Benachrichtigungen
Alles löschen

Ich bin nicht so wie die, ich bin besser....

Seite 3 / 4

Anonymous
 Anonymous
Beiträge : 0

Hallo,

ich glaube, mit diesem Thema werde ich mich unbeliebt machen. Ich probiere es trotzdem mal.

Eigentlich geht es um jesus.de und die Foren, aber es geht eben auch um Ökumene und die Frage: Ein Leib?!

Was mir aufgefallen ist: hier grenzen sich viele Leute ab, weil sie nicht mit Fundamentalisten oder Evangelikale in einen Topf geworfen werden wollen. Da wird einem Menschen, der schwierige Erfahrungen gemacht hat, sinngemäß gesagt: "DIE, DIE sind intolerant, homophob etc. , aber ICH, ICH bin das nicht"

Gerne auch: "Es gibt auch Christen, die nicht so sind."

Das gibts auch auf allen Seiten außerhalb des Internets. Ich habe schon zu analogen Zeiten nicht verstanden, wie man seine Zeit damit verbringen kann, Bücher darüber zu schreiben Christen vor anderen Christen /Richtungen/Konfessionen zu warnen.

Hier hatte ich gerade das Gefühl: hat sich was mit "ein Leib". Sobald man eine Gruppierung nicht mag, sind sie scheinbar zum "sich von ihnen distanzieren" frei gegeben, gerne auch mit mehr oder weniger subtilen Anwürfen.

In der Bibel steht, dass wir ein Leib sind. Wenn ein Teil des Leibes leidet, leidet der ganze Leib.

Hier hatte ich gerade das Gefühl es geht eher nach dem Motto "Gehirn an alle: der Fuß hat sich gerade verrenkt" "Milz an Gehirn: Hack ihn ab, hack ihn ab!" "Leber an alle: ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich nicht verrenkt bin und der Fuß das ganz falsch macht". etc.

Wie seht ihr das? Gilt noch ein Leib, wenn man eine christliche Ausrichtung nicht mag oder falsch findet was sie lehrt? Oder will man dann lieber nicht mit diesem Körperteil assoziiert werden und tut so als ob es nicht dazu gehört?

Antwort
149 Antworten
lhoovpee
Beiträge : 2819

Solange es Fundamentalisten gibt, werde ich mich von diesen abgrenzen.
Solange es diskriminierende Theologie gibt, werde ich mich von dieser abgrenzen.
Solange es (in meinen Augen) Irrlehren gibt, werde ich mich von diesen abgrenzen.

Das hat nichts damit zu tun, dass ich mich für besser halte, sondern das es mir wichtig ist, dass mein Gegenüber weiß, woran ich glaube und wofür ich einstehe.

Das Gleichnis mit dem einen Leib hat seine Grenzen. Ich werde niemals die obigen Dinge verschweigen, nur um den Schein der Einheit willen. Das wäre Heuchelei.

lhoovpee antworten


Anonymous
 Anonymous
Beiträge : 0

Um "besser" geht es nicht.
Zuerst mal ich als individueller Mensch, als Person:
Auf keinen Fall halte ich mich für einen besseren Menschen oder "besseren Christen" als andere. Bin leider ziemlich fehlerhaft und oft darauf angewiesen, barmherzig und gnädig angesehen zu werden.

Ganz bestimmt ist es auch so, wenn man von "den Katholiken", "den Evangelikalen", "den Baptisten", "den Landeskirchlern" spricht, man unzulässige Schubladen aufmacht und manches Mal zu sehr verallgemeinert. Auf der anderen Seite geht es manchmal auch nicht ganz ohne Kategorien, damit man sich irgendwie noch in einer lesbaren Kürze fassen kann.

Ich kenne in jeder dieser "Schubladen" feine Menschen und feine Christen.

Wenn ich zu bestimmten christlichen Richtungen heute eher auf Distanz gehe, liegt das vor allem auch daran, was ich mit diesen erlebt habe. Manchmal denke ich mir auch so: "Du meine Güte - was habe ich als junge Frau anderen so alles über den Glauben erzählt oder gar vorgeschrieben! Du meine Güte - was habe ich alles so als der Weisheit letzten Schluss verkündet - ohne es wirklich erfahren zu haben!"

Viele Dinge, die ich eben in evangelikal orientierten Gemeinden gelehrt wurde, haben sich in meinem Leben als nicht tragfähig erwiesen, es passierte oft das genaue Gegenteil. Und z.B. mit Kreationisten oder vielen weißen evangelikalen Gemeinden in den USA kann ich nichts anfangen.

Wenn ich versuche, einem Verletzten und Suchenden Verständnis entgegenzubringen, dann erzähle ich durchaus auch von meinen Erfahrungen. Anders geht es ja irgendwie auch nicht. Mir ist immer eine Bitte total wichtig gewesen: "Gott, hilf mir doch, dass ich meinen Mitmenschen nicht vor deinem Licht herumstehe!" Wahrscheinlich bin ich trotzdem oft ein Trampel.

Das doppelte (oder dreifache) Liebesgebot ist für mich zentral: Gott lieben und den Nächsten wie sich selbst. Ebenso wie mir alle Bibelworte sehr wichtig sind (aber eben nicht unbedingt wörtlich verstanden). Schön wär es, wenn jemand davon in meinem Leben was merkte. Und schön ist es immer, auf Christen zu treffen, in deren Leben ich davon was merke.

Manchmal versuche ich, und das hat lubov so schön ausgedrückt, jemandem zu helfen, seine Hand wegzuziehen, wo grade jemand wieder drauflatscht. (Natürlich könnte auch der andere vielleicht nicht mehr drauflatschen?)

Darum, dass die evangelische Landeskirche, der ich aus Überzeugung angehöre, "besser" sei als andere christliche Richtungen, geht es mir nicht. Ist sie ja auch nicht. Vielmehr ergänzen sich viele christliche Richtungen vielleicht auch? Mir geht es irgendwie darum, dass Menschen nicht verletzt werden. (Ob das immer geht - oder auch nur überhaupt als Anliegen immer richtig ist, das weiß ich eigentlich gar nicht... was meint ihr denn?)

Anonymous antworten
55 Antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @polyglott

Darum, dass die evangelische Landeskirche, der ich aus Überzeugung angehöre, "besser" sei als andere christliche Richtungen, geht es mir nicht. Ist sie ja auch nicht.

Doch, ist sie, weil sie anderen Menschen ihren Glauben, ihre Sexualität lässt. Wir können in Frieden mit allen Menschen zusammen leben. Manch andere können höchstens nebeneinander leben oder direkt Krieg führen.

Anonymous antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @tent

Doch, ist sie, weil sie anderen Menschen ihren Glauben, ihre Sexualität lässt. Wir können in Frieden mit allen Menschen zusammen leben. Manch andere können höchstens nebeneinander leben oder direkt Krieg führen.

Es tut mir in der Seele weh, das zu lesen. Und dann auch noch in einem Thread wie diesem. Daher nur so viel an dieser Stelle: nein, die evangelische Landeskirche ist NICHT besser als andere christliche Richtungen.
Ich werde mich bei den anderen Kirchen da zurückhalten, aber das ist zufällig auch meine und sie ist nicht besser als andere Kirchen und hat sich in den letzten Jahrzehnten auch nicht verbessert.
Ich bin evangelisch, ich bin bei meinem Kirchenkreis angestellt und es gibt gar keinen Grund hoffärtig zu sein und uns für besser als andere zu halten. Und wenn ich mir die traurigen Gottesdienstzahlen anschaue, dann hat über das Thema schon eine Abstimmung mit den Füssen statt gefunden. Wir sind nicht besser, wir gehen gerade mit wehenden Fahnen unter und verkaufen unsere Kirchengebäude, weil die Gemeinden zusammen gelegt werden und immer weniger Gebäude genutzt werden und im Unterhalt zu teuer werden und - seien wir mal ehrlich - für die 20 Leute im Gottesdienst brauchts auch keine großen Gebäude. Wir sind nicht besser. Wir verlieren uns selbst.

Anonymous antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0

Was du so schreibst wundert es mich nicht wenn du über die evangelische Landeskirche herziehst.

Meine evangelische Landeskirche hat steigende Einnahmen, bis zu 1000 Gottesdienstbesucher, 2 volle Pastorenstellen, ...

Religion hat in Europa natürlich schon Mitgliederschwund, je besser es den Menschen geht, desto weniger brauchen sie ein jenseitiges Reich wo alles besser wird.

Anonymous antworten
Turmfalke1
(@turmfalke1)
Beigetreten : Vor 16 Jahren

Beiträge : 4122
Veröffentlicht von: @tent

Doch, ist sie, weil sie anderen Menschen ihren Glauben, ihre Sexualität lässt.

Also eine Kirche, in der alles "gleich gültig" ist, kann ich wenig abgewinnen, weil sie mir zu "gleichgültig" gegenüber dem Wort Gottes erscheint.
Paulus hat sich eingemischt:
- Er warnte vor Irrlehren
- Er sagte nicht: "Es ist egal, was ihr glaubt."
- Er entlarvte den Götzendienst der damaligen Zeit.
- Er warnte klar und deutlich vor Verirrungen auf religiösem, moralischem und sexuellem Gebiet.

Jesus sagte, dass wer nicht an Ihn glaubt, unter dem Zorn Gottes bleibt.

Darf das die Kirche Deiner Meinung nach überhaupt noch tun?

turmfalke1 antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @turmfalke1

Jesus sagte, dass wer nicht an Ihn glaubt, unter dem Zorn Gottes bleibt.

Veröffentlicht von: @turmfalke1

Darf das die Kirche Deiner Meinung nach überhaupt noch tun?

Erstens weiß niemand was Jesus genau sagte, die Autoren der Bibel kannten Jesus nicht einmal, und dann ist das nur die Übersetzung einer Übersetzung.

Da kann man sich wohl darauf zu beschränken zu sagen, nur wer an Jesus glaubt wird im Himmel an seiner Seite sitzen ohne alle anderen in eine Hölle zu wünschen.

Anonymous antworten
Turmfalke1
(@turmfalke1)
Beigetreten : Vor 16 Jahren

Beiträge : 4122
Veröffentlicht von: @tent

die Autoren der Bibel kannten Jesus nicht einmal

Das kannst Du zwar behaupten, wird aber dadurch nicht wahr.
Es gibt durchaus triftige Gründe, anzunehmen, dass der Schreiber des Johannesevangeliums der Jünger Johannes und der des Matthäusevangeliums der ehemalige Zöllner Matthäus/ Levi war. Beide kannten Jesus sehr gut.

Veröffentlicht von: @tent

dann ist das nur die Übersetzung einer Übersetzung.

Und? Muss es deshalb falsch sein?

Veröffentlicht von: @tent

Da kann man sich wohl darauf zu beschränken zu sagen, nur wer an Jesus glaubt wird im Himmel an seiner Seite sitzen ohne alle anderen in eine Hölle zu wünschen.

Erstensmal wird kein Christ jemanden in die Hölle wünschen, im Gegenteil, wir sind aufgerufen, in Liebe die frohe Botschaft weiterzusagen, damit so wenig wie möglich in die Hölle kommen.
Und zweitens erachte ich es für falsch, nach meinem eigenen Gusto zu entscheiden, welchen Aussagen der Bibel ich glaube und welchen nicht. Wenn Du das für dich persönlich so entscheidest, oK, aber für die Kirche ist in ihrem Verkündigungsauftrag die ganze Bibel verbindlich. Eine "Kirche der Beliebigkeit" ist nicht mein Ding. Jedes Haus, welches nicht auf einem soliden Fundament steht, wird über kurz oder lang einstürzen.

turmfalke1 antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 1 Sekunde

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @turmfalke1

Das kannst Du zwar behaupten, wird aber dadurch nicht wahr.
Es gibt durchaus triftige Gründe, anzunehmen, dass der Schreiber des Johannesevangeliums der Jünger Johannes und der des Matthäusevangeliums der ehemalige Zöllner Matthäus/ Levi war. Beide kannten Jesus sehr gut.

Das sind alternative Fakten, die erfunden wurden um der Bibel mehr Gewicht zu verleihen.

Veröffentlicht von: @turmfalke1

Und? Muss es deshalb falsch sein?

Es ist ganz sicher ungenau.

Veröffentlicht von: @turmfalke1

Erstensmal wird kein Christ jemanden in die Hölle wünschen, im Gegenteil, wir sind aufgerufen, in Liebe die frohe Botschaft weiterzusagen, damit so wenig wie möglich in die Hölle kommen.

Das macht im Ergebnis keinen Unterschied.

Veröffentlicht von: @turmfalke1

Und zweitens erachte ich es für falsch, nach meinem eigenen Gusto zu entscheiden, welchen Aussagen der Bibel ich glaube und welchen nicht.

Schon wieder der doofe Witz. Es macht keinen Unterschied ob du nach eigenem Gusto 3 % oder 100 % der Bibel glaubst, es ist beliebig.

Veröffentlicht von: @turmfalke1

für die Kirche ist in ihrem Verkündigungsauftrag die ganze Bibel verbindlich.

Du hast eine traurige Kirche.

Veröffentlicht von: @turmfalke1

Jedes Haus, welches nicht auf einem soliden Fundament steht, wird über kurz oder lang einstürzen.

Dieses Fundament bietet so ziemlich jedes Bibelverständnis, nur bei deinem bezweifele ich das.

Anonymous antworten
lubov
 lubov
(@lubov)
Beigetreten : Vor 19 Jahren

Beiträge : 2684

Die Modse räuspert sich
Moin.

Veröffentlicht von: @tent

[r]Schon wieder der doofe Witz[/r].

Veröffentlicht von: @tent

[r]Du hast eine traurige Kirche.[/r]

Veröffentlicht von: @tent

[r]Dieses Fundament bietet so ziemlich jedes Bibelverständnis, nur bei deinem bezweifele ich das.[/r]

Ich erwarte, dass du die Tonart deutlich mäßigst. Danke.

lubov antworten
Turmfalke1
(@turmfalke1)
Beigetreten : Vor 16 Jahren

Beiträge : 4122
Veröffentlicht von: @tent

Das sind alternative Fakten, die erfunden wurden um der Bibel mehr Gewicht zu verleihen.

Es gibt "triftige Gründe". Und das ist etwas anderes als "alternative Fakten."
Ich könnte den Spieß genausogut umdrehen und sagen:
Die Behauptung, dass die Autoren der Bibel Jesus nie gekannt hätten, wurde erfunden, um die Glaubwürdigkeit der Bibel herabzusetzen. Wobei der Begriff "Autoren der Bibel" sowieso sehr ungenau ist, denn keiner wird behaupten, dass Mose Jesus gekannt habe. Bei den Evangelisten sieht das aber sehr wohl anders aus.

Veröffentlicht von: @tent

Es ist ganz sicher ungenau.

Wieso? Es gibt durchaus auch Übersetzer, die die Gabe haben, sehr wortgetreu zu übersetzen.

Veröffentlicht von: @tent

Das macht im Ergebnis keinen Unterschied.

Doch, einen sehr großen. Du unterstellst im Grunde den Christen Böswilligkeit, da sie Deiner Aussage nach jemanden in die Hölle wünschen.
Wenn ich z. B. ein Kind warne, dass es beim Überqueren der Straße sehr vorsichtig sein soll, damit es nicht unter die Räder kommt, wünsche ich ihm doch auch nicht, dass es überfahren wird, sondern dass Gegenteil ist der Fall.

Veröffentlicht von: @tent

Schon wieder der doofe Witz.

Kennst Du den Unterschied zwischen Witz und Argument?

Veröffentlicht von: @tent

Es macht keinen Unterschied ob du nach eigenem Gusto 3 % oder 100 % der Bibel glaubst, es ist beliebig.

Was ist beliebig, wenn ich 100% der Bibel glaube?

Veröffentlicht von: @tent

Du hast eine traurige Kirche.

Nö, ich gehöre zu einer ganz fröhlichen, lebendigen Kirche, nämlich zum Leib Christi. Und wenn man mit einem lebendigen Heiland unterwegs ist, kann es nicht traurig zugehen. 😉

Veröffentlicht von: @tent

Dieses Fundament bietet so ziemlich jedes Bibelverständnis, nur bei deinem bezweifele ich das.

Ob Du das bezweifelst, ist mir eigentlich ziemlich egal - spielt m. E. auch überhaupt keine Rolle. In einem Diskussionsforum sind wohl eher fundierte Argumente gefragt und keine persönlichen Anwürfe.

turmfalke1 antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @turmfalke1

Es gibt durchaus triftige Gründe, anzunehmen, dass der Schreiber des Johannesevangeliums der Jünger Johannes und der des Matthäusevangeliums der ehemalige Zöllner Matthäus/ Levi war. Beide kannten Jesus sehr gut.

Das halte ich für ziemlich ausgeschlossen. Stil und Inhalt wären dann mit Sicherheit anders.

lucan-7 antworten
Turmfalke1
(@turmfalke1)
Beigetreten : Vor 16 Jahren

Beiträge : 4122
Veröffentlicht von: @lucan-7

Stil und Inhalt wären dann mit Sicherheit anders.

Warum und in welcher Art und Weise?

turmfalke1 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802

Für Eure beiden Ansichten bräuchte man zum Beleg unbestreitbar echte Vergleichstexte derselben Autoren.

Ohne sie sind beides Glaubensaussagen.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Für Eure beiden Ansichten bräuchte man zum Beleg unbestreitbar echte Vergleichstexte derselben Autoren.

Ohne sie sind beides Glaubensaussagen.

Nein, da gibt es diverse Methoden der Textanalyse, auch etwa im Vergleich zu den anderen Evangelien.

Ich bin da selber kein Experte und es ist eine Weile her, dass ich mich damit ausführlicher befasst habe. Aber die "Beweislast" liegt wohl eher bei jenen, die behaupten, einen ganz bestimmten Autor zu erkennen - und nicht bei denen, die sagen, dass es einfach irgendein Autor war...

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

da gibt es diverse Methoden der Textanalyse, auch etwa im Vergleich zu den anderen Evangelien.

Dass Matthäus anders schreibt als Johannes, sagt erstmal nur, dass es zwei verschiedene Autoren waren. Und dass sie unterschiedliche Dinge schreiben, lässt vermuten, dass Johannes die andern kannte und nicht doppeln wollte.

Aber um Texte zu analysieren und zu sagen, ob sie von einem Autor kommen oder nicht, braucht man nun mal Vergleichstexte dieses Autors.

Die Beweislastfrage hat nichts mit Textanalyse zu tun, und da die Evangelien fast nie selbst sagen, von wem sie geschrieben sind, ist es für mich auch keine Bekenntnisfrage. Aber in beide Richtungen nicht.

Die einzige wissenschaftlich seriöse Antwort lautet: Keine Ahnung.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Aber um Texte zu analysieren und zu sagen, ob sie von einem Autor kommen oder nicht, braucht man nun mal Vergleichstexte dieses Autors.

Nicht unbedingt. Es geht auch um die Frage der Perspektive und der verwendeten Quellen.

Ein Augenzeuge muss sich keiner Quellen bedienen, wenn er selbst zugegen war. Er wird dann vorrangig das schildern, was er selbst erlebt hat. Lediglich bei der Vorgeschichte, als er noch nicht selbst dabei war, wird er dann womöglich auf andere Quellen zurückgreifen.

Meines Wissens gibt aber kein Evangelium eine solche Perspektive her.

lucan-7 antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Für Eure beiden Ansichten bräuchte man zum Beleg unbestreitbar echte Vergleichstexte derselben Autoren.

Ohne sie sind beides Glaubensaussagen.

Da gibt es noch einen Punkt: Wieso sollte ein Augenzeuge Quellen verwenden?

Alle vier Evangelien verwenden aber Quellen.

deleted_profile antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802

Wieso sollte ein Augenzeuge Quellen verwenden?
Die Frage stellen Billy und Lucan zeitgleich, und sie ist gut.

Aber die Antwort lautet: Weil er mehr als bloß einen subjektiven Bericht abliefern will.
Warum sollte jemand, der für manche Sachen Augenzeuge war, nicht Quellen für andere Punkte verwenden? Oder sogar für dieselben, um sicher zu gehen?

Eberhard Bethge hat Bonhoeffer auch persönlich kennengelernt, arbeitet in seiner Bonhoeffer-Biographie aber von den schriftlichen Quellen und Aussagen weiterer Zeugen her.

Augenzeugenschaft allein qualifiziert noch überhaupt nicht, um einen guten Bericht zu schreiben.
Augenzeugen haben immer eine sehr eingeschränkte Perspektive und sehen selten das Gesamtbild.
Wenn jemand, der Augenzeuge war, aber einen Bericht schreiben will, wird er über seine eigenen Erlebnisse und Wahrnehmungen hinaus weiter recherchieren.

Dass die Evangelien Quellen verwenden, sagt einfach, dass sie versuchen, das umfassendst mögliche Bild zu bekommen. Ob sie zusätzlich dazu etwas persönlich miterlebt haben, ist dabei weder belegt noch ausgeschlossen.

Insofern kann ich persönlich bei beiden Positionen nicht verstehen, warum man die Frage überhaupt wichtig findet.

Für die Argumentation, mit der dieser Strang begann, ist sie noch einmal völlig unwichtig, denn selbst wenn es stimmen sollte, dass die Evangelisten allesamt Jesus von Nazareth nicht persönlich kannten (wozu es weder Beweise noch Gegenbeweise gibt und "die Wissenschaft" sich keineswegs einig ist), zeigt doch gerade die Verwendung von älteren Quellen, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit authentische Zeugnisse bewahrt haben.

Ich lese also im Matthäusevangelium durchaus Berichte von Menschen, die dabei waren, egal, ob der, der alles zusammengestellt hat, unter ihnen ist oder nicht.

andreas-wendt antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Aber die Antwort lautet: Weil er mehr als bloß einen subjektiven Bericht abliefern will.

Diese Antwort auf die synoptische Frage wäre mir jetzt neu.

deleted_profile antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802

Dass die Synoptiker mehrere Quellen verwenden, weil sie meinen, mehr Quellen liefern ein umfassenderes Bild?

Weswegen sollten sie es sonst tun? Sonst hätte man ja einfach die einzelnen Quelltexte weiter tradieren können.

Das hat mit der Frage der Augenzeugenschaft nichts zu tun, aber ein Augenzeuge würde, wenn er diesen Job haben sollte, es nicht anders machen.

andreas-wendt antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Weswegen sollten sie es sonst tun?

zB weil sie selbst keine Augenzeugen waren.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Sonst hätte man ja einfach die einzelnen Quelltexte weiter tradieren können.

Hat man eine zeitlang ja auch. Siehe Thomasevangelium.

deleted_profile antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @billy-shears
Veröffentlicht von: @billy-shears

Weswegen sollten sie es sonst tun?

zB weil sie selbst keine Augenzeugen waren.

Die Möglichkeit habe ich ja auch nicht ausgeschlossen. Dass jemand, der kein Augenzeuge war, mit Quellen arbeiten muss, ist ja sowieso klar. Das war aber nicht die Frage.

Die Frage hier war: würde das nur jemand tun, der kein Augenzeuge war, oder könnten letztere auch gute Gründe dazu haben?

Vielleicht war ich im Eifer des Gefechts etwas missverständlich, aber mir ist völlig klar, dass die These, die Autoren seien Augenzeugen gewesen, nicht belegbar ist.

Mir geht es lediglich darum, dass sie durch die Verwendung von Quellen nicht widerlegt ist.
Wie gesagt, es gibt auch moderne Biogaphien, deren Autoren mit der dargestellten Person eine gewisse Zeit verbracht haben und dafür Zeugen sind, aber fürs Gesamtbild auf andere Quellen zurückgreifen. Das lässt sich bei keinem der Evangelisten mit letzter Sicherheit behaupten, aber auch nicht ausschließen.

Ich überlege sogar, ob man soweit gehen könnte, dass sie strenggenommen gar nicht widerlegbar ist (und damit auch keine wissenschaftliche These im strengen Sinne).
Aber ich würde sagen, die These, der jeweilige Autor sei für alle in seinem Buch beschriebenen Ereignisse Augenzeuge gewesen, ist durchaus widerlegbar, denn es werden dort zu viele unterschiedliche Personenkonstellationen geschildert, deren einzige personelle Gemeinsamkeit Jesus selbst ist. Kein Evangelist kann also für sie alle Augenzeuge gewesen sein, selbst wenn es sich bei ihnen um die Jünger gleichen Namens gehandelt haben sollte. Letzteres halte ich tatsächlich für nicht widerlegbar.
Aber ich halte es auch nicht für heilsentscheidend es zu glauben.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Das lässt sich bei keinem der Evangelisten mit letzter Sicherheit behaupten, aber auch nicht ausschließen.

Ich denke schon, dass Lukas hier eine Ausnahme darstellt. Er hat wohl sowohl auf Quellen als auch auf Augenzeugen zurückgegriffen.
Wobei ich davon ausgehe, dass die Wundererzählungen der Evangelien auch genau so zustandekamen: Da wurden Zeugen befragt, die natürlich gerne erzählten, wie besonders Jesus doch war. Und da wird aus einer einfachen medizinischen Versorgung schnell mal eine Wunderheilung, und aus einem Mädchen, das vielleicht im Koma lag, tatsächlich eine Tote, die von Jesus wieder aufgeweckt wurde.

Natürlich kann man mir dabei vorhalten, dass ich mit entsprechenden Vorbehalten an die Geschichte herangehe... das Lustige ist nur, dass die meisten Christen jede andere "Wundererzählung", die nicht im christlichen Kontext steht, genau so beurteilen würden...

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Ich denke schon, dass Lukas hier eine Ausnahme darstellt. Er hat wohl sowohl auf Quellen als auch auf Augenzeugen zurückgegriffen.

Im Rahmen der hier verhandelten Frage müsste man formulieren: Er war selbst kein Augenzeuge, sondern griff auf mündliche wie schriftliche Quellen zurück.

Deine Beispiele zeigen sehr gut, dass Augenzeugenschaft allein noch kein Garant für Zuverlässigkeit ist. Was wieder meine These stützt, dass ein Augenzeuge, der was Zuverlässiges schreiben will, auf mehr als seinen Augenschein zurückgreifen würde.

Ob man freilich einen, der durch sein Wort ein Mädchen aus dem Koma wecken konnte, nicht als Wunderheiler bezeichnen sollte, ist dann nochmal eine andere Frage.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Da wurden Zeugen befragt, die natürlich gerne erzählten, wie besonders Jesus doch war.

"Besonders" ist eigentlich zu wenig. Denn vor dem Hintergrund alttestamentlicher Texte werden hier Dinge von Jesus erzählt, die Juden nur von Gott sagen konnten.
Auch wenn keins der erzählten Ereignisse wirklich geschehen sein sollte, sondern das alles bloß ausgedacht wurde, kommen wir nicht drumrum, dass Texte in einem jüdischen Kontext über Jesus wie über JHWH reden.
Es bleibt unabhängig von der historischen Zuverlässigkeit der Texte - und sogar unabhängig vom eigenen Glauben - eine der spannendsten Fragen der Religionsgeschichte, wie es dazu kam. Ich glaube, ich würde die Frage sogar noch faszinierender finden, wenn ich Atheist wäre.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Es bleibt unabhängig von der historischen Zuverlässigkeit der Texte - und sogar unabhängig vom eigenen Glauben - eine der spannendsten Fragen der Religionsgeschichte, wie es dazu kam. Ich glaube, ich würde die Frage sogar noch faszinierender finden, wenn ich Atheist wäre.

Ich finde die Frage eigentlich wenig spektakulär. Die Geschichte entsprach offenbar dem Zeitgeist der Leute. Und während sich die Geschichte unter den Juden nicht dauerhaft durchsetzen konnte, fand sie nach der Bearbeitung durch Paulus dann bei anderen Völkern Anklang.

Man kann jetzt natürlich fragen, wieso die Geschichte beim einfachen Volk so gut ankam. Welche Bedürfnisse wurden dadurch gestillt?

Oder man geht den umgekehrten Weg: Was sagt es über das einfach Volk damals aus, dass die Geschichte von Paulus so gut ankam? Darin steckt ja auch eine Antwort...

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Die Geschichte entsprach offenbar dem Zeitgeist der Leute.

Nach allem, was man kulturgeschichtlich über den Zeitgeist weiß, eben nicht.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Und während sich die Geschichte unter den Juden nicht dauerhaft durchsetzen konnte, fand sie nach der Bearbeitung durch Paulus dann bei anderen Völkern Anklang.

Auch bei denen waren es ja eher wenige, bei denen es ankam. Zumindest zur Zeit des Paulus.
Aber es geht ja auch nicht darum, ob es bei vielen oder wenigen Juden ankam, sondern dass es überhaupt eine Handvoll Juden gab, die anfingen, über Jesus wie über JHWH zu reden. Das widersprach völlig allem, was sie gelernt hatten - und dem Zeitgeist in Israel auch. Selbst wenn nur einer auf diesen Gedanken gekommen wäre, ist es schwer zu erklären.

Und dass dann mit Paulus noch ein gelernter Pharisäer auf den Zug aufsprang, ist nun aus Zeitgeist und Religionsgeschichte und allem völlig unerklärlich.

Warum es ankam, dazu gibt es Forschungen. Wieso es überhaupt losging, ist damit aber nicht erklärt.

Aber vielleicht bist Du mit neueren Forschungen zum damaligen Zeitgeist vertraut, die mir entgangen sind? Dann gern her damit.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Aber vielleicht bist Du mit neueren Forschungen zum damaligen Zeitgeist vertraut, die mir entgangen sind? Dann gern her damit.

Ich bin da Laie, ich muss da auf Forschungsergebnisse anderer Leute vertrauen. Ich habe mich zwischenzeitlich immer wieder sporadisch damit befasst, zur Zeit sehe ich das aber nochmal aus einer neuen Perspektive.

Denn beobachtet man einmal das Weltgeschehen, dann stellt man fest dass es zu praktisch allen neuen Bewegungen immer auch Gegenbewegungen gegeben hat. Selbst dann, wenn eine Bewegung im Grund vernünftig ist und prinzipiell alle davon profitieren stellen sich irgendwelche "Querdenker" dagegen.

Nun kann man unsere freie Gesellschaft nicht einfach auf Mittelalter oder Antike übertragen, wo die Menschen in ihrer gesellschaftlichen Rolle und ihrem Weltbild wesentlich eingeschränkter waren. Dennoch gab es aber auch zu diesen Zeiten immer Menschen, die sich gegen die gängigen Ideale aufgelehnt haben - selbst wenn sie sich dadurch in Lebensgefahr begaben.

Meine Theorie ist, dass es eine gesellschaftliche Gesetzmäßigkeit gibt, die dafür sorgt, dass sich ein bestimmter Teil einer Gesellschaft immer gegen die bestehende Ordnung oder die bestehenden Ideale auflehnen wird - völlig unabhängig davon, wie diese eigentlich aussehen.
Das ist übrigens nicht zu verwechseln mit offener Rebellion, es geht erst mal nur um eine andere Denkweise. Würden wir dabei ein Volk mit seinen Idealen als "Körper" betrachten, der über "Gene" verfügt, dann wären diese Leute die "Mutation", die zwangsläufig irgendwann auftreten wird.
In einer Diktatur sind das vielleicht Leute, die sich für Demokratie einsetzen. In einer Demokratie will ein Teil lieber eine Diktatur. Gegen die Vernunft machen Verschwörungsideologen mobil. Was immer wir auch haben... ein Teil der Gesellschaft macht nicht mit.
Und ich vermute, dass das kein Zufall ist, sondern eine Regel.

Sollte das zutreffen, dann wäre es auch kein Wunder, dass sich das Christentum zunächst bei den Juden für kurze Zeit durchsetzte... da war die Anzahl der Anhänger aber nicht groß genug und die Sache regional zu begrenzt, um sich dauerhaft halten zu können.

Mehr Erfolg hatte dann Paulus, und anscheinend traf seine Lehre genau den Nerv... eben nicht des allgemeinen Zeitgeistes, sondern den dieser "Rebellen", die natürlich zwangsläufig eine Minderheit darstellten. Durch die große Verbreitung hielt sich das Christentum aber letztlich länger... so lange, bis es sich schliesslich sogar durchsetzen konnte, nachdem die Politik die unbestreitbaren Vorteile eines einzigen Gottes erkannte.

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802

Hi!

Deine Gesellschaftstheorie ist in groben Zügen die von Hegel mit These - Antithese - Synthese und damit sicher nicht unvernünftig.

Und vermutlich lässt sich auch die Religionsgeschichte jener Zeit irgendwie mit diesem Schema verstehen.

Und es passt ungefähr zu dem, was man darüber weiß, warum die Ideen des Christentums bei bestimmten Gruppen Anklang fanden.

Was damit nicht erklärt wird, ist, wie sie (also diese konkreten Gedanken) überhaupt entstehen konnten.

Eine typische Antithese zum jüdischen Monotheismus wäre der A- oder der Polytheismus. Die göttliche Verehrung Jesu bei gleichzeitigem Anspruch, weiter Monotheisten zu sein, ist für eine Gegenbewegung irgendwie zu inkonsequent, denkerisch zu wenig radikal, sie scheint irgendwie schon eine nicht zu Ende gedachte Synthese zu sein, die aber die Antithese übersprungen hat.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Die göttliche Verehrung Jesu bei gleichzeitigem Anspruch, weiter Monotheisten zu sein, ist für eine Gegenbewegung irgendwie zu inkonsequent, denkerisch zu wenig radikal, sie scheint irgendwie schon eine nicht zu Ende gedachte Synthese zu sein, die aber die Antithese übersprungen hat.

Der Bruch bei den jüdischen Gemeinden dürfte viel simpler gewesen sein... nämlich schlicht die Frage: "Jesus ist der Messias" vs. "Jesus ist nicht der Messias".

Das ist allerdings ein Bereich, über den ich praktisch gar nichts weiss... römische Quellen berichten zwar über die ersten "Christen" in Jerusalem - aber nach ihrem eigenen Verständnis dürften das doch kaum "Christen" gewesen sein, sondern Juden, die sich freuen, dass der Messias erschienen ist.
Paulus war zu diesem frühen Zeitpunkt noch Saulus, seine spätere Lehre spielte demnach keine Rolle... was genau also glaubten diese Leute eigentlich...?

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Eine typische Antithese zum jüdischen Monotheismus wäre der A- oder der Polytheismus.

Und umgekehrt... was den Erfolg der Christen zumindest in der römischen und griechischen Welt erklären würde. Und das war ja der entscheidende Funke für den späteren Erfolg, die jüdische Gemeinde in Jerusalem spielte da längst keine Rolle mehr.

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Das ist allerdings ein Bereich, über den ich praktisch gar nichts weiss ... was genau also glaubten diese Leute eigentlich...?

Wenn man davon ausgeht (was man nicht muss, aber viele tun), dass die Evangelien nach 70 für Christenmenschen außerhalb Palästinas geschrieben wurden, dann weiß man über die Zeit bis dahin tatsächlich wenig. Die älteren Zeugnisse sind dann allesamt die von Paulus, aber halt nach seiner Berufung. Die Trennung von den Synagogen wird estmals ausführlicher in der Apostelgeschichte berichtet, wo die Botschaft erst dort verkündigt wurde, dann aber, weil es nicht so ankam, auch an Nichtjuden.
Die Zeit bis dahin ... schwierig. Was man weiß ist, dass es ja auch schon vor Jesus keine einheitliche Religion in Israel gab, sondern viele viele Gruppen. Keineswegs trafen sich alle in den Synagogen, die waren eher eine Sache, die die pharisäische Bewegung aus dem Exilsjudentum übernommen hatte. Andere hielten das für separatistisch und sagen, nur der Tempel zählt, oder hielten den für korrumpiert (nicht ganz zu Unrecht) und meinten, was eigenes in der Wüste gründen zu müssen (Qumran) und und und.
Da entstand nun unter den -zig Gruppen eine weitere. Das war kein wirlicher Bruch, sondern bloß eine weitere Facette des damaligen Judentums.

Veröffentlicht von: @lucan-7

was den Erfolg der Christen zumindest in der römischen und griechischen Welt erklären würde. Und das war ja der entscheidende Funke für den späteren Erfolg, die jüdische Gemeinde in Jerusalem spielte da längst keine Rolle mehr.

Ja, es gibt prominente Thesen, die besagen, dass in den Städten Griechenlands der Monotheismus schon länger als Konzept interessant war, aber die einzige Gemeinschaft, die ihn anbot, für Vollmitgliedschaft die Beschneidung verlangte, was viele abschreckte. Das Erfolgsmodell der Christen sei halt gewesen, ohne Beschneidung Vollmitgliedschaft zu erlauben.

Das erklärt aber halt nur, warum es sich dort durchsetzen konnte, nicht, wie seine Ideen (wir erzählen von unserm Rabbi Sachen, die unsere Bibel nur von JHWH erzählt) überhaupt entstehen konnten.
Warum die, als sie da waren, für manche attraktiv waren, kann man verstehen. Aber wie es dazu kam, bleibt weiter im Dunkeln (sofern es nicht alles genauso war wie erzählt, aber damit kann ich Dir ja nicht kommen).

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Da entstand nun unter den -zig Gruppen eine weitere. Das war kein wirlicher Bruch, sondern bloß eine weitere Facette des damaligen Judentums.

Aber eine, die zumindest Leute auf den Plan rief, die eine Verfolgung und Bestrafung veranlassten... falls Saulus damals wirklich so unterwegs war. Den Römern durfte das ja eher egal gewesen sein, ob so ein paar Juden vom Glauben abweichen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Warum die, als sie da waren, für manche attraktiv waren, kann man verstehen. Aber wie es dazu kam, bleibt weiter im Dunkeln (sofern es nicht alles genauso war wie erzählt, aber damit kann ich Dir ja nicht kommen).

Ich bin jetzt nicht ganz sicher, worauf du hinauswillst. Meinst du, wie die ursprüngliche christliche Lehre zustandekam?

Denn für die Gemeinden ausserhalb Jerusalems war ja nur entscheidend, was die Apostel ihnen erzählten... ob das nun wirklich so passiert ist oder nicht spielt für die Verbreitung keine Rolle.

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Aber eine, die zumindest Leute auf den Plan rief, die eine Verfolgung und Bestrafung veranlassten... falls Saulus damals wirklich so unterwegs war. Den Römern durfte das ja eher egal gewesen sein, ob so ein paar Juden vom Glauben abweichen.

Die Römer interessierten sich für Ruhe im Land, und ihre Ansprechpartner dafür waren die Tempelpriester. Die anderen Gruppen eher nicht so.
Wenn die Berichte (wovon ich ausgehe) glaubwürdig sind, sagen sie uns doch nicht, wie groß die Sache im Gesamtkontext war. Wir wissen heute über diese kleine jüdische Gruppe ja nur so viel, weil sie später eine Weltreligion wurde.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Ich bin jetzt nicht ganz sicher, worauf du hinauswillst. Meinst du, wie die ursprüngliche christliche Lehre zustandekam?

"Lehre" ist mir schon zu hochgegriffen, weil ich nicht ganz hinter die Begriffsgeschichte von "Lehre" zurückkann.

Veröffentlicht von: @lucan-7

für die Gemeinden ausserhalb Jerusalems war ja nur entscheidend, was die Apostel ihnen erzählten... ob das nun wirklich so passiert ist oder nicht spielt für die Verbreitung keine Rolle.

Genau. Aber die Apostel waren allesamt als gläubige Juden aufgewachsen, für die die Unterscheidung "Es gibt nur einen Gott, und er ist sicher kein Mensch" gewissermaßen zu ihrer religiösen DNA gehörten.
Alles, was sie mit Jesus als Rabbi erlebten, hätte man problemlos in diesem Rahmen deuten können: Ein leidender Gerechter. Einer, der stellvertretend stirbt. Ja, meinetwegen sogar einer, den Gott auferweckt. Der Messias sowieso.
All das wäre kontrovers genug gewesen und hätte vielleicht Stress und Ärger und am Ende eine neue Religion gegeben. Und alles, was ihre Bewegung bei den Nichtjuden attraktiv machte, hätte man da auch gut einbauen können.

Aber dabei sind sie ja nicht stehengeblieben. Sondern sie erzählen von Jesus Dinge, die Juden von einem Menschen - auch vom Messias - nicht erzählen, ja eigentlich nicht mal denken können, sondern die in ihrer Bibel als exklusive Eigenschaften und Taten ihres Gottes stehen (Sünden vergeben, Tote auferwecken, übers Wasser gehen ...). Diese Geschichten, die sich schon in den ganz frühen Erzählschichten finden, sagen über Jesus auf erzählende Weise "Das ist Gott ... aber der hat auch selbst gebetet ... aber es gibt nur einen Gott ... äh, ja!" (Ich gehe dabei davon aus, dass sie zumindest diese Aussage ihrer Erzählungen auch selbst geglaubt haben, denn missionarisch hatte sie keinen echten Mehrwert, und hinrichten lässt man sich auch nicht für etwas, was man nicht glaubt.)
Nichts in der religiösen Herkunft der Apostel hat so etwas auch nur ansatzweise vorbereitet.

Wenn nichts von dem Erzählten geschehen ist, lautet die Frage: Was hat Juden bewogen, sich Geschichten mit so einer Aussage auszudenken?
Was müssen die mit ihrem Rabbi erlebt haben, dass sie jetzt so über ihn reden und denken, wie man als Jude nur über Gott redet und denkt?

Diese Frage lässt sich mit "Zeitgeist" etc. nicht wirklich beantworten. All das taugt dafür zu erklären, warum es ankam. Aber nicht, wo es herkam.

Gegenüber dieser Frage ist die Theorie "Sie erzählten's, weil's so passiert war" fast langweilig.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

All das wäre kontrovers genug gewesen und hätte vielleicht Stress und Ärger und am Ende eine neue Religion gegeben. Und alles, was ihre Bewegung bei den Nichtjuden attraktiv machte, hätte man da auch gut einbauen können.

Aber dabei sind sie ja nicht stehengeblieben. Sondern sie erzählen von Jesus Dinge, die Juden von einem Menschen - auch vom Messias - nicht erzählen, ja eigentlich nicht mal denken können, sondern die in ihrer Bibel als exklusive Eigenschaften und Taten ihres Gottes stehen (Sünden vergeben, Tote auferwecken, übers Wasser gehen ...).

Nun, die Sündenvergebung ist ja wohl tatsächlich etwas gewesen, das Teil von Jesu Lehre selbst war, dafür gibt es ja mehrere Hinweise.
Die Wundergeschichten gehören für mich zu einer Art religiösen Folklore dazu... so etwas wird schnell erzählt, wenn man Menschen für etwas ganz Besonderes hält. Wer von Gott ausgewählt ist, der muss halt auch über göttliche Kräfte verfügen. Und da wird aus einer einfachen Heilung eben schnell ein göttliches Wunder... und wenn jemand schon solche Wunderkräfte besitzt, dann werden schnell auch noch ganz andere Wunder erzählt.

Dass Jesus Gott selbst gewesen sei ist allerdings in der Tat etwas Neues. Ich begebe mich an der Stelle natürlich auf dünnes Eis, weil mir da der historische Hintergrund und die genaue Bibelkenntnis fehlt.

Zumindest wird aber doch auf den Streit zwischen Paulus und den Anderen eingegangen, zwischen einer "jüdischen" und einer "neuen" Lehre. Wirklich eindeutig war es offenbar nicht, was Jesus da hinterlassen hat, und vieles wurde erst im Nachhinein gedeutet.

So wie ich es immer verstanden habe ging es letztlich um die Frage, ob denn die Opferung eines gewöhnlichen Menschen tatsächlich ausreichen würde, um allen Menschen die Sünde zu vergeben. Und die Notwendigkeit der Sündenvergebung war ja DAS Argument, mit dem es neue Anhänger zu gewinnen galt.

Dafür musste Jesus aber mehr als nur ein gewöhnlicher Mensch gewesen sein. Er konnte aber auch kein "Zweitgott", Engel oder etwas derartiges sein... und so blieb eigentlich der einzige Ausweg aus dem theologischen Dilemma, dass Jesus einen Teil von Gott selbst in sich hatte. Da Gott sich aber nicht "teilen" kann, sondern immer ganz gott ist, war dann die einzig logische Folgerung, dass Gott quasi selbst ans Kreuz ging. Was dann ja auch von Paulus gepredigt wurde.

Wie lange es gedauert hat, diese Lehre zu entwickeln, und inwiefern die Anderen da am Ende wirklich zugestimmt haben, darüber kann man wohl nur spekulieren. Möglicherweise wurden die biblischen Texte am Ende von den "Siegern" geschrieben, abweichende Berichte, sofern es sie gegeben haben sollte, wurden verworfen.

Es ist jedenfalls zumindest auffällig, dass der Erfolg des christlichen Glaubens wesentlich auf dem Werk eines Menschen beruht, der Jesus zu seinen Lebzeiten nicht begegnet ist... und der aus diesem Grund natürlich auch entsprechende Freiheiten bei der Auslegung hatte, welche dann wohl entscheidend für den Erfolg waren.

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Es ist jedenfalls zumindest auffällig, dass der Erfolg des christlichen Glaubens wesentlich auf dem Werk eines Menschen beruht, der Jesus zu seinen Lebzeiten nicht begegnet ist... und der aus diesem Grund natürlich auch entsprechende Freiheiten bei der Auslegung hatte, welche dann wohl entscheidend für den Erfolg waren.

Du meinst vermutlich Paulus.
Aber wenn Du - mit vielen deutschen Exegeten zusammen - der Ansicht bist, dass die Schreiber der Evangelien keine Augenzeugen waren, dann gilt alles, was Du über Paulus schreibst, ja genauso für sie.
Ja, wenn es denn stimmen sollte, dass Markus als erster ein Evangelium schrieb und das erst um das Jahr 70 - dann wären die Evangelien nicht nur genauso wenig von Leuten, die Jesus getroffen hatten, wie die Paulusbriefe, sondern auch noch später als diese verfasst.

Was also ließe uns vermuten, dass wir in diesen Texten mehr "echten Jesus" finden als aus den Paulusbriefen? Bloß weil sie die Gattung der Erzählung wählen?

Unter der Voraussetzung, dass die Evangelien später als 70 geschrieben wurden und keiner der Autoren Jesus gekannt hat, müsste man sogar davon ausgehen, dass Paulus mit seinen Briefen näher an dem Nazarener ist als Markus. Dann aus den Evangelien etwas zu schließen wie

Veröffentlicht von: @lucan-7

die Sündenvergebung ist ja wohl tatsächlich etwas gewesen, das Teil von Jesu Lehre selbst war, dafür gibt es ja mehrere Hinweise

ist mehr als riskant. Denn woher sollen wir Kriterien nehmen, welcher Teil in den Evangelien echt Jesus ist und welcher eher normales Repertoire religiöser Legenden? (Es gab mal den Versuch des sogenannten "doppelten Unableitbarkeitskriteriums": Was sich weder aus dem Judentum noch aus dem Urchristentum erklären lässt, muss dann wohl von Jesus sein. Aber man kam irgendwann drauf, dass dies Kriterium null Aussage über das macht, was sich doch aus dem einen oder andern erklären lässt.)

Wenn wir also ehrlich sind, müssen wir über die Evangelien genauso wie über Paulus sagen: Was davon auf Jesus von Nazareth zurückgeht und was nicht, lässt sich mit historischer Methodik nicht sicher herausfinden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit können wir über Paulus und die Evangelisten nur sagen:
a) Sie waren in irgendeiner Spielart des Judentums aufgewachsen (Paulus wohl in einer anderen als Matthäus als Lukas etc., aber alle im Judentum).
b) Sie reden über Jesus mit Worten, die Juden nur für JHWH benutzen (Paulus mit anderen als die Evangelien, aber alle mit dieser Gemeinsamkeit.)
c) Das hat vorher und nachher im Judentum niemand mit irgendwem gemacht.
d) Wir haben keine Ahnung, warum. Aber was auch immer sie dazu brachte, es muss ihre gesamte Welt auf den Kopf gestellt haben.

Das Dilemma mit dem "Zweitgott" etc. fasst Du m.E. sehr gut zusammen.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Wie lange es gedauert hat, diese Lehre zu entwickeln, und inwiefern die Anderen da am Ende wirklich zugestimmt haben, darüber kann man wohl nur spekulieren.

Das hängt ein bisschen davon ab, ab wann man tatsächlich von einer "Lehre" reden kann. All die Aussagen über Jesus und Gottvater halbwegs systematisch zu formulieren, dauerte bekanntermaßen noch ein paar Jahrhunderte.
Die Sprachform, in der sie im 1. Jh. ihren Glauben ausdrückten, war die der Anbetung, vermutlich gesungen. Das Lied im Philipperbrief Kap 2 über Jesu Erniedrigung und Erhöhung ist möglicherweise eins, was Paulus schon zitiert. Dass Gottvater Jesus den Namen über alle Namen (und das ist JHWH, griech Kyrios) gibt, ist ja noch keine ausformulierte Lehre über das Wesen der Gottheit oder die zwei Naturen Jesu, sondern ein staunender Lobpreisgesang. Vermutlich einer, den Jakobus genauso mitsingen konnte wie Paulus oder Petrus oder Markus. Aber kann man da schon von "Lehre" reden?

Veröffentlicht von: @lucan-7

Möglicherweise wurden die biblischen Texte am Ende von den "Siegern" geschrieben.

Im besten Fall von denen, deren Argumente überzeugender waren. Mit Gewalt war in der Phase des Christentums noch nicht so viel los.
Aber in der Hinsicht würden andere jetzt darauf hinweisen, dass die Texte, die wir in der Bibel haben, ja in ihrer Sprache über Jesus keineswegs deckungsgleich sind. Einige der "abweichenden Berichte" wurden also einfach nebeneinander in die Sammlung aufgenommen, ohne dass es ein Problem gewesen wäre.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Aber wenn Du - mit vielen deutschen Exegeten zusammen - der Ansicht bist, dass die Schreiber der Evangelien keine Augenzeugen waren, dann gilt alles, was Du über Paulus schreibst, ja genauso für sie.
Ja, wenn es denn stimmen sollte, dass Markus als erster ein Evangelium schrieb und das erst um das Jahr 70 - dann wären die Evangelien nicht nur genauso wenig von Leuten, die Jesus getroffen hatten, wie die Paulusbriefe, sondern auch noch später als diese verfasst.

Ich bin nicht unbedingt der Ansicht, dass die Evangelien tatsächlich so viel später geschrieben wurden. Teilweise fliessen da Texte mit ein, die etwas aus der Rolle fallen, auch aus anderen Perspektiven. Ich bin da jetzt zu faul nach konkreten Beispielen zu suchen, aber man hat schon den Eindruck, dass zumindest teilweise Berichte von Augenzeugen mit eingeflossen sind. Ob die Autoren unmittelbar mit diesen gesprochen haben oder die Berichte über längere Zeit überliefert wurden ist natürlich Spekulation.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Was also ließe uns vermuten, dass wir in diesen Texten mehr "echten Jesus" finden als aus den Paulusbriefen? Bloß weil sie die Gattung der Erzählung wählen?

Nein, weil sie seine wörtliche Rede überliefern. Und dass vier ähnliche Texte so lange Zeit nebeneinander bestanden haben zeigt auch einen gewissen Respekt vor den Überlieferungen.

Dazu passt auch, dass teilweise Dinge wiedergegeben werden, die eigentlich gegen die Autoren sprechen: Jesus sagt, die Jünger sollen nicht von Wundern erzählen. Der Gärtner wird für Jesus gehalten (bzw. eben umgekehrt). Manches wird nicht weiter ausgeführt oder erklärt.

Wäre der Text und die Jesusworte komplett erfunden, dann wären die Erzählungen anders strukturiert (Auch wenn ich auf dem Gebiet kein Experte bin). Ich vermute, dass es hier eine Mischung aus echten Überlieferungen und "folkloristischer Überhöhung" gibt, die aber leider nicht genau auseinanderzuhalten ist (Gut, mein Vorschlag wäre hier: Alles was "Wunder" ist hat nicht stattgefunden... das macht den Rest aber auch noch nicht zwingend historisch).

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Wenn wir also ehrlich sind, müssen wir über die Evangelien genauso wie über Paulus sagen: Was davon auf Jesus von Nazareth zurückgeht und was nicht, lässt sich mit historischer Methodik nicht sicher herausfinden.

Nein. Wenn überhaupt lassen sich hier nur verschiedene Wahrscheinlichkeiten begründen. Einen "erfundenen" Jesus halte ich allerdings für wenig wahrscheinlich.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Wir haben keine Ahnung, warum. Aber was auch immer sie dazu brachte, es muss ihre gesamte Welt auf den Kopf gestellt haben.

Offensichtlich. Wobei man durchaus festhalten kann, dass dergleichen gar nicht so ungewöhnlich ist. Irgendwelche Leute, die bisherige Lehren komplett auf den Kopf stellen gab und gibt es eigentlich immer.
Das Ungewöhnliche hier ist weniger die ungewöhnliche Lehre, sondern der ungewöhnliche Erfolg, den diese Lehre dann in der Welt hatte...

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Das hängt ein bisschen davon ab, ab wann man tatsächlich von einer "Lehre" reden kann. All die Aussagen über Jesus und Gottvater halbwegs systematisch zu formulieren, dauerte bekanntermaßen noch ein paar Jahrhunderte.

Nun, ich denke schon dass Paulus derjenige war, der die erste christliche Lehre formulierte und den Rahmen dafür schuf - abgeschlossen war die Sache damit natürlich noch nicht.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Im besten Fall von denen, deren Argumente überzeugender waren. Mit Gewalt war in der Phase des Christentums noch nicht so viel los.

Du meinst logische Argumente? Oder vielleicht doch eher politischer bzw. gesellschaftlicher Einfluss?

Politischen Einfluss hatten die Jünger zwar damals nicht, aber Paulus als begabter Redner mag vor allem durch seine Fähigkeit, neue Anhänger zu gewinnen beeindruckt haben. Vor diesem Hintergrund mögen vielleicht auch seine Argumente überzeugender gewirkt haben.

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Du meinst logische Argumente? Oder vielleicht doch eher politischer bzw. gesellschaftlicher Einfluss?

Was genau Argumete überzeugender macht, ist halt durch ganz unterschiedliche Faktoren bestimmt. In hitzigen Diskussionen im RL bekomme ich manchmal vorgeworfen, dass ich ja bloß besonders gut argumentieren könne, und ich antworte "Das ist ganz leicht, wenn man recht hat." Ich weiß natürlich, dass das nur einer von mehreren möglichen Faktoren ist.
Paulus selbst war nach allen Quellen wohl eher ein begabter Schreiber als Redner. Aber dass auch sein Erfolg seine Argumentation unterstützte, kann man wohl annehmen.

Ich sehe aber in den entscheidenden Punkten auch keine Widersprüche zwischen ihm und den anderen Schriften (über Jakobus könnte man diskutieren). Und vermutlich ging es denen, die alle in denselben Kanon aufnahmen, ähnlich. Ob sie selbst es so sahen, ist eine spannende Frage, an deren Antwort wir aber nicht mehr rankommen.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich sehe aber in den entscheidenden Punkten auch keine Widersprüche zwischen ihm und den anderen Schriften (über Jakobus könnte man diskutieren). Und vermutlich ging es denen, die alle in denselben Kanon aufnahmen, ähnlich. Ob sie selbst es so sahen, ist eine spannende Frage, an deren Antwort wir aber nicht mehr rankommen.

Unmittelbare Widersprüche, anhand derer man Paulsu festnageln könnte um zu sagen: "Hey, Jesus hat hier aber etwas völlig anderes gesagt!" sehe ich auch nicht.

Allerdings hat Paulus teilweise schon völlig andere Schwerpunkte gelegt und ging tendenziell in eine völlig andere Richtung... man kann das hier und da durchaus als neue Lehre auffassen, oder aber als Ergänzung zu dem, was Jesus sagte. So ganz eindeutig ist das leider nicht.

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Allerdings hat Paulus teilweise schon völlig andere Schwerpunkte gelegt und ging tendenziell in eine völlig andere Richtung... man kann das hier und da durchaus als neue Lehre auffassen, oder aber als Ergänzung zu dem, was Jesus sagte. So ganz eindeutig ist das leider nicht.

Das ist richtig.
Wir kommen aber nicht ganz dran vorbei, dass die christliche Community schon früh die zweite Möglichkeit nahm und diese verschiedenen Texte alle behielt, zusammen überlieferte und irgendwann kanonisierte. Wir wissen nicht, ob und wie sie sie für vereinbar hielten, aber dass sie sie vereinbart haben.

Das geschah offensichtlich im griechischsprachigen Teil der Christenheit, und es ist nicht auszuschließen, dass der aramäische das mit Bauchschmerzen sah. Oder auch, dass diese fatkische Vereinbarung der Texte ein Irrtum war.
All das kann man behaupten, aber es befindet sich außerhalb dessen, was die Quellen hergeben, ist also irgendwo im Bereich der begründeten Phantasie.

Meine Phantasie dazu wäre, dass man die unterschiedlichen Schwerpunkte durchaus wahrnahm, aber dennoch ganz bewusst die Schriften gemeinsam weitertradierte. Die Gründe dafür könnten verschiedene gewesen sein und müssen sich auch nicht ausschließen, etwa (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): 1. Man hielt sich wirklich für irgendwie widersprüchlich, wusste aber nicht, wer richtig lag und wollte deswegen bis zur Wiederkunft des Herrn zur Sicherheit beides aufbewahren. 2. Man fand das, was sie gemeinsam hatten, ausreichend. 3. Eine gewisse Diversität in den Ausdrucksformen und Auslegungen des Glaubens war von Anfang an völlig okay.

In der christlichen Community heute begegne ich, was das angeht, vor allem zwei Linien: Die eine versucht, die Schriften so auszulegen, dass alles ganz gut zusammenpasst (eher so meine Richtung); die andere betont die Unterschiede und trifft dann eine Entscheidung, welche Seite höher zu gewichten und welche evtl. sogar abzuwerten sei (eher so Deine Richtung, oder?).
Beiden gemeinsam ist, dass sie auf unterschiedliche Weise mehr oder weniger bewusst zu einer Vereindeutigung des Glaubens hinstreben, bei der alle Abweichungen zumindest vernachlässigbar werden.

Ein Kanon, der so, wie er ist, dies eher erschwert, ist mir eigentlich nicht unsympathisch.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510

Bibelauslegung

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Meine Phantasie dazu wäre, dass man die unterschiedlichen Schwerpunkte durchaus wahrnahm, aber dennoch ganz bewusst die Schriften gemeinsam weitertradierte.

Das ist auch mein Eindruck. Man hat einfach alles gesammelt, was man als glaubwürdige Quelle erachtete und hat eine frühe Wertung vermieden. Eher so nach dem Motto: "Hier, das ist das, was wir haben. Es steht uns nicht zu, das zu bewerten, wir belassen das alles so orginal wie wir es gefunden haben... macht selbst was draus!"

So eine Einstellung stünde tatsächlich im klaren Widerspruch zum Bestreben, eine möglichst eindeutige, vielleicht sogar "wörtliche" Lehre aus der Bibel zu ziehen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

In der christlichen Community heute begegne ich, was das angeht, vor allem zwei Linien: Die eine versucht, die Schriften so auszulegen, dass alles ganz gut zusammenpasst (eher so meine Richtung); die andere betont die Unterschiede und trifft dann eine Entscheidung, welche Seite höher zu gewichten und welche evtl. sogar abzuwerten sei (eher so Deine Richtung, oder?).

Ich habe damals eine ganz andere Richtung verfolgt, die mir so in keiner Gemeinde unterkam... ich habe versucht zu erfassen, welcher tiefere Sinn eigentlich dahinter steckt, ohne dabei aus jedem Bibelwort eine Lehre zu machen.

Vereinfacht gesagt habe ich mir überlegt, was denn nun der eigentliche Kern ist, um den es geht... also etwa die Nächstenliebe.
Es ist demnach zentral, seinen Mitmenschen zu lieben wie sich selbst - es gibt aber keine genaue Regel, wie genau das zu tun ist. Alles, was wir dazu in der Bibel finden sind lediglich Beispiele. Dazu passt die Geschichte vom Samariter dann ebenso wie Paulus Sorge um Leute, die sich anderen sexuellen Spielarten hingeben. Aus seiner Sicht war es eine Frage der Nächstenliebe, sich dem entgegenzustellen... das bedeutet aber nicht, dass wir heute genau so handeln müssen. Eben, weil es nur ein Beispiel ist.

Darin liegt natürlich eine gewisse Gefahr der Beliebigkeit und dass am Ende jeder macht, was er will.
Ich sehe aber selbst keinen beliebig großen Spielraum, wenn man Jesu Lehre wirklich befolgt - also Liebe zu Gott, Liebe zu sich selbst und zu Anderen, die Erkenntnis der eigenen Sündhaftigkeit und die Notwendigkeit der Vergebung.

Und wäre der Heilige Geist real, dann würde das wohl auch tatsächlich funktionieren. Das ist ja im Prinzip auch das, was ich einst gesucht habe.

Stattdessen zogen es die meisten Menschen wohl vor, ein strenges, biblisches Regelwerk mit klaren Strukturen zu entwickeln, welches sich vor allem für die Kirche als nützlich erwies. Und man erkannte wohl auch gewisse Vorteile in einer widersprüchlichen Lehre, weil es damit einfacher war sie zum eigenen Nutzen auszulegen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Beiden gemeinsam ist, dass sie auf unterschiedliche Weise mehr oder weniger bewusst zu einer Vereindeutigung des Glaubens hinstreben, bei der alle Abweichungen zumindest vernachlässigbar werden.

Ja... zu einer Vereindeutigung des eigenen Glaubens und Weltbildes, natürlich...

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

So eine Einstellung stünde tatsächlich im klaren Widerspruch zum Bestreben, eine möglichst eindeutige, vielleicht sogar "wörtliche" Lehre aus der Bibel zu ziehen.

Zumindest auf Stellen gegründet, die zu anderen in Spannung stehen. So ein Satz wie "Jesus ist für unsere Sünde gestorben und am dritten Tag auferstanden", der ja für die christliche Lehre nicht ganz nebensächlich ist, wird übereinstimmend von allen neutestamentlichen Schriften gelehrt - auch wenn sie "für unsere Sünde" mit unterschiedlichen Bildern illustrieren. Und ich würde sagen, die Lehre, die sich aus den zueinander nicht in Spannung stehenden Stellen ableiten lässt, reicht zu Leben und Sterben.

Veröffentlicht von: @lucan-7

ich habe versucht zu erfassen, welcher tiefere Sinn eigentlich dahinter steckt

Den Anspruch, das zu versuchen, habe ich allerdings recht häufig angetroffen. Ich bin da etwas vorsichtig, denn ich halte mich nicht für so klug, einen tieferen Sinn hinter etwas zu entdecken, was jemand anders vor Jahrhunderten in einer mir fremden Sprache wörtlich geschrieben hat.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Vereinfacht gesagt habe ich mir überlegt, was denn nun der eigentliche Kern ist, um den es geht... also etwa die Nächstenliebe.
Es ist demnach zentral, seinen Mitmenschen zu lieben wie sich selbst - es gibt aber keine genaue Regel, wie genau das zu tun ist.

Dem kann man natürlich kaum widersprechen. Ein Christentum ohne Nächstenliebe hätte alles missverstanden.
Aber wenn das der Kern ist, könnte man doch anmerken:
- Ist das nicht auch schon der Kern des Judentums? Und verlangt der Islam oder Buddhismus oder eine Stammesreligion der Sami das etwa nicht.
- Wenn die Ethik der Nächstenliebe der Kern ist, um den es von Jakobus bis Paulus allen geht, ist all das, was sie über eine irgendwie, aber auch nicht so richtig zu verstehende Göttlichkeit Jesu sagen, nicht ein ziemlich überflüssiger intellektueller Aufwand? Die anderen Religionen zeigen, dass man Nächstenliebe auch deutlich einfacher predigen kann.
- Wenn Ethik der Nächstenliebe der Kern ist, ist die Predigt der umsonst geschenkten Vergebung an der Stelle nicht eher pädagogisch kontraproduktiv? Zugespitzt: "Lasst uns mehr sündigen (= weniger die Nächsten lieben), damit die Gnade umso größer werde!" Eine Vergebung, bei der wenigstens guter Wille zur Besserung Vorbedingung ist, würde deutlich besser ins Konzept passen.

Was Du über Nächstenliebe und die Beispiele schreibst, finde ich sehr nachdenkenswert. Aber ich denke, sie ist nicht Kern, sondern Frucht.

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Den Anspruch, das zu versuchen, habe ich allerdings recht häufig angetroffen. Ich bin da etwas vorsichtig, denn ich halte mich nicht für so klug, einen tieferen Sinn hinter etwas zu entdecken, was jemand anders vor Jahrhunderten in einer mir fremden Sprache wörtlich geschrieben hat.

Aus der Bibel alleine könnte ich das sicherlich auch nicht. Dazu müsste ich auch viel mehr über Sprache und historischen Hintergrund wissen, um hier überhaupt zu einem Ansatz zu finden... geschweige denn zu einem Ergebnis.

Aber ich habe mir überlegt, dass die Bibel, so sie denn tatsächlich einen allgemeinen, weltweit gültigen Anspruch erhebt, kein weltfremdes, nur den Juden und ihrer Kultur verständliches Einzelstück sein kann. Dann müssen sich dort tatsächlich Dinge finden lassen, die universell gültig sind und mit denen alle Menschen grundsätzlich etwas anfangen können.
Und auf dieser Basis habe ich dann überlegt, welches hier wohl tatsächlich die "Kernelemente" sind.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Dem kann man natürlich kaum widersprechen. Ein Christentum ohne Nächstenliebe hätte alles missverstanden.
Aber wenn das der Kern ist, könnte man doch anmerken:

Ich wollte es nicht so verstanden wissen, dass es "der" Kern sei, es ist lediglich ein wichtiges Element davon.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Was Du über Nächstenliebe und die Beispiele schreibst, finde ich sehr nachdenkenswert. Aber ich denke, sie ist nicht Kern, sondern Frucht.

Richtig. Auch da gibt es viele Missverständnisse, denke ich.

Viele Leute denken: "Wenn ich an Jesus glaube, dann muss ich freundlich zu meinen Mitmenschen sein, denn als Christ muss man sich an die Regeln halten."

Das halte ich aber für falsch. Tatsächlich ist gemeint: "Wenn du wirklich an Jesus glaubst - dann wirst du dadurch ganz automatisch freundlich zu deinen Mitmenschen sein! Denn wenn du dich trotz deines Glaubens noch dazu überwinden musst, dann ist dein Glaube auch nicht echt!"

Ich denke, das meinte Jesus damit, zu "sterben und von neuem geboren" zu werden.
Es bedeutet, die Liebe zu Gott, zu sich selbst und zu Anderen wirklich zu verinnerlichen - und nicht einfach nur, sich an die "Regeln" zu halten.

Zu berücksichtigen ist dabei natürlich auch, dass wir trotzdem fehlbare Sünder bleiben... niemand wird das vollkommen perfekt hinbekommen, deshalb brauchen wir ja weiterhin die Vergebung durch Gott und untereinander.

Aber grundsätzlich sollte es schon so sein.

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Aber ich habe mir überlegt, dass die Bibel, so sie denn tatsächlich einen allgemeinen, weltweit gültigen Anspruch erhebt, kein weltfremdes, nur den Juden und ihrer Kultur verständliches Einzelstück sein kann.

Okaaay.... Das finde ich jetzt spannend. Aus verschiedenen Gründen.

Erstmal ist es spannend dass Du auf einmal die Bibel als ganze verstehst und nicht mehr die einzelnen Bücher gegeneinander ausspie- äh abwägst. Das hätte ich nach all, was Du zu Paulus schriebst, nicht gedacht.

Gut, man kommt natürlich nicht umhin, gewisse Gemeinsameiten zwischen den Büchern zu sehen, die die Rede von "der Bibel" rechtfertigen.

Aber Du gehst ja sogar so weit, davon auszugehen, dass diese von Menschen zusammengestellte Sammlung selbst einen Anspruch, ja einen weltweit gültigen Anspruch erhebt. Also Du redest in bester evangelikaler Manier ("The Bible says!") von dem Buch wie von einer Person.
Das macht man mit Büchern in der Regel nicht. Eventuell vom Koran, weil der von einer Person aufgeschrieben wurde, die bereits bei der Veröffentlichung mit einem gewissen göttlichen Anspruch auftrat.

Aber von einer Textsammlung, die erst ein paar Jahrhunderte später als solche ratifiziert wurde, kann man es eigentlich nur sagen, wenn man dahinter irgendein Mastermind annimmt.

Was ich ja alles tue, aber von Dir überrascht es mich.

Historisch gesehen erhebt diese Textsammlung keinen Anspruch, sondern diejenigen, die sie ratifiziert haben, erhoben den Anspruch, hierin die göttliche Offenbarung festzuhalten.

Und natürlich verbindet sich damit auch der Anspruch, dass dieser Kanon universal was zu sagen hat.

Aber wenn als universale Botschaft ausschließlich genau das rauskommt, worauf halbwegs anständige Menschen auch ohne sie kamen, darf man das zumindest unbefriedigend finden.

Vor allem aber: Warum soll "unversale Botschaft" und "man muss den Kontext kennen, in den sie zuerst gesprochen wurde" sich eigentlich gegenseitig ausschließen?
Letztlich machst Du nichts Anderes, wenn Du davon ausgehst, dass Paulus mit seiner Sexualethik aus der Motivation der Nächstenliebe handelt: Du liest das, was er sagt, vor seinem jüdischen Hintergrund, und bist erst aufgrunddessen in der Lage, etwas Allgemeineres darin zu sehen.

Der Punkt, an dem ich vor etwas 15 Jahren hier für viele viele Posts mit dem geschätzten "Wrzlprmpft" (Du erinnerst Dich sicher auch an ihn.) aneinander vorbei geredet habe, war: Muss ich den jüdischen Hintergrund dieser Texte kennen, um dann von ihm abstrahieren zu können? Oder muss ich ihn kennen, um dann von meinem eigenen Hintergrund abstrahieren und mich wieder in diesen jüdischen Hintergrund stellen zu können?

Beides stimmt natürlich irgendwie: Wenn Jesus als Gottes Lamm bezeichnet wird, muss ich wissen, dass das Lamm in Israel ein Tier für das Sühneopfer war, um dann zu wissen, dass ich durch seinen Tod Vergebung der Sünden habe und dies vielleicht in mir verständlicheren Bildern auszudrücken (wie es in der Bibel selbst ja schon passiert). Ich kann da also von dem jüdischen Bild abstrahieren.
Allerdings ist auch hier das Konzept von Sünde und Vergebung eher jüdisch. Also es ist doch im Regelfall gut, den jüdischen Hintergrund zu kennen, um meinen eigenen Hintergrund zu hinterfragen.

Wenn hingegen davon geredet wird, dass Jesus auferstanden ist, muss ich wissen, dass die jüdischen Autoren es nie so geschrieben hätten, wenn sie nicht in der materiellen Welt von einem leeren Grab und einem sprechenden und anfassbaren zuvor verstorbenen Jesus ausgegangen wären - und beides für feststell- und im Zweifelsfall falsifizierbar gehalten hätten. Die Texte anders zu verstehen, hieße zu bestreiten, dass es einen Grund gegeben hätte, sie überhaupt zu schreiben. Ich muss mich da also in den jüdischen Hintergrund begeben und meinen möglichen eigenen hinter mir lassen.

Wir lesen die Bibel nie ohne eigenen Hintergrund. Dass Du als universelle Botschaft der Bibel die Nächstenliebe ausgemacht hast, dürfte daran liegen, dass Dir Nächstenliebe auch schon vorher als universeller Wert geläufig war.

Ich bin mit Dir einer Meinung, dass die Bibel den Anspruch hat, universell etwas zu sagen. (Ich würde sogar, um den Vorhang wenig überraschend zu lüften, sagen, dass Gott mit ihr universell etwas sagen will.)
Ich bin aber der Meinung, dass es für die Kenntnis dieser Botschaft nicht egal ist, vor welchem kulturellen Hintergrund er das zuerst hat verkündigen lassen. Ja, wir sollten andersherum nicht vergessen, dass Israel selbst das Volk ist, dass durch die Botschaft des größten Teils unserer Bibel erst entstanden ist. Die Bibel ist kein

Veröffentlicht von: @lucan-7

nur den Juden und ihrer Kultur verständliches Einzelstück

, sondern die Juden und ihre Kultur gibt es nur durch sie. Wenn wir ihre universelle Botschaft verstehen wollen, tun wir also gut daran, uns die Kultur genau anzusehen, in der sie schon länger wirkt als in jeder anderen.

Die ganze Pointe der universellen Botschaft der Bibel ist ja, dass universell und partikular zusammenfallen. Der vermutlich am 14. Nisan 33 hingerichtete Zimmermann wird gepredigt als der Herr des Universums. Gott vergibt nicht irgendwie allgemein die Schuld, sondern tut es durch ein Ereignis in der Geschichte.

Das Buch, in dem wir davon erfahren wäre kein "nur den Juden und ihrer Kultur verständliches Einzelstück", sondern ein der Welt über die die Juden und ihre Kultur geschenktes und verständlich gemachtes Einzelstück.

(Kleine historische Randbemerkung: Du bist nicht der Erste, der versucht, alles partikular Jüdische aus der Bibel in irgendeiner Weise für religiös vernachlässigbar zu halten. Die Absicht, damit aus der Bibel etwas zu ziehen, was allen Menschen unabhängig von ihrer Kultur zugänglich ist, ist ehrenwert. Es hat jedoch, wo solche Argumente sich durchgesetzt haben, fast immer auch zum Glauben an eine harmlostenfalls Vernachlässigbarkeit des Schicksals der realen jüdischen Kultur in der eigenen Nachbarschaft geführt, schlimmstenfalls zur Feindschaft gegen diese. Das will ich Dir nicht unterstellen, aber doch auf diese Gefahr hinweisen.)

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Erstmal ist es spannend dass Du auf einmal die Bibel als ganze verstehst und nicht mehr die einzelnen Bücher gegeneinander ausspie- äh abwägst. Das hätte ich nach all, was Du zu Paulus schriebst, nicht gedacht.

Nun, da muss ich zur Einordnung allerdings sagen, dass ich hier auf Überlegungen zurückgreife, die ich vor etwa 13 Jahren aufgegeben habe (Das weiss ich, weil ich kürzlich nochmal einige Postings aus der Zeit gelesen habe).

Damals habe ich vorausgesetzt, dass die Bibel tatsächlich von einem "höheren Wesen", einer "höheren Macht" oder einer "höheren Moral" inspiriert wurde... was auch immer man da jetzt annimmt, aber nur so ergibt es ja überhaupt einen Sinn.
Die Alternative wäre dann: "Gedanken irgendwelcher Menschen im Nahen Osten vor etwa 2000 Jahren, die uns nicht mehr interessieren".

Ausgehend von dieser Basis lauteten meine Überlegungen dann:

- Die grundlegenden Aussagen der Bibel sind für alle Menschen weltweit verständlich.

- Das bedeutet: Man muss den jüdischen Hintergrund nicht unbedingt kennen.

- Weil der jüdische Hintergrund nun aber einmal gegeben ist, ist es natürlich nützlich, wenn man sich damit näher befasst... man erlangt dann ein tieferes Verständnis der Bibel, was aber keine Voraussetzung für den "christlichen Glauben" ist.

- Allgemeine Gültigkeit bedeutet: Die Lehre ist auch auf historisch vollig anders gelagerte Situationen anwendbar... das bedeutet aber auch, dass man nicht jede Situation "wörtlich" auf heutige Situationen übertragen kann, wenn es um ganz spezielle, damalige Konstellationen geht.

Diese Voraussetzungen erschienen mir damals zwingend.
Andere Möglichkeiten führen zwangsläufig zu Widersprüchen, die den Anspruch des christlichen Glaubens in Frage stellen.

Letztlich führte mich das dann aber zu einer weiteren Schlussfolgerung: Die allgemeine Gültigkeit der Bibel, ohne die Notwendigkeit des Tieferen Verständnisses der jüdischen Religion - macht letztlich auch die Bibel selbst überflüssig.

Was wiederum bedeutet: Jesus hatte recht, wenn er allein auf den "Heiligen Geist" verwies... und nicht auf die "Bibel".

Was wiederum bedeutet: Die "klassische" christliche Lehre mit der Bibel im Zentrum (historisch gesehen: die (politisch geprägte) kirchliche Lehre) ist im Grunde gar nicht erforderlich.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Aber Du gehst ja sogar so weit, davon auszugehen, dass diese von Menschen zusammengestellte Sammlung selbst einen Anspruch, ja einen weltweit gültigen Anspruch erhebt. Also Du redest in bester evangelikaler Manier ("The Bible says!") von dem Buch wie von einer Person.

Ja... aber eben nicht in "bester evangelikalischer" Manier, sondern: "Die Bibel enthält zentrale Weisheiten für alle Menschen... die sich aber auch anderweitig finden lassen, wenn man dem Heiligen Geist folgt!".

Was nun gerade nicht der traditionellen christlichen Lehre entspricht... denn in diesem Sinne kann auch ein Buddhist, ein Muslim, ein Humanist oder ein atheistischer Philosoph die "wahre christliche Lehre" verinnerlicht und verstanden haben.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Der Punkt, an dem ich vor etwas 15 Jahren hier für viele viele Posts mit dem geschätzten "Wrzlprmpft" (Du erinnerst Dich sicher auch an ihn.) aneinander vorbei geredet habe, war: Muss ich den jüdischen Hintergrund dieser Texte kennen, um dann von ihm abstrahieren zu können?

Ja, an Wrzlprmpft erinnere ich mich - und ich vermisse ihn hier schmerzlich, weil er eine konsequente, nüchterne Variante des Christentums vertrat die mir hier nie wieder anderweitig begegnet ist... leider war er wieder verschwunden, bevor ich mich da näher mit ihm austauschen konnte...

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Du bist nicht der Erste, der versucht, alles partikular Jüdische aus der Bibel in irgendeiner Weise für religiös vernachlässigbar zu halten. Die Absicht, damit aus der Bibel etwas zu ziehen, was allen Menschen unabhängig von ihrer Kultur zugänglich ist, ist ehrenwert. Es hat jedoch, wo solche Argumente sich durchgesetzt haben, fast immer auch zum Glauben an eine harmlostenfalls Vernachlässigbarkeit des Schicksals der realen jüdischen Kultur in der eigenen Nachbarschaft geführt, schlimmstenfalls zur Feindschaft gegen diese. Das will ich Dir nicht unterstellen, aber doch auf diese Gefahr hinweisen.

Das ist ein Schuh, den ich mir sicher nicht anziehen werde... diesen Kelch gebe ich gerne an die christlichen Gründerväter weiter, die diese Richtung maßgeblich bestimmt haben...

lucan-7 antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Das ist ein Schuh, den ich mir sicher nicht anziehen werde... diesen Kelch gebe ich gerne an die christlichen Gründerväter weiter, die diese Richtung maßgeblich bestimmt haben...

Wie gesagt, ich will ihn Dir auch nicht anziehen, sondern nur darauf hinweisen, dass der Schuhladen, in dem Du einkaufst, auch den im Angebot hat.
"Gründerväter" ist ein bisschen allgemein. Der gute Marcion, der in seiner Ablehnung der jüdischen Tradition weiterging als alle vor ihm, wurde ja von den übrigen als Häretiker verurteilt. Seine Wirkung hatte er allerdings die weiteren Jahrhunderte bis heute. Aber das würde wohl komplett den Rahmen sprengen.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Ja, an Wrzlprmpft erinnere ich mich - und ich vermisse ihn hier schmerzlich, weil er eine konsequente, nüchterne Variante des Christentums vertrat die mir hier nie wieder anderweitig begegnet ist... leider war er wieder verschwunden, bevor ich mich da näher mit ihm austauschen konnte...

Ob nüchtern oder nicht, diese Variante stammt von Drewermann, der wiederum von C.G. Jung inspiriert war. Wenn die Dich interessiert, lies dort. (Warum ich sie kritisch sehe, wäre ebenfalls rahmensprengend.)

Veröffentlicht von: @lucan-7

Nun, da muss ich zur Einordnung allerdings sagen, dass ich hier auf Überlegungen zurückgreife, die ich vor etwa 13 Jahren aufgegeben habe (Das weiss ich, weil ich kürzlich nochmal einige Postings aus der Zeit gelesen habe).

Ah, okay. Von vor 13 Jahren würde man von mir auch Dinge finden, die ich heute anders sähe.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Damals habe ich vorausgesetzt, dass die Bibel tatsächlich von einem "höheren Wesen", einer "höheren Macht" oder einer "höheren Moral" inspiriert wurde... was auch immer man da jetzt annimmt, aber nur so ergibt es ja überhaupt einen Sinn.
Die Alternative wäre dann: "Gedanken irgendwelcher Menschen im Nahen Osten vor etwa 2000 Jahren, die uns nicht mehr interessieren".

Ich würde sagen, ganz grob sind das auch die einzig sinnvollen Alternativen. Wobei "inspiriert" wieder eine Bandbreite von Bedeutungen haben kann.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Ausgehend von dieser Basis lauteten meine Überlegungen dann:

Ja, verstehe. Das ist in gewisser Weise konsequent gedacht.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Was wiederum bedeutet: Jesus hatte recht, wenn er allein auf den "Heiligen Geist" verwies... und nicht auf die "Bibel".

Was Du allerdings wiederum nur aus der Bibel weißt. Aber das ist ja bei allem, was auf Jesus verweist, so: Sie sagen "Ich selber bin gar nicht so wichtig. Seht auf Jesus." Aber genau darum braucht man sie.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Was nun gerade nicht der traditionellen christlichen Lehre entspricht... denn in diesem Sinne kann auch ein Buddhist, ein Muslim, ein Humanist oder ein atheistischer Philosoph die "wahre christliche Lehre" verinnerlicht und verstanden haben.

Und ein Jude oder ein griechischer Philosoph oder jemand mit hellenistischer Volksfrömmigkeit, oder? Und dann müsste man historisch erklären, warum etwas, worauf jeder Mensch guten Willens von selbst kommen konnte, überhaupt zur Entstehung eines neuen Players in der religiösen Welt führen konnte. Konsequent weitergedacht hieße das: Eine neue Religion konnte sich überhaupt nur deswegen ausbilden, weil weder ihre Vertreter noch die, die von ihr hörten, ihre eigene "wahre Lehre" verstanden haben.

Aber ich will Dich jetzt auch nicht auf Deinen älteren Positionen festnageln.

Würde ich Deine heutige Position halbwegs richtig erfassen mit "eigentlich ist die Bibel eine Sammlung von Gedanken irgendwelcher Menschen aus dem Nahen Osten vor etwa 2000 Jahren, die uns nicht mehr interessieren müssten, aber dass sich heute noch Menschen diesen Gedanken verschreiben, ist so faszinierend und irritierend, dass ich irgendwie auch an dem Thema dranbleibe"?

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Würde ich Deine heutige Position halbwegs richtig erfassen mit "eigentlich ist die Bibel eine Sammlung von Gedanken irgendwelcher Menschen aus dem Nahen Osten vor etwa 2000 Jahren, die uns nicht mehr interessieren müssten, aber dass sich heute noch Menschen diesen Gedanken verschreiben, ist so faszinierend und irritierend, dass ich irgendwie auch an dem Thema dranbleibe"?

Im Groben könnte man das wohl so sagen... aber das hat auch mit meinem Ergebnis von damals zu tun.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Was Du allerdings wiederum nur aus der Bibel weißt. Aber das ist ja bei allem, was auf Jesus verweist, so: Sie sagen "Ich selber bin gar nicht so wichtig. Seht auf Jesus." Aber genau darum braucht man sie.

Dass Jesus so etwas gesagt haben soll weiss ich in der Tat aus der Bibel.
Falls ich das aber nicht wüsste, dann wäre es aber trotzdem richtig... ich könnte dann trotzdem auf meine "leise Stimme" im Inneren hören, meine Gefühle erforschen und dann spüren, was wirklich gut und richtig ist.

Und das war dann eben meine letzte Schlussfolgerung aus der Bibel: Wenn der Heilige Geist existiert und er weltweit relevant ist, dann ist er auch weltweit allen Menschen zugänglich... völlig unabhängig davon, ob sie nun die Bibel kennen oder nicht.

Die Bedeutung der Bibel bestünde dann lediglich darin, dass sie, so wie andere Werke auch, einen Teil einer "höheren Weisheit" (Wie immer man das jetzt nennen will) erfasst hat.
Man kann die Bibel für diesen Weg nutzen, es gibt aber auch noch andere Wege, denn der Heilige Geist ist nicht an die Bibel gebunden.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Konsequent weitergedacht hieße das: Eine neue Religion konnte sich überhaupt nur deswegen ausbilden, weil weder ihre Vertreter noch die, die von ihr hörten, ihre eigene "wahre Lehre" verstanden haben.

Das wäre wohl ein wenig anmassend... letztlich ist es ja nur meine persönliche Schlussfolgerung. Wenn das wirklich die "wahre Lehre" wäre, dann müsste ich jetzt damit wohl missionieren gehen... 😊

Aus meiner Perspektive heraus war den Leuten damals der "Heilige Geist" aber wohl tatsächlich eine zu unsichere Sache. Dinge, die so wichtig sind, möchte man doch lieber schriftlich haben. Was dann aber leider dazu führte, dass die Bibel den Heiligen Geist ersetzte.

Das war ja früher auch immer mein Eindruck: Da ist die Bibel als Reiseklotz im Weg, der mir den Zugang versperrt statt Türen zu öffnen.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Und dann müsste man historisch erklären, warum etwas, worauf jeder Mensch guten Willens von selbst kommen konnte, überhaupt zur Entstehung eines neuen Players in der religiösen Welt führen konnte.

Wie gesagt: Unsicherheit. Freiheit und Selbstverantwortung stellen für viele Menschen ein Problem dar. Sie bevorzugen eine weltliche Führung, die ihnen Sicherheit verspricht, und diese Rolle wurde dann von der Kirche eingenommen.

Nachtrag vom 19.02.2021 1103
... gemeint ist natürlich: die Bibel war mir als "Riesenklotz" im Weg...

lucan-7 antworten
OpaStefan
(@opastefan)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 968
Veröffentlicht von: @lucan-7

... gemeint ist natürlich: die Bibel war mir als "Riesenklotz" im Weg...

"Reiseklotz" passt aber auch ganz gut.

LG und einen schönen Sonntag - OpaStefan

opastefan antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802
Veröffentlicht von: @lucan-7

Dass Jesus so etwas gesagt haben soll weiss ich in der Tat aus der Bibel.
Falls ich das aber nicht wüsste, dann wäre es aber trotzdem richtig... ich könnte dann trotzdem auf meine "leise Stimme" im Inneren hören, meine Gefühle erforschen und dann spüren, was wirklich gut und richtig ist.

Und das war dann eben meine letzte Schlussfolgerung aus der Bibel: Wenn der Heilige Geist existiert und er weltweit relevant ist, dann ist er auch weltweit allen Menschen zugänglich... völlig unabhängig davon, ob sie nun die Bibel kennen oder nicht.

An der Stelle verstehst Du den Begriff "Heiliger Geist" dann freilich wieder sehr viel anders, als er in der Bibel verwendet wird. Ob Jesus also, als er auf den Heiligen Geist verwies (was wir ja wieder nur aus der Bibel haben), all das meinte, was Dir hier wichtig ist, dürfte bezweifelt werden.

(Welche Möglichkeit ich nehmen würde, ist wohl keine sehr aufregende Frage, aber Du könntest doch auch konsequent weitergehen und sagen, Jesu "Heiliger Geist" ist eigentlich auch noch zu wenig, es geht noch viel unmittelbarer.)

Veröffentlicht von: @lucan-7

Aus meiner Perspektive heraus war den Leuten damals der "Heilige Geist" aber wohl tatsächlich eine zu unsichere Sache. Dinge, die so wichtig sind, möchte man doch lieber schriftlich haben. Was dann aber leider dazu führte, dass die Bibel den Heiligen Geist ersetzte.

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass Menschen, die ein persönliches Inspirationserlebnis haben, gar nicht anders können, als dann auch so viel davon, wie es nur geht, aufzuschreiben. Das hätte gar nichts mit Unsicherheit zu tun, sondern ist die fast natürliche Konsequenz aus solchen Erfahrungen.

Veröffentlicht von: @lucan-7

letztlich ist es ja nur meine persönliche Schlussfolgerung. Wenn das wirklich die "wahre Lehre" wäre, dann müsste ich jetzt damit wohl missionieren gehen... 😊

Ich dachte, das tust Du hier schon. 😉

andreas-wendt antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

An der Stelle verstehst Du den Begriff "Heiliger Geist" dann freilich wieder sehr viel anders, als er in der Bibel verwendet wird.

Ja, ich denke bereits in der Bibel wurde das als Zeichen der Auserwählung betrachtet, welches exclusiv gläubigen Menschen vorbehalten ist. Die meisten Christen gehen wohl auch davon aus, dass der "Heilige Geist" ihnen ganz exclusiv vorbehalten ist und dafür das Bekenntnis zu Jesus, möglicherweise auch die Taufe oder anderes Voraussetzung ist.

In meinen Augen ergibt das keinen Sinn. wäre der christliche Glaube das alleinige Mittel, um alle Menschen zu retten, dann hätte Gott ein untaugliches Werkzeug geschaffen. Denn in den letzten 2000 Jahren haben die meisten Menschen auf der Welt vom Christentum gar nichts mitbekommen. Und auch später waren die Erlebnisse mit Christen für viele Menschen alles andere als positiv.

Wäre das tatsächlich der einzige Weg zu Gott, dann hätte Gott das Seelenheil vieler Menschen allein mit Fehlern behafteten Leuten überlassen, von denen man nicht wenige sogar als Verbrecher bezeichnen muss. Das erscheint mir wenig plausibel.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Welche Möglichkeit ich nehmen würde, ist wohl keine sehr aufregende Frage, aber Du könntest doch auch konsequent weitergehen und sagen, Jesu "Heiliger Geist" ist eigentlich auch noch zu wenig, es geht noch viel unmittelbarer.

Da ich Jesus für einen gewöhnlichen Menschen halte, der tief in der jüdischen Religion verwurzelt war, sehe ich hier keinen Anspruch auf absolute Wahrheit bei ihm... ich denke, mit vielem hat er einfach einen guten und richtigen Punkt getroffen - in anderem lag er aber auch falsch. Damit habe ich ganz sicher kein Problem.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass Menschen, die ein persönliches Inspirationserlebnis haben, gar nicht anders können, als dann auch so viel davon, wie es nur geht, aufzuschreiben. Das hätte gar nichts mit Unsicherheit zu tun, sondern ist die fast natürliche Konsequenz aus solchen Erfahrungen.

Den Schreibern ist hier auch kein Vorwurf zu machen... ich finde es nur befremdlich, wenn derartige Erlebnisse als Buch selbst zu einer "Gottheit" erklärt werden.

Denn ich denke, für die meisten Christen glauben an die "Viereinigkeit" von Vater, Sohn, Heiligem Geist und Bibel, von denen allein die Bibel eine relevante Rolle spielt.

Denn es ist ja üblich, dass alles und jedes an der Bibel gemessen wird. Wenn jetzt also Jesus persönlich wiederkäme, dann müsste er sich vor den gläubigen Christen anhand der Bibel rechtfertigen. Sollte er dann sagen: "Na ja, das meiste stimmt schon, aber die Sache damals in Jerusalem war eigentlich ganz anders, und Paulus war mit diesem und jenen Brief auch im Irrtum..." - dann wär's das schon für ihn gewesen.

Jesus oder nicht, für die meisten Christen wäre klar, dass er nicht der echte Messias sein kann, wenn er sich gegen die Bibel wendet!

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ich dachte, das tust Du hier schon.

Missionieren? Nö, ganz sicher nicht... ich erkläre hier nur meine Sicht der Dinge. 😊

Es gibt hier und da natürlich schon Themen, die mir persönlich am Herzen liegen und wo ich dann wirklich versuche, Menschen zu überzeugen... aber die haben nichts mit der persönlichen Glaubensbasis zu tun, sondern höchstens mit deren Auswirkungen.

lucan-7 antworten
Turmfalke1
(@turmfalke1)
Beigetreten : Vor 16 Jahren

Beiträge : 4122

Darf ich mich mal mit reinmischen in Euer Gespräch, welches ich mit großem Interesse verfolge? 😉
Du schreibst:

Veröffentlicht von: @lucan-7

Es ist jedenfalls zumindest auffällig, dass der Erfolg des christlichen Glaubens wesentlich auf dem Werk eines Menschen beruht, der Jesus zu seinen Lebzeiten nicht begegnet ist... und der aus diesem Grund natürlich auch entsprechende Freiheiten bei der Auslegung hatte, welche dann wohl entscheidend für den Erfolg waren.

Jesus war Paulus zwar zu seinen Lebzeiten tatsächlich nicht begegnet, aber er hatte einen guten Draht zu einigen Jüngern. Petrus, mit dem er wohl einige Auseinandersetzungen hatte, bezeichnet ihn als "lieben Bruder", der "nach der Weisheit, die ihm gegeben ist", geschrieben hat (2. Petrus 3, 15). Petrus schreibt zwar, dass in des Paulus Briefen etliche Dinge schwer zu verstehen sind und deshalb auch verdreht werden, aber er distanziert sich als direkter Augenzeuge nirgends von dem, was Paulus lehrte, im Gegenteil. Kann man daraus nicht schlussfolgern, dass Petrus die paulinische Lehre durchaus mit der Lehre des Jesus von Nazareth in Einklang bringen konnte?

turmfalke1 antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @turmfalke1

Petrus schreibt zwar, dass in des Paulus Briefen etliche Dinge schwer zu verstehen sind und deshalb auch verdreht werden, aber er distanziert sich als direkter Augenzeuge nirgends von dem, was Paulus lehrte, im Gegenteil. Kann man daraus nicht schlussfolgern, dass Petrus die paulinische Lehre durchaus mit der Lehre des Jesus von Nazareth in Einklang bringen konnte?

Finde ich schwierig zu beurteilen. Was wusste Petrus denn genau, worauf bezieht er sich? Er war ja bei den meisten Predigten, die Paulus auf seinen Reisen führte, gar nicht dabei. Hätte er allem vorbehaltslos zugestimmt? Oder hätte er vielleicht dem ein oder anderen doch widersprochen?

Ich finde die Tatsache, dass es überhaupt einen Streit gab, schon sehr bemerkenswert im Hinblick darauf, dass Jesus offenbar keine eindeutige Lehre hinterlassen hat, sondern eine Deutung erst später erfolgen konnte. Und hier hat dann nicht Petrus, sondern Paulus die Federführung übernommen.

Und das war nicht das, was über Jesu Pläne zu seinen Lebzeiten überliefert wurde...

lucan-7 antworten
Turmfalke1
(@turmfalke1)
Beigetreten : Vor 16 Jahren

Beiträge : 4122
Veröffentlicht von: @lucan-7

Finde ich schwierig zu beurteilen. Was wusste Petrus denn genau, worauf bezieht er sich? Er war ja bei den meisten Predigten, die Paulus auf seinen Reisen führte, gar nicht dabei. Hätte er allem vorbehaltslos zugestimmt? Oder hätte er vielleicht dem ein oder anderen doch widersprochen?

Ich denke aber schon, dass er die Briefe des Paulus zumindest zum Großteil kannte, denn er geht ja in seinem Brief explizit darauf ein.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Ich finde die Tatsache, dass es überhaupt einen Streit gab, schon sehr bemerkenswert im Hinblick darauf, dass Jesus offenbar keine eindeutige Lehre hinterlassen hat, sondern eine Deutung erst später erfolgen konnte.

Gewisse Auseinandersetzungen gab es schon, deshalb ja auch das Apostelkonzil, wo es um die Frage der Beschneidung etc. ging. Auch zwischen Paulus und Petrus hat es ab und an mal "geraucht", was aber nicht zu größeren Differenzen in der Lehre führte.

turmfalke1 antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21510
Veröffentlicht von: @turmfalke1

Ich denke aber schon, dass er die Briefe des Paulus zumindest zum Großteil kannte, denn er geht ja in seinem Brief explizit darauf ein.

Wir wissen aber nicht, wieviele Briefe es insgesamt gab, und worauf sich Petrus genau bezog...

Veröffentlicht von: @turmfalke1

Auch zwischen Paulus und Petrus hat es ab und an mal "geraucht", was aber nicht zu größeren Differenzen in der Lehre führte.

Auch das wissen wir nicht zu hundert Prozent. Wir kennen nur einen kleinen Ausschnitt... ob Petrus seine Meinung aufrecht hielt und worauf genau sie sich stützte, das wissen wir nicht genau.

lucan-7 antworten
OpaStefan
(@opastefan)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 968

Danke für euren sehr interessanten Austausch.

LG OpaStefan

opastefan antworten
neubaugoere
(@neubaugoere)
Beigetreten : Vor 12 Jahren

Beiträge : 15268

grün
o.w.T.

neubaugoere antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802

Ich kann, denke ich, verstehen, wie Du darauf kommst.

Aber mir scheint, Du machst

Veröffentlicht von: @tent

weil sie anderen Menschen ihren Glauben, ihre Sexualität lässt

zur Voraussetzung für

Veröffentlicht von: @tent

ir können in Frieden mit allen Menschen zusammen leben.

Wenn "lassen" im Sinne von "nicht dafür hassen" gemeint ist, bin ich völlig bei dir. Das gilt aber auch von allen Freikirchen, die ich kenne.

Ist "lassen" aber im Sinne von "unproblematisch finden" gemeint, dann wird es mit dem Frieden mit allen Menschen schwieirig. Denn ich bin mir sicher, auch Du kennst Eigenschaften anderer Menschen, die Du nicht unproblematisch findest.

In dem Ziel, mit allen Menschen in Frieden zusammenzuleben, sind wir uns alle einig. Die Bedingung, dass jeweils mindestens eine Seite dafür in irgendeinem Punkt anders sein muss, wäre aber unrealistisch. Und sie wäre in meinen Augen deswegen auch lieblos.

Was bräuchte ich z.B., um mit homophoben Menschen in Frieden zu leben? Kann ich ihnen ihre zumeist tief verankerte Einstellung "lassen". Oder muss ich zuvor eine Veränderung von ihnen verlangen? Oder kann ich diese Einstellung von Herzen ablehnen und trotzdem in Frieden mit ihnen leben?

andreas-wendt antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Wenn "lassen" im Sinne von "nicht dafür hassen" gemeint ist, bin ich völlig bei dir. Das gilt aber auch von allen Freikirchen, die ich kenne.

Hass schadet dem Gegenüber nicht zwingend, Umerziehungskurse schon.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Was bräuchte ich z.B., um mit homophoben Menschen in Frieden zu leben? Kann ich ihnen ihre zumeist tief verankerte Einstellung "lassen". Oder muss ich zuvor eine Veränderung von ihnen verlangen? Oder kann ich diese Einstellung von Herzen ablehnen und trotzdem in Frieden mit ihnen leben?

Kommt drauf an ob sie für sich ganz privat homophob sind, dann geht es, oder anderen reinreden wollen, das darf man nicht dulden, muss bestrafen und Veränderung verlangen.

Anonymous antworten
Tinkerbell
Beiträge : 1552

Aber hallo!
Da bist du hier genau richtig 😀 Deine Zitate sind in meinen Augen noch die nette, aufrichtige Variante - ganz schlimm wird es ja, wenn es Richtung Ferndiagnosen geht. Sachen wie "Ja, wenn man in so unguten geistlichen Strukturen aufgewachsen ist, denkt man oft so...war bei mir genauso, ich musste mich da erst von lösen!" Oder wenn immer so schön betont wird, wie empathisch man selbst ist, dass man niemanden verurteilt, jeder darf sein und so weiter...da muss man gar nicht sagen, von welchem vorangegangen Posting man sich da abgrenzen will, das merkt dann auch der gutherzigste Leser 😉

Veröffentlicht von: @pottkind

Wie seht ihr das? Gilt noch ein Leib, wenn man eine christliche Ausrichtung nicht mag oder falsch findet was sie lehrt? Oder will man dann lieber nicht mit diesem Körperteil assoziiert werden und tut so als ob es nicht dazu gehört?

Ich glaube, das Grundproblem ist eine unterschiedliche Ansicht davon, was die Funktion des Leibes ist, wie er von seinem Charakter her ist. Im Kolosser-Brief steht ja: "Der Frieden, der von Christus kommt, regiere euer Herz und alles, was ihr tut! Als Glieder eines Leibes seid ihr dazu berufen, miteinander in diesem Frieden zu leben."

Friede bedeutet nicht, dass man überall einer Meinung ist. In meinen Augen heißt es, auch gewisse Diskrepanzen aushalten zu müssen - so wie man das auch in einer Familie tut. Vermutlich wird keiner sein eigenes Kind vor Freunden oder Gemeinde an den Pranger stellen, wenn es in gewissen Punkten eine andere Meinung hat. Da kann man sich drüber unterhalten, auch sagen, dass einen das irritiert oder bekümmert, aber sicher wird niemand sagen "Boah, ich bin so froh, dass ich nicht so bin wie mein Sohn!" Macht man nicht. Und auch in einer Gemeinde begegnet einem das sehr selten, ich erlebe es hauptsächlich hier, wo es so schön anonym ist und man sich damit profilieren kann, so viel barmherziger, verständnisvoller, nächstenliebender zu sein als der andere - natürlich in aller Demut. Und wirklich nur, damit er Fragende nicht denkt, alle Christen wären so 😉

Wir wissen aber auch, dass es Irrlehre innerhalb von Gemeinden, innerhalb der Christenheit gibt. Also wirklich Dinge, die klar unbiblisch sind - z.B. wie die 12 Stämme mit ihrer "Der Herr will, dass wir unsere Kinder schlagen, wenn sie nicht hören!"-Lehre. Und dort ist in meinen Augen eine Grenze erreicht, wo der Fuß nicht nur verrenkt ist, sondern fault und deswegen amputiert werden muss, bevor er den ganzen Leib vergiftet. Das sind aber sehr, sehr wenige Punkte im Bereich "normaler" Christen, bei denn diese Gefahr droht. Meistens sind es doch einfach nur unterschiedliche Erkenntnisse, die man nicht aushalten kann. Und doch muss man das auf Erden, es ist für uns alles nur bruchstückhaft zu erkennen und jeder kann sich irren. Deswegen sollte jede Konversation so geführt, dass man sich immer vor Augen hält: "Hey, mein Verständnis bei dieser Frage kann komplett falsch sein, es kann auch der andere recht haben." Diese Grundhaltung ist dem Menschen aber generell ein Gräuel, nicht nur Christen 😉 Es fällt ganz schwer zu sagen: "Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, ich weiß es nicht, ich kann mir nur eine Meinung bilden." Ob es nun um Corona geht oder Eheschließungen für homosexuelle Paare...

Veröffentlicht von: @pottkind

In der Bibel steht, dass wir ein Leib sind. Wenn ein Teil des Leibes leidet, leidet der ganze Leib.

Ein guter Punkt. Auch da glaube ich, dass es ein Stück gegen unsere Natur ist, mit jedem mitzuleiden. Das ist auch ganz stark von Sympathie geprägt. Wo ich einem guten Freund sagen würde "Oh man, das tut mir leid, das muss schwer für dich sein!", denke ich bei dem arroganten Typen in der Gemeinde wahrscheinlich eher "Meine Güte, stell dich halt nicht so an, wird schon." Deswegen ist Gemeinde auch so schwer - man muss nicht jeden mögen, aber man muss jeden lieben 😉

Veröffentlicht von: @pottkind

Ich habe schon zu analogen Zeiten nicht verstanden, wie man seine Zeit damit verbringen kann, Bücher darüber zu schreiben Christen vor anderen Christen /Richtungen/Konfessionen zu warnen.

Bei einigen Punkten ist das, wie oben erwähnt, sicher sinnvoll. Aber für einige Christen sind die Grenzen der Toleranz eher erreicht. Die ertragen es nicht, wenn man zu einer konkreten Frage eine Antwort hat, die sich nicht mit ihrer deckt. Weil es ihnen falsch, unbarmherzig, lieblos, verurteilend oder sonstiges vorkommt - aber auch das müssen wir ertragen. Ich bin ja bekanntermaßen ein sehr konservativer Christ, und aus biblischen Gründen lehne ich beispielsweise die Ehe für alle ab. Aber ich habe genug christliche Freunde, die das anders sehen. Wir können alle gut mit unseren unterschiedlichen Meinungen leben, weil jeder sich eine Gemeinde/Kirche gesucht hat, die das vertritt, was seiner Ansicht nach richtig ist. Wir verstehen uns trotzdem als ein Leib, wir missionieren uns da nicht gegenseitig, wir werfen uns nichts vor - es gibt da nichts zu diskutieren, sofern wir nicht gerade mal Lust darauf haben 😀

Und ich denke, das ist etwas, was der Leib lernen muss: Sich die Liebe zueinander zu bewahren, wenn es unterschiedliche Erkenntnisse gibt, statt zu versuchen, den anderen zu diskreditieren - auch wenn es im Deckmäntelchen der Liebe daherkommt.

tinkerbell antworten
4 Antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @tinkerbell

chen wie "Ja, wenn man in so unguten geistlichen Strukturen aufgewachsen ist, denkt man oft so...war bei mir genauso, ich musste mich da erst von lösen!"

He, Tinkerbell, wenn es aber doch genau so gewesen ist - dann darf ich das auch nicht sagen??

Veröffentlicht von: @tinkerbell

Oder wenn immer so schön betont wird, wie empathisch man selbst ist, dass man niemanden verurteilt, jeder darf sein und so weiter...da muss man gar nicht sagen, von welchem vorangegangen Posting man sich da abgrenzen will, das merkt dann auch der gutherzigste Leser 😉

Ich lese so was gar nicht auf jesus.de (Naja, ich lese in letzter Zeit eh wenig hier). Warum unterstellst du Menschen, die sich zunächst mal um Verständnis des Gegenübers bemühen, sich selbst als "superempathisch und supertolerant" zu inszenieren? Vielleicht agieren sie einfach nur genau so ehrlich wie der andere, der seinem Gegenüber das Bibelwort um die Ohren schlägt.

Übrigens bin ich auch ein großer Fan klarer Worte, ja ja und nein nein.
Und gerade darum treffe ich heute viele Entscheidungen so klar wie früher, nur oft mit genau gegensätzlicher Aussage. Weil ich es eben als nicht richtig erkannt habe.

Eine Einheit um jeden Preis, wo Kritik unter die Decke gekehrt werden muss und dort vor sich hinfault, halte ich für verderblich.

Anonymous antworten
Tinkerbell
(@tinkerbell)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 1552
Veröffentlicht von: @polyglott

He, Tinkerbell, wenn es aber doch genau so gewesen ist - dann darf ich das auch nicht sagen??

Klar darfst du das - für dich selber. Aber oft fällt dieser Satz eben dahingehend, dass man anderen damit attestiert, ihre Meinung aufgrund schlechter Strukturen gebildet zu haben. Man selbst hat es "geschafft", man hat sich gelöst, und der andere müsse das nun ebenfalls tun, seine Ansichten würden nur daher kommen, dass er aus einer zu liberalen/konservativen/was-auch-immer Gemeinde/Kirche kommt. Und dieses Urteil kann man sich eben nicht über andere erlauben, es geht mir tierisch auf den Keks, wie oft ich das hier schon gelesen habe. Als wäre jemand mit anderer Meinung einfach unreflektiert und hätte nicht begriffen, wie grauenhaft und furchtbar ihn seine Gemeinde geprägt hat.

Veröffentlicht von: @polyglott

Warum unterstellst du Menschen, die sich zunächst mal um Verständnis des Gegenübers bemühen, sich selbst als "superempathisch und supertolerant" zu inszenieren?

Ich glaube, du verstehst mich grundlegend falsch. Es geht um Vergleiche und Abgrenzungen gegenüber anderen Christen. Dass man sagt "Der andere, der dir zuerst geantwortet hat, ist leider intolerant/homophob/lieblos/unempathisch, aber ICH bin ganz anders." Das ist unnötig, man muss doch nicht betonen, dass man besser ist (oder glaubt, es zu sein), oder?

Veröffentlicht von: @polyglott

Eine Einheit um jeden Preis, wo Kritik unter die Decke gekehrt werden muss und dort vor sich hinfault, halte ich für verderblich.

Wie gesagt - ich glaube, das manche diese Einheit falsch verstehen. Die Bibel sagt an keiner Stelle "Ihr müsst 100%ig allem die gleiche Meinung und Erkenntnis haben, sonst seid ihr kein Leib!" Das ist auf Erden nicht zu erreichen. Aber wir sollen einander trotzdem lieben und im Frieden miteinander leben - und das schafft man nicht, wenn Teile des Leibes sich nicht nur anderen hinsichtlich Empathie, Toleranz, Barmherzigkeit und Co. überlegen fühlen, sondern das auch noch verbalisieren.

tinkerbell antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0

durch die Leistungsbrille

Veröffentlicht von: @tinkerbell

Man selbst hat es "geschafft",

Das würde ich auf keinen Fall so formulieren. Dass sich mein Glaube im Laufe des Lebens verändert hat, sehe ich keinesfalls als eine Leistung, als etwas, das ich "geschafft" habe, weil ich ja so sehr den Durchblick habe...

Da missverstehst du mich.

Wenn ich Menschen frage, warum sie sich aus einer bestimmten christlichen Gemeinderichtung gelöst haben, dann gibt es ganz unterschiedliche Weisen, wie sie das empfinden:
- gelöst, um überhaupt weiterleben zu können
- gelöst, weil die Lehre zum eigenen Leben absolut nicht mehr passt
- gelöst und als Versagen empfunden, weil man selbst zwar immer entschieden Christ sein wollte - aber
einfach das Positive mit dem Glauben nicht erlebt, was andere Christen offenbar erleben - und es wird immer nur schlimmer und schlimmer

Die dritte Weise würde auf mich zutreffen.

Veröffentlicht von: @tinkerbell

Und dieses Urteil kann man sich eben nicht über andere erlauben, es geht mir tierisch auf den Keks, wie oft ich das hier schon gelesen habe. Als wäre jemand mit anderer Meinung einfach unreflektiert und hätte nicht begriffen, wie grauenhaft und furchtbar ihn seine Gemeinde geprägt hat.

Das ist kein Urteil, soll es jedenfalls von meiner Seite aus nicht sein. Es ist ja auch gar keine Frage von "intellektuellem Durchblick", ob man mit einer Glaubensrichtung gut zurechtkommt oder nicht. Es ist eine Frage von Lebenserfahrung. Und auch das meine ich nicht im Leistungssinne, sondern im Sinne von: Wenn ich jahrzehntelang versuche, mein Leben und eine christliche Glaubensrichtung zueinander passend zu machen - aber es will einfach nicht passen, dann veranlasst mich diese meine Lebenserfahrung umzudenken.

Damit möchte ich aber nicht sagen, dass ein anderer Christ, der vielleicht in dieser Glaubensrichtung unterwegs ist, falsch denke oder nicht genug nachgedacht habe oder gar zu dumm sei, die "Fehler" seiner Richtung zu sehen.

Letzten Endes: Vielleicht liege ja auch ich falsch. Abgekehrt von Manchem habe ich mich, weil ich einfach damit mein Leben nicht mehr führen konnte.

Interessant ist übrigens, dass ich eine sehr enge Freundin habe, die ich sehr schätze. Unsere Telefonate laufen oft so ab:
Ich: "Also, ich habe ja das Problem, dass das, was ich damals in der XY-Gemeinde gelernt habe, mich eher am Leben gehindert hat. Und Vieles, was ich hätte lernen sollen und mir in meinem Leben weitergeholfen hätte, steht auch nicht in der Bibel."
Sie: "Äh, na was steht denn nicht drin?"
Ich: "Na äh, z.B. dieses und jenes. Aber, da muss ich jetzt mal nachschauen, ob nicht doch was dazu drinsteht..." 😀

Wir beide respektieren einander sehr.

Ich denke mittlerweile, dass Menschen in ihrer Art wesentlich weniger durch ihr Christsein geprägt sind (leider...), sondern viel mehr durch Erziehung, Schule, Lebensumstände.

Es gibt z.B. eine Studie, wo Kinder, die im christlichen Glauben aufgezogen wurden, viel weniger bereit waren, anderen Kindern zu helfen, als solche, die das nicht waren. (weil sie offenbar sich auch so gerettet fühlten? man weiß es nicht) Die Studie fand ich etwas erschreckend.

Veröffentlicht von: @tinkerbell

"Der andere, der dir zuerst geantwortet hat, ist leider intolerant/homophob/lieblos/unempathisch, aber ICH bin ganz anders."

Hab ich das schon mal so geschrieben? Ich glaube nämlich nicht, dass ich grundsätzlich immer so empathisch bin - aber trotzdem möchte ich dem Gegenüber doch signalisieren, dass nicht alle Christen gleich sind? Ob ich dann so besonders empathisch bin, weiß ich nicht. Das kann ja das Gegenüber entscheiden.

Veröffentlicht von: @tinkerbell

Das ist unnötig, man muss doch nicht betonen, dass man besser ist (oder glaubt, es zu sein), oder?

Warum sollte ich denn "besser" sein? Das müssen schon die anderen entscheiden, wie sie mich wahrnehmen. Ich möchte in dem Moment, wenn ich dem anderen sage, dass es ganz verschiedene Christen gibt, einfach versuchen, eine Brücke zu bauen - es vielleicht doch noch mal zu versuchen? Ich möchte nicht sagen, dass die anderen alle unempathisch sind und ich "besser" bin.

Allerdings, ja, ich muss mich auch nicht kleiner machen als ich bin. Ich halte mich für halbwegs empathisch. Warum sollte ich das abstreiten.

Jeder hat ja auch seine Qualitäten. Der eine ist eben ein Fuß, der andere eine Hand.

Mir hat letzten Endes, was andreas-wendt schrieb, ganz gut gefallen:

2 Fragen
- Was macht den anderen - der mir auf den Keks geht, der mich verletzt, der mich nervt, den ich furchtbar arrogant/ unsensibel/ ... finde - denn vielleicht trotzdem zu meinem Bruder/ Schwester im Glauben?

und

- Liegt es vielleicht an der Sprache? Lese ich durch eine bestimmte Brille etwas, das vielleicht gar nicht so gemeint ist? Drücke ich selbst mich vielleicht nicht hinreichend gut aus, dass ich verstanden werde? Finden wir überhaupt als Christen eine gemeinsame Sprache?

Anonymous antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @tinkerbell

Friede bedeutet nicht, dass man überall einer Meinung ist. In meinen Augen heißt es, auch gewisse Diskrepanzen aushalten zu müssen - so wie man das auch in einer Familie tut. Vermutlich wird keiner sein eigenes Kind vor Freunden oder Gemeinde an den Pranger stellen, wenn es in gewissen Punkten eine andere Meinung hat. Da kann man sich drüber unterhalten, auch sagen, dass einen das irritiert oder bekümmert, aber sicher wird niemand sagen "Boah, ich bin so froh, dass ich nicht so bin wie mein Sohn!" Macht man nicht.

Nun ja, Diskrepanzen. Das ist ein weites Feld. Schon in meiner Ortsgemeinde sind mir Dinge begegnet, wo ich denke, es wäre auch sinnlos, das intern klären zu wollen, weil ich gegen Windmühlenflügel anrenne. Ein Freund aus der Gemeinde berichtet mir auch immer mal wieder resigniert, wie hässlich es gerade im Kirchgemeinderat zuginge.

Und wenn ich dann über meine Kirchgemeinde hinausgehe, z.B. zu den Waffenfans in den USA, zu Typen wie Bolsonaro, der gleich die Welt noch mit in den Abgrund zieht... Was hab ich mit denen gemein? Nichts. (obwohl die sich auch "Christen" nennen)

Das interne Klären ist eine schöne Theorie. In der Praxis glaube ich, dass gerade bestimmte Strukturen eher dazu führen, dass der Einzelne an ihnen verzweifelt. Nirgends gibt es wohl auch mehr Machtmissbrauch und Unterdrückung als in religiösen Strukturen.

Mir ist irgendwie oft meine Zeit zu schade zu versuchen, mich mit denen auseinanderzusetzen, die mir eigentlich nahe sein sollten, aber offenbar doch schrecklich fern sind.

Ja, du hast Recht, und das hat mich auch zum Nachdenken gebracht. Niemand würde sagen in der Öffentlichkeit: "Puh bin ich froh, dass ich nicht bin wie mein Sohn."

Ja, aber damit dieses Gleichnis greift, müsste ich erst einmal wirklich mich unter Brüdern und Schwestern fühlen. Ansonsten ist diese Art Schweigegebot nach außen irgendwie sehr nahe am "Korpsgeist". Und ich merke immer wieder, dass ich dazu noch nie ein Talent hatte.

Das Problem ist nämlich, wenn die Parole lautet: "Wir klären erst mal alles untereinander, ehe was nach außen kommt", dass dann Leute, denen wirklich übel mitgespielt wurde, lange warten können, bis ihnen vielleicht mal Gerechtigkeit widerfährt. So ist jedenfalls meine Erfahrung.

Anonymous antworten


andreas
Beiträge : 1802

Hi!

Diese Art des Verdeutlichens von Unterschieden gibt es freilich auch von der anderen Seite:

"Die andern nehmen es mit dem Wort Gottes nicht so genau, aber wir / ich schon!"

Und man muss fairerweise sagen, dass es an dieser Stelle dann häufig nicht nur in Abgrenzung, sondern im Anathema endet.

Vielleicht hilft es zu graben, wo genau das Problem liegen könnte.

Christenmenschen haben zu manchen Fragen unterschiedliche, ja manchmal gar gegensätzliche Meinungen. (Und zwar auch nachdem alle Argumente ausgetauscht sind.) Das ist bei einer Gemeinschaft, die so groß, verstreut und alt ist, wie die Christenheit, völlig normal.

Es kommt aber auf verschiedenen Ebenen vor, dass ich mit den Meinungen auch Wertungen verknüpfen.
Kommen diese Wertungen von außen, bergen sie die Gefahr, dass sie sich auf die ganze Christenheit und sogar auf den Glauben selbst übertragen: "Mit einer Glaubensgemeinschaft, in der die Leute so intolerant / unmoralisch sind (sucht Euch was aus!), will ich nichts zu tun haben."
Die nächstliegende Reaktion des missionarisch gesinnten Christenmenschen ist es, deutlich zu machen, dass das, was der Außenstehende als Zugangshindernis zum Glauben empfindet, gar nicht repräsentativ für die Christenheit / meine Freikirche / die Landeskirche / ... ist.

Ehrlichkeit nach außen sowie geschwisterliche Liebe nach innen würden aber eine Sprache wünschenswert machen, die deutlich macht, dass auch die, deren Position / Verhalten in einem bestimmten Punkt ich mit guten Gründen ablehne, in meinen Augen meine Geschwister in Christus sind.
Und es gibt Geschwister in Christus, mit denen mich wirklicht nichts verbindet außer Christus.

Mir scheint, dass vor allem letzteres, die Sprache, im täglichen Vollzug etwas auf der Strecke bleibt.

Vielleicht wäre es ein Anfang, diejenigen, von denen man sich abgrenzt, auch immer explizt als Geschwister zu bezeichnen. (Und wer mag, kann das am Reden über die Diskussionen zwischen unseren Geschwistern in der Bremischen Landeskirche mal ausprobieren.)

Wer meinen leiblichen Bruder und mich kennt, weiß, dass wir uns erst verstehen, seit wir nicht mehr zusammen wohnen. Aber wer hat noch mal das mit den "vielen Wohnungen" gesagt?

Im Moment kontempliere ich aber, angeregt durch diesen Thread, noch eine Anschlussfrage:
"Ein Leib" steht ja hier im Forum mit "?!" Ist die neutestamentliche Formulierung vom "Leib Christi tatsächlich geeignet, die gesamte Christenheit zu benennen? Oder ist v.a. die Gemeinde vor Ort gemeint? Oder eine mittelgroße Einheit (was in der Antike dann ungefähr die gesamte Christenheit wäre)? Das wäre so meine Lektüreabsicht für die nächste Zeit, das mal auseinanderzudröseln.

andreas-wendt antworten
7 Antworten
Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1234
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Ehrlichkeit nach außen sowie geschwisterliche Liebe nach innen würden aber eine Sprache wünschenswert machen, die deutlich macht, dass auch die, deren Position / Verhalten in einem bestimmten Punkt ich mit guten Gründen ablehne, in meinen Augen meine Geschwister in Christus sind.
Und es gibt Geschwister in Christus, mit denen mich wirklicht nichts verbindet außer Christus.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Mir scheint, dass vor allem letzteres, die Sprache, im täglichen Vollzug etwas auf der Strecke bleibt.

Die Stellen möchte ich mal hervorheben, weil sie mir so treffend scheinen. Sprache ist ja sehr von Kultur geprägt. Schaffen wir es, eine gemeinsame Sprache zu finden, hat sich auch innerlich schon etwas aufeinander zu bewegt. Dein Vorschlag, einander Geschwister zu nennen, ist ein guter Anfang. Aber wir wissen, dass das nicht reicht. (Denn es wird oft praktiziert) Was dann, wie umgehen mit all den Begriffen, die so unterschiedlich verwendet werden?

Es schwingt in der Sprache der undefinierbare Stallgeruch der eigenen Gruppe mit, den man nur kennt, wenn man Jahre dort verbracht hat, ab Besten dort aufgewachsen ist. Wir wissen, wie wichtig der erste Eindruck ist, auch sprachlich.

Mir scheint, um weiter aufeinander zuzugehen, braucht es etwas noch tieferes als Sprache. Deshalb arbeite ich an Einheit hauptsächlich im Gebet, damit sich die innere Bereitschaft, sich auf Einheit einzulassen verändert, die Motivation, die Sehnsucht danach.

tagesschimmer antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802

Ich glaube, eine gemeinsame Sprache ist zu viel verlangt. Es geht eher um die Vertiefung der Fremdsprachkenntnisse.

Die Kenntnis mehrerer Sprachen kann ja auch die eigene Sicht weiten.

Wer weiß zum Beispiel in der je eigenen Bubble, dass ein "Lobpreisleiter" und ein "Kirchenmusiker" eigentlich dasselbe sind? Oder dass "tiefe Glaubenswahrheiten" anderswo "Dogmen" genannt werden?

Veröffentlicht von: @tagesschimmer

Mir scheint, um weiter aufeinander zuzugehen, braucht es etwas noch tieferes als Sprache. Deshalb arbeite ich an Einheit hauptsächlich im Gebet, damit sich die innere Bereitschaft, sich auf Einheit einzulassen verändert, die Motivation, die Sehnsucht danach.

Absolut.
Vielleicht wird aber die Einheit auf der entscheidenden Ebene es sogar möglich machen, auf anderen mehr Unterschiede zu wagen und auszuhalten?

andreas-wendt antworten
Tagesschimmer
(@tagesschimmer)
Beigetreten : Vor 6 Jahren

Beiträge : 1234
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Vielleicht wird aber die Einheit auf der entscheidenden Ebene es sogar möglich machen, auf anderen mehr Unterschiede zu wagen und auszuhalten?

Gut, dass uns Gott nicht alleingelassen hat. Uns Menschen traue ich nämlich eine solche Leistung nicht zu.

tagesschimmer antworten
andreas
(@andreas-wendt)
Beigetreten : Vor 17 Jahren

Beiträge : 1802

Vermutlich ist das so.

Aber funktioniert nicht im Grunde jede Beziehung, vor allem jede Ehe nach genau dem Prinzip: Das, was uns zur Einheit macht, ist so maßgeblich, dass wir Unterschiede ertragen und manche von ihnen sogar genießen können?

Das gilt nicht nur für christliche Ehen. Aber auch da bin ich froh für das "Ja mit Gottes Hilfe".

andreas-wendt antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Diese Art des Verdeutlichens von Unterschieden gibt es freilich auch von der anderen Seite:

Ja ich glaube, das nimmt sich nix.

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

Und es gibt Geschwister in Christus, mit denen mich wirklicht nichts verbindet außer Christus.

Ja, das trifft es 100%.

Aber, geht das überhaupt, dass nur Christus uns verbindet? Müsste nicht auch irgendwas von diesem Christsein in den jeweiligen Leben sichtbar werden?

Und, ich verstehe oft sehr gut, warum einer sich vom Christentum abwendet. "Die Christen müssten irgendwie erlöster aussehen und bessere Lieder haben." (weiß nicht mehr, wer das sagte)

Veröffentlicht von: @andreas-wendt

als Geschwister zu bezeichnen.

Das glaub ich nicht, dass ich das bei so manchem Glaubens- geschwister schaffen würde.

Mir geht es oftmals eher so, dass ich einfach nur zornig werde, was ein anderer mit dem Christentum erleben musste. (und ich bilde mir ein, dass auch Jesus oft einfach nur zornig werden würde.)

Anonymous antworten
frosch80
(@frosch80)
Beigetreten : Vor 22 Jahren

Beiträge : 816
Veröffentlicht von: @polyglott

Und, ich verstehe oft sehr gut, warum einer sich vom Christentum abwendet. "Die Christen müssten irgendwie erlöster aussehen und bessere Lieder haben." (weiß nicht mehr, wer das sagte)

Friedrich Nietzsche

frosch80 antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0

Danke, frosch.

Na ausgerechnet, da hab ich mich ja wieder in eine Gesellschaft begeben...

Anonymous antworten
tjami
 tjami
Beiträge : 227

Abgrenzung von Sünde

Veröffentlicht von: @pottkind

Wie seht ihr das? Gilt noch ein Leib, wenn man eine christliche Ausrichtung nicht mag oder falsch findet was sie lehrt? Oder will man dann lieber nicht mit diesem Körperteil assoziiert werden und tut so als ob es nicht dazu gehört?

Das kann sogar ausgesprochen biblisch sein:

Aber das hast du für dich, dass du die Werke der Nikolaïten hassest, die auch ich hasse.

Sie haben den Schein der Frömmigkeit, aber deren Kraft verleugnen sie; solche Menschen meide!

Eigentlich ist das Prinzip - wie so oft - ganz klar: Wir sind aufgerufen, Sünde klar zu benennen, uns von ihr zu trennen, gerade auch innerhalb vom Leib Gottes. Und das, was Menschen in christlichen Gemeinden begegnet, ist leider nicht selten geprägt von Sünde, von Heuchelei, von Machtspielchen unter frommem Deckmantel.

Viel zu oft ist Kirche in der Hinsicht, vielleicht aus einem falsch verstandenen Streben nach Einheit, eher wohl in einem Streben nach entsprechend schöner Fassade, schon nachlässig gewesen (und höchst ungerecht den betroffenen Menschen gegenüber) - bis heute. Hat sich darin versündigt, Opfern schlimmsten Unrechts nicht zu glauben, nicht beizustehen, nicht ihr Recht zu führen. Die zahllosen Vertuschungsskandale im Hinblick auf Missbrauch in der Kirche zeigen das.

Problematisch ist andererseits - wie so oft - die Anwendung des oben Gesagten: Wenn uns unsere eigene - ebenfalls sündige - Natur dazwischenkommt, wenn darum Situationen entstehen können, wo wir uns selbst promoten, statt Gottes Wort und den Nächsten im Blick zu haben. Dann kann es dazu kommen, dass es so klingt wie: Ich bin ja besser als der/die. Das sollte in der Tat nicht sein.

Ich denke auch, wir dürfen Abstand davon nehmen, das Christentum verteidigen zu wollen, gerade gegenüber Menschen, die unter bösen Taten zu leiden haben, welche im Namen Gottes verübt wurden.

Gott sieht das ja. Er hat es geschehen lassen, warum auch immer. Und wenn ich das Reden und Wirken Jesu betrachte, wünscht Er sich von uns weniger Apologetik als vielmehr Aufrichtigkeit, Barmherzigkeit und Demut.

tjami antworten
2 Antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0
Veröffentlicht von: @tjami

Aber das hast du für dich, dass du die Werke der Nikolaïten hassest, die auch ich hasse.

Ich habe noch mal nachgeguckt, was über Nikolaiten zu finden ist und habe das hier gefunden:
https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/nikolaos-nikolaiten/ch/8a64d82b82a08f357e1fd61ad14bd6be/

Also im Endeffekt: weiß man nicht genau, aber scheinbar waren sie zu weltlich (haben sich zu sehr der umgebenden Kultur angepasst): Götzenopferfleisch gegessen und Unzucht getrieben.

Wenn ich das auf unser Thema übertrage, wäre es ja dann andersrum tatsächlich richtig, also wenn man sich von Christen oder Gruppierungen abgrenzt, die zu liberal sind.

Schwieriges Argument, aber bedenkenswert.

Anonymous antworten
tjami
 tjami
(@tjami)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 227

Ich denke, es geht da nicht um "zu liberal", sondern um das Ersetzen von Gottes Wort durch eigene Regeln, mit denen Grundbedürfnisse wie Essen und Sexualität, die Gott wunderbar gemacht hat für den Menschen, in einen direkten Bezug zu kultischem Götzendienst gestellt werden.

tjami antworten


Irrwisch
Beiträge : 3477

Ich bin nicht so wie du, ich bin anders....
..........denn ein Fuß am Leib ist kein Kopf.

Eine Galle kein Auge
Ein Haar keine Nase
Eine Wimper kein Hals

So könnte ich immer weiter fortfahren.

Solange im Leib das Herz am rechten Fleck sitzt und pulierend schlägt, ist der Leib noch immer ein intakter Leib.

Solange noch Jesus als das Herz der Gemeinden, der Christen, Grund - und Eckstein ist, ist der Leib noch Leib.

Ja, manche Lehre, manche Dogmen mögen uns unterscheiden.
So, wie auch die Funktionen im Körper sehr unterschiedlich sind.

Es braucht eigene Demut, zu erkennen, dass unsere Erkenntnisse immer nur Stückwerk sind.
Es braucht Demut, zu erkennen, dass die Zahl der Glieder am Leib weit mehr beinhaltet als nur die Arme oder den Mund.

Was wäre denn ein Leib ohne die ganzen anderen " Bestandteile"?!

Stelle ich mir komisch vor, ein Leib, der nur aus Armen und Mund besteht.

Schwierig wird es immer dann, wenn sich einige Teile dieses Leibes für besonders erstrebenswert und wichtig halten.
Nicht erkennen, dass alle Glieder ihre Berechtigung haben, weil sie unterschiedliche Funktionen ausüben.

Eine Hand mag zwar Gebärdensprache sprechen können.
Aber klangvoll singen wird sie nie können.

Eine Zunge mag zwar genussvoll unser Essen schmecken können.
Aber es so verdauen, dass sie dem Leib Lebensenergie verschafft, kann sie nicht.
Da gehören Magen und Darm dazu.

Ja, ich weiß, Bilder taugen nur bedingt.

Aber vielleicht magst du dich, mögt ihr euch weiter mit diesen Bildern beschäftigen.

Auch, um zu erkennen, dass Bruder Zeh und Schwester Findernagel durchaus auch ihren guten Sinn machen am Leib der großen Gemeinde der Christen.

Wenn ich mir das vor Augen halte, komme ich ins Staunen.

Uns allen gute weitere Gedanken dazu

und einen fröhlichen Morgengruß
Inge

irrwisch antworten
Seite 3 / 4
Teilen:

Hey du!

Dieses Forum ist für dich kostenlos.
Das funktioniert nur, weil uns treue Menschen regelmäßig mit ihrer Spende unterstützen.
Bist du dabei?