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Erzeugt Mitleid noch mehr Leid?

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Florian
Themenstarter
Beiträge : 172

Zufällig bin ich auf youtube auf eine Friedrich Nietzsche Vorstellung gestossen. Früher war ich immer ein großer Nietzsche- Feind, besonders nachdem ich sein   "der Antichrist" gelesen hatte.
Ich hielt Nietzsche immer für den geistigen Vorbereiter von Hitler und Goebbels.
Aber in der Vorstellung wurde gesagt, dass er zumindest kein großer Antisemit war wie sein Zeitgenosse Wagner, später das große Vorbild für Hitler.
Ein Punkt ist mir besonders in Erinnerung geblieben, Nietzsche sagte, dass Mitleid noch mehr Leid erzeugen würde.
Da ist natürlich nicht der Folterknecht gemeint, sondern zum Beispiel: Wenn ich einem arbeitslosen Alkoholiker vor lauter Mitleid Geld gebe, wird er sich davon noch mehr Alkohol kaufen und sich dann zu Tode saufen und eine  hungrige Familie hinterlassen und der Spendengeber ist schuld daran..
Wenn ich einem arbeitslosen Drogensüchtigen Geld gebe, ebenso. Hier am Hauptbahnhof kam mir ein Mann entgegen und fragte mich unverblümt: sind sie eigentlich auch Christ?  Ich antwortet, ja, bin ich.....
Dann sagte er gleich, na dann müssen sie doch auch einem armen Arbeitslosen ein Almosen geben... Christen werden scheinbar nur noch als Almosengeber für Drogensüchtige und Alkoholiker angesehen.
Das Prinzip kann man noch unendlich fort führen,  ich erinnere mich an ein gemaltes Bild aus dem Lesebuch in der Schule schon in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts:  Ein offensichtlich armer Mann und Afrikaner streckt seine Arme aus und bettelt den Europäer (ich weiß, ist jetzt sehr  rassistisch) um Geld an.  Der gibt auch etwas und im nächsten Bild strecken ein Mann und drei Kinder die Arme und Ärmchen aus  und betteln  um Geld, im nächsten Bild ein  Mann und 6 Kinder undsoweiter.....
Bis heute hat Afrika ja die höchste Kinderrate weltweit.  Der Papst hat noch Öl ins Feuer gegossen und alle Verhütungsmittel und Familienplanung schlicht verboten.
Das Ergebnis sehen wir heute,  das Mittelmeer ist voll mit toten Flüchtllngen  aus Afrika. Das Land gibt einfach die Lebensmittel für die vielen Leute nicht mehr her und auch nicht  mehr genügend frisches Wasser.
Tun wir nun etwas Gutes,  wenn wir das ständig mit Geld am Laufen erhalten  oder würden wir nicht das Leid verrringern,  wenn wir einfach das Mitleid völlig einstellen würden?

Übrigens taucht ja auch in der Bibel selber von Gott persönlich der Befehl an Seine Leute auf: .......ihr sollt k e i n  Mitleid haben....

Antwort
148 Antworten
Lucan-7
Beiträge : 21661

@florian 

Ich denke, man sollte hier erst einmal klar unterscheiden zwischen den Empfindungen (Mitleid haben, empathisch sein) und den Handlungen (Geld geben und alles nur noch schlimmer machen).

Die Not eines Menschen zu erkennen und ihm helfen zu wollen ist das Eine - sich dann aber auch für die richtige Hilfe zu entscheiden ist noch einmal etwas völlig Anderes.

 

 

lucan-7 antworten


Deborah71
Beiträge : 23013

@florian 

Übrigens taucht ja auch in der Bibel selber von Gott persönlich der Befehl an Seine Leute auf: .......ihr sollt k e i n  Mitleid haben....

Auf welche Stelle und Geschichte beziehst du dich?

Wie siehst du den Unterschied zwischen Mitleid und mit leiden?

deborah71 antworten
16 Antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172

@deborah71 

Oha, laut Bibelserver gibt es ja gefühlt fast ...zig Stellen, wo Gott zur Mitleidlosigkeit aufruft, ich hatte eigentlich nur eine davon im Sinn, ich kopiere mal nur zwei rein, um nicht zu langatmig zu werden:

5Mo 13,9 so sollst du nicht einwilligen und nicht auf ihn hören; du sollst ihn nicht verschonen, und du sollst kein Mitleid [mit ihm] haben, noch ihn verbergen,

1Sam 15,3 So ziehe nun hin und schlage Amalek, und vollstrecke den Bann an allem, was er hat, und schone ihn nicht (habe kein Mitleid mit ihm) ; sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel!

 
Ich war jetzt schon zweimal in Israel, dort habe  ich gehört, hätte damals Saul dieses Gebot ernst genommen, dann hätten wir heute das Problem mit dem  Palästinenser -Terror aus dem Gazastreifen erst gar nicht.

florian antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@florian 

Zum Beitrag

Ja, "wunderbar"..... Bibelsteinbruch.... so nennt man das Reißen von Versen aus dem Zusammenhang und damit eine falsche Lehre aufbauen.

Der Kontext von 5. Mose 13, 9 ist die Strafe für falsche Propheten im AT. 

Ist nun ein Mensch, dem es schlecht geht und der aus unbekannter Ursache in Armut oder Krankheit geraten ist, ein falscher Prophet, mit dem man kein Mitleid haben und ihm nicht aus der Misere helfen soll?

 

1. Mose 15, 3  Und wer ist Amalek? Die Macht hinter Amalek ist der "Starke von Persien", eine dämonische Macht, die immer wieder Menschen findet, die Israel vernichten wollen.Sein Muster ist Dauerterror.  Einen Dämon kannst du nicht töten. Und willst du alle ausrotten, die gegen Israel sind und fängst beim Bauernopfer in Gaza an? 

Und wenn du weiter in der Bibel liest.... am Ende werden sich alle (umgebenden?)  Nationen gegen Israel wenden. Willst du vorsorglich alle Nationen ausrotten, damit das nicht passiert?

Ein Stichwortverzeichnis zu durchsuchen, ist keine Kunst. Die Zusammenhänge verstehen fordert aber Leseeinsatz und Verständnis entwickeln.

 

Das Gefühl von Mitleid gibt den Anstoß zu Barmherzigkeit, eine Form der tätigen Liebe. Die Reaktion darauf wird am Ende eine Rolle spielen. Das macht Jesus sehr deutlich:

Matthäus 25, 40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.(Spr 14,31; Spr 19,17; Mt 10,42; Hebr 2,11) 41 Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!(Offb 20,10; Offb 20,15) 42 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. 43 Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht. 44 Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? 45 Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. 46 Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.(Joh 5,29; Jak 2,13)

Luther 2017 mit Querverweisen

deborah71 antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172
Veröffentlicht von: @deborah71

@florian 

Zum Beitrag

Ja, "wunderbar"..... Bibelsteinbruch.... so nennt man das Reißen von Versen aus dem Zusammenhang und damit eine falsche Lehre aufbauen.

Der Kontext von 5. Mose 13, 9 ist die Strafe für falsche Propheten im AT. 

Ist nun ein Mensch, dem es schlecht geht und der aus unbekannter Ursache in Armut oder Krankheit geraten ist, ein falscher Prophet, mit dem man kein Mitleid haben und ihm nicht aus der Misere helfen soll?

 

1. Mose 15, 3  Und wer ist Amalek? Die Macht hinter Amalek ist der "Starke von Persien", eine dämonische Macht, die immer wieder Menschen findet, die Israel vernichten wollen..

 

 

Luther 2017 mit Querverweisen

Das kann man so doch nicht stehen lassen, wenn Du vor Jahrtausenden als Amalekiter geboren worden wärest,  würdest Du anders darüber denken, dann hättest Du halt Pech gehabt, oder?

Nein, es ist genau anders herum.  Der Mitleid-und gnadenlose Gott  ist der Normalfall in der Bibel, (übrigens auch in allen anderen Religionen !!) der sich wie ein roter Faden durch die gesamte Bibel,  AT wie NT zieht.
Von der Sintflut über Abraham, Mose, Saul, David,  waren die etwa gnädig?

David -immerhin als Vorläufer Jesu gehandelt- hat (etwas übertrieben gesagt) gnadenlos alles nieder gemetzelt was bei drei nicht auf den Bäumen war,  deshalb durfte er ja auch nicht  den Tempel bauen sondern erst sein Sohn Salomo, für Gott hatte David zuviel Blut an den Händen, um für Ihn einen Tempel zu bauen.

Der gnädige und verzeihende Gott ist die Ausnahme in der Bibel, uns vor allem mit der Geschichte vom verlorenem Sohn durch Jesus Christus gezeigt. Aber auch Jesus Christus kann gnadenlos sein.
Deshalb spricht Jesus ja vom Schatz im Acker (Gnade Gottes),  der erst gefunden werden muss, der liegt nicht einfach für jeden offensichtlich so herum.

Dewegen musste ja Martin Luther erst wieder mühsam die Gnade Gottes wieder finden und zurück erobern, während zuvor von geldgierigen Leuten die Botschaft vom Fegefeuer erfunden war,  woraus man sich mit Geld freikaufen  könnte.

florian antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@florian 

such doch einfach mal nach Gnade im Bibeleserver.....

Allein Luther 2017 listet 126 Stellen....

https://www.bibleserver.com/search/LUT/Gnade

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie einseitig Menschen die Bibel lesen und dann  die Bösewichte als arme Opfer eines böswilligen Gottes darstellen wollen.

Da Gott derselbe ist durch alle Zeiten und Alpha und Omega, der Erste und der Letzte, brauchst du eine gute Ausrede für deine Inkonsequenz.

Offb 1,8 Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr, Gott, der ist und der war und der kommt, der Allmächtige.

Offb 21,6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst.

Offb 22,13 Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.

deborah71 antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172
Veröffentlicht von: @deborah71

@florian 

 

Da Gott derselbe ist durch alle Zeiten und Alpha und Omega, der Erste und der Letzte, brauchst du eine gute Ausrede für deine Inkonsequenz.

 

Ich sehe da keine Inkonsequenz, wenn  Gott immer Derselbe ist,  gestern und heute und morgen, bedeutet es doch schlicht, dass Gott heute noch genau so gnaden und mitleidlos ist wie damals zur Zeit der Sintflut.
So sagt es die Bibel ja auch.

florian antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@florian 

Zum Beitrag

Scheint an dir vorbeigegangen zu sein, dass Gott gnadenlos und gnädig ist. Kommt immer auf den Bereich an.

Rufst du zu einem einseitig gnadenlosen Gott auf, dann trifft dich die Gnadenlosigkeit gegenüber falsche Propheten oder Falschlehrer.... es sei denn, du kehrst um in die Gnade des gnädigen Gottes 😉

 

deborah71 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@deborah71

Scheint an dir vorbeigegangen zu sein, dass Gott gnadenlos und gnädig ist. Kommt immer auf den Bereich an.

Ist - unabhängig vom Bereich - sprachlogischer Unsinn. Du hättest schreiben können: "Gott handelt mal gnadenlos und mal gnädig. Also mal so und mal so, wie's ihm als souveränem Herrscher gerade passt."

Aber so, wie von Dir formuliert, hat Gott zwei einander ausschließende Eigenschaften. Gnadenlos und gnädig sein ist so passend wie rund und dreieckig sein.

Und bevor Du mir jetzt a la "Scheint an dir vorbeigegangen zu sein..." mit entsprechenden Bibelversen kommst: Wenn in der Bibel Widersprüchliches über Gott steht, ist das kein Beleg dafür, dass einander Ausschließendes gleichzeitig wahr sein kann, sondern eher dafür, dass man der Bibel als Quelle zu Informationen über Gott nicht so ganz vertrauen sollte.

jack-black antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@jack-black 

Das geht einfacher....  Jack, du kannst nett und unausstehlich sein... je nach Bereich, auf den du reagierst und was du erreichen willst.

Mathematisch kann man ein Dreieck in einen Kreis zeichnen und auch einen Kreis in ein Dreieck.

Trau, schau, wem 😉

deborah71 antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21661

@deborah71 

Mathematisch kann man ein Dreieck in einen Kreis zeichnen und auch einen Kreis in ein Dreieck.

Und wenn der Kreis für das Böse steht und das Dreieck für das Gute, und Gott ist Kreis und Dreieck zugleich... dann sagt das was über Gott aus...?

Vielleicht das hier:

"Wer hat je etwas gesagt und es ist geschehen, ohne daß der Herr es befahl? Geht nicht aus dem Mund des Höchsten hervor das Böse und das Gute?" (3. Klagelied des Jeremiah, 37-38)

 

 

lucan-7 antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@lucan-7 

Jetzt könnten wir endlos weitermachen mit Was ist gut? Was ist böse? .... aber die Frage ist,.....für wen ist was wie... 😉

Da gibt es eine sehr interessante Beispielgeschichte über Licht. Dem einen hat es die Augen für die geistliche Welt geöffnet, den anderen hat es die Augen für die natürliche Welt verschlossen. Es ist im hebräischen Text dasselbe Licht Gottes. Für den einen war es Licht, für die anderen zuerst Finsternis, dass sie den Propheten und die Landschaft nicht erkannten. Am Ende musste niemand sterben.

2. Könige 6
Kontext: Der König von Aram wollte den Propheten Elisa gefangen nehmen lassen, weil der seinem König die feindlichen Pläne verriet.

Da sprach sein Diener zu ihm: O weh, mein Herr! Was sollen wir nun tun? 16 Er sprach: Fürchte dich nicht, denn derer sind mehr, die bei uns sind, als derer, die bei ihnen sind!

17 Und Elisa betete und sprach: HERR, öffne ihm die Augen, dass er sehe! Da öffnete der HERR dem Diener die Augen, und er sah, und siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her.

18 Und als die Aramäer zu ihm herabkamen, betete Elisa und sprach: HERR, schlage dies Volk mit Blindheit! Und er schlug sie mit Blindheit nach dem Wort Elisas.

19 Und Elisa sprach zu ihnen: Dies ist nicht der Weg und nicht die Stadt. Folgt mir nach! Ich will euch führen zu dem Mann, den ihr sucht. Und er führte sie nach Samaria.

20 Und als sie nach Samaria kamen, sprach Elisa: HERR, öffne diesen die Augen, dass sie sehen! Und der HERR öffnete ihnen die Augen, und sie sahen, und siehe, da waren sie mitten in Samaria. 21 Und als der König von Israel sie sah, sprach er zu Elisa: Mein Vater, soll ich sie erschlagen? 22 Er sprach: Du sollst sie nicht erschlagen. Erschlägst du denn die, die du mit Schwert und Bogen gefangen hast? Setze ihnen Brot und Wasser vor, dass sie essen und trinken, und lass sie zu ihrem Herrn ziehen! 23 Da wurde ein großes Mahl bereitet. Und als sie gegessen und getrunken hatten, ließ er sie gehen, dass sie zu ihrem Herrn zogen. Seitdem kamen streifende Rotten der Aramäer nicht mehr ins Land Israel.

 

deborah71 antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21661

@deborah71 

Jetzt könnten wir endlos weitermachen mit Was ist gut? Was ist böse? .... aber die Frage ist,.....für wen ist was wie...

Eben genau das ist der Punkt.

Für die Ägypter zu Moses Zeiten war der Gott der Juden ein böser Gott. Und da kannst du noch so viel über Gottes Liebe erzählen... was dieser Gott tut stand ihnen ja direkt vor Augen, dieser Gott verbreitet Terror und Schrecken - und das ist für sie definitiv "böse".

Für die Juden, aus deren Perspektive die Sache ja erzählt wird, stellt sich die Sache natürlich anders dar. Schließlich steht ihr Gott auf ihrer Seite.

Was genau nun Gott aber IST, ob "gut" oder "böse", lässt sich absolut gar nicht sagen, weil es auf die Perspektive ankommt.

lucan-7 antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@lucan-7 

Soweit, so gut, bevor es noch weiter off topic ginge.

 

deborah71 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@deborah71 Mathematisch kann man ein Dreieck in einen Kreis zeichnen und auch einen Kreis in ein Dreieck.

 

Bevor ich da jetzt ernsthaft antworte, frag ich lieber nochmal nach: Hältst Du das tatsächlich für ein stichhaltiges Argument, oder ist es genau so eine rein rhethorische Volte wie das:

 

Jack, du kannst nett und unausstehlich sein... je nach Bereich, auf den du reagierst und was du erreichen willst.

?

Nochmal als Tipp: Zwischen "Handeln" und "Sein" besteht ein Unterschied.

jack-black antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@jack-black 

Klar weiß ich, dass zwischen Handeln und Sein ein Unterschied besteht. 😉

Und nein, du brauchst nicht ernsthaft antworten... ich habe ja auch nur halb ernsthaft geschrieben. 🙂 

deborah71 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@deborah71 Und nein, du brauchst nicht ernsthaft antworten... ich habe ja auch nur halb ernsthaft geschrieben. 

 

Mein erster Einwand gegen Deine Darstellung Gottes als sowohl gnädig als auch gnadenlos seiend war allerdings vollkommen ernst gemeint. Ein augenzwinkernder Scherz als Antwort auf eine ernstgemeinte Frage? Nun gut. Du bist diejenige, die eine aus Gründen der Logik notwendig falsche Behauptung über Gott aufstellte und hernach, darauf hingewiesen, keine Veranlassung sahst, diese falsche Behauptung zurückzunehmen.

Mir insofern egal, als ich ja nicht an Gott glaube, von mir aus kann jede soviel Unsinn über Gott erzählen, wie sie will. Aber ich frage mich halt, wie man als jemand, die tatsächlich an Gott glaubt, sich so verhalten kann. Sollte es sich nicht irgendwie ungemütlich anfühlen, auf Falschbehauptungen über Gott zu beharren?

Immerhin hattest Du diese falschen Behauptungen gegenüber einem anderen Christen (Florien) aufgestellt, und zwar mit der Autorität einer Bibelkennerin, die Du ja wohl bist. Ich frag mich halt - was soll dabei Gutes herauskommen?

jack-black antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@jack-black 

Zum Beitrag

Ah...jetzt sehe ich, worauf du hinaus willst.

Ja, auch mir unterlaufen ab und zu sprachliche Ungenauigkeiten. Jetzt wo du den Finger drauf legst, kann ich darauf acht geben, möglichst keine Flüchtigkeitsfehler mehr zu machen.

Danke 🙂

deborah71 antworten
neubaugoere
Beiträge : 15353
Veröffentlicht von: @florian

Christen werden scheinbar nur noch als Almosengeber für Drogensüchtige und Alkoholiker angesehen.

Wie siehst DU sie denn? <-- ich frag mal neugierig 🙂

neubaugoere antworten
3 Antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172

@neubaugoere 
Almosen geben ist wohl eher typisch für den Islam, Christen sollen an erster Stelle die Botschaft von Jesus weiter sagen und seine Gebote  befolgen und an Jesus glauben.

florian antworten
neubaugoere
(@neubaugoere)
Beigetreten : Vor 12 Jahren

Beiträge : 15353

@florian 

Jetzt sagst du, was sie deiner Meinung nach "sollen" und bleibst allgemein. Wie siehst du sie ganz persönlich?

neubaugoere antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@florian Matthäus Christen sollen an erster Stelle die Botschaft von Jesus weiter sagen und seine Gebote befolgen

 

 

Matthäus 19, 20: Da sprach der Jüngling zu ihm: Das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf; was fehlt mir noch?
21 Jesus sprach zu ihm: Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!

jack-black antworten


Jack-Black
Beiträge : 3660

@florian Bin mir nicht sicher, ob Du heute Nietzsche besser verstehst als früher. Mir kommt's so vor, als hättest Du ihn früher aus den falschen Gründen kacke gefunden und findest ihn heute aus den falschen Gründen zustimmungsfähig.

Übrigens: du wärest der erste Christ, der mir begegnet, welcher tatsächlich seinen "Antichrist" im Original gelesen hat und daraufhin zum Nietzschefeind wurde. Üblicherweise gehen dezidierte Christen in ihrer Beurteilung von Nietzsche so vor: Sie kriegen raus, häufig, indem es ihnen von anderen Christen erzählt wird, dass er den "Antichrist" schrieb - und kommen auf dieser Grundlage dazu, ihn scheiße zu finden.

Eigentlich fangen so ziemlich alle, die sich aus literarischem Interesse mit Nietzsche beschäftigen, zuerst mit "Also sprach Zarathustra" an. Und lesen danach vielleicht "Jenseits von Gut und Böse" oder "Die Geburt der Tragödie...".

Dass Nietzsche ein Antisemit im heutigen Sinne gewesen sei - darauf kann man, wenn man unvoreingenommen seine Texte liest, auch nicht ernsthaft kommen. Dass er, der Pastorensohn; das Christentum und damit auch dessen Wurzel, also das Judentum als Religion verachtete, das Christentum aber weitaus mehr - das lässt sich durchaus aus seinen Texten ablesen. Aber das hatte insbesondere ästhetisch-philosophische Gründe und war damit weit entfernt von der völkischen Nazi-Ideologie.

Ich denke, man darf seine Texte nicht als Kommentare zur richtigen Sozialpolitik (Almosen geben usw.) lesen. Das sind sie so wenig, wie "Die Entwicklung der Arten" von Darwin einer ist. Entsprechend ist auch die Berufung von Nazis (welche übrigens neben den Juden, Sinti, Roma, Behinderten, Kommunisten, Schwulen usw. auch die Armen, die Bettler und sogenannten Arbeitsscheuen in die Konzentrationslager steckten) auf Nietzsche ungefähr so passend, wie die sozialdarwinistische Berufung von neoliberalen Kapitalisten auf die Evolutionstheorie: gar nicht.

Was nun das Mitleid angeht, so war die Mitleidlosigkeit, um welches es Nietzsche ging, ganz gewiß nicht der zweckrationalistische Zynismus, der durch das Plakat mit den hungernden Afrikanern, das Du beschreibst, illustriert wurde. Nietzsche ging es dabei um das in anwidernde geistige Sich-Suhlen der Christen in ihrer frömmelnden Moral.

Nietzsche schrieb nicht ohne Grund in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen das Kapitel über "Schopenhauer als Erzieher": Schopenhauer sah immerhin im Mitleid die eigentliche Wurzel aller Moral. Aber Nietzsche interessierte die Thematik "Mitleid" in diesem Sinne gar nicht. Sondern Mitleid war in seinem Denken eher sowas wie der Gegenbegriff für den Willen zur Macht* - einen Willen der für ihn eher eine gewissermaßen geistesaristokratische Verpflichtung, denn ein egoistischer Trieb war. Mitleidslosigkeit gegen sich selbst - das war, wofür Nietzsche predigte: "Man muss von sich absehen, um weit zu sehen." Und ja, Nietzsche war sowas wie ein Prediger (in dieser Hinsicht entkam er seiner Herkunft sozusagen nie) und daher waren seine Schriften durchgehend von einer Rhethorik durchzogen, die rein "sachliche Untersuchungen" eines philosophischen Gegenstands nicht gebraucht hätten. Er predigte aber nicht etwa den Glauben an Gott oder eine Sozialmoral a la Norbert Blüm. Sondern er predigte Geist und Ästhetik, er predigte gegen schwiemelige  moralische Verlogenheit, Anspruchslosigkeit, intellektuelle Faulheit und Selbstverzwergung.

Die Rhethorik seines "Zarathustra" übrigens ist ganz offensichtlich an den Bibel-Stil angelehnt und der darin auftretende "Held" zeigt in einer berühmten Stelle durchaus Mitleid, nämlich gleich ziemlich am Anfang in der Begegnung mit dem Einsiedler:

„Und was macht der Heilige im Walde?“ fragte Zarathustra.

Der Heilige antwortete: Ich mache Lieder und singe sie, und wenn ich Lieder mache, lache, weine und brumme ich: also lobe ich Gott.

Mit Singen, Weinen, Lachen und Brummen lobe ich den Gott, der mein Gott ist. Doch was bringst du uns zum Geschenke?

Als Zarathustra diese Worte gehört hatte, grüsste er den Heiligen und sprach: „Was hätte ich euch zu geben! Aber lasst mich schnell davon, dass ich euch Nichts nehme!“—Und so trennten sie sich von einander, der Greis und der Mann, lachend, gleichwie zwei Knaben lachen.

Als Zarathustra aber allein war, sprach er also zu seinem Herzen: „Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch Nichts davon gehört, dass Gott todt ist!“

Zarathustra verlässt den Einsiedler aus Mitleid: um zu verhindern, dass er dem Alten seinen Aberglauben, der jenen doch offensichtlich glücklich macht, nehmen könnte. Sein Mitleid besteht darin, den anderen vor der Wahrheit - dass Gott tot sei - zu verschonen.

Nietzsche hat die Bibel völlig anders gelesen, als es die Christen seiner Zeit und vermutlich auch die Christen der heutigen Zeit in ihrer weit (!) überwiegenden Mehrheit tun: für ihn ist sie keine moralische Anweisung für eine gesittete Lebensführung. Insofern bringt es wenig, wenn Du ihn als Kronzeugen aufrufst für Deine Interpretation der "biblischen Moral".

Ach übrigens: welche Bibelstelle genau willst Du hier überhaupt diskutieren?

 

 

 

 

 

*Um solche Termini richtig verstehen zu können, muss man sich schon etwas eingehender mit Nietzsches Philosophie beschäftigen, wer das nicht tut, wird sie, wenn sie ihm heutzutage unter kommen, mit Sicherheit falsch interpretieren.

 

ceterum censeo, dass das Alignmentproblem gelöst werden muss.

jack-black antworten
14 Antworten
Deborah71
(@deborah71)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 23013

@jack-black 

Zum Beitrag

Aus deinem Beitrag wird mir Nitzsche lebendig... das bringt mir mehr, als alle seine Bücher zu lesen. Danke

deborah71 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@deborah71 das bringt mir mehr, als alle seine Bücher zu lesen. Danke

Gern geschehen. Dennoch irrst Du Dich vermutlich: Über Nietzsche zu lesen bringt einem ungefähr soviel, wie über das Gefühl von frischem Wasser auf der Haut zu lesen: man meint vielleicht, nun so ungefähr zu wissen, worum's da geht, aber ohne es selbst erlebt zu haben... 😉

Ich gebe zu, dass ich Zweifel habe, ob überzeugte Christen überhaupt prinzipiell einen leichten Zugang zu Nietzsches Werken und Denken erlangen können (Dass sein "Zarathustra" angeblich das meistgelesene Buch in den Schützengräben des WK I gewesen sein soll, ist da nicht unbedingt ein Widerspruch: vermutlich waren schon damals viele christlich Getauften keine christlich Glaubenden), denn das Christentum ist durchgängig sein Gegner. Allerdings nicht so sehr aus theologischen (Atheismus als philosophische Grundhaltung ist für ihn so selbstverständlich, dass die "Gottesfrage" für ihn praktisch irrelevant ist), sondern kulturellen, ästhetischen und psychologischen* Gründen.

Vermutlich drängt sich Christen sogar ein irreführendes Verständnis auf, indem Nietzsches deutliche Anleihen an kulturchristlichen Motiven so interpretiert werden, als handele es sich bei ihm um so eine Art "verlorenen Sohn" und bei seinen Schriften, seiner ganzen Philosophie nur um die verzweifelte Rebellion gegenüber einem Übervater. Kurz: für Christen dürfte es besonders verführerisch sein, sein Werk durch die (küchen-)psychologisierende Brille zu betrachten. In dieser Betrachtungsweise wird man dann gegebenenfalls noch durch solche unsäglichen Autoren wie Manfred Lütz (seines Zeichens einerseits Psychologe und andererseits katholischer Apologet**) gestützt, die insinuieren, dass "echter Atheismus" notwendigerweise in einem solchen Wahnsinn enden müsse, wie dem, in welchem Nietzsche gegen Ende seines Lebens versank.

In seinen späten Briefen und Notizen bezeichnete Nietzsche sich des öfteren sogar als "der Gekreuzigte". Und die Hauptfigur seines Bestsellers "Zarathustra" weist ganz deutlich erkennbare Parallelen zu Jesus auf, sodass man, wenn man im christlichen Umfeld sozialisiert wurde, nur allzu leicht denken könnte, Nietzsche arbeite sich mit diesem Buch an der Jesus-Figur ab.

Aber Nietzsche entstammte zwar einem Pastorenhaushalt, hatte seine geistige Heimat aber in der klassischen Bildung: Er kannte sich in der griechischen Philosophie mindestens so gut aus wie jeder studierte Theologe in der Bibel. Seine erste Professur (mit 25 Jahren! Ohne vorherige Promotion!) trat er denn auch als klassischer Philologe an. Und von dieser geistigen Herkunft her muss man auch seine philosophischen Werke, insbesondere die berühmte Schrift "Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik", betrachten.

Auch sein "Zarathustra" hat starke Anleihen am vorchristlichen Verständnis davon, was ein geistiger Lehrer, ein Weiser, ein Prophet sei.

Gleichzeitig - und das macht die Sache nochmal um drei Ecken herum komplizierter - war Nietzsche ein Musiker und Dichter und Liebhaber der deutschen Sprache. In diesem Zusammenhang war er sozusagen (neidischer) Martin-Luther-Fan und wollte das, was jener einst mit seiner Bibelübersetzung für die deutsche Sprache geschafft/en hatte, mit seinem Zarathustra wiederholen: einen Standard, eine zeitgemäße Art des Sprechens über "sie letzten Dinge" zu entwickeln (<-- meine Interpretation; ob er es so klar irgendwo geäußert hat, weiß ich nicht und will ich auch nicht behaupten).

In dieser Hinsicht ist er m.A.n. langfristig gescheitert, weil sein sprachstilistischer Ansatz allzu pathetisch war: er passte wohl in seine Zeit und auch noch für ein paar Jahrzehnte darüber hinaus (bis in die 40er und 50er Jahre), aber schon in Kafkas Werken zeigte sich, wie ein auf Pathos verzichtender Realismus mehr in den Lesern bewirken kann. Und dann kam irgendwann im Gefolge von Hemingway, Carver, Bukowski & Co der Lakonismus über den großen Teich geschwappt und vor diesem kulturellen Hintergrund (Filmische Entsprechung nach einem Roman von Sallis dazu: "Drive" mit dem schönen Ryan Gosling in der Hauptrolle) wird es zunehmend schwer, Nietzsche zu lesen, ohne das Gefühl: "Hmm.. ein bisserl dick aufgetragen!"

Das Problem dabei: inhaltlich ist Nietzsche hoch komplex und ohne genügend Hintergrundwissen über das, was damals so bildungsbürgerlicher Kanon war, kaum noch vollständig zu verstehen. Eigentlich muss man sich sogar besser über die damalige Geisteswelt auskennen als ein damaliger Durchschnittsakademiker, denn Nietzsche, wie schon sein Vorbild Schopenhauer verachtete ja seine Zeitgenossen nicht zuletzt auch wegen ihrer unzureichenden Bildung. Andererseits vergißt man, wie standardmäßig "begrenzt" der damalige kulturellen Hintergrund war auf Deutschland, vielleicht noch das nachreformatorische Mitteleuropa und dann eben auf die Klassik, insbesondere die alten Sprachen. Der Versuch einer "Erneuerung" der deutschen Sprache auf "klassischem" Fundament war, in der Rückschau betrachtet leicht erkennbar, gewissermaßen eine sinnfreie Investition. Aber woher sollte Nietzsche wissen, wie die angelsächsische Kultur das nächste Jahrhundert inklusive deutscher Sprachgewohnehiten dominieren werde?

Ach, ich schweife, wie allzuhäufig, weit ab! Was ich eigentlich sagen möchte: Wenn Du Zeit und Lust hast, Dich auf wirklich spannende Literatur einzulassen und durch eigenes Eerleben verstehen möchtest, warum Nietzsche so einen großen intellektuellen Einfluß hatte (obwohl er im Gegensatz zu vielen anderen bekannten Philosophen seines Jahrhundert eigentlich kein wirkliches philosophisches System, keine Lehre entwickelte), solltest Du ihn unbedingt im Original lesen. Kostet ja erstmal nix, den Zarathustra gibt's, wie oben verlinkt, gratis online. Sobald man sich ein paar Minuten reingelesen hat, wird das ein wirklicher Genuß, er liest sich ziemlich flott und flüssig. Sein gleichsam tänzerischer Sprachstil ist der eigentliche Kern seines Werks: nicht die Moral, sondern die Form zählt hier! Man kann sich an ihm im wahrsten Sinne des Wortes "besoffen" lesen, man wird nach ein paar dutzend Seiten Lektüre selbst fröhlich-großmäulig, berauscht sich an der Tiefsinnigkeit von Sentenzen, die man vermutlich nicht mal zur Hälfte kapiert. Man fühlt sich dadurch einfach ungeheuer smart und mutig, als sei man selbst schon zur Hälfte jener Übermensch, den Zarathustra immer nur verkündet. Als Sechzehnjähriger malte ich mit Feder und Tinte einzelne Zitate in gewagten Versalien auf und hängte sie mir über's Bett wie z.B.:

"Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können!"

Na, wenn das mal nicht groovte!  😎 

 

Wovor ich warnen möchte: sich vorher, also bevor man sich eingehend mit seinem Werk beschäftigt hat, ihm auf pseudo-biografischem Wege zu nähern. Der Roman "Und Nietzsche weinte" wurde leider von viel zu vielen Leuten derart zu früh gelesen, für die Nietzsche damit unrettbar in der "trauriger Psycho mit Frauenproblem"-Schublade verschwand. Deren Verlust!

Eigentlich sollte man sich ihm überhaupt nicht zuerst auf biografischem Wege nähern, weil das Wissen insbesondere über sein Ende einem sonst immer den herrlichen Blick auf sein Werk verstellen könnte. Insbesondere sollte man ihm gegenüber nicht der Verführung nachgeben, die "Mitleidsbrille" aufzusetzen. Denn Mitleid ist häufig ein selbstgerechtes Empfinden, das sich aus der Höhe nach unten blickend wähnt und beim betrachteten Gegenstand Schwäche vermutet.

Es ist das Gegenteil von Respekt. Und bezogen auf Nietzsche ist es reiner Dunning Kruger Effekt.

 

A propos Dunning Kruger Effekt: Auch ich weiß ganz bestimmt nicht, wie man Nietzsches Werk richtig zu interpretieren habe. Ich rieche lediglich, wenn's jemand auf die falsche Weise tut. 😉

 

 

 

 

 

*Man muss bei der Verwendung des Begriffs "psychologisch" darauf achten, dass zu seiner Zeit Sigmund Freud praktisch noch unbekannt und die Psychologie als empirische Wissenschaft daher nicht wirklich definiert war.

 

**ich finde den sooooo schrecklich intellektuell unredlich, dass ich am liebsten schreiend aus dem Raum laufen würde, wenn ich ihn mal wieder in irgendeinem Interview oder einer Talkrunde zu sehen kriege. Also gut: mir fehlt da die sachlich-nüchterne Distanz... 😀

 

ceterum censeo, dass das Alignmentproblem gelöst werden muss.

jack-black antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172

@jack-black 
Lass mich raten, Du hast Philosophie studiert, stimmts?

florian antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@florian Du hast Philosophie studiert, stimmts?

Ja, allerdings nur im Nebenfach, bzw. Aufbaustudium. Jedoch hab ich - wie angedeutet - schon in meiner Jugend aus reinem literarischen Interesse zuerst Nietzsche gelesen und danach gleich Schopenhauer und Kant (den ich damals allerdings nicht wirklich kapierte, was wohl ein Indiz dafür sein dürfte, dass ich eigentlich auch Schopenhauer und Nietzsche nicht wirklich kapierte... 😌 ).

Man kan mich also gewissermaßen als ehemaligen Nietzsche-Fanboy bezeichnen; die kritiklos glühende Verehrung von damals ist einem etwas distanzierteren Respekt gewichen, ich bin ihm sozusagen entwachsen auf eine Weise, die Rilke mal - ich zitiere aus dem Gedächtnis - so ausdrückte: (S)Mein mein Wachstum ist, Tiefbesiegter von immer Größeren* zu sein... 😉

 

 

 

 

 

*Solche "Größeren" waren für mich später Autoren wie Kafka, Thomas Mann, Camus und Adorno, bei deren Lektüre ich immer wieder mal vor Ehrfurcht schier erstarrte...

jack-black antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

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@jack-black

Man kan mich also gewissermaßen als ehemaligen Nietzsche-Fanboy bezeichnen

Ah ja. Und die Christen im allgemeinen sind also zu dumm, um Nietzsche zu verstehen? 

tristesse antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@tristesse Und die Christen im allgemeinen sind also zu dumm, um Nietzsche zu verstehen?

Wie kommst Du auf die Idee? Sie dürften allerdings mit einer höheren confirmation bias-Schwelle zu kämpfen haben als Nicht-Christen. Nimm als Beispiel das Eingangsposting hier im Thread und die Art und Weise wie da die Mitleids-Moral in der Bibel auf Aussagen Nietzsches zu übertragen versucht wird.

jack-black antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19109

@jack-black 

Wie kommst Du auf die Idee? 

Ich zitiere:

Ich gebe zu, dass ich Zweifel habe, ob überzeugte Christen überhaupt prinzipiell einen leichten Zugang zu Nietzsches Werken und Denken erlangen können (Dass sein "Zarathustra" angeblich das meistgelesene Buch in den Schützengräben des WK I gewesen sein soll, ist da nicht unbedingt ein Widerspruch: vermutlich waren schon damals viele christlich Getauften keine christlich Glaubenden), denn das Christentum ist durchgängig sein Gegner. Allerdings nicht so sehr aus theologischen (Atheismus als philosophische Grundhaltung ist für ihn so selbstverständlich, dass die "Gottesfrage" für ihn praktisch irrelevant ist), sondern kulturellen, ästhetischen und psychologischen* Gründen.

Vermutlich drängt sich Christen sogar ein irreführendes Verständnis auf, indem Nietzsches deutliche Anleihen an kulturchristlichen Motiven so interpretiert werden, als handele es sich bei ihm um so eine Art "verlorenen Sohn" und bei seinen Schriften, seiner ganzen Philosophie nur um die verzweifelte Rebellion gegenüber einem Übervater. Kurz: für Christen dürfte es besonders verführerisch sein, sein Werk durch die (küchen-)psychologisierende Brille zu betrachten. In dieser Betrachtungsweise wird man dann gegebenenfalls noch durch solche unsäglichen Autoren wie Manfred Lütz (seines Zeichens einerseits Psychologe und andererseits katholischer Apologet**) gestützt, die insinuieren, dass "echter Atheismus" notwendigerweise in einem solchen Wahnsinn enden müsse, wie dem, in welchem Nietzsche gegen Ende seines Lebens versank.

Als ein wenig einfältig gegenüber Nietzsches Werke hast Du uns schon bezeichnet dadurch. Jedenfalls empfinde ich Deine Worte als reichlich gönnerhaft-abwertend. 

 Sie dürften allerdings mit einer höheren confirmation bias-Schwelle zu kämpfen haben als Nicht-Christen. 

Ich weiß nicht, was das bedeutet. 

tristesse antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@tristesse Ich weiß nicht, was das bedeutet. 

Confirmation bias, übersetzt "Bestätigungsfehler", ist eine Tendenz, die bei allen Menschen (Dummen und Schlauen) zu finden ist und die darin besteht, Informationen, welche die eigenen Überzeugungen bestätigen, schneller, unkritischer und damit leichter aufzunehmen als Informationen, die den eigenen Überzeugungen widersprechen. Diese Tendenz wirkt unwillkürlich und hat nichts mit Intelligenz (oder deren Fehlen*) zu tun: man nimmt manche Informationen (die der eigenen Weltsicht widersprechen) schlicht nicht oder doch kaum als relevant wahr, während man andere (welche die eigene Weltsicht zu bestätigen scheinen) ohne die eigentlich gebotene Skepsis sofort als "wahr" aufnimmt.

Darüber hinaus interpretiert man Tatsachen häufig tendenziös gemäß der eigenen Weltsicht.

Ein Beispiel nannte ich: wenn man christlich sozialisiert wurde, und sich (fast) täglich mit Jesus auseinandersetzt, wird man (so meine Vermutung) gewisse Parallelen zwischen Nietzsches Zarathustra und Jesus erkennen. Wenn man darüberhinaus weiß, dass Nietzsche ein Gegner des Christentums war, es verachtete und darüber spottete - dann liegt die Vermutung nahe, dass sein Zarathustra entweder eine Parodie Jesu darstellt oder den Versuch, die Jesus-Figur zu klauen und etwas Besseres daraus zu machen nach dem Motto: Seht mal - soo macht man das!

Dazu kommt, dass die meisten Christen (natürlich gibt es sicherlich eine ganze Reihe von Ausnahmen davon) sich wohl eher nicht so mit der "heidnischen Antike" beschäftigt haben, mit dem Verhältnis vom Appollinischen zum Dionysischen, mit dem Zoroastrismus und so weiter. Auch Nicht-Christen haben dies heutzutage wohl eher selten. Aber Nicht-Christen dürften entsprechend, wenn sie Nietzsches Zarathustra lesen, weniger "einfach" auf die Parallelen und Widersprüche zur christlichen Religion stoßen, kurz: sie dürften es einfacher haben, Nietzsches Texte nicht gemäß ihren weltanschauungsbedingten Vorurteilen mißzuverstehen.

Darüber hinaus ist es i.d.R. so, dass man Äußerungen von jemandem, den man als (weltanschaulichen) Feind wahrnimmt, tendenziell erstmal für falsch, für manipulativ, für verlogen hält. Es ist sehr schwer, solche Äußerungen unvoreingenommen aufzunehmen, weil viele Sätze, die sich auf unterschiedliche Weise interpretieren lassen, einem selbst ganz offenbar so oder so vorkommen, man also überhaupt nicht auf die Idee kommt, sie könnten irgendwie anders gemeint sein.

Ich hatte oben mich selbst da als Beispiel genannt: Wenn Manfred Lütz etwas sagt oder schreibt, dann schaffe ich es nur mit sehr großer Anstrengung, es nicht schon nach der ersten Hälfte des Satzes als Unsinn, Lüge, Manipulation, Verzerrung, Irreführung, Unterstellung, intellektuelle Unredlichkeit usw. usf. für mich einsortiert zu haben. Ich erwarte von ihm gar nix Vernünftiges, Kluges, womöglich sogar mich Bereicherndes. Wenn er Blödsinn redet (und das tut er häufig! 😀 ), dann bestätigt mich das in meiner Einschätzung von ihm. Wenn er was Vernünftiges, gar Weises sagt (tut er das jemals? Ich zweifle gar sehr! 😩 ), dann bemerke ich das womöglich gar nicht mal, insbesondere, wenn man es mit etwas dialektischem Aufwand auch in's Blödsinnige drehen kann.

 

Jedenfalls empfinde ich Deine Worte als reichlich gönnerhaft-abwertend.

Ich hoffe, ich konnte mit der Erläuterung diesen Eindruck etwas abschwächen.

 

 

 

 

* Wenn man allerdings verstanden und akzeptiert hat, dass man selbst ebenso dem confirmation bias erliegen kann wie alle anderen, kann man es sich (per Übung) zur sozusagen epistemologischen Hygiene-Angewohnheit machen, die eigenen Reaktionen auf Informationen von anderen ständig zu hinterfragen, insbesondere in Fällen, wo man sehr stark entweder zustimmend oder ablehnend reagiert: Könnte meine Reaktion womöglich auf einem Bestätigungsfehler beruhen? Finde ich das jetzt gerade so sehr richtig (falsch), weil es tatsächlich stimmt (falsch ist), oder doch eher, weil es das ausdrückt, was ich selbst eh schon immer als richtig (falsch) betrachtet habe?

So eine Angwohnheit kann einen nicht vollständig vor Bestätigungsfehlern bewahren (insbesondere nicht vor denen, die darin bestehen, der eigenen Weltsicht widersprechende Informationen schlicht nicht zu bemerken), aber zumindest in besonders krassen Fällen davor bewahren, zu schnell und zu vehement zu reagieren.

 

 

 

ceterum censeo, dass das Alignmentproblem gelöst werden muss.

jack-black antworten
tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19109

@jack-black 

Ich hoffe, ich konnte mit der Erläuterung diesen Eindruck etwas abschwächen.

Danke für deine Mühe, ja konntest Du.

Und trau uns langjährigen, "christlich sozialisierten" Usern durchaus noch zu, kritisch und weltoffen zu sein 😉 

tristesse antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@tristesse Danke für deine Mühe, ja konntest Du.

Gern geschehen. Hat sich dann ja auch gelohnt. Insbesondere, falls Du oder sonst jemand hier sich nun frohen Muts an die Nietzsche-Lektüre wagt.  🙂

 

Und trau uns langjährigen, "christlich sozialisierten" Usern durchaus noch zu, kritisch und weltoffen zu sein 😉

Ganz ehrlich? Das traue ich prinzipiell erstmal niemandem zu, nicht mal mir selbst. Mindestens, was die Weltoffenheit angeht. Kritik dagegen ist ja so billig und für jeden verfügbar, dass man sie in vielen Fällen kostenlos geliefert bekommt. 😀

jack-black antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172

@jack-black 
Bevor wir uns hier "kloppen" wegen dem Nietzsche Verständnis, jetzt habe ich einen Kommentar bei Google zu Nietzsche gelesen, der mir zutreffend erscheint.

Sinngemäß lautet der Kommentar: Nietzsche hat so viel geschrieben, dass für jeden etwas dabei ist, der Nazi kann sich seinen  Spruch bei Nietzsche abholen so wie der Linksliberale oder erzkonservative oder Sozialist.
Vielleicht können wir uns so einigen?

florian antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@florian Bevor wir uns hier "kloppen" wegen dem Nietzsche Verständnis

Warum sollten wir uns kloppen?

Nietzsche hat so viel geschrieben, dass für jeden etwas dabei ist, der Nazi kann sich seinen Spruch bei Nietzsche abholen so wie der Linksliberale oder erzkonservative oder Sozialist.
Vielleicht können wir uns so einigen?

Worüber willst Du Dich mit mir einigen? Dass sich Leute überall her irgendwelche Sprüche abholen und die völlig kontextfrei in ihrem Sinne verwenden? Klar, das ist gängige Praxis, gerade in den (a)sozialen Medien.

Dennoch ist es lächerlich, zu behaupten, die Nazis hätten Nietzsche verstanden oder dass seine Philosophie linksliberalen oder gar sozialistischen politischen Anschauungen das Wort redet.

Beispiel: ich selbst bin politisch eher links, finde es wichtig, dass Gewerkschaften gestärkt werden sollten und halte das global dominierende finanzkapitalistische System für ungerecht und Menschheitsgefährdend. Ich würde es mir aber nie einfallen lassen, ausgerechnet Nietzsche für diese meine politischen Ansichten als Kronzeugen heranzuziehen, obwohl ich, wenn ich lange genug suchen würde, vielleicht ein oder zwei Zitate von ihm fände, die man in diesem Sinne interpretieren könnte. Denn ich weiß, dass Nietzsche meine wirtschaftspolitischen Anschauungen ganz gewiß  nicht geteilt und für die Idee von Gewerkschaften vermutlich nur Spott übrig hätte.

Oder nehmen wir meine atheistische Perspektive. Zwar war Nietzsche Atheist, aber, wie ich schon oben anmerkte, war das für ihn so selbstverständlich, dass er, soweit ich das überschauen kann, praktisch nie eine erkenntnistheoretische Begründung ablieferte. Wer also gute, überzeugende Vernunft-Gründe für seine eigenen atheistischen Überzeugungen suchen sollte, wird bei Nietzsche nicht fündig. Er argumentierte nicht gegen irgendwelche theologischen Argumente, die für die Existenz eines (bestimmten) Gottes sprächen. Vermutlich, weil ihm die Zeit zu schade war, sie für sowas zu verplempern. Sein bekanntestes Argument gegen den christlichen Glauben war inhaltlich ästhetischer Natur und formal reiner Spott:

„Bessere Lieder müssten sie mir singen, dass ich an ihren Erlöser glauben lerne. Erlöster müssten mir seine Jünger aussehen“

Das ist ja nicht gerade ein Sachargument, nicht wahr? Der Witz dahinter ist natürlich, dass er damit auf eine biblische Phrase anspielt und sie vorsätzlich falsch versteht: "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen."

In der biblischen Sentenz sind mit den Früchten selbstverständlich die moralisch guten oder schlechten Taten gemeint. So kann man einen Baum betrachten: seine Früchte sind das, was für einen selbst entweder gut/bekömmlich ist oder schlecht/unbekömmlich.

Für Nietzsche (wie ich ihn verstehe) sind die Früchte eines Baumes ein wesentlicher Teil seiner ästhetischen Form, nicht seines Zweckes: jenseits von Gut und Böse stehend, interessieren ihn keine Zwecke, sondern nur die Ästhetik. Und entsprechend erwartet er auch von den Christen nicht, dass sie ihm gute Früchte (z.B. moralische Lehren) geben, sondern dass sie gut aussehen: dass ihre Form zum behaupteten Inhalt passt: "Ihr behauptet, Ihr seiet erlöst? Und dann singt ihr so lausige Lieder und guckt so gezwungen drein? Nein danke!" Er muss die Früchte des Baums nicht pflücken und essen, um herauszufinden, ob sie seinem Geschmack entsprächen.

Aber wenn ich mich mit Christen ernsthaft und inhaltlich über die Überzeugungskraft ihrer Lehren unterhalten möchte, bringt es mir nix, hier mit Nietzsche zu argumentieren: "Ey, du siehst so unlocker aus, da kann diese Story mit Jesus ja wohl nicht stimmen!"

So - damit habe ich Dir mal zwei Beispiele gebracht, warum man, wenn man intellektuell redlich bleiben möchte, Nietzsche nicht einfach so heranziehen kann um seine Weltanschauung zu untermauern.

Es geht aber noch etwas weiter. Eben habe ich dargelegt, warum es intellektuell unredlich wäre, wenn ich mit Nietzsche-Zitaten versuchen würde, meinen Atheismus zu rechtfertigen - obwohl Nietzsche ja auch Atheist war.

 

Du allerdings gingst im Eingangsposting einen ganzen Schritt weiter: Du zogest ihn als Autorität heran, um die christliche Lehre auf eine Weise zu interpretieren, die meiner Ansicht nach nicht solide biblisch gegründet ist.

Es stimmt ja: Nietzsche machte sich häufig über die Mitleids-Moral der Christen lustig. Sie war für ihn allerdings ebenso auch eine "Sklavenmoral", eine Moral der Schwäche und Feigheit. Die Betonung des Mitleids und damit des Solidaritäts-Aspekts war in seinen Augen heuchlerisch: eine Entschuldigung dafür, gegenüber der Autorität (Gott, bzw. seinen kirchlichen Stellvertretern auf Erden) kriecherisch-devot, statt aufrecht und stolz zu stehen. Auch hier ist seine eigentliche Stoßrichtung eine ästhetische: den knieenden, barmenden Menschen vor dem Kruzifix will er nicht sehen, er will den Übermenschen sehen, der ein Blitz aus den Wolken ist, ein stolzer Adler über den Berggipfeln.

In diesem Zusammenhang ist für ihn Mitleid nur eine Pose, ein selbstverzwergendes Ritual: das regelmäßige Gebet zu einem Gott, der sich so klein wie den erbärmlichsten Menschen gemacht hat: also kann der betende Mensch Gott bemitleiden... Darin besteht seine Dialektik: die Christen müssen sich ihren Gott so mickrig und elend denken, dass sie ihn bemitleiden, sich dadurch über ihn erheben, also göttlich fühlen können: der Größenwahn des kleinen Mannes...

Das christliche Mitleid ist aus Nietzsches Perspektive eine Lüge, eine Heuchelei, eine selbstgerechte, aus den Augenwinkeln schielende Demut.

Aber aufgepasst: Nietzsche glaub nicht an Gott. Er hat seine zeitgenössischen Christen vor Augen, über die spottet er, die verachtet er.

Ist so einer Deiner Ansicht nach ein guter Gewährsmann dafür, wie man die Bibel und die Lehre Jesu zu verstehen habe?

Nun bin ich ja kein Christ. Dennoch finde ich, dass sich die Mitleids-Ethik tatsächlich als ein wichtiger, vielleicht der wichtigste Teil im Zentrum des christlichen Glaubens findet. Und wenn man sich überhaupt für Moral interessiert (was Nietzsche eben nicht tut), dann kann ich mir wesentlich schlechtere Wesenskerne als das Mitleid ausdenken.  Jesus ist gewissermaßen das Fleisch gewordene Mitleid Gottes mit seiner Schöpfung. Er zeigt sich solidarisch mit den Kranken, den Armen, den Ausgestoßenen: denen, die leiden. Und er leidet selbst. Darin klingt der vedische Gedanke "Tat twam asi" (dieses bist du!) an, den Schopenhauer als "Grundlage der Moral" in seiner Preisschrift ausmachte.

Auch die Bibel kann man als Zitate-Steinbruch gebrauchen und das wurde über Jahrhunderte hinweg auch genau so gehalten. Dennoch denke ich, dass man, zumindest bei der Lektüre des Neuen Testaments, wenn man ernsthaft versuch, die ethische Haupt-Message daraus zu destillieren, zu dem Schluß kommt, dass hier eine mitleidige, also um das Leid wissende und deswegen tröstende und auch vergebende Botschaft steht: "Fürchtet euch nicht!" (<- das kann man sinnvollerweise nur denen gegenüber sagen, die unter Furcht leiden).

Gott leidet mit, indem er auf die Welt schaut und erfährt: dies bin ich. Nur so kann er sie lieben: indem er sieht, das er sie ist und dass sie gut und richtig ist (was anderes als das Gute und Richtige sollte Gott denn lieben können?). Gott schaut eben nicht herab auf die Welt, sein Mitleiden hat nichts Überhebliches, ist nicht falsch und heuchlerisch wie das Mitleid, über welches Nietzsche spottet: so sehr liebt er diese Welt, dass er für sie leidet, sich selbst inform seines Sohnes für sie hergibt.

So ungefähr sieht in meinen, linksliberalen (Atheisten-)Augen das Mitleids-Konzept im Zentrum der christlichen Idee aus; und ich finde, es ist wertvoll genug, in Schutz genommen zu werden. Auch gegenüber einem Christen, der es unter Berufung auf einen berühmten Atheisten angreift 😉 .

 

 

 

ceterum censeo, dass das Alignmentproblem gelöst werden muss.

 

jack-black antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172
Veröffentlicht von: @jack-black

@florian Bevor wir uns hier "kloppen" wegen dem Nietzsche Verständnis

Warum sollten wir uns kloppen?

 

Nun bin ich ja kein Christ.

 

Auch die Bibel kann man als Zitate-Steinbruch gebrauchen und das wurde über Jahrhunderte hinweg auch genau so gehalten. Dennoch denke ich, dass man, zumindest bei der Lektüre des Neuen Testaments, wenn man ernsthaft versuch, die ethische Haupt-Message daraus zu destillieren, zu dem Schluß kommt, dass hier eine mitleidige, also um das Leid wissende und deswegen tröstende und auch vergebende Botschaft steht: "Fürchtet euch nicht!" (<- das kann man sinnvollerweise nur denen gegenüber sagen, die unter Furcht leiden).

 

Gott leidet mit, indem er auf die Welt schaut und erfährt: dies bin ich. Nur so kann er sie lieben: indem er sieht, das er sie ist und dass sie gut und richtig ist (was anderes als das Gute und Richtige sollte Gott denn lieben können?). Gott schaut eben nicht herab auf die Welt, sein Mitleiden hat nichts Überhebliches, ist nicht falsch und heuchlerisch wie das Mitleid, über welches Nietzsche spottet: so sehr liebt er diese Welt, dass er für sie leidet, sich selbst inform seines Sohnes für sie hergibt.

 

So ungefähr sieht in meinen, linksliberalen (Atheisten-)Augen das Mitleids-Konzept im Zentrum der christlichen Idee aus; und ich finde, es ist wertvoll genug, in Schutz genommen zu werden. Auch gegenüber einem Christen, der es unter Berufung auf einen berühmten Atheisten angreift 😉 .

 

ceterum censeo, dass das Alignmentproblem gelöst werden muss.

 

Habe selten etwas noch christlicheres  gelesen, kaum zu glauben, dass Du extra betonst, eben gerade   k e i n   Christ zu sein.
Da traue ich mich ja kaum, zuzugeben dass ich regelmäßig   eine christliche Gemeinde besuche    😊 😐 😀 😕 

florian antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172
Veröffentlicht von: @jack-black

@florian Bin mir nicht sicher, ob Du heute Nietzsche besser verstehst als früher. Mir kommt's so vor, als hättest Du ihn früher aus den falschen Gründen kacke gefunden und findest ihn heute aus den falschen Gründen zustimmungsfähig.

 

"kacke"  ist ein gutes Stichwort, heute neigt man ja dazu, Nietzsche zu vergöttern, aber es wird gemunkelt, dass er am Ende in geistiger Umnachtung sich mit seiner eigenen  ka.... beschmiert haben soll. Hätte ihn seine Schwester nicht noch bald  12 Jahre lang mitleidsvoll gepflegt (da war er mal auf das Mitleid von anderen angewiesen) dann wäre er noch daran erstickt.
Wahlweise kam sein geistige Umnachtung durch einen ganz normalen frühen Schlaganfall oder durch eine Syhiliis, die er sich durch Bordellbesuche zugezogen hat, was schon wahrscheinlich erscheint,  da er ein gestörtes Frauenbild hatte und wenig Erfolg bei Frauen hattte,  vielleicht war er ja auch homosexuell.
Alles in allem war er eher ein  "armer Doibel" dessen Leben man nicht unbedingt nacheifern wollte.
Warum sollte man sich dann aber für seine Schriften begeistern?

florian antworten
Tagesschimmer
Beiträge : 1248

@florian Wie stehst du zu solchen Bibelworten, in denen das Wirken des Heiligen Geistes beschrieben wird? 

Johannes 16:7-15
Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist euch gut, daß ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.…

Apostelgeschichte 9:31
So hatte nun die ganze Gemeinde Frieden durch ganz Judäa und Galiläa und Samarien und baute sich und wandelte in der Furcht des HERRN und ward erfüllt mit Trost des Heiligen Geistes

tagesschimmer antworten
7 Antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172

@tagesschimmer 
Wir schweifen vom Thema ab, mit der Diskussion über den Heiligen Geist, die Frage ist doch, ob Mitleid immer nützlich ist oder ob es auch sinnvoll sein kann, (wie es ja auch in der Bibel steht)  mal kein Mitleid zu haben. ?

florian antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3660

@florian die Frage ist doch, ob Mitleid immer nützlich ist 

Nützlich für wen?

jack-black antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21661

@florian 

Wir schweifen vom Thema ab, mit der Diskussion über den Heiligen Geist, die Frage ist doch, ob Mitleid immer nützlich ist oder ob es auch sinnvoll sein kann, (wie es ja auch in der Bibel steht)  mal kein Mitleid zu haben. ?

Natürlich ist es sinnvoll, kein Mitleid zu haben. Da kann man eine Menge Geld sparen, wenn man nichts spendet und das Geld lieber selbst behält. Für die Betroffenen ist das natürlich weniger gut.

Was genau meinst du hier denn mit "Mitleid haben"?

lucan-7 antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172
Veröffentlicht von: @lucan-7

@florian 

Natürlich ist es sinnvoll, kein Mitleid zu haben. Da kann man eine Menge Geld sparen, wenn man nichts spendet und das Geld lieber selbst behält. Für die Betroffenen ist das natürlich weniger gut.

Was genau meinst du hier denn mit "Mitleid haben"?

Hallo Lucan,

da lasse ich mir kein schlechtes Gewissen einreden,  ich will mich ja nicht selber loben, aber ich arbeite selber aktiv in der  Flüchtlingshilfe mit und bekomme da so einiges mit und weiß deshalb auch, dass es unter den Flüchtlingen genau so liebe Leute und auch Ar.... gibt wie unter den Deutschen auch.
Ich habe selber keine Kinder und bin nur ein einfacher  "armer"  Rentner,  aber wenn ich alles zusammenzähle, was ich für Leute ausgebe, die  weniger haben als ich,  komme ich mit dem  "Zehnten" längst nicht hin. Schon eher der "Neunte".

Kirchensteuer bezahle ich auch noch, aber ich halte nicht viel davon, genau den Zehnten vom Brutto für irgendeine Freikirche oder Sekte auszugeben,  damit die davon ihre millionenschweren Kirchengebäude erbauen und erhalten können.
Dann lieber für die Armen spenden. 🙂

Die Frage ist doch  nur,  könnte ich nicht Spenden sparen und das Geld lieber für Kaffee und Kuchen mit meiner Frau ausgeben  und trotzdem noch für die Menschheit eher was Gutes damit tun?

Zum Beispiel  habe ich mich mal breit schlagen lassen, eine Spenderschaft für UNICEF zu übernehmen, die machen Werbung dafür, mit Erdnusspaste kleine Kinder vor dem Verhungern zu retten....
Manchmal frage ich mich aber,  Erdnüsse wachsen doch auf riesigen Monokultur- Plantagen in den USA oder Kanada, kann wirklich ein Mensch lebenslang von Erdnüssen leben,  ohne Vitamin C und dergleichen?
Sind diese überlebenden Kinder dann später nicht doch trotz aller Hilfe dieselben, die auf  Gummibooten im Mittelmeer Richtung Europa unterwegs sind?

florian antworten
Florian
(@florian)
Beigetreten : Vor 12 Monaten

Beiträge : 172

@tagesschimmer 

Hallo Tagesschimmer, tut mir leid, dass ich Dich so abrupt abgewürgt habe, aber wie Du ja schon selber  schreibst, hat Jesus uns den Heiligen Geist als Tröster geschickt, nicht als Berater.
Wie wir später hier im Chat ja gerade am Diskutieren sind, könnten wir zum Beispiel gut einen Berater gebrauchen,  der uns in der Flüchtlingsproblematik weiter hilft
Als solcher ist  der Heilige Geist uns aber nicht angekündigt, oder?

florian antworten
Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1248

@florian Zuerst mal: Wenn ich mal nicht antworte, hat das meistens gar nichts zu bedeuten, außer, dass ich mit anderem beschäftigt bin. Ich fühle mich nicht abgewürgt, meistens bin ich sogar dankbar, wenn jemand seine Gedanken kurz zusammenfassen kann. 

die Frage ist doch, ob Mitleid immer nützlich ist oder ob es auch sinnvoll sein kann, (wie es ja auch in der Bibel steht)  mal kein Mitleid zu haben. ?

In der Bibel wird uns ein komplexer Lebensstil empfohlen. Jesus war als Mensch Vorbild, Lehrer, Begleiter, Freund für seine Jünger. Danach hat er uns den Heiligen Geist gesandt, der diese Aufgabe als Gott übernimmt (Joh, 16, 13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten…

Mitleid (für mich passt da besser Mitgefühl) ist enorm wichtig, hat aber nicht immer die höchste Priorität. Die Vielschichtigkeit unserer eigenen Person zu Händeln und in Einklag mit Gott zu bringen, dabei hilft uns der Heilige Geist.

Dann kann Mitgefühl so ausgelebt werden, dass auch mal nicht das Gewünschte gegeben wird. Das passiert, wenn wir die Reife haben, Verantwortung zu tragen. Wir brauchen dann nicht immer Bestätigung von Menschen. Wir können eine sanfte innere Freude und Bestätigung fühlen während uns jemand beschimpft. Wir können geduldig an ein höheres Ziel glauben, auch wenn wir vordergründig erstmal eine Verschlechterung sehen und nichts selbst in der Hand haben. 

 

 

tagesschimmer antworten
Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1248

@florian Jetzt habe ich gerade etwas abstrakt geantwortet. Du erwähnst ja hier ein gutes konkretes Beispiel. Ich denke, wenn ich bereit bin, mein Herz von Fluchtschicksalen berühren zu lassen, dann darf es ganz emotional zugehen. Bin ich aber selbst nicht traumatisiert davon (es gibt auch eine sekundäre Traumatisierung die bei Helfern auftreten kann), dann finde ich mit der Zeit meine Rationalität wieder und lasse nicht meine Gefühle regieren.

Es findet ein Weiterhören statt (z.B. auf Gottes und andere Stimmen). Das ist der Punkt, an dem die Hilfe des Heiligen Geistes oft besonders wahrgenommen wird, auch wenn er natürlich den ganzen Prozess begleitet. Unterscheiden, Abwägen, Kreativität kommen hervor. Die Geduld sagt uns: Lass mal etwas Zeit vergehen und gib den verschiedenen Stimmen Raum. Dann sind wir eher in der Lage, das Leid anderer und unser Opfer bei der Hilfe in ein Verhältnis zu setzen. 

Meine eigene Erfahrung zeigt mir, dass ich bei starken emotionalen Eindrücken übermäßig bereit bin nachzugeben. Die Gefühle wollen uns manchmal „übernehmen“ Aber ein echtes, gereiftes Mitgefühl zwingt uns nicht zu unüberlegter Hingabe an die Situation. Sie gibt aber oft die Motivation, dranzubleiben und eine Lösung zu finden. Ein Negativbeispiel habe ich mal bei einem Familienvater erlebt, der immer wieder Zeit und Geld für andere Menschen geopfert hat. Seine Familie stand dadurch permanent unter Stress, weil sie keine Sicherheit mehr hatte (z.B. als er spontan die Waschmaschine verschenkte)

tagesschimmer antworten


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