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Spargeldilemma

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Queequeg
Themenstarter
Beiträge : 5638

An dem letzten Gemeindeabend wurde Diskutiert, ob man den teuren deutschen Spargel oder den billigen ägyptischen kaufen soll oder den spanischen oder griechischen, der dazwischen liegt. In jedem Fall würde man die Bauern und Landarbeiter schädigen, bei denen man nicht kauft. Kauft man den billigen (2,99/kg) ägyptischen nicht, verelenden die dortigen Arbeiter und Bauern noch mehr und es kommen in ein paar Monaten  noch mehr Flüchtlinge nach Europa, aber man macht macht dem deutschen Spargelbauer und den polnischen Feldarbeitern eine Freude (für 9,99/kg).

Egal, wofür man sich entscheidet, man schadet immer jemandem.

Das ganze Thema fand sich dann in der Schublade "Schuld des Menschen" wieder und der Frage, wie man da raus kommt. Das vorläufige Ergebnis: Gar nicht, weil schuldig sein offenbar konstitutiv für den Menschen ist. Nicht wegen irgendeines moralischen Defektes - um Moral ging es überhaupt nicht -, sondern weil sich der Mensch - zunächst von Natur aus, dann aber auch mit hochrangigem eigenem Dazutun -, sozusagen strukturmäßig (z.B. Globalisierung) in dem Dilemma befindet, in jedem Fall eine falsche Entscheidung zu treffen.

Da war dann natürlich auch wieder Drewermann fällig, der so schaurig-schön beschrieben hat, wie sich der Mensch ohne Gott aus allen möglichen Übeln befreit hat, nur um genau durch diese Befreiung in ein neues Übel zu fallen, das noch schlimmer ist wie das, aus dem er grade entronnen ist.

Meine Frage an dem Punkt ist nur: Wie würde es aussehen, wenn der Mensch das nicht ohne, sondern mit Gott machen würde? Aber die Frage habe ich hier schon mal gestellt und nicht wirklich eine Antwort bekommen.

Von da aus ist dann natürlich die Frage - die wir aber nicht mehr aufgreifen konnten -, was ist dann überhaupt Schuld und inwiefern muss die dann vergeben werden?

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84 Antworten
Lucan-7
Beiträge : 21510

@queequeg 

Meine Frage an dem Punkt ist nur: Wie würde es aussehen, wenn der Mensch das nicht ohne, sondern mit Gott machen würde? Aber die Frage habe ich hier schon mal gestellt und nicht wirklich eine Antwort bekommen.

Von da aus ist dann natürlich die Frage - die wir aber nicht mehr aufgreifen konnten -, was ist dann überhaupt Schuld und inwiefern muss die dann vergeben werden?

Wenn jemand, der sich etwas zu essen kaufen will, damit automatisch Leuten Schaden zufügt, dann stimmt an einer ganz anderen Stelle etwas nicht.

Allerdings beschreibst du das Problem auch aus einer völlig egozentrischen Sichtweise. Wenn du ein Kilo Kartoffeln bei Bauer A kaufst, was ist dann mit Bauer B? Bist du "schuldig", wenn der arme Bauer B zugrunde geht, weil du nie etwas bei ihm kaufst?

Wohl kaum... denn die Frage ist nicht, wo du kaufst, sondern wie viele Kunden es insgesamt gibt. Angebot und Nachfrage. Wenn Bauer B ebenfalls Kunden hat, die seine zwar weniger schmackhaften, dafür aber günstigeren Kartoffeln kaufen - dann ist allen gedient.

Vielleicht solltest du dir also anderweitig Gedanken machen... beispielsweise, welche Anbau- und Transportweise der Umwelt am wenigsten schadet.

 

lucan-7 antworten
2 Antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5638

@lucan-7 

"wie viele Kunden es insgesamt gibt"

Natürlich, aber im Zweifelsfall bin ich eben auch einer dieser Kunden oder auch nicht.

Die Frage von Anbau- und Transportweise gehört ja mit dazu. Das Spargelbeispiel war ja nur der Ausgangspunkt der Überlegung, dass man in seinem ganz normalen Alltagslegen, ohne ein bösartiger Mensch zu sein, nicht der Illusion anheim fallen kann, alles richtig zu machen und nicht an irgend was schuldig zu werden.

"Wenn jemand, der sich etwas zu essen kaufen will, damit automatisch Leuten Schaden zufügt, dann stimmt an einer ganz anderen Stelle etwas nicht."

An welcher denn?

queequeg antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510

@queequeg 

Natürlich, aber im Zweifelsfall bin ich eben auch einer dieser Kunden oder auch nicht.

Ja. Und ohne die anderen Kunden ergibt die ganze Überlegung keinen Sinn.

Das Spargelbeispiel war ja nur der Ausgangspunkt der Überlegung, dass man in seinem ganz normalen Alltagslegen, ohne ein bösartiger Mensch zu sein, nicht der Illusion anheim fallen kann, alles richtig zu machen und nicht an irgend was schuldig zu werden.

Es gibt allerdings verschiedene Arten von Schuld... in erster Linie solche, die wir willentlich begehen... und solche, die wir nicht willentlich begehen. Und dazwischen gibt es nochmal eine ganze Menge Zwischenzonen... also Schuld, die wir aus Bequemlichkeit auf uns laden... bis zu solcher, die wir kaum vermeiden können.

Die Frage ist am Ende wohl: Welchen Anspruch hast du hier?

Wie perfekt kann ein irdisches Leben wohl sein...?

 

 

 

lucan-7 antworten


Deborah71
Beiträge : 22956

@queequeg 

 Gedanken dazu:

1. Ist menschliche Begrenztheit Schuld?  Wie würdest du das sehen? 

2. Muss immer jemand Schuld sein? Passiert nichts einfach so?

3. Am Spargelbeispiel: was kann ich persönlich finanziell unterstützen...haben oder nicht haben... viele verschiedene Kaufkräfte sind unter der Kundschaft...  kann ich teuren Spargel kaufen und tue es oder  kaufe ich den weniger Betuchten den preisgünstigeren Spargel weg... ?

4. Kann es sein, dass der ausländische Bauer durch günstigere Produktionskosten mehr aus dem günstigen Preis erwirtschaften kann als der deutsche Bauer, der aufgrund hoher Produktionskosten am Limit kalkuliert oder sogar im Minus und Subventionen braucht?

5. kein Mensch kann alleine die ganze Welt retten. Von daher kann man seinen eigenen Verantwortungsbereich und die eigene Kapazität ausloten und danach handeln.

Sich selbst ein schlechtes Gewissen machen, blockiert gute Ideen und auch Hören auf Gott. Wenn es an einem Punkt eine echte Schuld gibt, dann macht Gott kein schlechtes Gewissen, sondern öffnet die Augen mit Lösungsansätzen.

Dazu kann auch gehören, dass ein Mensch lernt, sich selbst seine menschliche Begrenztheit zu vergeben um nicht in ein Helfersyndrom zu fallen und um nicht zu versuchen die ganze Welt zu retten.

deborah71 antworten
2 Antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5638

@deborah71 

ad 1: Die Frage ist ja, ob und inwiefern man bei diesem Sachverhalt überhaupt von Schuld reden kann. Darunter verstehe ich ein Handeln - oder eine Haltung - die, klaren Wissens, dass das nicht sein darf, dennoch getan wird. Ob man hier auch Fahrlässigkeit einordnen kann, wage ich zu bezweifeln. Aber es ging an dem Abend vom Ausgangspunkt her darum, was "das Böse" ist und wo es herkommt.

Bei dem Spargel und allen ähnlichen Sachverhalten würde ich nicht von Schuld sprechen allenfalls im Sinne des Griechischen "schuldlos schuldig werden".

Was die Begrenztheit betrifft - klar sind wir. Und die ist zum großen Teil mit dafür verantwortlich, dass wir Dinge, die wir in die Wege leiten, gar nicht bis in die ferne Zukunft überblicken können. Beispiel Kernkraft: ist ne tolle Energie, aber wir können nicht ernsthaft atomare Strahlung für zig- hunderttausende von Jahren verantworten.

Die Begrenztheit ist nicht Schuld und macht auch keine Schuld, es sei denn man würde entgegen besseren Wissens etwas tun, was mit einiger Wahrscheinlichkeit "böse" ist.

ad 2: Nein, einfach so geschieht nichts. Es hat immer alles irgendeinen Zusammenhang.

ad 3: Alles Fragen, die man beantworten kann, aber das Problem des Schuldlos-schuldig-Werdens nicht löst.

ad 4: Sicher kann das sein. Und mit Sicherheit spielen auch sklavenartige Arbeitsbedingungen eine Rolle, die wir hier nicht oder doch kaum haben.

ad 5: Klar kann man das.

"ein Mensch lernt, sich selbst seine menschliche Begrenztheit zu vergeben"

Kann man so formulieren. Ich würde aber hier nicht von Vergebung reden, sondern dem Eingeständnis, im hier angesprochenen Verständnis nicht ohne Schuld durchs Leben gehen zu können.

Dazu passte dann am heutigen Gemeindeabend das Gleichnis von den drei Talenten. Wenn ich all mein - anvertrautes - Vermögen aus lauter Angst, etwas falsch zu machen, vergabe, also nicht wirksam werden lasse, dann habe ich in meinem Bemühen, fehlerfrei vor Gott zu stehen, das gerade Gegenteil erreicht. Und es zeigt, dass mein Vertrauen sehr endlich ist - nämlich 0.

 

queequeg antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 22956

@queequeg 

Deborah71: "ein Mensch lernt, sich selbst seine menschliche Begrenztheit zu vergeben"

Queequeg: Kann man so formulieren. Ich würde aber hier nicht von Vergebung reden, sondern dem Eingeständnis, im hier angesprochenen Verständnis nicht ohne Schuld durchs Leben gehen zu können.

Hier beziehe ich mich auf Erfahrungen mit sehr überverantwortlichen Menschen, die sich dafür verurteilen, dass sie etwas (was nicht in ihren Verantwortungsbereich fiel) nicht haben verhindern können. Nach der Selbstvergebung fiel es ihnen leichter ihre menschliche Begrenztheit anzunehmen.

deborah71 antworten
Pankratius
Beiträge : 1336
2 Antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5638

@pankratius 

Schade, diese Seite, die keine Auswahl der Cookies erlaubt, besuche ich nicht.

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tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19094

@queequeg

Schade, diese Seite, die keine Auswahl der Cookies erlaubt, besuche ich nicht.

Also im Prinzip war es nur ein mit vielen Worten ziemlich aufgeblähter Artikel darüber, daß junge Leute ungern Spargel schälen 😊 

tristesse antworten


MikeFromMUC
Beiträge : 449

@queequeg 

Wir wohnen mitten in einem Spargelgebiet. Ich sehe täglich die Feldarbeiter. Spargel kaufen wir vom Bauern im Hofladen. Die dickeren oder krummeren Stangen sind deutlich billiger als Klasse-1-Spargel. In der Gesamtbilanz fände ich es falsch, Spargel über hunderte von Kilometern zu transportieren. 

mikefrommuc antworten
2 Antworten
Queequeg
(@queequeg)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 5638

@mikefrommuc 

Und was ist mit den Spargelbauern in Ägypten, Griechenland und Spanien oder den Kinderarbeitern in Afrika und Asien und, und, und?

Es ist eben nicht eine Gesamtbilanz von der Du sprichst, sondern nur eine Teilbilanz. Wenn unser ökologisch geschärftes Gewissen mit dafür verantwortlich ist, dass die Wirtschaft in diesen Ländern zusammenbricht, dann haben wir erstens auch eine Mitverantwortung dafür und werden zweitens über Migranten und andere direkte Folgen davon die Quittung dafür bekommen. Das ist dann die Gesamtbilanz.

queequeg antworten
MikeFromMUC
(@mikefrommuc)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 449

@queequeg Ich sehe das marktwirtschaftlich. Man kann aus vielen verschiedenen Gründen den einen Hersteller einem anderen vorziehen. Wer sollte darüber entscheiden, außer der Käufer selbst? Ich habe meine Kriterien oben dargestellt. Eine Verantwortung für den Hersteller sehe ich nicht bei mir. Wenn der Spargelbauer in Ägypten oder in Spanien kein Geschäft macht, mag das bedauerlich sein. Ich bin aber nicht verantwortlich für jedes Geschäft auf dieser Welt, daß es den von ihm abhängigen Menschen genügend Einkommen beschert.

Weiter gedacht würde das zu einer weltweiten Planwirtschaft führen, wo zentral entschieden wird, wer was herstellt und wer was kauft. Das will ich nicht. Du schreibst eingangs:

Egal, wofür man sich entscheidet, man schadet immer jemandem.

Ich sehe das anders: Wenn ich mich entscheide, nutzt das einem. Aber ich schade nicht allen anderen. Ich könnte mich auch entscheiden, gar nicht zu kaufen. 

mikefrommuc antworten
Blackhole
Beiträge : 1112

@queequeg 

Ich würde nicht unbedingt immer von Schuld sprechen. Eher davon, daß auch unsere eigenen Ressourcen begrenzt sind. Zeit, Geld und Kraft. Und man einfach nicht immer allen gleichermaßen helfen kann.

 

Ich stehe auch manchmal vor dem Problem: Wohin spende ich 50€? Ukrainehilfe? Erdbebenhile? Adveniat?
Alles was ich spenden möchte, geht auch wieder nicht, denn dann stehe ich als nächstes bei der Tafel an. Kaufe dafür aber kein Biogemüse und kein Biofleisch mehr. Und keine Fairtrade-Schokolade.

Letztes Mal habe ich mich für den Tierschutz entschieden: Streundende Katzen kastrieren zu lassen gefällt mir sehr, vor allem im Sinne der Vögel!

 

Ich bin nicht gerade ein Fan von Drewermann. Er theoretisiert und psychologisiert sehr viel - aber was hat er real alles angepackt und organisiert, um ein Gemeindeleben aufrecht zu erhalten? Irgendwie kann ich ihn mir nicht vorstellen, Kaffee fürs Kirchencafé zu kochen, oder einen Brettspielerabend zu organisieren.

blackhole antworten


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