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Ist Theologie eine Wissenschaft? Projekt an de RUB

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Tojak
 Tojak
Themenstarter
Beiträge : 402

Einst galt Theologie als Krone der Wissenschaft. Dieser Status ist längst verloren, heute wird immer häufiger die Frage gestellt, ob Theologie überhaupt eine Wissenschaft ist. Ich selbst bin in dieser Frage nur milde skeptisch, weil ich die akademische Ausbildung der Theologen als einen Vorteil der Großkirchen ansehe, weil ich schon der Meinung bin, dass jemand, der Theologie studiert hat, wissenschaftliches Arbeiten mit den Methoden der Geistes- und Kulturwissenschaften gelernt hat und weil ich Theologie als eine Art spezieller Brückendisziplin zwischen Literaturwissenschaft, Altphilologie, Philosophie, Psychologie und Soziologie (Religionssoziologie) durchaus akzeptieren kann.

Trotzdem kommt natürlich immer wieder die Grundfrage nach Gott ins Spiel und da ist es dann mit der wissenschaftstypischen Rationalität und Neutralität vorbei. Das wird von außerhalb der Theologie so gesehen, teilweise aber auch von Theologen selbst.

An der Ruhr-Universität in Bochum läuft ein Projekt, in dem geklärt werden soll, ob Theologie eine Wissenschaft ist. Geleitet wird es von Benedikt Göcke.

Dabei wird unter anderem auf folgende Typen von Einwänden eingegangen:

1.Transzendentes wie Gott oder Engel kann per se nicht wissenschaftlich behandelt werden.
2.Theologische Annahmen widersprechen häufig naturwissenschaftlichen, aber auch historischen Annahmen.
3.Revidierbarkeit von Grundlagen und Theorien im Licht neuer Erkenntnisse eines der wichtigsten Merkmale von Wissenschaft. Bei Dogmen erscheint das kaum möglich.

Unter dem folgenden Link gibt es einen Zwischenstand dazu.

https://news.rub.de/wissenschaft/2018-02-08-theologie-der-streit-um-gott

Was haltet Ihr davon?

Tojak

Nachtrag vom 04.02.2020 1329
Ein Fehler hat sich eingeschlichen. Es sollte in der Überschrift natürlich an der RUB heißen.

Antwort
66 Antworten
Anonymous
 Anonymous
Beiträge : 0

Hallo Tojak

Ein kurzer Nachschlag über Theologie bei Wikipedia ließ mich bei dem Begriff "Theologie als theoretische Wissenschaft" haltmachen .

Obwohl sich bei mir bei diesem Begriff alle Nackenhaare sträuben denke ich mir , das er dem Verständnis von Theologie als Wissenschaft am nächsten kommt .

Also eine Wissenschaft "über Gott" die nur im theoretischen Bereich angesiedelt ist .

Da ich mit Physik und Bio LK im Naturwissenschaftlich greifbaren verwurzelt bin . In Physik nur etwas nachvollziehbares und beweisbares akzeptiert wird ( q. e. d. ) . Habe ich etwas Schwierigkeiten mit der theoretischen Theologie . Wenig greifbares oder beweisbares .

Das was die Theologie allerdings hervorrragend kann ist . Das menschliche , greifbare ( geschichtlich , politisch , geographisch , zwischenmenschlich ) aus der Bibel herausfiltern und analysieren .

Sorry . Theologie als einen Wegfinder zu Gott zu sehen führt dahin auf menschlicher Ebene zu bleiben . Gott höchstens als "Rahmen" der Kirche zu sehen . Nicht als Bildinhalt .

Ich bin kein Theologe . Wer meine Threads studiert wird mich als Hardliner sehen . Ich kenne die Bibel und ihre Tücken . Sie ist ( bes. das NT ) nicht analysierbar . Wenn man es ernsthaft tut muß man viel zu viele Spagate machen um ein halbwegs akzeptierbares Konstrukt zu entwickeln . Nur um dann wieder erkennen zu müßen , das ein anderer die Sache wieder ganz anders sieht .

Manche sehen darin kein Problem .

Gruß

Lebendiger

Anonymous antworten


Arcangel
Beiträge : 4409

Muss oder will sie überhaupt Wissenschaft sein.
Für mich schwingt bei dieser Debatte irgendwie die Frage der Legitimation mit, wenn Theologie Wissenschaft ist, ist sie legitim ansonst eben nicht.

Aber der Theologie oder dem Theologen kann dies eigentlich egal sein, ob sie legitimiert wird oder nicht.

arcangel antworten
2 Antworten
Tojak
 Tojak
(@tojak)
Beigetreten : Vor 12 Jahren

Beiträge : 402
Veröffentlicht von: @arcangel

Aber der Theologie oder dem Theologen kann dies eigentlich egal sein, ob sie legitimiert wird oder nicht.

Wenn man einen Lehrauftrag an einer Universität haben will, kann einem das durchaus nicht egal sein.

tojak antworten
Arcangel
(@arcangel)
Beigetreten : Vor 22 Jahren

Beiträge : 4409

Das ist die grosse Frage. Wie legitimiert sich Theologie als Fach an einer Universität. Als Wissenschaft wohl eher nicht. Teil Bereiche der Theologie und einige Methoden mögen wissenschaftlich sein. Aber die Lehre von Gott kann nicht wissenschaftlich sein.

Die Theologie (oder besser der Theologe) muss ihre (seine) Legitimation an einer Universität also andern Ortes hole.

arcangel antworten
andreas
Beiträge : 1806

Die Frage des "Gegenstandes"
Immer wieder schwingt mit, dass eine Wissenschaft einen Gegenstand haben muss, dessen Existenz - wie nennen wir es am besten? - unumstritten ist.
(Ich klammere jetzt einfach mal jede erkenntnistheoretische Diskussion aus, wenn es okay ist.) Also einen Gegenstand, der den menschlichen Erkenntnismethoden zugänglich ist, ohne dass sie vorher eine Glaubensentscheidung getroffen haben müssen.

Und das ist für die Theologie ein Problem.

Ist ihr Gegenstand Gott, dann kann Theologie eigentlich gar keine Wissenschaft sein wollen. Denn ein Gott, der unseren Erkenntnismöglichkeiten unterworfen wäre, wäre eben genau das - unterworfen. Und damit nicht mehr das, was die Theologie unter dem Wort "Gott" versteht.

Das scheint der Theologie schon länger bewusst zu sein. Zumindest hat sie ja auch immer wieder etwas zum Gegenstand, dessen Existenz nicht bestreitbar ist. Etwa die historisch entstandene Sammlung von Schriften, die wir "Bibel" nennen. Oder die Existenz einer christlichen Glaubensgemeinschaft samt ihrer Geschichte. Oder das fromme Selbstbewusstsein.

So kann Theologie durchaus zu belast- und falsifizierbaren Aussagen darüber kommen, was "christlich" ist. Als Wissenschaft muss sie sich halt einer Aussage darüber enthalten, dasss "christlich"="wahr".

Theologie wäre in dieser Hinsicht ein Oberbegriff für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen wie Religionsphänomenologie, Religionspsychologie, Religionsgeschichte, Archäologie, Literaturwissenschaft religiöser Texte, ...

In dem Fall hätte sie sich zwei Fragen zu stellen:
a) Warum der Name "Theologie"?
b) Warum all das begrenzt auf eine Religion, ja oft sogar Konfession? (Ja, es kam auch Islamkunde vor, aber das ist nicht dasselbe.)

Man kann das pragmatisch beantworten: Die Disziplinensammlung braucht halt einen "catchy" Oberbegriff, und wenn man keine sinnvolle Begrenzung zieht, wird man nie fertig.
Aber wissenschaftlich (!) befriedigend sind diese Antworten irgendwie nicht.

andreas-wendt antworten
25 Antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Das scheint der Theologie schon länger bewusst zu sein. Zumindest hat sie ja auch immer wieder etwas zum Gegenstand, dessen Existenz nicht bestreitbar ist. Etwa die historisch entstandene Sammlung von Schriften, die wir "Bibel" nennen. Oder die Existenz einer christlichen Glaubensgemeinschaft samt ihrer Geschichte. Oder das fromme Selbstbewusstsein.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

So kann Theologie durchaus zu belast- und falsifizierbaren Aussagen darüber kommen, was "christlich" ist. Als Wissenschaft muss sie sich halt einer Aussage darüber enthalten, dasss "christlich"="wahr".

Zuerst eine Randbemerkung: Du sprichst hier über christliche Theologie, bzw. über mehrere unterschiedliche Varianten christlicher Theologie, im deutschen Akademiebetrieb mindestens die katholische und die evangelische Theologie.

Wenn Du davon sprichst, dass die Theologie schon immer einen Gegenstand gehabt habe, und als Beispiele dann die Bibel oder andere christliche "Grundlagenschriften" nennst, wirst Du zugeben, dass damit z.B. eine jüdische oder eine islamische oder hinduistische oder buddhistische Theologie nicht gemeint sein kann. Ich erwähne dies nur, um (was Du ja nicht bestritten hast) nochmal das Augenmerk darauf zu richten, wie schwierig es ist, den Gegenstand der Theologie an sich zu benennen.

Und wenn Du nun behauptest, die Theologie könne zu belast- oder falsifizierbaren Aussagen darüber, was "christlich" ist, kommen, so möchte ich nachfragen: wie ließen sich denn entsprechende Aussagen falsifizieren? Alles, was die Theologie eigentlich tun kann, ist, Aussagen von Leuten darüber, was christlich sei, zu sammeln und dann statistisch oder hinsichtlich der Kohärenz dieser Aussagen auszuwerten. Ist dann christlich, was selbsterklärte Christen in dieser Zeit mehrheitlich als christlich bezeichnen? Oder ist das christlich, was sich falsifizierbar zwingend aus bestimmten Grundlagentexten ergibt? Kann beispielsweise die Theologie den historischen Streit zwischen Hussiten und Katholiken klären? Waren die Positionen der Quäker falsifizierbar christlich, sind es die Positionen der Charismatiker nicht? Dass Evangelikale und Katholiken sich immer mal wieder gegenseitig absprechen, christliche Positionen zu vertreten, dafür fallen uns allen reichlich Beispiele ein. Wie kann da die Theologie belastbare Urteile fällen?

Nein, mir scheint, wenn ich drüber nachdenke, es doch eher so, dass die Theologie hier nur phänomenlogische Aussagen machen kann, wie es in den Kulturwissenschaften gang und gäbe ist. "Als christlich wird von den sich selbst als christlich verstehenden Institutionen/Personen/Bevölkerungsgruppen ABC verstanden, als unchristlich XYZ."
Erst, wenn vorherwillkürliche numerische Relevanz-Größen einführt (christlich ist das, was 51% aller selbsterklärten Christen dafür halten) wurden, kann man Deiner Behauptung zustimmen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Theologie wäre in dieser Hinsicht ein Oberbegriff für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen wie Religionsphänomenologie, Religionspsychologie, Religionsgeschichte, Archäologie, Literaturwissenschaft religiöser Texte, ...

Mein Reden - und damit wäre sie eine ziemliche Mogelpackung, falls man sie als "Oberbegriff" versteht. Genaugenommen wäre sie eher ein Sammelsurium von Teilbereichen der genannten Disziplinen. Der Theologiestudent würde mal literaturwissenschaftlich arbeiten, mal archäologisch, mal psychologisch, soziologisch oder geschichtswissenschaftlich oder....
Theologisch würde er nur da arbeiten, wo er nicht wissenschaftlich, sondern dogmatisch, bzw. ideologisch arbeitet: dort, wo nicht die Chance (oder, man gestatte mir die Ironie: die Gefahr) besteht, tatsächlich Wissen zu generieren.
Zugespitzt ließe sich sagen: immer in den Momenten, in denen der an einer theologischen Fakultät eingeschriebene Student sich theologisch betätigt, betätigt er sich unwissenschaftlich.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

In dem Fall hätte sie sich zwei Fragen zu stellen:
a) Warum der Name "Theologie"?
b) Warum all das begrenzt auf eine Religion, ja oft sogar Konfession? (Ja, es kam auch Islamkunde vor, aber das ist nicht dasselbe.)

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Man kann das pragmatisch beantworten: Die Disziplinensammlung braucht halt einen "catchy" Oberbegriff, und wenn man keine sinnvolle Begrenzung zieht, wird man nie fertig.

Diese Beantwortung ist nur insofern pratmatisch, als man mit dem Geben einer beliebigen Antwort schon mal der juckenden Dringlichkeit der Frage ein bisserl an Intensität genommen hat.

Aber sie scheint mir doch die Frage nicht wirklich ernst zu nehmen.
Begründung: wäre die "Catchyness" ein relevanter Faktor oder gar ausschlaggebender Grund, gäbe es den Begriff "Theologie" noch nicht allzu lang. Aber es gibt ihn nun schon seit Jahrhunderten, und wir wissen darüber hinaus, dass einst die Theologie als Königsdisziplin der Wissenschaften galt.
Und damals war das, was Du hier zugestehst, eben noch kein common sense: dass der Gegenstand Gott ein fragwürdiger, nicht evidenter Gegenstand sei.

Darüber hinaus war ein dem heutigen wissenschaftlichen Arbeiten auch nur annähernd ähnelndes Arbeiten über Jahrhunderte hinweg praktisch ausschließlich unter religiöser Aufsicht möglich. Nur in den Klöstern gab es sowas wie Wissenschaft, wie die Systematisierung und Tradierung abstrakten Denkens. Wer dem religiösen Dogma widersprochen hätte, hätte praktisch kein Arbeitsumfeld gefunden, um wissenschaftlich zu arbeiten.

Also ließe sich sagen, dass Theologie aus Traditionsgründen als Wissenschaft betrachtet, bzw. behandelt wird. Und das läßt sich dann ja im Einzelnen auch historisch gut rekonstruieren. Wie die (unterschiedlichen) Theologien ihren Stammplatz in der deutschen staatlich organisierten Hochschullandschaft ergatterten, darauf hatte, glaube ich, Tojak schon hingewiesen, Stichwort "Bismarck". Es gab also auch (auch?! hahaha! ) politische Faktoren dafür, der Theologie das Gütesiegel "wissenschaftlich" zu belassen, obgleich sie es inzwischen nicht mehr wirklich verdient. Wäre die Bezeichnung "wissenschaftlich" so geschützt wie der Michelin-Stern, sie wäre der Theologie inzwischen aberkannt worden.

Hier haben wir den zweiten Faktor, dessentwegen sich Theologen oft selbst gern als Wissenschaftler sehen und präsentieren (unser aller Deutscher Ratzinger war/ist ja ein prominentes Beispiel jener, die sich in der Rolle des wissenschaftlichen Gelehrten gefielen): der Begriff "wissenschaftlich" ist nun mal gründlich positiv konnotiert. Jede Marmeladenmarke streicht heute in der Werbung voller Stolz den wissenschaftlich geprüften Patentschraubverschluß ihrer Kontitürengläser heraus und "Wissenschaftler" mit einem Dr. vornedrangeklebt, klären uns während der Halbzeitpause darüber auf, warum die Zahnpasta XYZ besonders gut zwischen die bösen Plaque-Batzen zu schlüpfen vermag. "Wissenschaftlich erwiesen" klingt eben überzeugender als "theologisch verbürgt".

Wollten die Leute in der Vergangenheit etwas darüber wissen, wie die Welt funktioniert, so fragten sie den Geistlichen (Theologen) ihres Vertrauens. Heute fragen sie, wenn sie wirklich an wahren, tragfähigen Antworten interessiert sind, die Wissenschaftler - weil denen mehr Expertise zugetraut wird.

Das geht soweit, dass fromme Evangelikale in Sachen Argumentation wider den Darwinismus begeistert den Verlautbarungen eines Informatikers folgen, der von Evolutionsbiologie wenig bis gar nichts versteht: immerhin ist er Wissenschaftler und hat sogar mal an renommierten wissenschaftlichen Instituten gearbeitet!

Das argumentum ad auctoritatem ist in Kreisen der Gläubigen nun mal ein probates Mittel, Autoritätsgläubigkeit ist ja gewissermaßen eine conditio sine qua non im religiösen Bereich. Und die Wissenschaft hat sich nun mal - den technologischen Innovationen aus den naturwissenschaftlichen Disziplinen sei dank - eine immense Autorität aufgebaut.
Auf die Nutzung dieses Potentials zu verzichten, wäre aus marktstrategischen Gesichtspunkten für die Vertreter der religiösen Instiutionen eine unverzeichliche Dummheit. Solange niemand deutlich und laut genug ein für allemal klar macht, wie wenig weit es mit der Wissenschaftlichkeit der Theologie her sei, werden Vertreter des religiösen Geschäfts mehrheitlich den Teufel tun, dem geschenkten Gaul in's Maul zu schauen: "Die Leute betrachten die Theologie als Wissenschaft, das kann uns, bzw. unserem Ansehen nur gut tun - warum sollten wir sie über ihren Irrtum aufklären?"

Anonymous antworten
Tojak
 Tojak
(@tojak)
Beigetreten : Vor 12 Jahren

Beiträge : 402

Bismarck-Erwähnung

Veröffentlicht von: @blackjack

Wie die (unterschiedlichen) Theologien ihren Stammplatz in der deutschen staatlich organisierten Hochschullandschaft ergatterten, darauf hatte, glaube ich, Tojak schon hingewiesen, Stichwort "Bismarck".

Der Verweis auf Bismarck kam von Andreas-Wendt (Anmerkung vom 4.2. 15:48).

tojak antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0

Upps - ja, Du hast recht! Da brauchte ich dem Andreas gegenüber das ja gar nicht großartig erwähnen. *schäm*

Anonymous antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1806
Veröffentlicht von: @blackjack

Und wenn Du nun behauptest, die Theologie könne zu belast- oder falsifizierbaren Aussagen darüber, was "christlich" ist, kommen, so möchte ich nachfragen: wie ließen sich denn entsprechende Aussagen falsifizieren? ...
Ist dann christlich, was selbsterklärte Christen in dieser Zeit mehrheitlich als christlich bezeichnen? Oder ist das christlich, was sich falsifizierbar zwingend aus bestimmten Grundlagentexten ergibt? Kann beispielsweise die Theologie den historischen Streit zwischen Hussiten und Katholiken klären? Waren die Positionen der Quäker falsifizierbar christlich, sind es die Positionen der Charismatiker nicht?

(Zitat von mir gekürzt.)
Genau das sind die Fragen, über die theologisch zu streiten ist. Sind die Kriterien für "christlich" eher religionsphänomenologische oder historische oder literarische?

Veröffentlicht von: @blackjack

Dass Evangelikale und Katholiken sich immer mal wieder gegenseitig absprechen, christliche Positionen zu vertreten, dafür fallen uns allen reichlich Beispiele ein.

Stimmt, und sie tun es begründet. Und wenn sie so weit kommen (bei j.de seltene Sternstunden, aber akademisch der Regelfall) zu merken, dass sie unterschiedliche Kriterien anlegen, wird auf der Metaebene weiter argumentiert, welche Gründe für welches Kriterium sprechen.

Ich weiß nicht, ob das in der Naturwissenschaft so geschieht, aber in Geisteswissenschaften fängt es eigentlich erst ab der Stelle an, Spaß zu machen.

Veröffentlicht von: @blackjack

wäre die "Catchyness" ein relevanter Faktor oder gar ausschlaggebender Grund, gäbe es den Begriff "Theologie" noch nicht allzu lang. Aber es gibt ihn nun schon seit Jahrhunderten,

Da muss ich Dich korrigieren, es gibt ihn bereits seit Jahrtausenden.
Verwendet hat ihn schon Aristoteles, der seinerseits Hesiod als Theologen bezeichnete, im Unterschied zu den anderen Philosophen zu dessen Zeit, die er "Physiker" nannte. Bei Aristoteles wurde Theologie sowohl für die philosophische Disziplin der Metaphysik, als auch für den Mythos, die Göttererzählungen, verwendet. (Jan Rohls, Philosophie und Theologie in Geschichte und Gegenwart, S 17.)
Der Begriff der Theologie mit durchaus einer gewissen Wertung verbunden ist also älter als das Christentum und älter als die Disziplinen, für die das, was heute Theologie heißt, manchmal als Oberbegriff erscheint.

Das Christentum übernahm aus der Philosophie diesen Begriff der Theologie samt einiger philosophischer Kategorien. Das kann man mit knapp 2000 Jahren Rückblick doof finden, aber es erschien den Christen wohl damals angemessen.
Interessant ist dabei, dass z.B. das Judentum das nicht getan hatte. Der jüdische Religionsphilosoph Philo von Alexandrien hat m.W. nicht von Theologie gesprochen - vielleicht weil das Wort zu seiner Zeit noch zu sehr mit der griechischen Götterwelt verbunden war.
Aber außer ihm gab es - stark vergröbert - bis zu Spinoza kein philosophisches Reflektieren über den jüdischen Glauben, und auch der Islam hat so etwas nie entwickelt, Hinduismus und Buddhismus in der Weise auch nicht.
Es ist religionsgeschichtlich vielleicht kein Alleinstellungsmerkmal, aber auf jeden Fall eine Besonderheit des Christentums, dass es überhaupt eine Theologie entwickelt hat. Daher würde ich der Behauptung:

Veröffentlicht von: @blackjack

Theologisch würde er nur da arbeiten, wo er nicht wissenschaftlich, sondern dogmatisch, bzw. ideologisch arbeitet: dort, wo nicht die Chance (oder, man gestatte mir die Ironie: die Gefahr) besteht, tatsächlich Wissen zu generieren.

nicht vollständig zustimmen. Theologische Arbeit ist immer denkende Reflexion des eigenen Glaubens. Wo zu dieser Reflexion Kategorien aus der Philosophie (oder aus dem, was früher alles zur Philosophie gezählt wurde, also der gesamten Geschichts-, Natur- und Literaturwissenschaft) helfen und verwendet werden, ist das durchaus wissenschaftliches Arbeiten.

Aber es ist eben, und da kommen wir möglicherweise in die Diskussion um ein weiteres Kriterium von Wissenschaflichkeit, kein zweckfreies wissenschaftliches Arbeiten.
Zwar ist das Ergebnis der Arbeit keineswegs immer schon ideologisch vorgegeben. Aber das Motiv, sie überhaupt zu betreiben, ist ein anderes als bei den (anderen) Wissenschaften.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mich gerade verrenne oder genial bin oder irgendwo dazwischen, aber vielleicht könnte man es auf diesen Aphorismus bringen:

Jene Wissenschaften wollen ihren Gegenstand immer besser verstehen.
Theologie will ihren Gegenstand (keine Angst, ich komme dazu gleich) immer besser verständlich machen.

Wobei ich mit "Gegenstand" in dem Fall Gott bzw. die göttliche Offenbarung meine. Der Glaube ist überzeugt, diesen Gegenstand bereits besser zu kennen, als es der Verstand je könnte. Aber zielt darauf ab, den Verstand mitzunehmen ("fides quaerens intellectum") und bedient sich darum des besten Instrumentariums, dass es für den Verstand geben kann, spricht darum die Sprache der Philosophie und verschließt sich auch nicht den Geistesentwicklungen aller weiteren Jahrhunderte.
Darin steckt freilich eine theologische (nennen wir es meinetwegen ideologische) Vorentscheidung, nämlich dass das wissenschaftliche Denken kein Feind des Glaubens ist.

Es gibt natürlich Christen, die letzteres anders sehen. Und es gibt Theologen, die versuchen wollen, doch zweckfrei zu arbeiten und damit aber in das andere Problem kommen, dass Theologie im Grunde nur ein Oberbegriff für die Sammlung von Teildisziplinen anderer Wissenschaften ist.

Ich meine also, mit guten Gründen sagen zu können, dass Theologie wissenschaftlich arbeitet. Ob sie eine eigene Wissenschaft ist, scheint mir von noch nicht ganz geklärten anderen Kriterien abzuhängen.

(Was den Nimbus des Wortes "Wissenschaft" angeht, bin ich ganz bei Dir. Ich bin davon sicher auch nicht ganz frei, hoffe aber, dass es meine wissenschaftliche Neutralität nicht beeinträchtigt hat. 😉 )

andreas-wendt antworten
Ungehorsam
(@ungehorsam)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 3336

Theologische Arbeit ist immer denkende Reflexion des eigenen Glaubens. Wo zu dieser Reflexion Kategorien aus der Philosophie (oder aus dem, was früher alles zur Philosophie gezählt wurde, also der gesamten Geschichts-, Natur- und Literaturwissenschaft) helfen und verwendet werden, ist das durchaus wissenschaftliches Arbeiten.

Jene Wissenschaften wollen ihren Gegenstand immer besser verstehen.
Theologie will ihren Gegenstand (keine Angst, ich komme dazu gleich) immer besser verständlich machen.

Wobei ich mit "Gegenstand" in dem Fall Gott bzw. die göttliche Offenbarung meine. Der Glaube ist überzeugt, diesen Gegenstand bereits besser zu kennen, als es der Verstand je könnte. Aber zielt darauf ab, den Verstand mitzunehmen ("fides quaerens intellectum") und bedient sich darum des besten Instrumentariums, dass es für den Verstand geben kann, spricht darum die Sprache der Philosophie und verschließt sich auch nicht den Geistesentwicklungen aller weiteren Jahrhunderte.
Darin steckt freilich eine theologische (nennen wir es meinetwegen ideologische) Vorentscheidung, nämlich dass das wissenschaftliche Denken kein Feind des Glaubens ist.

Danke dafür! So verstehe ich das auch.

ungehorsam antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Da muss ich Dich korrigieren, es gibt ihn bereits seit Jahrtausenden.

Oh, ich wollte zuerst sogar "Jahrtausende" schreiben, hätte aber zur Absicherung so einer Behauptung nochmal etwas zur Begriffsgeschichte recherchieren müssen. Das war mir dann den Aufwand nicht wert, weil "seit Jahrhunderten" im Sinne von "schon ziemlich lange" gemeint war. Deine folgenden Ausführungen nehme ich als interessante Information auf: wieder was gelernt! 😊

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Aber es ist eben, und da kommen wir möglicherweise in die Diskussion um ein weiteres Kriterium von Wissenschaflichkeit, kein zweckfreies wissenschaftliches Arbeiten.
Zwar ist das Ergebnis der Arbeit keineswegs immer schon ideologisch vorgegeben. Aber das Motiv, sie überhaupt zu betreiben, ist ein anderes als bei den (anderen) Wissenschaften.

Ich denke, dass Du hier einen Einschätzungsfehler machst, was die Motivation bei den (anderen) Wissenschaften machst. Denn dass bei jenen ein "zweckfreies" wissenschaftliches Arbeiten vorläge, will ich mal glattweg bestreiten.

Zweckfrei kann, imm alleridealsten Falle, vielleicht die Kunst sein. Dann, wenn der Künstler nicht vom Erfolg abhängig ist und keinem Auftrag folgt. Kommt - soviel sei aus der Praxis durchgestochen - so gut wie nie vor. 😀

Wissenschaft hat immer einen Zweck und zwar nicht etwa den der "Erkenntnis um der Erkenntnis wegen". Dies ist eine "fromme" Konstruktion von Wissenschaftsvertretern, die sich gegen allzu starke Vereinnahmung oder Reglementierung ihrer Forschungstätigkeit wehren möchten.
Der Wissenschaftsbetrieb - da liege ich ganz auf der Linie von Adorno/Horkheimer (dargelegt in ihrer "Dialektik der Aufklärung) ist das systematische Geschäft/Projekt der Machtgewinnung über die Welt. Die "wissenschaftliche Neugier", die mitunter angeführt wird und die angeblich schon in jedem Kind angelegt sei, ist keine zweckfreie Neugier, auch wenn die Einzelnen sich sicherlich nicht immer ihres Zweckes bewußt sein mögen, der aber per Analyse eigentlich nicht schwer zu eruieren ist. Wissen über die Welt wäre schlicht uninteressant, wenn es nicht dabei hülfe, Macht in, bzw. über die Welt zu gewinnen. Was angesichts der notwendigen Regelmäßigkeit von Kontingenzerfahrungen als Bedürfnis in allen Menschen angelegt ist.
Das Ganze läßt sich beinahe schon verdächtig platt anhand der Begrifflichkeit erläutern: Wissen ist sprichwörtlich Macht. Wer also Wissen (er-)schafft, erschafft (so er denn nicht für andere arbeitet: gewinnt) Macht im Sinne von: eine Absicherung wider Kontingenzerfahrungen.
Wenn ich weiß, wie die Welt funktioniert, kann ich mich in Bezug auf sie erfolgreich hinsichtlich meiner Interessen/Ziele verhalten. Wenn ich weiß, wann die Flut im Wattenmeer einsetzt, kann ich meinen Robbenjagdausflug planen und die Beute unertrunken am Lagerfeuer an meine Kinder verteilen. Wenn ich, dank der Entwicklung eines avancierten Marktbewertungsalgorithmus weiß, nach welchem Muster die Immobilienpreise ihre Peaks erreichen, kann ich mir damit einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen (und auf meiner solcherart ergatterten Privatyacht viele fruchtbare Frauen schwängern...). Unsere Gier auf immer weiteres neues Wissen über die Welt (Neugier) ist uns genetisch eingebaut. Und die Wissenschaft ist eigentlich bloß ein besonders effizient entwickeltes Schema, das Wissen, also die Macht über die Welt zu erweitern.
Daraus resultiert das Ansehen der Wissenschaften in ihrer modernen Verfassung: sie sind über die Jahrhunderte immer effizienter darin geworden, den Menschen bei der Beherrschung der (raumzeitlich-kausalen) Welt zu unterstützen. Sie sind also alles andere als zweckfrei. Was Du vermutlich meintest ist, dass eine gute, also optimal effektive wissenschaftliche Forschungsarbeit ergebnissoffen ist. Weil eben - da komme ich nun zu dem von Dir vorgeschlagenen Aphorismus, der genialer noch als von Dir vermutet ist, der Wissenschaft Betreibende etwas verstehen (das er bislang noch nicht verstanden hat!) will, weil sein erstes Ziel Wissen ist. Nicht als Endziel, sondern als Mittel zur Erlangung des Endziels. Nur per Wissen ist Technologieeinsatz möglich und in einer Welt der Konkurrenz ist nur derjenige obenauf, dessen Technologie in der oberen Hälfte der Avanciertheit angesiedelt ist. Im technologischen Rennen nicht abgehängt zu werden, also nicht die eigenen Macht-Räume beschränkt zu bekommen - das ist das Motiv, das hinter der Wissenschaft steht.

Und wenn wir uns unter diesem Gesichtspunkt den zweiten Teil Deines Aphorismus anschauen, wird umso deutlicher, weswegen man die Theologie eben nicht als Wissenschaft bezeichnen kann:

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Theologie will ihren Gegenstand (keine Angst, ich komme dazu gleich) immer besser verständlich machen.

Die Theologie hat ihre Wahrheit eben schon gefunden. Sie meint, nicht mehr wissen zu müssen, als sie schon weiß - und steckt hinfort alle Energie darein, andere davon zu überzeugen, dass das, was sie zu wissen meint, die Wahrheit über die Tatsachen sei.

Am Anfang der Theologischen Arbeit steht das Dogma. Am Anfang der wissenschaftlichen Arbeit steht der Machthunger (ich bitte zu berücksichtigen, dass ich Macht hier immer als einen wertneutralen Begriff verwende im Sinne von: die Ereignisse zielgerichtet beeinflussen zu können) inform von Neugier.
Wissenschaft - wieder nah am Begriff argumentiert - produziert Wissen. Und zwar nicht aus Spaß an der Freud, sondern weil Wissen die gleichsam die immaterielle Form des Werkzeugs ist. Und mit Werkzeugen lassen sich Güter erwirtschaften. Eine sauber und effektiv betriebene Wissenschaft ist wie eine von deutschen Qualitäts-Ingenieuren gebaute Industrieproduktionsanlage: es läßt sich damit sehr viel erwirtschaften.
Eine nicht-ergebnisoffene Wissenschaft ist eben nicht effektiv. Gewünschte Ergebnisse vorzugeben, läuft darauf hinaus, unerwünschte Wahrheiten zu ignorieren - was dann direkt einem Zurückfallen im ewigen Konkurrenz-Rennen entspricht.

Theologie ist ihrem Wesen nach - Dein Aphorismus bestätigt dies indirekt - das genaue Gegenteil von ergebnisoffen. Nicht neues Wissen wird gesucht (und dann auch folgerichtig nicht gefunden oder generiert), sondern das schon (scheinbar) verfügbare Wissen wird verwaltet und verkündet.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich meine also, mit guten Gründen sagen zu können, dass Theologie wissenschaftlich arbeitet.

Und ich meine mit guten Gründen sagen zu können, dass die Arbeitsmethode der Theologie (also des kleinen Bereichs, der so genannten Theologie, der sich mit "dem Göttlichen" oder "der Offenbarung" beschäftigt) nicht wissenschaftlich sein kann, da sie nicht ergebnisoffen ist.
Der Moment, in welchem ein Theologe ernsthaft etwas Neues über Gott herausfände, wäre der, in welchem er sein dogmatisches Fundament verlassen müßte.

Anonymous antworten
Ungehorsam
(@ungehorsam)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 3336

Die Theologie hat ihre Wahrheit eben schon gefunden.

Das wäre aber schlechte Theologie. Für die Theologen und die Gläubigen sollte gleichermaßen gelten, daß sie stets auf der Suche nach der Wahrheit / nach Gott sind. Von manchem Dogma kann man sich getrost verabschieden, dafür werden neue Dogmen formuliert.

ungehorsam antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21566
Veröffentlicht von: @ungehorsam

Für die Theologen und die Gläubigen sollte gleichermaßen gelten, daß sie stets auf der Suche nach der Wahrheit / nach Gott sind. Von manchem Dogma kann man sich getrost verabschieden, dafür werden neue Dogmen formuliert.

Hast du dafür Beispiele?

lucan-7 antworten
Ungehorsam
(@ungehorsam)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 3336

Da muß ich leider passen.

ungehorsam antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21566
Veröffentlicht von: @ungehorsam

Da muß ich leider passen.

Mir fällt da auch nichts ein (auch weil das nun wirklich nicht mein Fachgebiet ist). Aber vielleicht geht deine Behauptung dann doch etwas zu weit?

lucan-7 antworten
Ungehorsam
(@ungehorsam)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 3336

Vielleicht findet sich noch jemand, der kompetent Auskunft geben kann. Im thematisch ähnlichen, von dir eröffneten Thread gab es inzwischen auch sehr erhellende Antworten.

ungehorsam antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1806

Ich weiß jetzt nicht, wie kompetent ich bin, aber ich kann mal sagen, was mir einfällt:

Dafür, dass man sich von manchen Dogmen verabschiedet und neue Dogmen formuliert werden, fällt mir kein Beispiel ein.

Zwar werden in der römisch-katholischen Kirche ganz selten einmal neue Dogmen formuliert, etwa die unbefleckte Empfängnis Mariens (was nicht die Lehre von der Jungfrauengeburt Jesu ist!!!) 1854, die Unfehlbarkeit des Papstes 1870 sowie die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel 1950.
Nach römisch-katholischer Lesart werden an solchen Stellen keine neuen Glaubensinhalte formuliert, sondern lediglich als Lehre festgehalten, was die (römisch-katholische) Christenheit schon immer geglaubt habe. In dem Fall hätte man das im Grunde erst später rausgefunden.
Aber es fällt mir schwer, das als Fortschritt zu sehen.

Dass in den evangelischen Kirchen ältere Bekenntnistexte, also die altkirchlichen Dogmen oder auch die Aussagen der lutherischen Bekenntnisschriften, abgeschafft worden seien, ist tatsächlich noch nie vorgekommen.

Allerdings hat man sich - nennen wir es mal: im Dialog mit neueren geistesgeschichtlichen Einsichten - immer wieder gefragt, ob man die alten Bekenntnistexte nicht anders verstehen könne. (als wer?)

Ein recht aktuelles Beispiel dazu findet sich in der Debatte um die Augsburgische Konfession, die eine Regionalbischöfin letztes Jahr auslöste:

Theologie- und Kirchengeschichtlich mag das aber auch ein bisschen daran liegen, dass es in der Evangelischen Kirche gar keine Instanz gibt, die Glaubenssätze aufstellen oder abschaffen könnte. Auch wenn man bei manchen den Eindruck hat, sie täten es gern.

Allerdings gibt es neuere theologische Texte, die in den evangelischen Kirchen in Geltung sind und von denen manche sagen (die einen zustimmend, die anderen kritisch), sie hätten mindestens de facto bei uns Bekenntnisrang. Das wären etwa die Theologische Erklärung von Barmen sowie die Leuenberger Konkordie.

Auch ihr Anspruch ist, genau wie der aller Dogmen, nichts Neues zu sagen, sondern das Alte neu zu sagen für eine neue Situation, in der neue Fragen gestellt werden.

andreas-wendt antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1806
Veröffentlicht von: @blackjack
Veröffentlicht von: @blackjack

Aber es ist eben, und da kommen wir möglicherweise in die Diskussion um ein weiteres Kriterium von Wissenschaflichkeit, kein zweckfreies wissenschaftliches Arbeiten.
Zwar ist das Ergebnis der Arbeit keineswegs immer schon ideologisch vorgegeben. Aber das Motiv, sie überhaupt zu betreiben, ist ein anderes als bei den (anderen) Wissenschaften.

Ich denke, dass Du hier einen Einschätzungsfehler machst, was die Motivation bei den (anderen) Wissenschaften machst. Denn dass bei jenen ein "zweckfreies" wissenschaftliches Arbeiten vorläge, will ich mal glattweg bestreiten.

Danke für den Hinweis. Ich war mir an der Stelle nicht sicher.

Aber Du hast in dieser Antwort erstmals ein anderes Kriterium benannt, das Dir wahrscheinlich immer klar war, aber das für die Frage von Wissenschaftlichkeit zu benennen hilfreich ist: Die Ergebnisoffenheit.

Veröffentlicht von: @blackjack

Die Theologie hat ihre Wahrheit eben schon gefunden. Sie meint, nicht mehr wissen zu müssen, als sie schon weiß

Ich würde sagen: Der Glaube hat seine Wahrheit schon gefunden. Aber der Glaube weiß, dass er kein Wissen in dem von Dir beschriebenen Sinne ist. Nicht in dem Sinne, dass Glaube weniger gewiss ist als Wissen, sondern dass der Modus des Gewisswerdens ein anderer ist. Aber Glaube verfügt nicht über seinen Gegenstand und kann und will auch nicht Macht über ihn haben. Das will auch Theologie nicht. Sie ist also insofern nicht ergebnisoffen, als diese Möglichkeit ausgeschlossen ist. Eine Theologie, die zum Ergebnis käme, dass ihr Gegenstand nicht existiert, ist keine.
Die Annahme, dass ein Gott ist (ich mag "ist" sprachlich lieber als "existiert", aber Du kannst in diesem Kontext auch letzteres einsetzen.), ist Voraussetzung theologischen Denkens. Die Annahme, dass die Welt um uns herum existiert und sich mithilfe des Verstands viel über sie rausfinden lässt, auch. Dass beides in einem Verhältnis zueinander steht, auch. Alle drei Dinge könnte man auch anders sehen und tut es anderswo auch.

Da gibt es also einen axiomatischen Rahmen, innerhalb dessen Theologie arbeitet. Zu welchen Ergebnissen sie bei ihrem Arbeiten kommt, ist aber trotz dieses Rahmens immer wieder überraschend und divers und Anlass zum akademischen Streit.
Es ist also keineswegs so, dass der Theologie bereits das Ergebnis vorgegeben ist, zu dem sie kommen soll.

Wenn hingegen völlige Ergebnisoffenheit notwendiges Kriterium für Wissenschaftlichkeit sein sollte, wäre die Theologie keine Wissenschaft.

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es eine solche völlige Ergebnisoffenheit in den anderen Wissenschaften gibt. Möglicherweise kannst Du das mit Deinen naturwissenschaftlichen Kenntnissen besser einschätzen.

Ist Philosophie Deiner Ansicht nach eine Wissenschaft?

andreas-wendt antworten
Anonymous
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Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es eine solche völlige Ergebnisoffenheit in den anderen Wissenschaften gibt. Möglicherweise kannst Du das mit Deinen naturwissenschaftlichen Kenntnissen besser einschätzen.

First things first: Ich bin kein Naturwissenschaftler, sondern nach einem Kunststudium heute "Kulturdienstleister" (Illustrator).

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ist Philosophie Deiner Ansicht nach eine Wissenschaft?

Da bin ich mir selbst nicht ganz klar - auch, weil es soviele unterschiedliche Vorstellungen dessen gibt, was philosophisches Arbeiten sei. Ich würde von den unterschiedlichen Bezeichnungen am ehesten mit derjenigen der Philosophie als Strukturwissenschaft (eine Kategorie, in welche meines Wissens z.B. auch die Mathematik und Informatik fallen) übereinstimmen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich würde sagen: Der Glaube hat seine Wahrheit schon gefunden.

Dazu gab's hier irgendwo noch einen älteren Thread, in welchem ich gegenüber Lucan auseinanderzusetzen versuchte, was ich unter "Glauben" verstehe (wobei Lucan mich entweder nicht verstand oder aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen es schlicht anders sah als ich). Problematisch finde ich hier gerade Deine Sprache, in welcher Du einem Abstraktum sowas wie eine personale Wesenheit verpaßt. Der auf das "n" verzichtende Glaube scheint da schon etwas anderes zu sein als "(das) Glauben" oder "das Geglaubte". Aber es ist ja auch nicht der Gläubige oder Glaubende... Da kann dann der Glaube eine Wahrheit finden, ohne dass hernach eine Wohnadresse zu finden wäre, unter welcher man den Glaube kontaktieren und nach der genauen Beschaffenheit dieser Wahrheit befragen könnte...

Entsprechend kann ich mit solchen Sätzen wie dem hier:

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Aber Glaube verfügt nicht über seinen Gegenstand und kann und will auch nicht Macht über ihn haben.

schlicht nichts anfangen.
Wie in dem anderen Thread ausgeführt (eben noch antwortete ich da auf eine Nachfrage Moorwacklers), denke ich, dass zwischen Glauben und Wissen, bzw. zwischen Gewußtem und Geglaubten aus Sicht des Glaubenden nicht unterschieden werden kann, insofern man "Wissen" als "gerechtfertigte wahre Meinung" über einen beliebigen Gegenstand versteht. Denn aus Sicht des Glaubenden ist seine Meinung über den Gegenstand ja wahr und gerechtfertigt (plausibel), und ob diese Meinung objektiv wahr und gerechtfertigt sei, kann ja in allgemeiner Ermangelung objektiver Standpunkte letztlich nie sicher gesagt werden.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Die Annahme, dass ein Gott ist (ich mag "ist" sprachlich lieber als "existiert", aber Du kannst in diesem Kontext auch letzteres einsetzen.), ist Voraussetzung theologischen Denkens.

Ja, sehe ich durchaus genau so. Deswegen sage ich ja: Theologie geht vom Dogma aus.

Da nun allerdings - zumindest hinsichtlich der mir bekannten gängigen Gotteskonzepte - Gott empirisch unzugänglich ist, kann da aus dem theologischen Denken kein Wissen enststehen, welches nicht trivial, d.h. im Dogma schon vollständig enthalten, wäre. Empirisch zugängig sind nur all die anderen Bereiche, die als "Bestandteile" wir ja schon mehrfach genannt hatten. So kann also womöglich theologisches Denken darauf geraten, dass die empirischen Sachverhalte nicht so recht in Kongruenz zum Dogma zu bringen sind - aber was bringt das? Entweder muß dann das Dogma aufgegeben werden, womit die Grundlage des theologischen Denkens wegfällt. Oder aber die üblichen zweckrationalistisch-sophistischen Reflexe übernehmen das denkerische Regiment und nicht neues Wissen, sondern neue "Harmonisierungen" werden generiert.

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andreas
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Veröffentlicht von: @blackjack

First things first: Ich bin kein Naturwissenschaftler

Mir fiel nur auf, dass Du in Naturwissenschaften und ihrem Wissenschaftsgbegriff mehr zu Hause bist. Und dass Du meine Frage, ob es dort eine völlige Ergebnisoffenheit gibt, nicht beantwortest.

Veröffentlicht von: @blackjack

nach einem Kunststudium

Du hast Kunst studiert? An einer Universität oder zumindest einer staatlich mitfinanzierten Ausbildungsstätte?
Da drängt sich doch die Frage auf: Ist Kunst Deiner Ansicht nach eine Wissenschaft?

Veröffentlicht von: @blackjack

Problematisch finde ich hier gerade Deine Sprache, in welcher Du einem Abstraktum sowas wie eine personale Wesenheit verpaßt.

Ich meine zu verstehen, wieso Du das findest. Würde es Dir genauso gehen, wenn ich "die Liebe" oder "die Kunst" schriebe? Oder "die Wissenschaft"?

Die Verwendung von ihnen allen als Satzsubjekt kann immer nur uneigentlich sein. Aber ich verstehe noch nicht, warum "der Glaube" als Satzsubjekt für Dich problematischer ist als "die Theologie" oder "die Wissenschaft".

Veröffentlicht von: @blackjack

Da nun allerdings - zumindest hinsichtlich der mir bekannten gängigen Gotteskonzepte - Gott empirisch unzugänglich ist, kann da aus dem theologischen Denken kein Wissen enststehen, welches nicht trivial, d.h. im Dogma schon vollständig enthalten, wäre.

Da müssten wir jetzt drüber reden, was Du unter "das Dogma" verstehst. Die Sprache der Theologie benutzt Dogma ja auch gern im Plural, und meint damit ausformulierte Glaubenssätze.
Bei "das Dogma" habe ich den Eindruck, es ist zwar eine axiomatische Gewissheit, die sich auch in Worte fassen lässt, aber noch lang nicht ausformuliert und in ihren Implikationen und Konsequenzen durchdacht ist (etwa "In Jesus war Gott bei uns"). In diesem Sinne würde ich Deinem Satz völlig zustimmen. Alles, was Theologie herausfinden kann, ist, was eigentlich noch alles in diesem "Dogma" enthalten ist.

Die Trinitätslehre z.B. formuliert m.E. lediglich etwas, was in der Grundannahme "in Jesus war Gott bei uns" schon längst enthalten war. Nichts Neues.

Um gegenüber anderen, die das bestreiten, genau dies zu begründen, bediene ich mich gern jeder wissenschaftlichen Methode, die sich mir bietet, und arbeite so wissenschaftlich, wie es nur geht.

andreas-wendt antworten
Anonymous
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(@Anonymous)
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Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Mir fiel nur auf, dass Du in Naturwissenschaften und ihrem Wissenschaftsgbegriff mehr zu Hause bist. Und dass Du meine Frage, ob es dort eine völlige Ergebnisoffenheit gibt, nicht beantwortest.

Ich hab ja später, um meine Niedriglohnjob-Stellen kostengünstig zu erreichen und steuerlich etwas günstiger zu fahren, noch ein Philosophie-Aufbaustudium drangehängt. Und aus dem nahm ich dann, wenn schon keinen gültigen Abschluß (praktischerweise ging's dann mit der Kunst wirtschaftlich schneller bergauf, als ich befürchtet hatte... 😉 ), so doch ein paar gedankliche Ansätze mit. Über den Sinn des Lebens, den zu finden ich ursprünglich die vage Hoffnung hinsichtlich des Philosophiestudiums hatte, lernte ich freilich nix, aber ein bißchen was über methodisches Denken und "Arbeiten am Begriff". Am naturwissenschaftlichen Denken gefällt mir die Präzision und das Bemühen um Klarheit: raunende Anspielungen, das Hantieren mit Nebulösem und Uneigentlichem, das ich in der Kunst als Tarnung von Faulheit und mangelnder Problemlösungsbereitschaft kennengelernt hatte - das verbietet sich in der Naturwissenschaft. Wie in der Kunst (so wie ich sie verstehe) so ist auch in der Naturwissenschaft das effiziente und saubere Einsetzen der Werkzeuge maßgeblich für ein gutes/lohnendes Ergebnis. Und das grundlegende Werkzeug ist nun mal das Denken.

Was die "völlige Ergebnisoffenheit" angeht, so verstehe ich vielleicht die Frage nicht. Gibt es denn eine eingeschränkte Ergebnisoffenheit? Der Wissenschaftler hat ein Ziel: Wissen zu erlangen/generieren. Wenn er nun einen beliebigen Gegenstand untersucht, dann können freilich die Ergebnisse, zu denen er gelangt, nicht ohne Zusammenhang zu eben diesem Gegenstand sein. Kurz: das Ergebnis muß in irgendeinem Zusammenhang mit der jeweils konkreten Fragestellung stehen. Aber wie dieser Zusammenhang aussieht, kann nicht sinnvoll schon vorher festgelegt werden. Ich bin ja bei jedem neuerlichen Durchdenken von dem Konzept der Nullhypothese begeistert: Wie sicher sich auch der Naturwissenschaftler vom Gefühl her sein mag, dass eine bestimmte Hypothese zutreffen müsse - die Nullhypothese muß erstmal aus dem Weg geräumt werden. Was freilich nur in den empirischen Wissenschaften eine verläßliche Erfolgskontrollmöglichkeit ist. Wenn sauber und ohne zu tricksen naturwissenschaftlich gearbeitet wird, dann ist offen, ob die Arbeitshypothese zutrifft, oder nicht. Das verstehe ich unter Ergebnisoffenheit. Aber die Hinzufügung von "völlig" ergibt für mich hier keinen Sinn. Magst Du vielleicht erläutern, worauf Deine Frage gedanklich hinausläuft?

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Du hast Kunst studiert? An einer Universität oder zumindest einer staatlich mitfinanzierten Ausbildungsstätte?
Da drängt sich doch die Frage auf: Ist Kunst Deiner Ansicht nach eine Wissenschaft?

Meiner Ansicht nach hat der Kunstbegriff, wie er uns an der Akademie (ich hab an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf studiert) damals vermittelt wurde, wenig mit Wissenschaft zu tun. Heute kann ich Dir eine lange Liste von dem geben, was Kunst nicht sei. Was sie indessen ist, wage ich - von halbironischen Pointen mal abgesehen - nicht zu sagen. (Wenn mich jemand fragt, was Kunst sei, antworte ich am liebsten: "Die Gesamtheit dessen, was als Kunstwerk ver- und gekauft wurde." Denn wenn wir mal davon ausgehen, dass künstlerischer Wert nur im Bewußtsein von Menschen existiert, dann kann man sagen, dass jemand, der Geld für ein Kunstwerk ausgibt, diese auch für ein Kunstwerk hält, und also das betreffende Werk schon mal in seinem Bewußtsein existierende Kunst ist.)

Kunst, wie ich sie verstehe und liebe, ist keine Wissenschaft, sondern eine kulturelle Dienstleistung und, was die Produktionsform angeht, ein Handwerk. Wiewohl ich selbst an einer staatlichen Akademie studierte, halte ich es für nicht notwendig und im Grunde genommen sogar für kontraproduktiv, Bildende Kunst als Studienfach staatlicherseits anzubieten. Aber das ist ein Diskussionsthema, über das man sich abendelang in die Haare geraten kann. Ich bin da unter "Künstlern" auch eher so der Nestbeschmutzer, wenn ich die Ansicht vertrete, dass der Staat Kunstproduktion nicht gesondert fördern bräuchte oder gar sollte (die Bewahrung von Kunstgütern hingegen ist meiner Ansicht nach durchaus eine staatliche Aufgabe) - weil er dazu keine Kompetenz hat.
Also ansonsten politisch eher links Stehender, bin ich hinsichtlich der Kunst ein Verfechter des freien Marktes und bin mir sicher: Qualität wird sich im ausreichenden Maß immer durchsetzen, weil nach der immer genügend private Nachfrage besteht (solange es der Gesellschaft insgesamt wirtschaftlich gut genug geht).

Freilich hat das künstlerische Handwerk durchaus einen Forschungsbereich, die Künstler bedienen sich also mitunter wissenschaftlicher Methoden und viele moderne Kunsprojekte sind ja gleichsam empirische Versuchsanordnungen (zum Beispiel immer dort, wo Publikumsreaktionen Teil des Konzepts sind). Aber das Grundmotiv, das für mich hinter der wissenschaftlichen Arbeit steht, nämlich zusätzliche Machtoptionen hinsichtlich der Weltbeherrschung zu erlangen, liegt in der Kunst nicht vor oder ist zumindest nich primär.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich meine zu verstehen, wieso Du das findest. Würde es Dir genauso gehen, wenn ich "die Liebe" oder "die Kunst" schriebe? Oder "die Wissenschaft"?

Ja.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Die Verwendung von ihnen allen als Satzsubjekt kann immer nur uneigentlich sein. Aber ich verstehe noch nicht, warum "der Glaube" als Satzsubjekt für Dich problematischer ist als "die Theologie" oder "die Wissenschaft".

Uneigentlich ist auch so ein Wort, das sich in meinen Ganglien regelmäßig verkantet. 😉

Problematischer ist er insofern, als mir scheint, als würde der Glaube, so wie du über ihn redest, etwas Grundverschiedenes vom Glauben sein, also von dem mentalen Prozeß des Für-Wahr-Haltens eines beliebigen Satzinhaltes. Mir schwingt da zuviel mit. Als "der Glaube" könnte auch die Mehrheitsmeinung derer gemeint sein, die sich als "Vertreter des Glaubens" gerieren oder als solche betratet werden, also als Lehrmeinung der Kirche oder als Standardposition der Fachleute.
Schon "die Wissenschaft" schreibe, sage oder denke ich ungern. Ich lege mich lieber fest, ob es sich um "die (natur-)wissenschaftliche Methode" handelt, um die Gesamtheit oder zumindest kompakte Majorität der Wissenschaftler, um den dialektischen Prozeß der Aufklärung, den Wissenschaftsbetrieb (mitsamt seinen politischen und wirtschaftlichen Implikationen) oder, oder, oder...

Freilich kommt beim "Glaube" noch hinzu, dass ich - auch durch jesus.de 😉 - inzwischen gemerkt habe, dass religiös Gläubige darunter noch etwas anderes verstehen, als es der Begriff für mich hergibt. So von wegen: "faith" statt "believe"...

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Da müssten wir jetzt drüber reden, was Du unter "das Dogma" verstehst. Die Sprache der Theologie benutzt Dogma ja auch gern im Plural, und meint damit ausformulierte Glaubenssätze.
Bei "das Dogma" habe ich den Eindruck, es ist zwar eine axiomatische Gewissheit, die sich auch in Worte fassen lässt, aber noch lang nicht ausformuliert und in ihren Implikationen und Konsequenzen durchdacht ist (etwa "In Jesus war Gott bei uns").

Dazu bin ich für heute zu müde. Nur soviel: dass ein Gott existiere, kann in meinen Augen kein Axiom sein, denn Axiome sind für mich notwendige Denkvoraussetzungen. Dass ein Gott/eine göttliche Sphäre existiere, ist keineswegs Denkvoraussetzung für irgendetwas (und eben auch nicht evident), sondern nicht mehr als eine Hypothese.
Aber wie gesagt: für heute bin ich durch hier. Mein Neffe will von mir erklärt haben wie das mit dem Rasierschaum funktioniert... 😉

Gruß,
the Jack

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andreas
(@andreas-wendt)
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Veröffentlicht von: @blackjack

Was die "völlige Ergebnisoffenheit" angeht, so verstehe ich vielleicht die Frage nicht. Gibt es denn eine eingeschränkte Ergebnisoffenheit?

In der Theologie gibt es sie, insofern eine Aussage über die Existenz oder Nichtexistenz ihres "Gegenstandes" methodisch nie möglich sein wird (obwohl das ja nun gerade theologisch keine völlig uninteressante Frage ist), aber von der Hypothese seiner Existenz ausgehend völlig offen ist, zu welchem Ergebnis das theologische Denken kommen wird.
Bei alltäglichen Entscheidungen ist Ergebnisoffenheit fast immer eingeschränkt. Ich meine, dass das die Rede von Ergebnisoffenheit dennoch angemessen ist.

Veröffentlicht von: @blackjack

Wenn sauber und ohne zu tricksen naturwissenschaftlich gearbeitet wird, dann ist offen, ob die Arbeitshypothese zutrifft, oder nicht. Das verstehe ich unter Ergebnisoffenheit.

Ja, ungefähr so etwas hatte ich mir unter "völlig" vorgestellt.
Gehe ich recht in der Vermutung, dass alles, was irgendwie mit Erkenntnistheorie zu tun hat, für Dich dann unter Axiome fällt und nicht unter Hypothesen?

Veröffentlicht von: @blackjack

Wiewohl ich selbst an einer staatlichen Akademie studierte, halte ich es für nicht notwendig und im Grunde genommen sogar für kontraproduktiv, Bildende Kunst als Studienfach staatlicherseits anzubieten. Aber das ist ein Diskussionsthema, über das man sich abendelang in die Haare geraten kann.

Das erinnert mich sehr an Diskussionen unter Theologen.

andreas-wendt antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Gehe ich recht in der Vermutung, dass alles, was irgendwie mit Erkenntnistheorie zu tun hat, für Dich dann unter Axiome fällt und nicht unter Hypothesen?

Die Frage verstehe ich nicht richtig. Beide Begriffe werden in der Erkenntnistheorie verwendet, oder? Gehört zum Bereich der Erkenntnistheorie nicht gerade auch, Kriterien zu benennen, was das eine von dem anderen unterscheidet?
Oder hast Du hier womöglich versehentlich "Hypothesen" geschrieben, obwohl Du eigentlich "Dogmen" schreiben wolltest?

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Das erinnert mich sehr an Diskussionen unter Theologen.

Wiewohl ich von Künstlern selten das Argument gehört habe, Kunst sei eine Wissenschaft. Die begründen die Forderung, der Staat müsse die Gegenwartskunst fördern, zumeist mit dem Nutzen, den die Allgemeinheit daraus ziehe.
Wobei - wenn ich so näher drüber nachdenke, kommen da auch so religiös angehauchte Argumente, nach welchen die Kunst die Menschen irgendwie besser mache, also auch über sowas wie einen ethischen Wert verfüge. Irgendwie gerät immer flott in Vergessenheit, dass man Mozart-Opern und Bach-Fugen mit ganzem Herzen lieben und anbeten - und nebenbei noch Kinder von ihren Müttern an der Rampe selektieren kann... Kunstunterricht bewahrt so wenig vor der Barbarei wie Konfirmandenunterricht...

Anonymous antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1806
Veröffentlicht von: @blackjack

Wiewohl ich von Künstlern selten das Argument gehört habe, Kunst sei eine Wissenschaft. Die begründen die Forderung, der Staat müsse die Gegenwartskunst fördern, zumeist mit dem Nutzen, den die Allgemeinheit daraus ziehe.

Es gibt ja unter Theologen auch noch andere Diskussionen als diese hier. An ein paar davon erinnert mich, was Du hier über Künstler schreibst. Und ein paar Argumente in der der Richtung (irgendwo zum Thema "gesamtgesellschaftlicher Nutzen") habe ich weiter oben ja auch genannt.
Aber natürlich sind die Diskussionen in den Disziplinen nicht deckungsgleich.

Zu Erkenntnistheorie, Axiomen, Hypothesen und Dogmen:
Worauf ich hinauswollte, ist die philosophische Frage, woher wir überhaupt wissen, dass das, was wir wahrnehmen, messen, erkennen etc. real ist.

Wenn ich es recht verstehe, geht Naturwissenschaft davon aus, dass es eine Welt gibt, und dass sie im Großen und Ganzen so ist, wie wir sie wahrnehmen, wir aber mit Hilfe dieser Wahrnehmung die Methoden derselben immer mehr verfeinert haben und so immer mehr über die Welt, wie sie ist, herausfinden können.
Die Möglichkeit, dass die Welt entweder gar nicht existiert oder völlig anders ist, als unsere Perzeptionsmethoden es uns sagen, ist von vornherein ausgeschlossen. Wie sollte sie auch je bewiesen werden? Die Existenz der Welt, wie sie sich uns darstellt, ist für alles, wa sie tut, notwendige Denkvoraussetzung, also Axiom.

Täuscht mich nicht alles, begegne ich dann aber zwei verschiedenen Denkrichtungen: Die eine, nennen wir sie materalialistisch, geht davon aus, dass die Welt auch außerhalb ihrer selbst Realität ist.

Die andere, nennen wir sie pragmatisch, findet diese Frage eher egal. Sie will über die Welt, wie sie sich ihr darstellt, Wissen generieren und Macht erlangen (in dem von Dir verwendeten Sinn).

Erstere Position ist aber im Grunde eine philosophische.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21566
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Die Möglichkeit, dass die Welt entweder gar nicht existiert oder völlig anders ist, als unsere Perzeptionsmethoden es uns sagen, ist von vornherein ausgeschlossen.

Nö. Es ist gar nichts ausgeschlossen - es muss nur halt plausibel begründet werden.

Dass unsere Welt ganz anders beschaffen ist als sie uns erscheint zeigt sich ja vor allem in der Physik immer deutlicher.

lucan-7 antworten
Lombard3
(@lombard3)
Beigetreten : Vor 5 Jahren

Beiträge : 4292

Widerlegen und vorhersagen können

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Zu Erkenntnistheorie, Axiomen, Hypothesen und Dogmen:
Worauf ich hinauswollte, ist die philosophische Frage, woher wir überhaupt wissen, dass das, was wir wahrnehmen, messen, erkennen etc. real ist.

Nach Popper (ich verstehe ihn ggf. falsch oder gebe ihn ggf. falsch wieder), wissen wir in der Naturwissenschaft das, was wir widerlegen konnten.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Die Möglichkeit, dass die Welt entweder gar nicht existiert oder völlig anders ist, als unsere Perzeptionsmethoden es uns sagen, ist von vornherein ausgeschlossen.

Ganz im Gegenteil.

In der Naturwissenschaft geht es darum, Modelle zu finden über Hypothesen, deren Vorhersagen sich ("halbwegs gut") überprüfen lassen.

Ist dies der Fall, sind sie zumindest nicht widerlegt, aber nie bestätigt (im Sinne von "absolut bewiesen").

Nachtrag vom 10.02.2020 2054
Verifikation und Falsifikation

lombard3 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1806
Veröffentlicht von: @lombard3

In der Naturwissenschaft geht es darum, Modelle zu finden über Hypothesen, deren Vorhersagen sich ("halbwegs gut") überprüfen lassen.

Das geht aber nur, wenn die Werkzeuge (Sinne, Methoden, etc.), mit denen wir etwas überprüfen, zuverlässig sind. Dass sie das sind, lässt sich aber nicht widerlegen, denn um das zu überprüfen, benötigen wir wiederum Werkzeuge, die wir a priori für zuverlässig halten, und so könnte man von einer Metaebene auf die nächste ad infinitum weitergehen.
Insofern kann ich mit "halbwegs gut" oder

Veröffentlicht von: @lombard3

nicht widerlegt, aber nie bestätigt (im Sinne von "absolut bewiesen")

ganz gut mitgehen. Naturwissenschaft ist dementsprechend ein pragmatischer Zugang zur Welt, wie sie sich uns darstellt.Und das genügt, um klarzukommen. Paralleluniversen oder Matrix-Theorien oder die Annahme, dass wir das alles hier nur träumen oder geträumt werden, haben keinen Einfluss darauf, wie es uns geht, gehen uns nicht an und gehen uns darum auch nichts an.
Aber sie sind halt nicht widerlegbar.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21566
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Es ist religionsgeschichtlich vielleicht kein Alleinstellungsmerkmal, aber auf jeden Fall eine Besonderheit des Christentums, dass es überhaupt eine Theologie entwickelt hat.

Was ich jetzt nicht unbedingt als Qualitätsmerkmal werten würde. Denn die Notwendigkeit einer Theologie entstand ja ursprünglich aus der Tatsache, dass weder Jesus noch Paulus eine klare und eindeutige Lehre mit klaren und eindeutigen Aussagen hinterliessen - anders als etwa Mohammed, der sich zwar im Laufe der Zeit immer wieder korrigierte, aber zumindest recht klare Anweisungen hinterliess.

So mussten sich in den ersten Jahrhunderten notgedrungen einige Gelehrte zusammensetzen und darüber streiten, worum es im Christentum denn nun eigentlich überhaupt geht und was denn nun eigentlich Sache ist.
Wobei man sich dann schliesslich auf Dinge wie die Dreieinigkeit einigte, oder darauf dass Jesus Gott selbst war.

Und danach hat man die Theologie dann einfach weiterbetrieben... auch wenn dann letztlich nichts wirklich Neues und auch keine weitere Erkenntnis dabei herauskam.

lucan-7 antworten
Ungehorsam
(@ungehorsam)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 3336

. Denn die Notwendigkeit einer Theologie entstand ja ursprünglich aus der Tatsache, dass weder Jesus noch Paulus eine klare und eindeutige Lehre mit klaren und eindeutigen Aussagen hinterliessen -

Ja, und seitdem streiten sich die Christen und die Theologen um die reine Lehre.

ungehorsam antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1806
Veröffentlicht von: @lucan-7

Was ich jetzt nicht unbedingt als Qualitätsmerkmal werten würde.

Qualität ist für mich grundsätzlich keine passende Kategorie für Religionen.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Denn die Notwendigkeit einer Theologie entstand ja ursprünglich aus der Tatsache, dass weder Jesus noch Paulus eine klare und eindeutige Lehre mit klaren und eindeutigen Aussagen hinterliessen

- und aus dem Wunsch, dennoch eine zu haben, um sprachlich anschlussfähig zu sein an die Umwelt. Dieser Wunsch ist keineswegs selbstverständlich oder missionarisch notwendig.

Veröffentlicht von: @lucan-7

anders als etwa Mohammed, der sich zwar im Laufe der Zeit immer wieder korrigierte, aber zumindest recht klare Anweisungen hinterliess.

Wie Du darauf kommst, verstehe ich nicht ganz. Auf den Koran bezogen kann es ja nicht gemeint sein, denn der gilt dem Islam als so heiliges Buch, dass weder Übersetzen noch Interpretieren vorgesehen ist. Er will rezitiert und angebetet werden.
Was Muhammad selbst angeht, gibt es für alltägliche Fragen die Hadithen, die tatsächlich für die Umwelt seiner Zeit vieles sehr klar regeln, allerdings vor allem ethische Fragen. Im Islam geht es ja, da das Gottesbild zum einen sehr eindeutig (1!) und zum andern der Wille Gottes unerforschlich ist, bei den meisten Fragen eher ums rechte Handeln. Was dieses angeht, hat der Prophet zwar klare Anweisungen hinterlassen, aber deren Auslegung ist ja auch im Islam umstritten. Nicht nur Sunna und Schia, sondern auch innerhalb der Sunna die einzelnen Rechtsschulen. Was im Christentum theologische Lager sind, sind bei uns die Rechtsschulen. Die sind nicht weniger divers als unsere Lager. Aber es geht in ihnen um völlig andere Fragen.
Wo Du recht hast, ist, dass Muhammad und der Koran im Bezug auf Gott selbst recht klare Aussagen hinterlassen haben: Er ist eins, einer, eine Person, und alles, was dies auch nur vernebeln könnte, ist Lästerung. Außerdem ist er unerforschlich, das heißt, wir wissen nie, woran wir sind, aber die einzig sinnvolle Reaktion darauf ist völlige Hingabe / Unterwerfung ("Islam").
Bei einem Gottes- und Menschenbild, das mathematisch so perfekt aufgeht wie ihm Islam, ist theologische Reflexion über den eigenen Glauben natürlich nicht notwendig.

Christen müssen sich damit herumschlagen, dass ihr Gottes- und Menschenbild nicht so mathematisch aufgeht, sondern aus ganz verschiedenen Erfahrungen und Begegnungen erwachsen ist, die ncht einfach wie Puzzleteile ineinander passen.
Manche bei uns sehnen sich nach einem mathematisch glatten Gottesbild und geben dafür urchristliche Inhalte wie die Gottheit (oder in den ersten Jahrhunderten auch sehr beliebt: die Menschheit) Jesu auf. Andere versuchen, das Verhältnis all dieser Erfahrungen zu verstehen, und tun das auf unterschiedliche Weise.

Die Option, all das unverbunden nebeneinander stehen zu lassen und zu sagen: Wir verstehen es nicht, wir erzählen es halt weiter, und sparen uns alles Nachdenken, vielleicht ist das alles ja völlig anders gemeint, als wir es verstehen, also sammeln wir es einfach, beten es an und fertig - diese Option hätte es gegeben.
Nicht anders macht der Islam es mit dem arabisch-klingenden Wortlaut des Koran.
Aber niemand, von dem wir heute wissen, hat sie im Christentum ergriffen.

andreas-wendt antworten


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