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Inspiration und Kanonbildung

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andreas
Themenstarter
Beiträge : 1807

In verschiedenen Threads über das Verständnis der Bibel und Vertrauen in ihre Texte stehen häufig zwei Positionen einander gegenüber:

Am einen Ende des Spektrums die Betonung, dass es sich bei der Bibel als ganzer um inspiriertes Gotteswort handelt.
In dieser Ecke ordne ich auch alle ein, die sich nicht festlegen wollen, wie Gott die Bibeltexte inspiriert habe, aber die in ihr Gott reden hören.

Dem gegenüber steht oft ein Argument, das ungefähr so geht: Wir wissen doch zumindest beim Neuen Testament, wie es zur Zusammenstellung des Kanons kam. Das war ein Konzil, wir wissen, wer daran beteiligt war, welche Kriterien sie anlegten, sogar, ob sie damit aller Wahrscheinlichkeit nach richtig lagen oder nicht. Außerdem hatte ein Kaiser den Vorsitz, also ist zumindest ein machtpolitischer Aspekt nicht ganz auszuschließen.
Also, so wird häufig aus dieser Kenntnis geschlossen, ist das mit der Inspiration und Vertrauenswürdigkeit doch nicht so sicher.
(Okay, das wird manchmal noch radikaler formuliert.)
Oft erlebe ich, dass Vertreter der erstgenannten Position dem etwas ratlos gegenüber stehen.

(Dass historisch die Kanonbildung ein längerer Prozess war und das entsprechende Konzil eher eine Ratifizierung als eine Festlegung war, lasse ich hier mal außenvor.)

Mir fällt dabei folgendes auf: Anscheinend fällt es schwerer, ein Wirken Gottes beim Entstehen eines Buchs anzunehmen, je mehr man historisch darüber weiß.

Und auf der anderen Seite gibt es über die Phase, bei der historische Forschung mit ihren Methoden nicht so genau rankommt - nämlich die der Abfassung der Texte - eine gewisse Abneigung zwischen historischen Theorien dazu und dem Glauben an die Inspiration der Texte.

Es scheint fast, als wäre der Glaube an die Inspiration der Bibeltexte davon abhängig, dass man es historisch nicht so genau zu fassen kriegt. Hierüber scheint an den verschiedenen Enden des Spektrums Konsens zu bestehen.

Meine Frage ist, ob ich damit einigermaßen die Positionen richtig verstanden habe.

Meine These wäre dazu, dass diese Fronstellung so nicht sein muss.
Das Wirken des Heiligen Geistes entzieht sich nicht nur historischer Forschung, sondern oft auch menschlichen Erfahrungen. Was Menschen im Glauben an Gott und unter Gebet um seine Leitung tun, kann vom Geist geleitet sein, ohne dass Menschen es merken. Willenlosigkeit und prophetische Ekstase sind nur eine Möglichkeit, wie Menschen sein Wirken erleben. Oft wirkt er, ohne dass Menschen es erleben.

Wüssten wir also historisch exakt, wie es sich mit der Abfassung einer jeden biblischen Schrift auf menschlicher Seite verhielt, dann wäre dies überhaupt kein Argument dagegen, dass Gott in diesen Schriften zu uns Menschen redet.

Und bloß weil wir historisch recht genau wissen, wie der Prozesse der Kanonbildung ablief, ist das überhaupt kein Argument dagegen, dass die Bibel als Gottes Wort angesehen werden kann.

Historische und theologische Aussagen bewegen sich, was diese Fragen angeht, auf verschiedenen Ebenen (bei anderen Fragen ist das anders).

Das bedeutet aber auch:
Wer die Bibel als inspiriertes Gotteswort ansieht, muss auch von einem Wirken des Heiligen Geistes nach Abfassung der Texte beim Prozess der Kanonbildung ausgehen.
Dieses Wirken würde beim Neuen Testament mindestens bis zu den Synoden von Rom, Hippo und Karthago gehen, beim AT wäre es noch ein bisschen komplizierter.

Das Werk des Heiligen Geistes wäre aber in keinem Fall mit der Abfassung der Texte getan, sondern er hätte auch dafür gesorgt, dass die richtigen aufgenommen werden.

Diese Aussage bleibt freilich historisch nicht zugänglich, sondern ist eine theologische mit durchaus axiomatischem Charakter.

Frage in beide Richtungen: Leuchtet das irgendwie ein?

Oder welche Wege habt Ihr, mit diesem Befund umzugehen?

Gruß von
Andreas

Antwort
37 Antworten
Georg Heinrich
Beiträge : 258

Auf der einen Seite sind da zunächst einmal die Aussagen der Apostel:

Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich…

Wörtlich übersetzt müsste es heißen: "Alle Schrift, gottgehaucht,..."
"eingegeben" ist bereits eine Interpretation des Übersetzers, was "gottgehaucht" bedeutet.
"ist" ist ebenfalls eine Interpretation des Übersetzers, denn das ist nicht die einzige Möglichkeit der Übersetzung. Eine anderen Möglichkeit wäre "sofern ... ist", also: "Alle Schrift, sofern sie gottgehaucht ist, ist nützlich…"
Welche dieser Alternativen Paulus tatsächlich ausdrücken wollte, lässt sich leider nicht mehr klären. Auch nicht, was "gottgehaucht" tatsächlich bedeuten soll. "Eingegeben" ist durchaus eine Möglichkeit. Eine andere ist die, von der Petrus schreibt:

[…]von Gott her redeten Menschen, getrieben von Heiligem Geist.

"Getrieben vom Hl. Geist" bedeutet nicht zwingend, dass die Hl. Schrift vom Hl. Geist diktiert wurde. Es kann auch bedeuten, dass die Autoren vom Hl. Geist dazu getrieben wurden, dass aufzuschreiben, was sie erlebt und erkannt haben. Das würde bedeuten, dass die Hl. Schrift durch den Hl. Geist motiviert wurde, aber dennoch Menschenwerk ist, mit allen möglichen Schwächen und Fehlern.

Gott kann nicht lügen, und er ändert sich nicht. Wenn also die Schrift sich widerspricht, dann kann nicht die ganze Schrift eingegeben sein. Und solche Widersprüche gibt es durchaus, und sie sind unwiderlegbar:
- Jesus sagt selbst, dass Mose die Ehescheidung eingeführt hat, nicht Gott;
- Jesus widerspricht Mose bei der Ehescheidung. Mose hat Wiederheirat erlaubt, Jesus nennt das Ehebruch;
- Jesus widerspricht Mose bei der Frage, ob der Genuss unreiner Speisen den Menschen unrein machen. Mose sagt ja, Jesus sagt nein.

Und das reicht schon als Beleg. Es kann nicht beides wahr sein. Entweder ist Wiederheirat erlaubt oder nicht. Entweder machen unreine Speisen unrein oder nicht. Höchstens jeweils eine dieser Alternativen kann von Gott eingegeben sein, und deswegen ist nicht die ganze Schrift von Gott eingegeben.

Und das kann man noch weiterführen:
- Mose lehrt das sklavische Halten der Gebote. Jesus lehrt, dass diese Haltung in letzter Konsequenz Selbstverstümmelung erfordert - und deswegen absurd ist;
- Stattdessen gibt Jesus die Goldene Regel und löst damit die mosaische Gesinnungsethik durch Verantwortungsethik ab.
- Im Sinne dieser Verantwortungsethik weist er die pharisäischen Sabbatregeln zurück;
- Im Sinne dieser Verantwortungsethik trifft das Apostelkonzil, zusammen mit dem Hl. Geist die Entscheidung, dass das mosaische Gesetz für Heidenchristen nicht gilt.
- Im Sinne dieser Verantwortungsethik trifft Paulus Regelungen zu Eheschließung und -scheidung, für die er ausdrücklich keine Anweisung von Gott bekommen hat.

Sprich: die Bibel lehrt, dass wir selber denken müssen. Ein Verweis auf die Autorität der Schrift ist nicht das Ende der Debatte.

groesste-liebe antworten
3 Antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1807

Hi!

Bei der Interpretation von 2Tim 3,16 lässt sich vom Griechischen und Kontext her vermuten, dass "ist von Gott eingehaucht" die näherliegende Übersetzung ist, aber dass damit zunächst mal die Schriften gemeint sind, die wir als "Altes Testament" kennen. Ob mit oder ohne die apokryphen Teile, lässt sich nicht mehr erörtern.

Interessant finde ich, dass Du selbstverständlich Paulus als Autor nennst. Ich gehe auch davon aus, aber es ist ja umstritten. Gerade heute morgen las ich [url= https://community.jesus.de/forum/ansicht/thread.html?tx_scmforum_pi1 [post_uid]=12611881&tx_scmforum_pi1[disablepreset]=0]hier[/url]

Die Schriften sind in den Kanon aufgenommen haben, weil die Kirchenoberen dieser Zeit geglaubt haben, dass sie von Aposteln verfasst worden sind.
Diese frühen Bischöfe und Theologen waren aber nicht unfehlbar. Es wäre schon möglich, dass sie ein Fake nicht als solches erkannt haben.

Was einer der Auslöser für diesen schon länger geplanten Thread war.

Veröffentlicht von: @groesste-liebe

"Getrieben vom Hl. Geist" bedeutet nicht zwingend, dass die Hl. Schrift vom Hl. Geist diktiert wurde.

Korrekt. Das Wort "diktiert" benutze ich auch nicht. "Inspiriert" ist, wörtlich genommen, eine offenere Formulierung, da es dem Heiligen Geist nicht vorschreibt, wie er inspiriert. Es beschreibt das Ergebnis, nicht die Methode.

Was Du zu ethischen Fragen schreibst, ist sicher interessant und bedenkenswert, aber noch mal einen eigenen Thread wert.

Denn aus Inspiration lässt sich ja über Interpretation noch gar nichts ableiten.

andreas-wendt antworten
Murphyline
(@murphyline)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 1562

lese hier interessiert mit.
Was ist eigentlich "Inspiriert"? Ich konnte und kann mir immer noch nichts genaueres darunter vorstellen.

Die "Bibeltreuen" Christen erinnern mich immer an Muslime, die ja glauben, dass Mohammed der Koran Wort für Wort von einem Engel diktiert bekam. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Creationisten vom Koranverständnis der Muslime "inspiriert" wurden.

murphyline antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1807

Unter "inspiriert" finden sich ganz verschiedene Verständnisse.

Ich würde meinen, "inspiriert" sagt nichts über den Weg der Entstehung der Texte aus. Es impliziert also nicht, was Kritiker gern reinlesen, nämlich die Idee eines wortwörtlichen Diktats. Dieses ist nicht ausgeschlossen, es ist aber schlicht nicht Gegenstand des Begriffs.

Inspiriert meint: in diesen Texten redet Gott. Dass Gott gerade beschließt, in einer historisch gewachsenen und teilweise auch inkongruent scheinenen Textsammlung zu uns zu reden, ist noch einmal eine besonders wertvolle Beleidigung unseres Verstandes.

Und "das" Koranverständnis "der" Muslime gibt es genauso wenig wie das Bibelverständnis der Christen.
Traditionell sieht der Islam den Koran als von einem Engel diktiert an, enthält sich aber jedes Urteils, ob diese Worte auch nur annähernd das bedeuten, was die gleichen Worte unter Menschen bedeuten. Die Hermeneutik "1. Gott hat die Worte genau so diktiert. 2. Die Worte bedeuten genau das, was wir drunter verstehen" ist dagegen im Christentum entstanden. Und hat, so würde ich sagen, dann wieder islamistisches Koranverständnis beeinflusst. Aber das wäre einen eigenen Thread wert.

andreas-wendt antworten


Anonymous
 Anonymous
Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Es scheint fast, als wäre der Glaube an die Inspiration der Bibeltexte davon abhängig, dass man es historisch nicht so genau zu fassen kriegt. Hierüber scheint an den verschiedenen Enden des Spektrums Konsens zu bestehen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Meine These wäre dazu, dass diese Fronstellung so nicht sein muss.
Das Wirken des Heiligen Geistes entzieht sich nicht nur historischer Forschung, sondern oft auch menschlichen Erfahrungen. Was Menschen im Glauben an Gott und unter Gebet um seine Leitung tun, kann vom Geist geleitet sein, ohne dass Menschen es merken. Willenlosigkeit und prophetische Ekstase sind nur eine Möglichkeit, wie Menschen sein Wirken erleben. Oft wirkt er, ohne dass Menschen es erleben.

Ich denke, dass die "Frontstellung" gar keine ist. Sondern dass es darum geht, ob genau hingeguckt wird oder nicht. Je genauer hingeguckt wird, desto schwieriger wird es, die Frage auszublenden, die da lautet: "Welche Sicherheit habe ich, dass hier tatsächlich der Heilige Geist wirkte?"

Dass dem so sei - muß im Offenbarungskozept geglaubt werden.

Das "Wirken des Heiligen Geistes", was sich Deinen Worten nach nicht nur der historischen Forschung, sondern auch noch den menschlichen Erfahrungen entzieht, ist eines, das jetzt erstmal rein negativ definiert wurde. Man kann's nicht erforschen und oftmals nicht mal erfahren (d.h., so verstehe ich das, gefühlsmäßig was davon mitbekommen - historische Forschung ist ja durchaus Erfahrungswissenschaft).

Die Positionen stehen sich insofern unvereinbar gegenüber, als die einen einfach sich weigern, hinzuschauen, was denn über die Entstehung des Kanons gewußt werden könne. Und insofern nicht durch von Fakten angeregter Skepsis irritiert werden können. Während diejenigen, die hinschauen, immer in Gefahr sich befinden, erstaunliche Parallelen zur Entstehung anderer Schriftstücke nichtgöttlicher Autorenschaft zu bemerken und daraus Schlüsse zu ziehen.

Mich würde interessieren, ob Du mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie die Bibeltexte auch z.B. das Buch Mormon als inspiriert verstehen würdest (immer dabei im Hinterkopf: Das Wirken des Heiligen Gesites entzieht sich der historischen Forschung und oft auch den menschlichen Erfahrungen...).

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Und bloß weil wir historisch recht genau wissen, wie der Prozesse der Kanonbildung ablief, ist das überhaupt kein Argument dagegen, dass die Bibel als Gottes Wort angesehen werden kann.

Das kommt doch wohl auf den Inhalt dieses Wissens an, oder nicht?
Beispiel (hypothetisch): Angenommen, es stellte sich heraus, dass wichtige Passagen der Evangelien im Auftrag Konstantins von staatlich besoldeten Autoren formuliert wurden - hätte diese Entdeckung keinen Einfluss auf die Einschätzung des Offenbarungscharakters dieser Schriften? Freilich könnte argumentiert werden, dass der Heilige Geist, bekannt dafür, auf mysterious ways unterwegs zu sein, genau die Lohnschreiber des Kaisers als Instrumente verwendet hätte, die Wahrheit in den Kanon zu schmuggeln. Aber...

Welche sachlichen Argumente wären denn überhaupt prinzipiell denkbar, die dagegen sprächen, dass die Bibel als Gottes Wort angesehen werden kann?

Anonymous antworten
11 Antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1807

Hi!
Du legst Deinen Finger natürlich zielsicher in die Wunden.

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Welche sachlichen Argumente wären denn überhaupt prinzipiell denkbar, die dagegen sprächen, dass die Bibel als Gottes Wort angesehen werden kann?

In dem Sinne, wie ich sie verstehe, müsste schon unstrittig der Leichnam Jesu gefunden werden. Aber auch da ist natürlich ein Inspirationsverständnis möglich, das damit leben könnte. Wäre halt nicht meins.
Denn wie Du richtig einwendest,

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

könnte argumentiert werden, dass der Heilige Geist, bekannt dafür, auf mysterious ways unterwegs zu sein, genau die Lohnschreiber des Kaisers als Instrumente verwendet hätte, die Wahrheit in den Kanon zu schmuggeln

Streng genommen gäbe es also auf intersubjektiv vermittelbarer Ebene kein Argument, das dagegen spräche, dass eine Schrift Gottes Wort ist. Weil es auf dieser Ebene auch keins gibt, das dafür spricht. Es hat immer etwas Axiomatisches.

Das ist zumindest meine These, der implizit beide Richtungen in vielen Diskussionen hier widersprechen. Und genau das macht mich stutzig.

Auch jene, die sagen, dass die Bibel Gottes Wort ist, gehen in der Regel davon aus, dass das Werk des Heiligen Geistes mit der Abfassung des Einzeltextes getan sei und dass die Christen dann halt auf irgendeine Weise erkannt hätten, welcher Text inspiriert sei und welcher nicht. Wenn sie dann mit mehr oder weniger akkuraten historischen Informationen konfrontiert werden, dass es bei der Kanonbildung nicht nur geistlich zuging, habe ich noch nie erlebt, dass jemand von ihnen mit einem entspannten "Na und?" antwortete. Ich frage mich da schon, warum?

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Die Positionen stehen sich insofern unvereinbar gegenüber, als die einen einfach sich weigern, hinzuschauen, was denn über die Entstehung des Kanons gewußt werden könne.

Ist auch, bis auf wenige Ausnahmen, mein Eindruck. Und sehr irritierend. Denn die Schlüsse, die die anderen im Vergleich ziehen, sind ja theologisch keineswegs zwingend.

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Mich würde interessieren, ob Du mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie die Bibeltexte auch z.B. das Buch Mormon als inspiriert verstehen würdest

Sagen wir mal, ich respektiere, dass Mormonen es tun und sich auch von historischen Informationen nicht davon abbringen lassen. Alles andere wäre keine Religion.
Interessaner (um Dein "z.B." aufzugreifen) fände ich es da, ob wir Bücher wie Judit, Tobit, Jesus Sirach und Makkabäer als inspiriert ansehen wollten. Immerhin sind sie ja in den altkirchlichen Kanon aufgenommen worden und erst von Martin Luther - ja, wie nennen wir das? Er hat sie ja nicht rausgenommen, hat sie aber "der heiligen Schrift nicht gleichgestellt" angesehen. Über ihren Charakter als "Wort Gottes" hat er m.W. nichts gesagt. Wenn Luther an dieser Stelle recht hat, dann hat er ja nicht (wie bei seinen theologischen Erkenntnissen) alte Wahrheiten wiederentdeckt, sondern tatsächlich eine Art neue Erkenntnis gehabt. Wenn aber diejenigen, die diese Bücher in den Kanon aufnahmen, da falsch lagen, woher weiß Luther oder ich, dass sie ansonsten richtig lagen?

Letztlich geht es mir hier nicht darum, die Inspiration der Bibel zu belegen, sondern zu überlegen, welche Konsequenzen daraus für das gezogen werden müsste, was wir historisch wissen:
Wenn die Bibel inspiriertes Gotteswort ist, dann ist auch die Sammlung und Zusammenstellung des Kanons vom Geist geleitet worden.
Und dann gibt es entweder nur einen korrekten Kanon, oder der heilige Geist findet mehrere voneinander abweichende Sammlungen auch super.

Ich sehe zum einen nicht, dass diese Konsequenz irgendwie vermeidbar wäre (sofern man an der Prämisse festhält). Und zum andern sehe ich nicht, dass irgendwer unter meinen Christengeschwistern sie zieht. Darüber ins Gespräch zu kommen, war Anliegen dieses Threads.

Gruß von
Andreas

andreas-wendt antworten
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Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

Interessaner (um Dein "z.B." aufzugreifen) fände ich es da, ob wir Bücher wie Judit, Tobit, Jesus Sirach und Makkabäer als inspiriert ansehen wollten.

Da sollte man genauer beschreiben, was man unter "inspiriert" verstehen möchte.

Wenn Klaus-Bärbel heute ein Buch darüber schreibt, wie er/sie zum christlichen Glauben gefunden hat, dann ist dieses Buch auch von Gott "inspiriert". Gleichzeitig kann dieses Buch auch den Leser inspirieren. Auf dieser Ebene sehe ich keinen Unterschied zwischen den Büchern Judit, Ruth und Klaus-Bärbel.

Als Christen glauben wir jedoch, dass die entscheidende Offenbarung Gottes in Jesus Christus stattfand, daher haben für mich die Bücher die von und über ihn direkt bzw. die ersten Nachfolger berichten eine ganz andere Qualität und Wertigkeit. Aber ob sie in ihrer Niederschrift und Kanonbildung anders 'inspiriert' gewesen sein mögen, ist für mich fraglich.

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 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 3 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Sagen wir mal, ich respektiere, dass Mormonen es tun und sich auch von historischen Informationen nicht davon abbringen lassen. Alles andere wäre keine Religion.

Ich kann nur vor konstruktiven Leistungen Respekt empfinden. Wenn ich Deine Begründung "Alles andere wäre keine Religion." heranziehe, komme ich zu dem Schluß, dass Du alles respektierst, was zu einer Religion führt. Ungeachtet des Charakters/der Ausprägung der jeweiligen Religion.
Aber das kann doch nicht wirklich Dein Ernst sein, oder? Dafür - entschuldige bitte das vergiftete Kompliment, aber es ist einfach zu verlockend... 😇 - halte ich Dich für zu intelligent.
Ich denke, Du "respektierst" die Haltung der Mormonen da lediglich, um nicht eine Schlußfolgerung bezüglich Deiner eigenen Haltung zur Frage der Verläßlichkeit Deiner Glaubensquellen ziehen zu müssen. Würdest Du den Mormonen den Respekt für ihre Art der Selbstkritik-Unfähigkeit nicht zollen, müßtest Du Dich mit dem (Selbst-)Vorwurf des Messens mit unterschiedlichen Standards konfrontieren. Da ist es einfacher, mal eben recht kostenfreien Respekt zu zollen...

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Letztlich geht es mir hier nicht darum, die Inspiration der Bibel zu belegen, sondern zu überlegen, welche Konsequenzen daraus für das gezogen werden müsste, was wir historisch wissen:
Wenn die Bibel inspiriertes Gotteswort ist, dann ist auch die Sammlung und Zusammenstellung des Kanons vom Geist geleitet worden.

Da beißt sich aber doch die Katze in den Schwanz! Um davon ausgehen zu können, dass die Bibel "inspiriertes Gotteswort" sei, müßte man doch zuerst einen klaren Begriff davon haben, worin dieses Von-Gott-inspiriert-sein überhaupt besteht. Sonst kommt man doch nicht weiter! Es muß ein Unterscheidungsmerkmal geben, sonst gibt es praktisch keine Grenze dafür, was zum Kanon gehört und was nicht. Ich muß da an Aschenputtel denken. Klar ist es ein ungeheurer Aufwand, die guten von den schlechten Erbsen zu trennen. Aber ob man das nun per Hand macht oder die Tauben zu Hilfe holt - es muß klar sein, was "Die Guten in's Töpfchen, die Schlechten in's Kröpfchen!" bedeutet. Sonst wissen auch die Tauben nicht, was von ihnen verlangt wird.

Um die trennscharfe (!!!) Definition, was unter "von Gott inspiriert" gemeint sei, kommst Du nicht herum, wenn Du auf Deine Fragen sinnvolle Antworten finden möchtest.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Wenn die Bibel inspiriertes Gotteswort ist, dann ist auch die Sammlung und Zusammenstellung des Kanons vom Geist geleitet worden. Und dann gibt es entweder nur einen korrekten Kanon, oder der heilige Geist findet mehrere voneinander abweichende Sammlungen auch super.

Das hat als Argument die logische Struktur der alten Bauernregel: "Kräht des Morgens der Hahn dort auf dem Mist, ändert sich's Wetter, oder bleibt, wie es ist."
Stimmt ja. Aber enthält keinen Erkenntnisgewinn.

So wie ich das sehe, stellen sich die zwei Fronten, die Du da unter Euch Christen skizzierst, folgendermaßen dar:
Fraktion eins kümmert sich nicht um die historischen Befunde. Das macht es ihr leichter, einfach das nachzubeten, was die Altvorderen vorbeten: Die Bibel ist das inspirierte Wort Gottes.

Fraktion zwei nimmt die historischen Befunde wahr. Das erschwert es ihr, einfach nachzubeten, was die Altvorderen vorbeten. Es verkompliziert den Glauben, denn das Ignorieren der Tatsachen bedarf nun des gedanklichen Aufwands, den jede Zweckrationalisierung bedeutet. Der Widerwille seitens der "Konservativen" gegen die Zumutungen der historisch-kritischen Methode kommt ja nicht von ungefähr. Es ist anstrengender, gleichzeitig dem Dogma und der Evidenz zu folgen, wenn die Evidenz an allen Ecken und Kanten vom dogmatischen Weg fortweist.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich sehe zum einen nicht, dass diese Konsequenz irgendwie vermeidbar wäre (sofern man an der Prämisse festhält).

Richtig. Nochmal: die Konsequenz besteht darin, dass es entweder nur einen korrekten Kanon gibt (den zu finden allerdings unmöglich ist, weil ja der heilige Geist mysteriös unterwegs ist), oder dass es beliebig viele voneinander abweichende (und damit auch: einander widersprechende) Sammlungen gibt, die der Heilige Geist alle super findet. Kürzer: Entweder gibt es einen Kanon, der nicht gefunden/erkannt werden kann, oder es gibt eine schier endlose Flut von Glaubensgrundlagen, die einander logisch widersprechen können.

Das bedeutet konsequenterweise, dass eine textliche Glaubensgrundlage für die religiöse Praxis fehlt. Denn sie kann entweder nicht gefunden/erkannt werden oder sie ist widersprüchlich. Und aufgrund widersprüchlicher Aussagen läßt sich kein sinnvolles Verhalten entwickeln.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Und zum andern sehe ich nicht, dass irgendwer unter meinen Christengeschwistern sie zieht.

Die Konsequenz, die gezogen werden müßte, wäre ja, die christliche Lehre zu verwerfen. Diejenigen, die also anerkennen, dass man sich den Pelz nicht waschen kann, ohne dabei nass zu werden, diejenigen, die die Konsequenz ziehen, sind hernach dann eben keine "Christengeschwister" mehr.

Die von Dir aufgeworfene Frage läßt sich auf drei Weisen beantworten.
1. Man kann sie offensiv ignorieren (konservative Version des Christ-Seins).
2. Man kann sie in's Auge fassen, mit dem, was man da sieht, unzufrieden sein und sie immer weiter hin- und her drehen, solange, bis man irgendwie alle Ansichten für interessant und gleichwertig hält - dass heißt: sich im Nicht-Entscheiden häuslich eingerichtet hat (moderne, liberale, historisch-kritische Version des Christ-Seins).
3. Oder man zieht die logischen Schlüsse und verzichtet fürderhin auf den Offenbarungsglauben (kein Christ-Sein mehr).

Es grüßt
the Jack

Anonymous antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1807
Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Wenn ich Deine Begründung "Alles andere wäre keine Religion." heranziehe, komme ich zu dem Schluß, dass Du alles respektierst, was zu einer Religion führt. Ungeachtet des Charakters/der Ausprägung der jeweiligen Religion.

Das ist ein guter Einwand. Das kann ich tatsächlich nicht. Mit einer guten Begründung tue ich mich allerdings schwer. Wollte das aber vorläufig rückgemeldet haben. Du gibst mir zu denken. Das ist immer gut.

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Dafür - entschuldige bitte das vergiftete Kompliment, aber es ist einfach zu verlockend... 😇 - halte ich Dich für zu intelligent.

Ich kann verstehen, wie er Eindruck entsteht, aber ich fürchte, Du wärest enttäuscht. 😊
Wenn "intelligent" bedeutet, dass ich einigermaßen geübt darin bin, mich meines Verstandes zu bedienen, teilen wir beiden - um mal for the sake of the argument unbescheiden aufzutreten - diesen Eindruck.
Ich vermute allerdings, für Dich bedeutet Intelligenz gar nicht so sehr, dass sich jemand seines Verstandes bedient, also ihm den Rang eines Dieners gibt, sondern der Verstand ist für Dich eher das vorrangige Instrument, alles andere zu beurteilen, also zugespitzt eher eins der Herrschaft als des Dienens.
Sollte ich Dich da richtig verstehen, bin ich aus verschiedenen Gründen zurückhaltend.
Psychologisch bin ich mir keineswegs sicher, ob der Verstand so unabhängig ist, wie er uns scheint. Erkenntnistheoretisch meine ich, auch der Verstand kann die Kriterien seiner Urteile nicht aus sich selbst heraus bekommen. Es müsste dafür einen totalen nPoV geben, was ich bezweifle. Der Verstand ist immer an etwas außerhalb seiner selbst rückgebunden. Er soll lediglich Rechenschaft geben können, woran.
Am interessantesten finde ich als Theologe freilich den theologischen Aspekt. Wird der Verstand zum Instrument, einen sagenwirmal Text zu beurteilen, der mit dem Anspruch auftritt, göttliche Offenbarung zu sein, dann ist das aus seiner Sicht das einzig sinnvolle. Kommt er zu dem Schluss, dass der Text ganz vernünftig ist, wird er das sogar als Kompliment für den Text verstehen.
Aus Sicht des Glaubens hieße das allerdings, dem Verstand selbst Offenbarungscharakter zuzusprechen. Und zwar den einer höheren göttlichen Offenbarung als der, die in dem Text begegnet.

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Da beißt sich aber doch die Katze in den Schwanz! Um davon ausgehen zu können, dass die Bibel "inspiriertes Gotteswort" sei, müßte man doch zuerst einen klaren Begriff davon haben, worin dieses Von-Gott-inspiriert-sein überhaupt besteht.

Wenn wir über Offenbarung, Inspiration (ich benutze die Begriffe hier recht austauschbar) reden, stehen wir vor zwei Möglichkeiten:
Entweder muss die Katze sich in den Schwanz beißen.
Oder wir finden eine Definition, die selbst von außen herangetragen wird. Diese Definition würde dann faktisch mit einem eigenen Offenbarungsanspruch auftreten, den zu begründen man wahlweise wieder eine neue oder dieselbe Definition bräuchte etc.

Beides finde ich intellektuell sehr unbefriedigend. Die Idee, dass die göttliche Offenbarung sich selbst definiert, scheint mir aber eher zu dem zu passen, was gemeinhin unter "Gott" verstanden wird.
Du wirst mich wahrscheinlich auf die dritte Möglichkeit hinweisen wollen, die Idee göttlicher Offenbarung völlig aufzugeben. Die wäre m.E. auf jeden Fall konsequenter als der Versuch, sie von außen zu definieren.

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

die Konsequenz besteht darin, dass es entweder nur einen korrekten Kanon gibt (den zu finden allerdings unmöglich ist, weil ja der heilige Geist mysteriös unterwegs ist), oder dass es beliebig viele voneinander abweichende (und damit auch: einander widersprechende) Sammlungen gibt, die der Heilige Geist alle super findet.

Beliebig viele ist nun auch nicht haltbar, denn die verschiedenen Versionen des Kanons stimmen zu ca. 80% überein. Es scheint, dass der Geist an manchen Stellen toleranter ist als an anderen, aber wer ist das nicht?

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Die von Dir aufgeworfene Frage läßt sich auf drei Weisen beantworten.
1. Man kann sie offensiv ignorieren (konservative Version des Christ-Seins).
2. Man kann sie in's Auge fassen, mit dem, was man da sieht, unzufrieden sein und sie immer weiter hin- und her drehen, solange, bis man irgendwie alle Ansichten für interessant und gleichwertig hält - dass heißt: sich im Nicht-Entscheiden häuslich eingerichtet hat (moderne, liberale, historisch-kritische Version des Christ-Seins).
3. Oder man zieht die logischen Schlüsse und verzichtet fürderhin auf den Offenbarungsglauben (kein Christ-Sein mehr).

4. Man stellt das Postulat auf, dass in all dem, was historisch passiert ist, so dass es zur Textsammlung kam, Gott am Werk war.

Jene vierte Möglichkeit finde ich nicht nur deshalb sympathisch, weil sie möglichst viel Glauben und Wissen vereint (Du kannst meinetwegen auch sagen, sie hilft mir, mich weiterhin vor einer Entscheidung zu drücken).
Sie entspricht m.E. auch am ehesten dem, was Christen ohnehin von ihrem Gott glauben. Sie sehen ihn andauernd in der Geschichte am Wirken, und das wichtigste Ereignis, mit dem Gott für ihre Erlösung gesorgt hat, wurde durch das Todesurteil eines heidnischen Gouverneurs ausgelöst, der es dafür sogar in ihr Glaubensbekenntnis geschafft hat.
Sollte es für diejenigen, die glauben, ihr Gott habe zum Zwecke ihres ewigen Heils "gelitten unter Pontius Pilatus" tatsächlich nicht denkbar sein, er habe sein Wort schriftlich zusammenfassen lassen unter Kaiser Konstantin?
Und bin ich wirklich der erste, der das für denkbar hält?

Gruß von Andreas

andreas-wendt antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 3 Sekunden

Beiträge : 0

Hi!
Nur kurz, weil ich mich nicht zu lang vor der Arbeit drücken will... 😉

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich vermute allerdings, für Dich bedeutet Intelligenz gar nicht so sehr, dass sich jemand seines Verstandes bedient, also ihm den Rang eines Dieners gibt, sondern der Verstand ist für Dich eher das vorrangige Instrument, alles andere zu beurteilen, also zugespitzt eher eins der Herrschaft als des Dienens.

Naja, die Diener-Metapher halte ich nicht für sonderlich erhellend. Um etwas beurteilen zu können, sehe ich keine alternativen Instrumentarien, die an die Veräßlichkeit des Verstandes auch bloß näherungsweise herankämen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Beides finde ich intellektuell sehr unbefriedigend. Die Idee, dass die göttliche Offenbarung sich selbst definiert, scheint mir aber eher zu dem zu passen, was gemeinhin unter "Gott" verstanden wird.

Wir scheinen unter "Definieren" etwas gänzlich Verschiedenes zu verstehen.
Aber ich versuch's nochmal anders rum: Kannst Du beim Text XYZ angeben, dass er göttliche Offenbarung ist? Und kannst Du beim Text ZYX angeben, dass er keine göttliche Offenbarung ist?
Dabei kannst Du Dich methodologisch nicht sinnvollerweise auf Selbst-Aussagen des Textes berufen, sonst solltest Du - wie wir alle - Hanks Arsch küssen - because Hank dictated this letter himself. (2:55)

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Beliebig viele ist nun auch nicht haltbar, denn die verschiedenen Versionen des Kanons stimmen zu ca. 80% überein.

Solange noch nicht einmal bestimmt ist, ab wann der Kanon "abgeschlossen" ist, kann nicht angegeben werden, wieviele unterschiedliche Kanons (Kani? Hört sich irgendwie beides doof an...) es gibt.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

4. Man stellt das Postulat auf, dass in all dem, was historisch passiert ist, so dass es zur Textsammlung kam, Gott am Werk war.

Das fällt unter meinen Punkt 2. Und, mal so ganz im Vertrauen und wo gerade sonst niemand mitliest: Kommt Dir diese "Lösung" nicht selbst so ein bisserl wie ein Taschenspielertrick vor?

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Jene vierte Möglichkeit finde ich nicht nur deshalb sympathisch, weil sie möglichst viel Glauben und Wissen vereint (Du kannst meinetwegen auch sagen, sie hilft mir, mich weiterhin vor einer Entscheidung zu drücken).
Sie entspricht m.E. auch am ehesten dem, was Christen ohnehin von ihrem Gott glauben.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Und bin ich wirklich der erste, der das für denkbar hält?

Na eben nicht. Die Christen, die es so halten wie Du, drücken sich so wie Du vor der Entscheidung. Weil Gott ja in mystereous ways handelt und somit ohnehin alles, was geschieht, exakt zu dem paßt, was Ihr glaubt.
Dass also ein liebender allmächtiger Gott nicht anders konnte, als sich selbst von einem heidnischen Gouverneur zu Tode foltern zu lassen, und hernach im Zuge der Kanon-Findung noch über ein paar Arianer-Leichen hinwegzuschreiten hatte - das alles zeigt nur, wie richtig und widerspruchsfrei diese ganze Theologie ist. Denn wer wollte schon sich darüber ein Urteil anmaßen, auf welche Weise Gott zu verfahren hat?

Nein, Du bist nicht der erste, der das für denkbar hält. Petitii principii sind unter denkenden Religiösen eigentlich ein verbreitetes Phänomen, ich würde sogar sagen: der default mode.

Anonymous antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 22986

Pluralbildung

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Solange noch nicht einmal bestimmt ist, ab wann der Kanon "abgeschlossen" ist, kann nicht angegeben werden, wieviele unterschiedliche Kanons (Kani? Hört sich irgendwie beides doof an...) es gibt.

https://de.wiktionary.org/wiki/Kanon

Plural 1. Kanons 2. Kanones

deborah71 antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
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Danke. War zu faul zum Nachschauen. 😇

Anonymous antworten
Deborah71
(@deborah71)
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Mich hat's grad auch interessiert... war nämlich auch unsicher. 😊

deborah71 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
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Moin!

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Und, mal so ganz im Vertrauen und wo gerade sonst niemand mitliest: Kommt Dir diese "Lösung" nicht selbst so ein bisserl wie ein Taschenspielertrick vor?

Mir leuchtet ein, dass unter der Prämisse, dass der Verstand in der Lage sei, alles andere, inklusive Offenbarungsansprüchen, zu beurteilen, es gar nicht anders wirken kann, und zwar nicht nur ein bisserl. Diese Sicht respektiere ich. Es ist derselbe Respekt, den ich auch gegenüber Mormonen habe. 😉

Ich teile halt die Prämisse nicht.
Wenn ich sie aber teilen würde, würde ich den Weg konsequent zu Ende gehen und am Ende vor zwei Möglichkeiten stehen:
1. Der Verstand erhebt selbst einen Offenbarungsanspruch, der letztlich ohne Beweise geglaubt werden muss.
2. Es gibt keine göttliche Offenbarung. Und dies müsste dann ohne Beweise geglaubt werden.

Beides auch nicht wirklich befriedigend, oder?

andreas-wendt antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
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Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Es ist derselbe Respekt, den ich auch gegenüber Mormonen habe. 😉

Hehe, da mußte ich eben laut lachen! Touché! kann ich zwar nicht rufen, denn ich fühle mich da nicht getroffen, aber es ist jedenfalls der gute alte Esprit, von dem man nie genug kriegen kann. Danke dafür! 😀

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

zwei Möglichkeiten stehen:
1. Der Verstand erhebt selbst einen Offenbarungsanspruch, der letztlich ohne Beweise geglaubt werden muss.

Ich kann mit der Formulierung "der Verstand erhebt selbst einen Offenbarungsanspruch" nichts anfangen. Ich lese die Worte, kann ihnen aber keinen Sinn entnehmen. Unter "Verstand" verstehe ich die Gesamtheit dessen, was in unseren Köpfen vorgeht, wenn wir uns die Welt oder zumindest Teile von ihr, sowie deren Verhältnismäßigkeiten untereinander vorstellen, um es mal schopenhauerianisch zu formulieren. Und Vernunft ist der Teil des Verstandes, der entsprechend der klassischen Logik abläuft. Der Verstand ist keine Entität und kann also auch keine Ansprüche erheben. Er ist die Gesamtheit der Vorstellungs- und Analyse-Prozesse in unserem Kopf.
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du hier Verstand synonym zu dem verwendetest, was ich unter "Vernunft" (Ratio) verstehe. Diese Vernunft, also der logisch-analytische Teil unseres Verstandes braucht keinerlei "Offenbarungsansprüche" zu erheben. Es ist schlicht Erfahrungswissen, dass er verläßliche Ergebnisse liefert, d.h. Ergebnisse, aufgrund derer wir uns erfolgreich entsprechend unseren Zielen und Interessen verhalten können. Er erhebt keine Ansprüche - er funktioniert.

Und das auf sovielen Gebieten unseres Lebens, dass es verdammt guter Gründe bedarf, seine Usability auf einigen wenigen Gebieten zu negieren.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

2. Es gibt keine göttliche Offenbarung. Und dies müsste dann ohne Beweise geglaubt werden.

Naja, das ist die vernünftige default-Einstellung gegenüber Behauptungen, für die Belege fehlen. Die Nullhypothese eben. Die muß nicht geglaubt werden, aber von der darf (nein, schärfer: muß) vernünftigerweise ausgegangen werden.
Sobald es belastbare Belege (d.h. nicht nur Meinungen/Behauptungen) für das Vorliegen einer göttlichen Offenbarung gibt, ist die Nullhypothese ja vom Tisch.

Aber wir sind ja an diesem Punkt immer noch nicht weiter, denn in welchem Fall eine göttliche Offenbarung vorliegt, wurde ja von Dir oder anderen hier noch nicht definiert, bzw. mir sind die entsprechenden Ausführungen womöglich entgangen.

Anonymous antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1807

Verstand und Offenbarung
Hi!
Danke für die Antwort, die mir das Instrumentarium an die Hand gibt, sprachlich etwas präziser zu werden und möglicherweise die von Dir zu Recht erbetene "Definition von Offenbarung" zu formulieren. Ob sie Dir gefallen wird, habe ich freilich nur eine Ahnung. 😉

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Unter "Verstand" verstehe ich

Das bedeutet, der Verstand hat auch sich selbst zum Gegenstand, oder? Er ist also ein geschlossenes System? Aber das nur nebenbei.

Veröffentlicht von: @jack-shaftoe4

Unter "Verstand" verstehe ich die Gesamtheit dessen, was in unseren Köpfen vorgeht, wenn wir uns die Welt oder zumindest Teile von ihr, sowie deren Verhältnismäßigkeiten untereinander vorstellen

Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Der Unterschied zwischen uns beiden wird sein, dass Du "die Welt" als Gesamtheit von allem verstehen dürftest, was ist, während es für mich eine Einschränkung bedeutet.

Wir können mit dem Verstand also nicht zu einer Aussage darüber gelangen, ob da außer "der Welt" noch etwas oder jemand ist, es etwas oder jemanden "gibt". Was wir sagen können, ist, dass dies aufgrund der Welt, wie wir sie wahrnehmen, nicht denknotwendig ist. Denn die Daten, die wir haben, sind in der Lage, das zu erklären, was wir haben.
Okay, vielleicht nicht alles, aber die noch unerklärlichen Teile als Gottesbeweis zu sehen, finde ich theologisch wie naturwissenschaftlich nicht nur unbefriedigend, sondern unredlich. Genauso unredlich wäre es allerdings, aufgrund dieser fehlenden Denknotwendigkeit zu dem Schluss zu kommen, es sei erwiesen, dass es außer der Welt nichts und niemand gibt. Auch die "Nullhypothese" bleibt eine Hypothese. Sie ist die verstandesmäßig nächstliegende. Aber dass es unserem Verstand am nächstliegenden scheint, dem Verstand zu folgen, ist nicht anders, als dass es sich gut anfühlt, den Gefühlen zu folgen. Auch dass der Verstand funktioniert, ist etwas, was sich dem Verstand erweist. Innerhalb eines geschlossenen Systems ist das geschlossene System das sinnvollste. Oder anders gesagt: Auch beim Verstand beißt die Katze sich in den Schwanz. Nur dass das in diesem Fall gerade als Erweis seines Funktionierens gilt.

Offenbarung nun wäre dann rein formal zu definieren als ein Geschehen, durch welches es in der Welt zu einer Gewissheit über etwas oder gar jemanden außer der Welt kommt.
Aufgrund dessen, was wir oben über den Verstand und die Welt sagten, kann so eine Gewissheit nie verstandesmäßig zustande kommen.

Wenn diese Gewissheit auch den Umgang mit der Welt beeinflusst, können wir von Glauben sprechen, wenn zwei oder mehr ihn teilen, von Religion. Wenn Glaube anfängt zu denken, von Theologie. (Alles nicht als abschließende Definitionen gemeint.)

Der Unterschied zwischen Glauben und Wissen ist nicht das Maß der Gewissheit, sondern ihr Zustandekommen. (Nicht von mir, der Satz.)

Problem:
Nun lässt es sich nicht wegdiskutieren, dass es in der Welt in dieser Hinsicht einander widersprechende Gewissheiten gibt. Also konkurrierende Offenbarungsansprüche.

Jede Aussage, die Offenbarungsansprüche beurteilt, kann nur mit einem eigenen Offenbarungsanspruch getätigt werden.

Also wenn ich als Christ sage, dass der Offenbarungsanspruch des Islam falsch sei, tue ich das aufgrund eines eigenen Offenbarungsanspruchs.
Wenn ich, wie es manche versuchen, sagen würde, dass sie alle sich nur scheinbar widersprechen und auf einer höheren Ebene ineinander fließen, täte ich das mit einem eigenen Offenbarungsanspruch.
Wenn ich alle existierenden Offenbarungsansprüche bestreiten würde, täte ich das faktisch auch mit einem eigenen Offenbarungsanspuch. Denn auch dann mache ich eine Aussage darüber, ob es außer der Welt etwas gibt. Nur mit dem Verstand, wenn wir ihn richtig verstehen, kann ich das nicht, denn er ist ja ausschließlich die Gesamtheit dessen, was in in unsern Köpfen vorgeht, wenn wir uns die Welt vorstellen.

Wenn ich in dem Sinne von der richtigen Aussage "Die 'Existenz' eines Gottes ist nicht denknotwendig" zu der Aussage "Es gbt keinen Gott" oder "Es gibt keine göttliche Offenbarung" komme, dann ist das eine Aussage mit eigenem Offenbarungsanspruch. Und tatsächlich, da muss ich Dir recht geben, nicht mit einem Offenbarungsanspruch, den der Verstand erhebt, sondern den derjenige, der die Aussage tätigt, über den Verstand hinausgehend erhebt.

Um die Welt soweit zu verstehen, dass sich in ihr als Individuum und als Art überleben lässt, ist die Nullhypothese ausreichend und darum auch vernünftig. Da bin ich Anhänger eines methodischen Atheismus.

Ob Überleben ein sinnvolles und ausreichendes Ziel ist, ist dagegen eine ganz andere Frage.

Es grüßt
Andreas

andreas-wendt antworten
Gelöschtes Profil
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Es scheint fast, als wäre der Glaube an die Inspiration der Bibeltexte davon abhängig, dass man es historisch nicht so genau zu fassen kriegt.

Es scheint in den Köpfen so zu sein, ja. Dabei können wir im AT sehen, dass historische Ereignisse in Israel und seiner Umgebung oft als 'von Gott' gedeutet werden, selbst die Eroberungen von Nord- und Südreich und das Exil.

Wenn Gott den König und Eroberer Judas Nebukadnezar als seinen Knecht (zB Jer 27,6) bezeichnet, welche Gründe bleiben dann zB jenes Konzil unter kaiserlicher Führung nicht als 'von Gott' wenigstens in Betracht zu ziehen?

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Arcangel
Beiträge : 4412
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Dem gegenüber steht oft ein Argument, das ungefähr so geht: Wir wissen doch zumindest beim Neuen Testament, wie es zur Zusammenstellung des Kanons kam. Das war ein Konzil, wir wissen, wer daran beteiligt war, welche Kriterien sie anlegten, sogar, ob sie damit aller Wahrscheinlichkeit nach richtig lagen oder nicht. Außerdem hatte ein Kaiser den Vorsitz, also ist zumindest ein machtpolitischer Aspekt nicht ganz auszuschließen.
Also, so wird häufig aus dieser Kenntnis geschlossen, ist das mit der Inspiration und Vertrauenswürdigkeit doch nicht so sicher.
(Okay, das wird manchmal noch radikaler formuliert.)
Oft erlebe ich, dass Vertreter der erstgenannten Position dem etwas ratlos gegenüber stehen.

Vertreter der erstgenannten Position die sich auch nur 5 Minuten mit dem Thema beschäftigt haben werden diesem Argument entgegnen das dies nur der letzte Akt eines jahrhundertelangen Prozesses gewesen ist. Was kanonisch ist und was nicht wird seit dem 2Jhr diskutiert und erst im 4 Jhr festgelet.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

(Dass historisch die Kanonbildung ein längerer Prozess war und das entsprechende Konzil eher eine Ratifizierung als eine Festlegung war, lasse ich hier mal außenvor.)

und genau dies sollte man eben nicht aussen vorlassen, denn dieses Argument entkräftet das erste Statment .

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Meine Frage ist, ob ich damit einigermaßen die Positionen richtig verstanden habe.

Da magst du zwei Pole etwas beschrieben haben, aber es gibt durchaus noch viele Varianten dazwischen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Meine These wäre dazu, dass diese Fronstellung so nicht sein muss.
Das Wirken des Heiligen Geistes entzieht sich nicht nur historischer Forschung, sondern oft auch menschlichen Erfahrungen. Was Menschen im Glauben an Gott und unter Gebet um seine Leitung tun, kann vom Geist geleitet sein, ohne dass Menschen es merken. Willenlosigkeit und prophetische Ekstase sind nur eine Möglichkeit, wie Menschen sein Wirken erleben. Oft wirkt er, ohne dass Menschen es erleben.

Ich halte es da mit den alten Kelten. Die sowohl im Grossen Buch der Schöpfung (der Natur) als auch im Kleinen Buch der Schöpfung (der Bibel) lassen und Gottes Offenbarung erkannten. Ich denke wir tun uns einen Bärendienst, wenn wir das natürliche fassbare historische vom Geistlichen trennen. Es war ja gerade die Kraft der ersten Christen, das der Tod Jesu nicht in eine Frühe Mystische unbekannte Zeit viel. Sondern das sie einen Ort und eine Zeit nennen konnten der Real war und Menschen konnten einen Bezug dazu schaffen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Dieses Wirken würde beim Neuen Testament mindestens bis zu den Synoden von Rom, Hippo und Karthago gehen, beim AT wäre es noch ein bisschen komplizierter.

Und die geht ja durchaus noch weiter. So hat sich Luther bei seiner Übersetzung auf fehlerbehaftet quellen gestützt. Wenn moderne Übersetzungen wieder zurück zu orginaleren Quellen kommen und ganze Verse aus der Bibel "Verschwinden" dann geht der Prozess, das Gott über sein Wort wacht weiter. Ironischerweise sind es die Kreise die am vehementesten an der wortwörtlichen Inspiration festhalten und jegliche historische Entwicklung ablehnen, diejenigen die an den Fehlerhaften alten Übersetzungen festhalten.

arcangel antworten
didimus
Beiträge : 571
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

(Dass historisch die Kanonbildung ein längerer Prozess war und das entsprechende Konzil eher eine Ratifizierung als eine Festlegung war, lasse ich hier mal außenvor.)

Das ist aber gerade das Problem der zweiten Extremposition. Die tut so, als wäre die Bibel im 4. Jahrhundert quasi vom Himmel gefallen, also aus dem Nichts von Kaiser und Macht-Kirche bestimmt, was so überhaupt nicht stimmt.

Aber gerade das wird oft als Gegenargument gegen die Bibel verwendet, weswegen ich es wichtig finde, diese Position zu "bekämpfen".

Mein Glaube schöpft eigentlich daraus, dass ich beides betrachten kann: Die göttliche Inspiration, die mir (und den ersten Christen, die die Texte gesammelt haben) in den Worten des Textes "entgegenkommt" und die historische Nachvollziehbarkeit.

Man sammelte im ersten Jahrhundert die Texte, weil man sie als inspiriert sah, aber auch, weil man ihnen aufgrund ihrer Autoren (deren Schüler man war) vertraute. Und von da aus zieht sich eine Spur bis zur Bestimmung des Kanons.

Also die Bibel ist vertrauenswürdig auf der göttlichen Linie und (natürlich nur bis zu einem gewissen Grad, sonst wäre alles ein Beweis) auf der menschlichen.
(Im Gegensatz zum hier erwähnten Buch Mormon, dessen Ursprung sich als früher Fantasyroman herausgestellt hat - und diverse andere fragwürdige Begebenheiten bei seiner Entstehung.)

Gruß,
Didimus.

didimus antworten
10 Antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1807

Hi!

Veröffentlicht von: @didimus

Aber gerade das wird oft als Gegenargument gegen die Bibel verwendet, weswegen ich es wichtig finde, diese Position zu "bekämpfen".

Verständlich.

Veröffentlicht von: @didimus

Man sammelte im ersten Jahrhundert die Texte, weil man sie als inspiriert sah, aber auch, weil man ihnen aufgrund ihrer Autoren (deren Schüler man war) vertraute.

Das würde in letzter Konsequenz heißen, dass, wenn es je zweifelsfrei belegt werden sollte, dass eine der Autorenangaben nicht stimmte, dieser Text irrtümlich in den Kanon aufgenommen wurde und heute da raussollte?

Oder ist es egal? Oder können wir den uns unbekannten Redaktoren und ihren vermuteten Kriterien mehr vertrauen als den uns bekannten Exegeten und ihren bekannten Kriterien?
Das würde dann wieder darauf hinauslaufen, dass es leichter ist, die göttliche Autorität der Bibel zu glauben, je mehr uns bei der Kanonbildung unbekannt ist. Es ist jetzt halt historisch nachgewiesen, dass wir vieles nicht wissen, und damit scheint die Extremposition "Weil wir's genau wissen, kann's nicht göttlich sein" bekämpft.
Sie ist es aber gar nicht. Denn ich sehe das eigentliche Problem nicht bei der Behauptung, es genau zu wissen, sondern bei der Schlussfolgerung, dass man deshalb die Offenbarung Gottes in der Bibel nicht glauben könne. Indem Du mit guten historischen Argumenten zeigst, was wir alles nicht wissen (nämlich wer wann mit welcher Begründung welchen Text als göttlich ansah), stärkst Du im Grunde diese Schlussfolgerung.

Mir geht es mehr darum, theologisch zu zeigen, warum (wenn auch nur hypothetisches) historisch genaues Wissen und all das, was ich unter der Überschrift "Inspirationsglaube" zusammenfasse, sich nicht ausschließen. Und das geht lässt sich halt besser an der Extremposition zeigen.

andreas-wendt antworten
didimus
(@didimus)
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Beiträge : 571

Servus!

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Das würde in letzter Konsequenz heißen, dass, wenn es je zweifelsfrei belegt werden sollte, dass eine der Autorenangaben nicht stimmte, dieser Text irrtümlich in den Kanon aufgenommen wurde und heute da raussollte?

Eigentlich ja.
Markion hat ja im 2. Jahrhundert ein paar Texte gefälscht. Wenn die versehentlich in den Kanon aufgenommen worden wären, dann wäre ich tatsächlich dafür, sie wieder zu entfernen.

Meiner Ansicht nach muss das NT auch irdisch gesehen vertrauenswürdig sein. Und man mag mich als Schwärmer sehen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass das auch Gottes Ziel ist. Als im 19. Jahrhundert die Bibelkritik so aus den Fugen geriet, dass man die Texte am liebsten ins 3. Jahrhundert datiert hätte, tauchten dann Beweise auf, dass alles doch viel älter und damit näher am Geschehen wäre - und damit vertrauenswürdiger, was natürlich nicht allen schmeckte.

Und so erwarte ich nun tatsächlich, dass wir wieder einmal etwas finden werden, das die Texte auch wissenschaftlich gesehen in das rechte Licht rückt. Es wird nie zu einem Beweis kommen, aber, so meine ich, es wird wieder mehr zur Entscheidung zwingen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Das würde dann wieder darauf hinauslaufen, dass es leichter ist, die göttliche Autorität der Bibel zu glauben, je mehr uns bei der Kanonbildung unbekannt ist.

Mhm. Das klingt aber so, als würdest Du erwarten, dass die Wahrheit über die Kanonbildung uns nicht gefallen würde.

Ich sehe das aber so, dass die ersten Christen sohwohl die Autorität als auch den Inhalt beachtet hatten. Der Text war von jemanden mit direkter Verbindung zu Jesus oder zumindest den Aposteln und sprach zu den Menschen.

Letzteres ist ein Wirken des heiligen Geistes, aber ersteres ist durchaus auch un-geistig nachvollziehbar. Letzteres, also die Inspiration, war im Text, bevor noch irgendjemand geplant hatte, heilige Schrift zu bündeln. Und deswegen haben wir schon fast fertige Kanons im 2. Jahrhundert. Weil sich das sehr schnell bei den meisten Schriften herauskristalisiert hat, ob sie inspiriert und mit Autorität sind.

Daher finde ich Deine zweite Extremposition eben etwas problematisch. Der Kanon ist kein Neu-Produkt des vierten Jahrhunderts, sondern ist schon im 2. fast fertig. Weil auch in der Kanonbildung neben Fragen nach Autorität und Autor die Suche nach "was wird in den Gemeinden gelesen" eine Rolle spielte.

Und da greifen weltliche und geistige Prozesse ineinander, was vielleicht auch die Dauer erklärt.

Gruß,
Didimus.

didimus antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1807
Veröffentlicht von: @didimus

Mhm. Das klingt aber so, als würdest Du erwarten, dass die Wahrheit über die Kanonbildung uns nicht gefallen würde.

Nein, ich stelle fest, dass dies faktisch bei vielen Christen so ist, dass sie immer weniger Wirken des Geistes annehmen können, je genauer die historischen Informationen werden. Und zwar in beiden Lagern.
Und ich verstehe nicht, warum.

andreas-wendt antworten
didimus
(@didimus)
Beigetreten : Vor 23 Jahren

Beiträge : 571
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Nein, ich stelle fest, dass dies faktisch bei vielen Christen so ist, dass sie immer weniger Wirken des Geistes annehmen können, je genauer die historischen Informationen werden. Und zwar in beiden Lagern.

Das weiß ich nicht, warum, aber ich hätte eher angenommen, dass diese Menschen apologetisch uninformiert sind, und auf die Anklage "Die Bibel wurde 400 Jahre nach der Kreuzigung zusammengestellt" nichts antworten konnten, außer "der Heilige Geist war's!".

Also einfach aus Angst, dass jede nicht übernatürliche Antwort der Gegenseite noch mehr Munition liefern würde.

didimus antworten
Gelöschtes Profil
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Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

Das würde in letzter Konsequenz heißen, dass, wenn es je zweifelsfrei belegt werden sollte, dass eine der Autorenangaben nicht stimmte, dieser Text irrtümlich in den Kanon aufgenommen wurde und heute da raussollte?

Ist das nicht beim Nestle-Aland so?

Ein konkretes Beispiel wäre die Pericope Adulterae - Jesus und die Ehebrecherin in Joh 7,53–8,11.
Ich wäre dafür sie rauszunehmen.

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andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1807
Veröffentlicht von: @billy-shears

Ich wäre dafür sie rauszunehmen.

Ich nicht.
Bis zu welcher Redaktionsschicht würdest Du sagen, dass der Heilige Geist gewirkt hat?

Aber ich überlege gerade, ob gerade die Idee, dass der Kanon abgeschlossen ist und kein Argument das ändern kann, dazu führte, dass manche deutschen Theologen exegetisch ziemlich gewildert haben - weil sie ja wussten, dass sie an der Grundlage nichts ändern.

Auch andersherum: Ich muss gerade daran denken, wie Prof. Jüngel in Tübingen erzählte "Mein Freund Martin Hengel würde zu gerne noch einen weiteren echten Paulusbrief entdecken. Ich sagte ihm, das würde nichts bedeuten, da dieser ja nicht im Kanon wäre. Da wurde er etwas unwillig."

andreas-wendt antworten
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Jesus und die Ehebrecherin / Echte Jesusworte im EvTh

Veröffentlicht von: @andreas-wendt
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich wäre dafür sie rauszunehmen.

Ich nicht.
Bis zu welcher Redaktionsschicht würdest Du sagen, dass der Heilige Geist gewirkt hat?

Naja, wie soll man überhaupt festmachen ob und wie der Heilige Geist gewirkt hat?
Ich würde im NT(!) immer auf die älteste greifbare Version zurückgehen (Vorentwürfe werden wohl kaum gefunden werden), nicht weil ich ein kontinuierliches Wirken des Heiligen Geistes ausschließen würde, sondern weil mich ja in erster Linie der Inhalt interessiert und die Situation, Umgebung etc. in der dieser Inhalt entstand.

Um beim Beispiel der Pericope Adulterae - Jesus und die Ehebrecherin zu bleiben: Ja, es ist eine gute Pericope, sie hat sicherlich schon viele Menschen inspiriert, sie wird auch gerne in Diskussionen hier auf J.de erwähnt wenn es um sexuelle Sünden geht...
Aber mir persönlich wirkt sie zu sehr wie ein Fremdkörper. Es mag sein, dass diese Situation wirklich stattgefunden hat, aber in den Jahrhunderten bis sie ins EvJoh einging, müsste sie, denke ich, doch arg durch den Fleischwolf gedreht worden sein, denn mir begegnet dort ein Jesus, den ich sonst nirgendwo finde: beinahe geistesabwesend schreibt er mit dem Finger in die Erde, und nach einem weisen Spruch, bekommt er nicht mit wie alle Leute weggehen. Das klingt mir zu sehr nach griechischem Philosophen als nach dem Zimmermann aus Nazareth.
Daher würde ich sie rausnehmen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Auch andersherum: Ich muss gerade daran denken, wie Prof. Jüngel in Tübingen erzählte "Mein Freund Martin Hengel würde zu gerne noch einen weiteren echten Paulusbrief entdecken. Ich sagte ihm, das würde nichts bedeuten, da dieser ja nicht im Kanon wäre. Da wurde er etwas unwillig."

Es gibt ja quasi bereits einen Fall, nämlich das Thomasevangelium. In der Kanonbildung (zurecht) nicht aufgenommen, soll es trotzdem echte, vorher unbekannte Jesusworte enthalten.
Wie wurde damit seit dem umgegangen? Da würde ich Prof. Jüngel zustimmen, es bedeutet nichts.

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Deborah71
(@deborah71)
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Veröffentlicht von: @billy-shears

Um beim Beispiel der Pericope Adulterae - Jesus und die Ehebrecherin zu bleiben: Ja, es ist eine gute Pericope, sie hat sicherlich schon viele Menschen inspiriert, sie wird auch gerne in Diskussionen hier auf J.de erwähnt wenn es um sexuelle Sünden geht...
Aber mir persönlich wirkt sie zu sehr wie ein Fremdkörper. Es mag sein, dass diese Situation wirklich stattgefunden hat, aber in den Jahrhunderten bis sie ins EvJoh einging, müsste sie, denke ich, doch arg durch den Fleischwolf gedreht worden sein, denn mir begegnet dort ein Jesus, den ich sonst nirgendwo finde: beinahe geistesabwesend schreibt er mit dem Finger in die Erde, und nach einem weisen Spruch, bekommt er nicht mit wie alle Leute weggehen. Das klingt mir zu sehr nach griechischem Philosophen als nach dem Zimmermann aus Nazareth.
Daher würde ich sie rausnehmen.

Nunja.... in der Geschichte steckt wesentlich mehr drin, als das, was du hier erwähnst...

geistesabwesend? denke ich eher nicht.. den es wird bewusst vom mit dem Finger schreiben geschrieben. Ein scheinbar unwichtiges Detail..... bis man drauf kommt, dass da eine Parallele zum Finger Gottes, dem Heiligen Geist gezogen werden kann. (Mt 12,28; Lk 11,20)
Jesus war eher im Heiligen Geist geistesanwesend, statt geistesabwesend.

Noch eine Parallele:
Der Finger Gottes schrieb die erste Version der Steintafeln mit den 10 Geboten.
War die herausfordernde Frage nicht auch auf eines der Gebote bezogen: Du sollst nicht ehebrechen?

Ausserdem hat er voll mitbekommen, wie die Typen abgezogen sind... einer nach dem anderen....und hat abgewartet, bis er mit der Frau alleine sprechen konnte....

Der Ort, wo das stattfand spricht ebenso Bände.... und Jesus wird hier als Richter und Begnadiger sichtbar.... ER steht als Richter über den Anklägern, die sich als Richter aufspielen wollten....

Es ist eine grandiose Story.... ob es den Typen evtl ansatzweise gedämmert hat, wen sie da vor sich hatten?

Je mehr ich mich mit dieser Story beschäftige, umso intensiver gehen mir die Details und Querverbindungen auf und bringen mich zum Staunen und Anbeten...

deborah71 antworten
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Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002
Veröffentlicht von: @deborah71

Nunja.... in der Geschichte steckt wesentlich mehr drin, als das, was du hier erwähnst...

Ich habe mich auf die Details beschränkt, die sich mit den anderen Überlieferungen über Jesus mMn am meisten beissen.

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Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 22986

Für mich beisst sich da nichts.... es würde echt was fehlen in der Bibel, wenn diese Story rausgenommen würde.
Das ist so eine krasse Nummer, die die Schriftgelehrten da abziehen.... nein, diese Geschichte muss bleiben...

deborah71 antworten


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