir auch gefällt. Danke für deine ganz persönliche Geschichte.
ich bin so wie du 6 jahre nach ende des 2. weltkriegs geboren. mein vater, jahrgang 1927, wurde nicht mehr einberufen. wohl zwei ältrere brüder. meine mutter, ebenso jahrgang 1927 hatte 10 geschwister, davon nur 2 buben.
Cool - dann sind wir ja gleich alt. Und meine Mutter war auch Jahrgang 1927. Sie hatte (eigentlich) 8 Geschwister. Davon lebten aber nach dem Krieg nur noch vier. Mein Vater war Jahrgang 1922, und musste darum in den Krieg. Ob er die ganze Zeit Soldat war, weiß ich gar nicht.
was mich an den erzählungen meiner mutter irritiert hat, sie hatte so viele fotos von soldaten, mit denen wie während des krieges korrespondiert hat, ihr ganzes leben lang aufgehoben. und bei besuchen von ihren geschwistern wurden diese fotos hervorgekramt und ziemlich schwärmend von ihnen erzählt.
Geschichten über Soldaten kenne ich nur von meiner Schwiegermutter. Bei meiner Mutter erinnere ich mich nur an eine Episode, wo sie wohl mit Freundinnen ein paar hartnäckige Verehrer abgeschüttelt haben, als Soldaten vorbeikamen, mit dem Spruch: "oh, da kommen Soldaten, da gehen wir jetzt hin" 😉
in der schulzeit, meine lehrkräfte haben z.t. den krieg aktiv erlebt, z.t. als teenager. so erinnere ich mich, dass ein slogan meiner schulzeit hieß: Nie wieder krieg. und was es bedeutet, ein neutrales land zu sein.
Ich kann mich gar nicht erinnern, dass meine Lehrer/innen viel vom Krieg geredet hätten. Mir kam es eigentlich immer so vor, als wenn meine Lehrer eher passiv und unfreiwillig dabei waren. Später habe ich mal gelesen, dass viele sich später geschämt haben und sich gerne davon distanziert hätten - im Nachhinein. Ich denke, die jungen Menschen in dieser Zeit haben tatsächlich zum großen Teil erst am Ende oder im Nachhinein erkannt, was da alles Schlimmes gelaufen ist. Die SS und SA und sonstige Verantwortliche waren ja wohl auch überwiegend ältere Herren. Zumindest scheint es mir so, wenn ich an Filme denke, die ich angeschaut habe und Berichte aus dieser Zeit lese.
das gasthaus gibt es immer noch. es ist ein kleines dorfwirtshaus mit grad mal 45 plätzen, es wird jetzt in 5. generation geführt. ob es noch eine 6. generation geben wird, ist fraglich, die pandemie hat ihre spuren hinterlassen.
Ui - dann hast du ja die Geschichte noch teilweise direkt vor Augen. Das klingt spannend, finde ich. Die Geschichten dazu erscheinen dir vielleicht näher, als mir, die ich das Ganze nur aus Erzählungen kenne, weil nichts davon mehr übrig geblieben ist. Das Elternhaus meiner Mutter in Kiel wurde zerstört, und die Familie meines Vaters musste fliehen.... landete dann in Kiel, wo sie sich in einer Baptistengemeinde kennenlernten und 1948 heirateten. Mein Vater kam aus Memel - der Stadt, die gleich wie der Fluss hieß damals, als sie noch zu Ostpreußen gehörte. Heute heißt sie "Klaipėda", und gehört zu Litauen.
Mein Vater kam aus Memel - der Stadt, die gleich wie der Fluss hieß damals, als sie noch zu Ostpreußen gehörte. Heute heißt sie "Klaipėda", und gehört zu Litauen.
Das ist jetzt vereinfacht. Das Memelland (Landkarte) wurde schon 1919 von Deutschland abgetrennt, aber weil da laut Statistik 49% Deutsch und 49% Litauisch sprachen, war es eine Zeit lang ein eigenes Territorium (ein bisschen wie die Freie Stadt Danzig, wobei der Fall da ganz anders lag).
1923 hat dann Litauen das Land mit verdeckt arbeitenden, angeblich aus dem Memelland stammenden Verbänden besetzt und annektiert (ein bisschen wie später auf der Krim …). 1939 kam es »Heim ins Reich«, Litauen kapitulierte vor dem Druck Berlins. 1945 kam es wieder zu Litauen (das nun Sowjetrepublik war), während das (restliche) nördliche Ostpreußen an Russland und das südliche Ostpreußen an Polen kam.
Vor dem 1.WK war Memel die nördlichste Stadt Deutschlands.
Das ist jetzt vereinfacht.
Ja klar - wollte hier ja keinen Geschichtzsunterricht geben. 😉
Aber danke - du hast da einen ziemlich guten Überblick gegeben. Hast du es aus dem Internet, oder hast du auch auf irgendeine Art Bezug zu dem Ort?
Vor dem 1.WK war Memel die nördlichste Stadt Deutschlands.
Jedenfalls ist mein Vater ein gebürtiger Deutscher.
Vor einer Weile hat mich mal ein Mann, der mir eine Paketlieferung brachte, ein wenig abwertend klingend gefragt, woher ich komme. Vom Namen nach sei ich ja nicht "von hier" (mit einem "Y" im Namen). Und dabei zeigte er auch auf die Klingelschilder meiner Nachbarn, die ebenfalls einen östlich klingenden Namen haben. Ich war zu dem Zeitpunkt ein bisschen überrascht durch diese Frage und habe einfach was von "Ostpreußen" gemurmelt. Aber später wurde mir klar, dass der Mann wohl einfach nicht so gut auf "Ausländer" zu sprechen war, und nahm mir vor, auf solch eine Frage nicht mehr direkt zu antworten. Aber wenn ich überrascht werde, bin ich schnell mal verwirrt, und brabbel dann etwas, was mich später ärgert. Naja - war ja nicht weiter schlimm. Bin nur ein wenig hellhöriger geworden, wenn die Frage nach meiner Herkunft auf irgendeine Weise aufkommt.
Aber - noch eine Frage an dich: Du kürzt das Wort "Weltkrieg" mit "WK" ab. In deinem Nick und im Kontakt-Namen hier ist auch ein "WK" enthalten. Gibt es da irgendeinen Zusammenhang?
Veröffentlicht von: @yaeliVor einer Weile hat mich mal ein Mann, der mir eine Paketlieferung brachte, ein wenig abwertend klingend gefragt, woher ich komme. Vom Namen nach sei ich ja nicht "von hier" (mit einem "Y" im Namen). Und dabei zeigte er auch auf die Klingelschilder meiner Nachbarn, die ebenfalls einen östlich klingenden Namen haben. Ich war zu dem Zeitpunkt ein bisschen überrascht durch diese Frage und habe einfach was von "Ostpreußen" gemurmelt. Aber später wurde mir klar, dass der Mann wohl einfach nicht so gut auf "Ausländer" zu sprechen war, und nahm mir vor, auf solch eine Frage nicht mehr direkt zu antworten. Aber wenn ich überrascht werde, bin ich schnell mal verwirrt, und brabbel dann etwas, was mich später ärgert. Naja - war ja nicht weiter schlimm. Bin nur ein wenig hellhöriger geworden, wenn die Frage nach meiner Herkunft auf irgendeine Weise aufkommt.
Da fällt mir eine kleine Story ein. Vor vielen Jahren in einer anderen Community ... traf ich mich mit einigen Usern irgendwo Richtung Hamburg oder Bremen in einem karibischen Restaurant. Ich war etwas jünger und schaute noch nach Männern 😉 und ich fand den Kellner so voll nett und sehr gutaussehend. Der war auch lustig, also dachte ich mir, ich übe mich mal in Konversation und versuch mal, ne "Verbindung" herzustellen. Ich fragte ihn, wo er denn herkommt, meinte natürlich sein Äußeres, es sah halt - passend zum karibischen Restaurant - eben nach "Karibik" aus. Er war schlagfertig und antwortete mit einem Fingerzeig in eine Richtung: "Aus'er Küche."
😆 🤣 😉
Er war schlagfertig und antwortete mit einem Fingerzeig in eine Richtung: "Aus'er Küche."
😀 ... ja, so ähnlich habe ich mir danach dann auch eine Antwort ausgedacht. Aber leider - wie so oft - fallen mir solche Antworten meist erst im Nachhinein ein, wenn die Gelegenheit Vergangenheit ist. 🙃
.... naja ... vielleicht schaffe ich es ja noch irgendwann einmal doch auch im richtigen Moment eine passende Antwort auf überraschende Fragen zu geben. 😉
Einfach nur bei der Wahrheit bleiben, wenn du grad aus'm Wohnzimmer kommst, kannste das ja sagen. 😉
@yaeli 😀
Das ist in etwa so, wie wenn man auf die Frage "Wie bist du hierhergekommen?", die manchmal eher eine Frage nach dem "Warum bist du hier und nicht in deiner Heimat?" ist, antwortet "mit dem Fahrrad" oder "mit dem Bus".
Hast du es aus dem Internet, oder hast du auch auf irgendeine Art Bezug zu dem Ort?
Basiswissen aus Büchern (Thema: Geschichte der deutschen Ostgebiete etc., eins der Themen, bei denen ich auch aktiv nach Büchern gesucht habe), und Einiges habe ich noch mal im Internet nachgeschaut, nicht dass meine Erinnerung mich täuscht. Und bei der Frage, wann genau das Memelland annektiert wurde, nebenbei noch einige Details gelernt.
Du kürzt das Wort "Weltkrieg" mit "WK" ab. In deinem Nick und im Kontakt-Namen hier ist auch ein "WK" enthalten. Gibt es da irgendeinen Zusammenhang?
Nein. Wer mich im richtigen Leben kennt, weiß, was mit WK gemeint ist - den anderen verrate ich das nicht. Aus Gründen, die ich nicht benennen kann, ohne was zu verraten …
Aber später wurde mir klar, dass der Mann wohl einfach nicht so gut auf "Ausländer" zu sprechen war
Nicht wirklich das gleiche Thema, aber mir fiel ein:
Als Student hatte ich mal nen Job in der Mensa, und da gabs dann einen anderen, von dem hörte ich, dass er „echter Arier” sei. Also selber das betonte. Ich hab dann dem, der mir das erzählte, gefragt: „Kurde oder Zigeuner?« (das Z-Wort ist politisch inkorrekt, aber in dem Zusammenhang fand ich es passend). Der hat natürlich erst mal nix verstanden, bis ich ihm dann die korrekte (sprachwissenschaftliche) Bedeutung des Wortes „Arier” erläuterte. Und das eben seinerzeit die Roma und Sinti die größte arische Volksgruppe in Groß-D waren, und heute die Kurden die größte arische Volksgruppe in D sind. Was dann dazu führte, dass den Rest des Tages jenem Kollegen immer wieder die Liedzeile vom „Zigeunerjungen” vorgesungen wurde …
Als Student hatte ich mal nen Job in der Mensa, und da gabs dann einen anderen, von dem hörte ich, dass er „echter Arier” sei. Also selber das betonte. Ich hab dann dem, der mir das erzählte, gefragt: „Kurde oder Zigeuner?« (das Z-Wort ist politisch inkorrekt, aber in dem Zusammenhang fand ich es passend). Der hat natürlich erst mal nix verstanden, bis ich ihm dann die korrekte (sprachwissenschaftliche) Bedeutung des Wortes „Arier” erläuterte. Und das eben seinerzeit die Roma und Sinti die größte arische Volksgruppe in Groß-D waren, und heute die Kurden die größte arische Volksgruppe in D sind. Was dann dazu führte, dass den Rest des Tages jenem Kollegen immer wieder die Liedzeile vom „Zigeunerjungen” vorgesungen wurde …
😆 😆 😆
@yaeli ... ja, die geschichten sind mir näher, auch, weil sie bis heute auch irgendwie "konsequenzen" hatten.
ein onkel war während des wk ein höherer general, der seine teilnahme eigentlich nie in frage stelltE. einer seiner enkel hatte sich für den zivildienst entschieden und große sorge, wie er das wohl seinem opa beibringt. überraschenderweise sagte dieser "mit dem wissen von heute würde ich mich auch anders entscheiden"
einer meiner cousins musste seinen regulären wehrdienst wegen dem prager frühling verlängern, die geplante hochzeit in militärklamotten feiern. er war so frustriert von seinen erfahrungen beim bundesheer. selbst hat er nur töchter, aber vier enkelsöhne. was wird er ihnen wohl erzählt haben - denn diese haben sich alle für den zivildienst entschieden. drei von ihnen als köche´bei der berufsfeuerwehr (das gasthaus lässt grüßen); einer in einem altersheim. er ist auch in der sozialarbeit geblieben.
in österreich ist der wehrdienst ja noch verpflichtend - und zivildienst ein wehrersatzdienst mit einigen strengen regeln, was z.b. die anzahl der krankenstandstage während dieser zeit betrifft - und drei monate länger als beim heer.
in österreich ist der wehrdienst ja noch verpflichtend - und zivildienst ein wehrersatzdienst mit einigen strengen regeln, was z.b. die anzahl der krankenstandstage während dieser zeit betrifft - und drei monate länger als beim heer.
Einer meiner Brüder musste auch Wehrdienst leisten. Er hat es sich aber leicht gemacht, indem er sich als Bedienung für die Obersten im Restaurant (oder wie man das da nennt) gemeldet hat. Er sagt darüber, dass es eine einfache Zeit war.
Mein jüngster Bruder brauchte nicht dahin, weil er Diabetiker ist.
Als meine beiden Söhne so weit waren, war ich froh, dass beide drum herum gekommen sind. Der Ältere, weil er auch Diabetiker ist, und der Jüngere zunächst, weil er in einer Ausbildung war. Als die dann beendet war, wurde die Wehrdienstpflicht gerade abgeschafft.
Vor Kurzem habe ich gelesen, dass überlegt wird, die Pflicht wieder einzuführen. Ich habe keine Enkel (bis jetzt) - von daher bin ich froh, dass sich keiner meiner Kinder dafür entscheiden muss, im Krieg gegen Menschen zu kämpfen.