Braucht Glaube Lehr...
 
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Braucht Glaube Lehre? Warum und wenn ja, wieso und wozu?

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andreas
Themenstarter
Beiträge : 1809

Moin zusammen!

Die Frage, um die es hier gehen soll, steht im Großen und Ganzen im Betreff.

Der Begriff der "Lehre", den ich hier verwende, soll sowohl das Nachdenken und Reflektieren beinhalten, das wir Theologie nennen, als auch jene Aussagen, die mit dem Anspruch versehen werden, allgemeine christliche Wahrheiten zu formulieren.
Im Idealfall geht m.E. letzterem immer ersteres zuvor und ist ersteres nie selbstbezüglich, sondern immer auf die Bibel bezogen. Aber auch die Nichtidealfälle sind hier mitgemeint, denn:

Es soll hier nicht um einzelne Lehrfragen gehen, auch wenn die möglicherweise zur Veranschaulichung herangezogen werden können. Sondern darum, wie das mit dem Verhältnis von Glaube und Lehre überhaupt aussieht. Wenn Euch also zur Eingangsfrage gleich eine Antwort einfällt, haut sie raus.

Sonst würde ich zur Einstimmung gern zwei drei Anekdoten und Beobachtungen mit Euch teilen:

Zum einen wird immer wieder festgestellt, dass keine andere Religion überhaupt so viel an Lehre entwickelt hat wie das Christentum. Wissenschaft und Philosophie gibt es auch im islamischen Bereich oder im alten und neuen Ostasien. Da wird also insgesamt nicht weniger gedacht.
Aber dass über den Glauben selber nachgedacht und reflektiert wird, dass der Verstand in den Glauben mit einbezogen wird und sich das entwickelt, was wir heute "Theologie" nennen, das gibt es, zumindest der Quellenlage nach, nur im Christentum.

Diese Entwicklung sehen manche als essentiell für das Christentum an ("Glaube betrifft den ganzen Menschen, also auch den Verstand"), andere eher als eine Art Betriebsunfall ("Es steht der Vernunft nicht zu, Gottes Wort zu beurteilen oder zu sortieren." "Es geht um Beziehung, nicht ums Begreifen.") Und viele von uns werden wohl den Argumenten für beide Seiten nicht ganz ihren Wahrheitsgehalt absprechen können.

Ich muss in dem Zusammenhang an ein Gespräch denken, dass ich vor gut 20 Jahren in einer Hochburg des Pietismus mit einem orthodoxen Mitstudenten hatte. Er fragte
"Wie klingt für dich die orthodoxe These, dass am wichtigsten die Liturgie ist, dann erst die Lehre und an dritter Stelle die christliche Ethik?" Ich antwortete: "Wenn wir Liturgie als das verstehen, was sie sein will, nämlich gelebte Beziehung zu Jesus Christus, klingt es für mich sehr pietistisch." - "Oh nein!" - "Und dann würde ich sagen, die Aussage 'Liturgie ist wichtiger als Lehre' ist selbst eine Lehraussage." - "Schei***!" Aber er sah ein, dass es stimmte.

Will sagen: Auch wer Theologie und dem Stellenwert von Lehre skeptisch gegenübersteht, wird in dem Moment, wo er das formuliert, Lehre betreiben. Und dies im besten Fall auch wissen.
Wenn der Glaube für mich mehr ist als mein ganz individuelles Erleben ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit, kann ich gar nicht darüber reden, ohne zu lehren.

Lehre wäre in diesem Sinne allerdings nicht Selbstzweck, sondern dient der Beziehung. Auch wenn sie das mal mehr und mal eher weniger erkennbar und gut macht.

Und damit ahnt Ihr, wohin ich selbst tendiere. 😊

Dies aber nur als mein erstes Brainstorming.

Ich weiß, Metaebenen-Threads sind meist nicht so die Kassenschlager hier. Aber vielleicht finden sich ja ein paar unterschiedliche Ansichten dazu.

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161 Antworten
1 Antwort
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Moin zusammen!

Die Frage, um die es hier gehen soll, steht im Großen und Ganzen im Betreff.

Der Begriff der "Lehre", den ich hier verwende, soll sowohl das Nachdenken und Reflektieren beinhalten, das wir Theologie nennen, als auch jene Aussagen, die mit dem Anspruch versehen werden, allgemeine christliche Wahrheiten zu formulieren.
Im Idealfall geht m.E. letzterem immer ersteres zuvor und ist ersteres nie selbstbezüglich, sondern immer auf die Bibel bezogen. Aber auch die Nichtidealfälle sind hier mitgemeint, denn:

Es soll hier nicht um einzelne Lehrfragen gehen, auch wenn die möglicherweise zur Veranschaulichung herangezogen werden können. Sondern darum, wie das mit dem Verhältnis von Glaube und Lehre überhaupt aussieht. Wenn Euch also zur Eingangsfrage gleich eine Antwort einfällt, haut sie raus.

@andreas-wendt

Die Frage beschäftigt mich auch, mal mehr und mal weniger, aber doch kontinuierlich. Der Glauben, den ich meine, der mir was bedeutet, der braucht keine Lehre, denn für den sind die Konstrukte des natürlichen Verstandes (Lehre) ein Hindernis. Aber: woraus sollte sich dieser Glaube speisen, wenn nicht aus der Lehre? "Aus der Bibel" mag man antworten, wenn man der Bibel eine Sonderstellung einräumen will, welche sie von "Lehre" abgrenzt: Bibel hier - Interpretation der Bibel (Theologie/Lehre) da. Aber: Selbst wenn ich um Theologie einen Bogen mache, werde ich nicht umhinkönnen, die Bibel zu interpretieren. Warum aber sollte ich das Rad neu erfinden, wenn andere schon etwas vorgedacht haben? Also Bibel braucht Theologie und Theologie braucht Bibel.

Woraus aber speist sich der Glaube?

Was mich angeht, so speist er sich vermutlich (?) primär aus Theologie, welche auch das größte Hindernis für den Glauben ist, und nur sekundär aus Bibel (welche ja erst interpretiert werden muss, also Theologie/Lehre braucht). Weil ich von der Theologie schon erwarte, dass sie sich wo immer möglich auf die Bibel bezieht und so also durch Nicht-Bezug auch transparent macht, wenn sie im "freien Raum" fabuliert (was nicht selten der Fall ist), kann ich Theologie/Lehre (Interpretation von Bibel) an erster Stelle setzen.

Also:

"Braucht Glaube Lehre?" Ja, so wie ein Floß gebraucht wird, um zum andern Ufer eines Flußes zu gelangen (anderes Ufer = Glaube). Das Floß dann noch weiterhin mit sich herumzutragen wäre hinderlich und auch töricht.

Damit sollten dann auch die Fragen: "Warum und wenn ja, wieso und wozu?" beantwortet sein.

 

Damit habe ich nur ausgedrückt wie es mir erscheint, womit ich deine Aussage "... wird in dem Moment, wo er das formuliert, Lehre betreiben. Und dies im besten Fall auch wissen." zurückweise. Denn ich weiß nur wie es mir erscheint, aber ich gebe nicht vor zu wissen wie sich die Fragestellungen bzgl. anderen Individuen verhält oder verhalten muss/sollte.

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Tojak
 Tojak
Beiträge : 402

Ja, aber viel weniger Lehre, als es gibt.
Hallo Andreas,

im Bezug auf das folgende Zitat stimme ich Dir zu:

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Will sagen: Auch wer Theologie und dem Stellenwert von Lehre skeptisch gegenübersteht, wird in dem Moment, wo er das formuliert, Lehre betreiben. Und dies im besten Fall auch wissen.
Wenn der Glaube für mich mehr ist als mein ganz individuelles Erleben ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit, kann ich gar nicht darüber reden, ohne zu lehren.

Und bei dem nächsten nicht:

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich weiß, Metaebenen-Threads sind meist nicht so die Kassenschlager hier. Aber vielleicht finden sich ja ein paar unterschiedliche Ansichten dazu.

Ich denke, dass hier dringend eine Überprüfung stattfinden muss hinsichtlich:
- dessen, was man behauptet, zu wissen, im Vergleich zu dem, was man wirklich weiß.
- des Beitrags der verschiedenen Theologien zum Zerfall des Christentums in verschiedenste Konfessionen,
- der Auseinandersetzung mit anderen Weltreligionen. Was kann man von den anderen verlangen (z. B. an Relativierung von Wahrheits- und Machtansprüchen) und was muss man auch selber zugestehen,
- der Auseinandersetzung mit einem modernen naturwissenschaftlich geprägten Weltbild in einer technisierten Welt.

Ich habe selbst lange gebraucht, um als Nichttheologe da einen Weg für mich zu finden. Ich bin zwar in einem EKD-Umfeld aufgewachsen, finde mich aber auch in vielen anderen Ansätzen wieder, z. B. dem jüdischen Orthopraxie-Ansatz, der anscheinend in die Auswahl meines Konfirmationsspruchs (Jak 1,22 "Seid aber Täter des Wortes und nicht Hörer allein, womit ihr euch selbst betrüget") eingeflossen ist, in der orthodoxen Wertschätzung der Liturgie, in der katholischen Variante (Wenn schon Lehre, dann wenigstens nur eine) und in freikirchlichen Ansätzen, die Staat (weltliche Macht!) und Glauben konsequent trennen.

Ich glaube an Gott, den Schöpfer, als den Urgrund allen Seins und insbesondere des Lebens und an Jesus Christus als seine Inkarnation in einem Menschen. Das reicht mir, um mich als Christ zu bezeichnen.

Zu weiteren, auch zentralen Lehren (z. B. Trinitätslehre, Rechtfertigungslehre, Erlösungslehre etc.) stehe ich sehr kritisch und distanziert. Das alles weiß man m. E. bei Weitem nicht genau genug, um es lehren zu können. Es fängt mit Glauben an und es hört mit Glauben auf.

Etwas ausführlicher (und noch provokanter) habe ich das mal in einem Blogbeitrag formuliert, zu dem sich dann auch eine Diskussion ergab. Link siehe im P.S..

Viele Grüße

Thomas

P.S.:

https://schwerglaeubiger.blogspot.com/2020/05/wo-stehe-ich-heute-im-glauben.html

tojak antworten
5 Antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1809

Danke für Deinen Beitrag.

Ich sehe noch nicht ganz, inwiefern das, was Du schreibst, dem, was Du von mir zitierst, widerspricht. Aber ich kann vielem, was Du im Folgenden schreibst, gut folgen.

Den Blogeintrag führe ich mir später mal zu Gemüt.

andreas-wendt antworten
Tojak
 Tojak
(@tojak)
Beigetreten : Vor 12 Jahren

Beiträge : 402

Du hast recht, es ist kein Widerspruch, wenn Du schreibst, diese Art Diskussionen seien kein Kassenschlager, und ich der Meinung bin, dass sie (gleichwohl) notwendig sind.

tojak antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1809

Ah, okay, so war es gemeint, jetzt verstehe ich.
Für wichtig halte ich solche Diskussionen auch (sonst würde ich den Thread ja nicht eröffnen), aber meist gehen ja Threads um eine bestimmte Frage hier eher in die Breite als solche, die fragen, wie wichtig welche Frage ist.

andreas-wendt antworten
Blackhole
(@blackhole)
Beigetreten : Vor 18 Jahren

Beiträge : 1112

In der römisch-katholischen Kirche ist gerade einiges in Bewegung. Teile des Lehrgebäudes werden so nicht stehenbleiben können, weil sie sich als falsch und als kontraproduktiv erwiesen haben. Insbesondere beim Themenfeld Sexualität und Ehe.

blackhole antworten
Tojak
 Tojak
(@tojak)
Beigetreten : Vor 12 Jahren

Beiträge : 402

Ich bin froh, dass ich das mit einer gewissen Distanz von der evangelischen Seite aus betrachten kann. Meine Frau ist (immer noch) römisch-katholisch, hat aber innerlich schon länger mit der Organisation und vielen ihrer Lehren abgeschlossen, u. a. bei Sexualität und Ehe.

tojak antworten


Blackhole
Beiträge : 1112

Wir haben die Schwierigkeit, daß die Bibel in einem völlig anderen historischem, geographischem und kulturellem Kontext geschrieben wurde. Nicht alles ist für uns heute verständlich, viele Gebote z.B. im Buch Levitikus sind aus damaligem Zeitgeist entstanden und nicht direkt Gottes Wille.

Die Kernaufgabe von euch Theologen ist, all das ind Heute zu übersetzen.
Gott hat man mit den Menschen der damaligen Zeit gesprochen, aber was davon richtet sich auch wie genau an uns heute? Wie können wir heute in einer zeit mit ganz anderen Herausforderungen aus den alten Texten lesen, wie Gott uns heute durch die Zeit begleitet und was er von uns erwartet?
Als Menschen die mehr Freiheiten haben, allerdings auch mehr Verantwortung?

Übrigens hat auch im Islam ein Umdenken begonnen, es entwickeln sich dort auch Ansätze einer historisch-kritischen Betrachtungsweise.

blackhole antworten
Gelöschtes Profil
Beiträge : 18002
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Moin zusammen!

Die Frage, um die es hier gehen soll, steht im Großen und Ganzen im Betreff.

Der Begriff der "Lehre", den ich hier verwende, soll sowohl das Nachdenken und Reflektieren beinhalten, das wir Theologie nennen, als auch jene Aussagen, die mit dem Anspruch versehen werden, allgemeine christliche Wahrheiten zu formulieren.
Im Idealfall geht m.E. letzterem immer ersteres zuvor und ist ersteres nie selbstbezüglich, sondern immer auf die Bibel bezogen. Aber auch die Nichtidealfälle sind hier mitgemeint, denn:

Es soll hier nicht um einzelne Lehrfragen gehen, auch wenn die möglicherweise zur Veranschaulichung herangezogen werden können. Sondern darum, wie das mit dem Verhältnis von Glaube und Lehre überhaupt aussieht. Wenn Euch also zur Eingangsfrage gleich eine Antwort einfällt, haut sie raus.

Moin @andreas-wendt

... ich hau einen raus ...

Wenn du Jesus als Herrn anerkennst, dann stellt sich diese Frage nicht, da du ohne Lehre deinen Auftrag nicht erfüllen kannst.

Mt.28,19-20 Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Abgesehen davon kann man ohne Nachsinnen die Lehre Jesu (die göttliche Ordnung) nicht sofort verstehen.

Psalm 1,1-3 Wohl dem, der nicht dem Rat der Frevler folgt und nicht auf den Weg der Sünder tritt, noch sitzt im Kreis der Spötter, 2 sondern seine Lust hat an der Weisung des HERRN und sinnt über seiner Weisung Tag und Nacht. 3 Der ist wie ein Baum, an Wasserbächen gepflanzt: Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit, und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gerät ihm wohl.

Also Glaube und Lehre gehören zusammen. Sie bilden im besten Fall eine Einheit.

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Praktiker
Beiträge : 706

@andreas-wendt Lehre . Ich habe eine Ausbildung zum "Energieanlagenelektroniker Richtung Betriebstechnik" . Die entsprechende Lehre wurde mir vermittelt , das ich den Job praktisch erledigen kann . Kennt man die Theorie nicht , kann man auch die Praxis nicht gut bewältigen bzw. verstehen . 

Mit der Bibel als Lehrbuch ist das so eine Sache . Eigentlich sollte es eine Anleitung sein mit Gott zu leben . Wie das funktioniert . Nicht mehr und nicht weniger .

Eins der Hauptprobleme  , die ich da sehe ist . Als Energieanlagenelektroniker lerne ich die Sache selbständig an zu gehen . Geht man mit Gott um so abhängiger / unselbständiger wird man . Die Bibel spricht von Unmündigkeit , nur das zu tun was er einem gibt ( welche Ehre habe ich dabei ? ) , das er in den Schwachen mächtig ist , blind zu sein um nicht zu sündigen etc. . Lauter Verhaltensweisen die unserem natürlichen Wesen widersprechen . Das sich erst dann die Sache mit dem Reich Gottes erschließt .

Sprich man erkennt , was man für die teure Perle geben muß , oder was der reiche Jüngling abgeben muß ( materieller Reichtum ?? ) , was Jesus am Kreuz getan hat ( Persilschein ?? ) , wie es der verlorene Sohn geschafft hat von seinem Vater allein gelassen zu werden usw. . 

Bibellehre als auswendig lernen von vergangenen Geschichten , eher nach dem Motto "es war einmal und kommt nicht mehr" .

Wie lebe ich im Wort ? Was ist Fleisch und Geist ? Gott als Herr in meinem Leben ?

Die Bibellehre praktisch ausgeführt nimmt dann das ganze Leben in Beschlag - wenn man will . Sonst bleibt die Lehre auf ewig nicht nur Theorie sondern man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht . Wird von jedem Wind der Lehre hin und her geworfen .

Gruß

Praktiker

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Kappa
 Kappa
Beiträge : 245

@andreas-wendt Die Bibel ist ein komplexes Buch bzw. Sammlung von Büchern.

Da man daher so oder so einiges sich aus den Finger ziehen kann,  braucht man nicht nur eine Lehre, sondern die richtige.

 

kappa antworten


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