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Das Scheitern in Afghanistan

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Lucan-7
Themenstarter
Beiträge : 21637

Der militärische Einsatz in Afghanistan ist am Wochenende endgültig gescheitert. Die afghanische Armee war (trotz militärischer Überlegenheit) zu keinem Kampf gegen die Taliban bereit, Afghanistan ist wieder da, wo es vor 20 Jahren war. Mit dem Unterschied, dass westliche Staaten künftig keine Truppen mehr schicken, egal was die Taliban künftig tun werden.

Der Zusammenbruch wurde erst wenigen in Jahren, dann in wenigen Monaten erwartet. Am Ende waren es wenige Wochen und Tage.

Wie es scheint kann und soll man daraus etwas lernen.

Aber was?

Wie seht ihr die Lage? Wie sehr ihr die Zukunft?

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215 Antworten
MrOrleander
Beiträge : 2217
Veröffentlicht von: @lucan-7

Aber was?

Solange einheimische Kämpfer im Volk oder in Teilen dessen verwurzelt sind, können ausländische Soldaten, mögen sie technisch auch noch so überlegen sein, auf lange Sicht nicht bestehen. Die asymmetrische Kriegsführung ist nicht zu gewinnen, solange die Invasoren nicht bereit sind, zu purer Barbarei zu greifen - und das hat selbst die Sowjetunion nicht getan.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Der Zusammenbruch wurde erst wenigen in Jahren, dann in wenigen Monaten erwartet. Am Ende waren es wenige Wochen und Tage.

Ich weiß nicht, wer auf wenige Jahre spekuliert hat. Alle mir bekannten Kommentatoren haben den aktuellen Verlauf vorausgesehen. Die 'Friedensgespräche' in Doha waren ein Witz. Was danach kommen würde, konnte niemanden überraschen.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Wie seht ihr die Lage? Wie sehr ihr die Zukunft?

Ich bin nicht kompetent für eine Prognose. Es wird interessant zu beobachten sein, wie die Taliban ihre Macht konsolidieren werden. Welche Spannungen gibt es innerhalb ihrer Elite? Wie verhalten sie sich zu den Warlords? Wie verhält sich Pakistan als wichtigster Förderer: Bekommt man dort kalte Füße, weil der Erfolg der 'guten' Taliban die 'schlechten' Taliban im eigenen Land ermutigen könnte? Und schließlich: Wie 'moderat' wird diesmal die Herrschaft der Taliban in Afghanistan ausfallen? Gelingt es der Elite, die fanatischen Kräfte innerhalb der Bewegung zu kontrollieren und den Millionen Flüchtlingen eine Perspektive auf Rückkehr zu bieten, könnte ich mir durchaus eine auf Jahre und Jahrzehnte ausgerichtete Herrschaft vorstellen. Aber wie gesagt: Das ist nichts weiter als eine sehr trübe Kristallkugel. 😊

Veröffentlicht von: @lucan-7

Wie sehr ihr die Zukunft?

Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte der Menschheit läßt sich mit Fug und Recht behaupten, daß die Zukunft schwarz aussieht. Das aber auch ganz anderen Gründen.

mrorleander antworten
10 Antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21637
Veröffentlicht von: @mrorleander

Solange einheimische Kämpfer im Volk oder in Teilen dessen verwurzelt sind, können ausländische Soldaten, mögen sie technisch auch noch so überlegen sein, auf lange Sicht nicht bestehen.

Nicht auf sich allein gestellt und nicht wenn deren Einsatz das einzig bestehende Konzept darstellt, das ist sicher richtig.

Aber es hat nie ernsthafte Bemühungen um die afghanische Gesellschaft gegeben.
Man überzeugt eine patriarchalische Gesellschaft nicht durch militärische Besatzung einerseits und den Bau von Mädchenschulen andererseits.

Damit signalisiert man nur: "Wir sind fremde Besatzer und gehören nicht hierher!"

Veröffentlicht von: @mrorleander

Ich weiß nicht, wer auf wenige Jahre spekuliert hat. Alle mir bekannten Kommentatoren haben den aktuellen Verlauf vorausgesehen.

Den aktuellen Verlauf hat niemand vorausgesehen... die Frage ist halt, von welchem Zeitpunkt wir hier ausgehen.

Die afghanische Armee war technisch überlegen und hätte jahrelang Widerstand leisten können.
Aber man hat vergessen zu fragen, ob sie das überhaupt wollen...

lucan-7 antworten
MrOrleander
(@mrorleander)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 2217
Veröffentlicht von: @lucan-7

Aber es hat nie ernsthafte Bemühungen um die afghanische Gesellschaft gegeben.
Man überzeugt eine patriarchalische Gesellschaft nicht durch militärische Besatzung einerseits und den Bau von Mädchenschulen andererseits.

Das es nie Bemühungen gegeben hat, finde ich doch etwas unfair formuliert. Es gab allerdings nur wenige Jahre relativer Sicherheit, in denen sich nicht-militärisches Personal um die afghanische Gesellschaft bemühen konnte. Danach haben die Taliban durch brutale Attentate dafür gesorgt, daß sich in den letzten Jahren selbst die Bundeswehr kaum noch aus ihrer verschanzten Stellung herausgetraut hat.

mrorleander antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21637
Veröffentlicht von: @mrorleander

Das es nie Bemühungen gegeben hat, finde ich doch etwas unfair formuliert.

Es gab sicher hier und da ernsthafte Projekte und einzelne Leute, die sich ernsthaft bemüht haben... aber es gab nie ein übergreifendes politisches Konzept, das sich konkret um die Frage drehte, wie die afghanische Gesellschaft beschaffen ist,wie die Menschen dort eigentlich zu leben wünschen und welche politischen Ziele man damit verbindet.

lucan-7 antworten
MrOrleander
(@mrorleander)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 2217
Veröffentlicht von: @lucan-7

aber es gab nie ein übergreifendes politisches Konzept, das sich konkret um die Frage drehte, wie die afghanische Gesellschaft beschaffen ist,wie die Menschen dort eigentlich zu leben wünschen und welche politischen Ziele man damit verbindet.

Ein Konzept gab es vermutlich schon, und es wurde mit vielen Milliarden Dollar unterstützt, aber, da gebe ich Dir recht, es ging offensichtlich über die Frage hinweg, wie die Afghanen - mehrheitlich - leben möchten.

mrorleander antworten
Anonymous
 Anonymous
(@Anonymous)
Beigetreten : Vor 2 Sekunden

Beiträge : 0

Wenn ich ehrlich gestehen mag, habe ich etwas Angst was nun auf Deutschland vielleicht zukommen könnte...

Anonymous antworten
gedankentaenzerin
(@gedankentaenzerin)
Beigetreten : Vor 16 Jahren

Beiträge : 40
Veröffentlicht von: @josepfine

Wenn ich ehrlich gestehen mag, habe ich etwas Angst was nun auf Deutschland vielleicht zukommen könnte...

Was könnte denn auf Deutschland zukommen?

gedankentaenzerin antworten
DerNeinsager
(@derneinsager)
Beigetreten : Vor 5 Jahren

Beiträge : 1449

Nun. In Deutschland hat das doch auch geklappt - ein extrem nationalistisches militäristisches Volk in der absoluten Mehrheit her komplett umzudrehen. Warum sollte in Afghanistan selbiges nicht auch funktionieren - vielleicht hat man sich zu wenig Mühe gegeben.

derneinsager antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7435
Veröffentlicht von: @derneinsager

vielleicht hat man sich zu wenig Mühe gegeben

Oder andere Fehler gemacht. Einige habe ich ja hier schon genannt.
Z.B. da:
https://community.jesus.de/forum/ansicht/thread.html?tx_scmforum_pi1 [post_uid]=12877938&tx_scmforum_pi1[disablepreset]=0

Helmut

hkmwk antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21637
Veröffentlicht von: @derneinsager

In Deutschland hat das doch auch geklappt - ein extrem nationalistisches militäristisches Volk in der absoluten Mehrheit her komplett umzudrehen. Warum sollte in Afghanistan selbiges nicht auch funktionieren - vielleicht hat man sich zu wenig Mühe gegeben.

Das war wohl die naive Hoffnung. Die praktisch die gesammte Kultur und Vorgeschichte Afghanistans ignorierte.

lucan-7 antworten
Eldarion
(@eldarion)
Beigetreten : Vor 7 Jahren

Beiträge : 526

Ich habe mich in den letzten zwei Wochen fassungslos gefragt, warum man das zulässt.
Gut, es gab zwei völlig unbestreitbare Probleme.
1. Die afghanische Regierung war ebenso korrupt wie unfähig. Der Präsident war im Grunde nur durch Wahlfälschung noch im Amt. Somit war die Demokratie sicher keine überzeugende Vorstellung.
2. Viel zu viele Afghanen haben die Taliban offenbar als die bessere Alternative angesehen.

Aber trotzdem war das immer noch besser, als die Rückkehr der Taliban.
Eingebrockt hat das ganze Trump, der auf biegen und brechen irgendein "Abkommen" aushandeln ließ, um abziehen zu können.
Aber Biden hätte das stoppen können und müssen. Allein schon der psychologische Effekt ist katastrophal. Im Grunde ist es ein Saigon 2.0
Es hätte gereicht, eine überschaubare Truppenpräsenz aufrecht zu erhalten. In den letzten Wochen hätten Luftangriffe auf die vorrückenden Taliban selbige sicher von den großen Städten ferngehalten und die afghanische Armee hätte sich nicht in Luft aufgelöst.
Kurz; Wie konnte man so unfassbar dumm sein?
Die Konsequenz wird ein unfassbares Massaker in Afghanistan sein - wenn auch vielleicht erst in ein paar Wochen, wenn nicht mehr alle Welt so genau hinschaut. Große Flüchtlingsbewegungen werden Folgen. Die Glaubwürdigkeit des Westens an sich bröckelt zudem gewaltig. Russland z.B. - auch wenn es von einem skrupellosem Verbrecher regiert wird, steht glaubwürdiger hinter seinen ( ebenso verbrecherischen) Verbündeten.
Vermutlich steigt der Drogenhandel aus Afghanistan stark an. Und, und und. Die Liste lässt sich lange fortsetzen.
Ich kann diese riesige Dummheit nicht nachvollziehen.
Ich kann nur traurig feststellen, das die USA auch nach Trump von ebnsolchen Stümpern regiert werden, wie wir. Weder Merkel, noch Maas, noch AKK wollen das kommen gesehen haben. Der Gipfel war noch der Kommentar von Gregor Gysi, der die Taliban finanziell alimentieren will, damit wir mit ihnen verhandeln können.
Man kann nur die Hände über den Kopf zusammenschlagen.

eldarion antworten


Helmut-WK
Beiträge : 7435

Hinterher ist man immer schlauer.
Diesmal meine ich vor allem mich. Ich habe den so schnellen Zusammenbruch nicht vorhergesehen. Aber rückblickend lässt er sich gut erklären:

Als die Taliban das erste Mal Afghanistan eroberten geschah das mit dem Versprechen, Frieden zu schaffen. Sie haben mit manchen Warlords Vereinbarungen getroffen, die anderen, die sich darauf nicht einließen, wurden besiegt. Und wer sich nicht an die Vereinbarung hielt, wurde ebenfalls eliminiert - außer den Taliban, die außer dem Versprechen, dass es keinen Bürgerkrieg geben wird und die Scharia eingeführt wird, so ziemlich jede Zusicherung gebrochen haben.

So ähnlich hat es ja auch Muhammad in Yathrib gemacht, der Stadt des Propheten (Medinat-al-asul, bzw. "Medina").

Auch jetzt haben sie mit Warlords gesprochen, und mit Lokalverwaltungen und Offizieren der Regierungsarmee. Und ein Argument war natürlich: Wenn die Amis erst weg sind, werden wir siegen, also macht rechtzeitig Frieden mit uns.

Und je mehr militärische Erfolge sie hatten, desto mehr wurde das geglaubt, so dass am Ende jeder Soldat versuchte, rechtzeitig mit ihnen Frieden zu schließen. Wie sagte es ein lokaler Kommandeur der Armee in den sozialen Netzwerken: "Sie haben auf uns geschossen, und wir wollten nicht sterben, also haben wir uns zurückgezogen" - und die Waffen den Taliban überlassen.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Wie es scheint kann und soll man daraus etwas lernen.

Es war von Anfang an ein Fehler, die Demokratie von "oben" aufzubauen. Warum haben nie Wahlen für Dorfvorstände stattgefunden? Warum hat der Präsident bestimmt, wer Provinzgouverneur wird - in einem Land, wo ethnische Minderheiten sich unterdrückt fühlen (oft zu Recht)?

Die Taliban haben ihren Rückhalt vor allen unter den Paschtunen (es waren ja auch Paschtunen in Pakistan, die sie gegründet haben und bis heute unterstützen), der Westen vor allem unter den Tadschiken. Allerdings hat der Westen von Anfang an aus militärischen Gründen Bündnisse mit diversen Walrords geschlossen, dass die Regierung dann mehr oder weniger korrupt war, war klar (am Ende immer korrupter, wenn die Nachrichten stimmen). dazu schwelende ethnische Konflikte - wofür sollte die Armee also kämpfen?

Veröffentlicht von: @lucan-7

Wie seht ihr die Lage? Wie sehr ihr die Zukunft?

Noch halten sich die Taliban zurück. Vielleicht sind sie wirklich reifer und gemäßigter geworden, vielleicht ist es aber auch nur so wie 1933, als Hitler manche radikalen Parteigenossen zügelte, um Kräfte, die er brauchte, nicht zu verschrecken (v.a. das Militär und die kath. Kirhe). Die Taliban vermeiden erst mal den Konflikt mit den Amis, die ihre Leute (und auf Bitten von D auch unsere Leute) rausholen wollen - momentan sind es vor allem die vielen Flüchtlinge auf dem Flughafen, die die Evakuierungen verhindern.

Wenn die letzten ausländischen Soldaten den Flughafen von Kabul verlassen haben, schlägt die Stunde der Wahrheit. Wie viele werden dann noch im Flughafen sitzen, und von den Taliban als Verräter behandelt werden? Was passiert sonst noch im Land? Dass es da so friedlich bleibt wie jetzt, glaube ich nicht. Aber wie schlimm es genau wird - das ist schwer einzuschätzen.

Klar ist, dass Mädchenbildung vorbei ist, wer als Mädchen was lernen will, wird das nur illegal tun können. Es wird sicher solche Initiativen geben (Eltern, die ihre Töchter unterrichten, kleine Lerngruppen hier und da). Die Taliban werden einige aufspüren, exemplarisch bestrafen (nur auspeitschen, oder hinrichten? wer kann das schon sagen), andere werden deshalb aus Angst aufhören, nur sehr wenige weitermachen.

Die Taliban haben schon Kontakte mit China und Russland, deren Botschaften gelten denn auch als nicht gefährdet. Vielleicht gibt es ja eine religiöse Begründung, die den Taliban erlaubt, den Chinesen gegen die Uiguren zu helfen? Die entsprechen ja eher den Usbeken etc. in Afghanistan, nicht den Paschtunen. Auch Russland dürfte es in erster Linie darum gehen, ein weiteres Vordringen von Islamisten in Zentralasien zu verhindern, und bis auf weiteres werden die Taliban sich gerne dran halten (weil sie Anderes zu tun haben).

Also spricht viel dafür, dass die Taliban auch gewisse Unterstützung aus Russland und/oder China bekommen wird, etwas was die Benutzung der erbeuteten westlichen Waffen angeht (vielleicht werden einige high-Tech-Waffen ja auch verkauft, an Länder, die sie gerne näher untersuchen wollen?). Und wohl auch einige Unterstützung, was die Kontrolle der Bevölkerung angeht (da kann ja v.a. China viel anbieten ...).

Wie es langfristig wird: Vorhersagen sind immer schwer. Ich sage besser nichts.

Helmut

hkmwk antworten
3 Antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21637
Veröffentlicht von: @hkmwk

Also spricht viel dafür, dass die Taliban auch gewisse Unterstützung aus Russland und/oder China bekommen wird, etwas was die Benutzung der erbeuteten westlichen Waffen angeht (vielleicht werden einige high-Tech-Waffen ja auch verkauft, an Länder, die sie gerne näher untersuchen wollen?).

Die Waffen waren teilweise modern, aber nichts, was Russland oder China wirklich nötig hätten.

Interesse hätten diese Länder in erster Linie an Bodenschätzen. Und da die USA ja auch mit einem Verbrecherregime wie Saudi Arabien zusammenarbeiten werden sie rein moralisch nicht viel dagegen sagen können...,

lucan-7 antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7435
Veröffentlicht von: @lucan-7

Die Waffen waren teilweise modern, aber nichts, was Russland oder China wirklich nötig hätten.

Mag sein, kann ich nicht beurteilen.

Veröffentlicht von: @lucan-7

Interesse hätten diese Länder in erster Linie an Bodenschätzen.

Oh, die hatte ich nicht auf dem Schirm, aber du hast damit vollkommen Recht.

Zuzutrauen wäre Russland bzw. China auch, dass die zu Drogenhandel schweigen, in der Hoffnung, dass da allermeiste im Westen landet. Auch ne denkbare Strategie ...

Helmut

hkmwk antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21637
Veröffentlicht von: @hkmwk

Mag sein, kann ich nicht beurteilen.

Nun, es gibt hochmoderne US Waffensysteme, die noch nicht mal an Verbündete geliefert werden... da mag man sich selbst zusammenreimen, was die afghanische Armee erhalten hat, der sicher noch viel weniger vertraut wurde.

Veröffentlicht von: @hkmwk

Zuzutrauen wäre Russland bzw. China auch, dass die zu Drogenhandel schweigen, in der Hoffnung, dass da allermeiste im Westen landet. Auch ne denkbare Strategie ...

Denkbar... aber das werden wir sicher nie erfahren.

lucan-7 antworten
Gelöschtes Profil
Beiträge : 18002
Veröffentlicht von: @lucan-7

Mit dem Unterschied, dass westliche Staaten künftig keine Truppen mehr schicken, egal was die Taliban künftig tun werden.

Das sehe ich nicht so.

Das Scheitern in Afghanistan ist meiner Meinung nach vor allem in der falschen Zielsetzung zu suchen. Anstatt sich allein darauf zu fokussieren Afghanistan nicht mehr zu einem sicheren Unterschlupf für internationale islamistische Terrororganisationen (zu denen die Taliban eben nicht zählt) zu machen, wollte man gleich das ganze Land umkrempeln. Da hat man sich im Westen jahre lang über die Sowjets lustig gemacht und doch nichts gelernt.

Die Zukunft des Taliban-Regimes wird sich, neben den massiven inneren Konflikten, auch daran entscheiden: Wird die Welt wieder mit islamistischem Terror überzogen, der sich in Afghanistan verstecken und entwickeln kann?
Denn seitdem der IS im Syrien quasi besiegt ist, fehlt dem islamistischen Terror ein Rückzugsgebiet und Sammelbecken - und seitdem gab es im Westen nur noch Anschläge von Sympathisanten in Eigeninitiative.

Für die Bevölkerung Afghanistans ist es eine Katastrophe. Hier sehe ich aber die muslimische Welt bzw deren Staaten in der Verantwortung, allen voran die beiden größeren der muslimischen Nachbarn Pakistan und Iran, aber auch die reichen Staaten am Golf. Wenn der Islam ernst genommen werden möchte, dann müssen er sich darum kümmern. - Aber da bin ich pessimistisch.

Auch bin ich pessimistisch was den islamistischen Terrorismus angeht. Die Bilder von erobertem amerikanischen Kriegsmaterial wird eine große Anziehungskraft haben. Da sehe ich was auf uns zukommen - und das wird man im Westen genau beobachten.

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1 Antwort
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7435
Veröffentlicht von: @billy-shears

Für die Bevölkerung Afghanistans ist es eine Katastrophe. Hier sehe ich aber die muslimische Welt bzw deren Staaten in der Verantwortung, allen voran die beiden größeren der muslimischen Nachbarn Pakistan und Iran

Der schiitische Iran ist quasi der natürliche "Erbfeind" des sunnitischen Afghanistan - was für ne Verantwortung willst du dem zuschieben? Die Mullahs in Teheran werden versuchen, das Land so weit zu stabilisieren, dass nicht noch mehr Flüchtlinge dahin kommen - aber mehr auch nicht.

Pakistan war doch schon immer ein Unterstützer der Taliban - die sind ja in Pakistan unter paschtunischen Flüchtlingen von pakistanischen Paschtunen gegründet worden, unter eine Regierung, die Pakistan immer weiter re-islamisiert hat.

Veröffentlicht von: @billy-shears

Wenn der Islam ernst genommen werden möchte, dann müssen er sich darum kümmern.

Warum sollte sich "der Islam" mehr um Afghanistan kümmern als Europa um Griechenland und Italien, als da die meisten Flüchtlinge ankamen?

Veröffentlicht von: @billy-shears

Die Bilder von erobertem amerikanischen Kriegsmaterial wird eine große Anziehungskraft haben. Da sehe ich was auf uns zukommen

Erst mal kommt da was auf Nigeria, Mali und andere Länder zu, die im Visier der Islamisten sind. Der Westen ist aus Afghanistan raus, vorher schon aus Syrien, demnächst aus dem Iraq, jetzt muss er noch aus Jordanien und Ägypten verschwinden, und natürlich aus Afrika nördlich des Äquators ... Terroranschläge bei uns waren doch immer nur Nebenkriegsschauplätze, die vor allem psychologische Wirkung entfalten sollten.

Helmut

hkmwk antworten


Orangsaya
Beiträge : 2985
Veröffentlicht von: @lucan-7

Der militärische Einsatz in Afghanistan ist am Wochenende endgültig gescheitert

Nicht der militärische Einsatz versagte, sondern das politische Vorgehen und das hat sich mit dem Vorgehen anderer Nato-Länder verzahnt. Ich rede aber trotzdem von der deutschen Seite und beschränke mich um den Abzug der Folgen. Die Bundeswehr hat mit ihren Einschränkungen eine saubere Baustelle hinterlassen. Der Befehl des Abzugs verlief geordnet. Als das letzte letzte Kontingent der Bundeswehr in Deutschland eintraf, war keiner von der Regierung anwesend. Der Flughafen war leer. Das löste heftige Kritik aus und man plante dann rückwirken einen Zapfenstreich Ende August, aber das kann sich Merkel und Co. Schminken. Meiner Meinung nach, denn die geringe Wertschätzung der Bundeswehr wurde demonstriert.
Nach den Abzug, kamen die Taliban, was hat die Regierung gemacht? Fast nichts. Nur die wichtigsten aus der Botschaft wurden ausgeflogen. Soldanten die sich auch privat für Afghanistan einsetzen, haben gewarnt, die Ohren der Politik waren taub.
Jetzt haben wir das Dilemma. Deutsche Staatsbürger sind in Afghanistan in Not. Hinzu kommen die Männ*innnen, die für die deutsche Regierung gearbeitet haben, aber keine Afghanen, oder Ausländer sind. Die Bilder kennen wir ja. Was macht die Bundeskanzlerin, sie stellt sich hin, sagt, es sei enttäuschend und frustrierend und geht ins Kino einen Film ansehen. Der Film heißt die Unbeugsamen und handelt vom Frauenkampf während der Bonner Republik. Das ist natürlich jetzt wichtiger ... Ein Flugzeug der Bundeswehr ist gelandet und hat ganze sieben Menschen evakuiert. Eine goße Leistung war das.

Es ist aber nicht nur die Regierung schuld, sondern auch systembedingt. Selbst das schwache Land Belgien konnte zeigen, dass sie belgische Bürger aus dem Kongo evakuieren kann. Die Bundeswehr darf das nicht. Sogar die Landung in Kabul von heute war illegal. Es fehlt das Mandat vom Bundestag. 🙄
Das will die Regierung heute nachholen. Aber genau genommen darf die Bundeswehr das nicht, bis der Bundestag grünes Licht gibt. Frankreich hat sich für solche Szenarien besser vorbereitet. Der Präsident braucht nur den Befehl zu geben und meist ist es dann die Fremdenlegion, die hart durchgreift und Ende im Gelände mit Straßenkontrollen und Stützpunkten der Taliban. Die Leute werden aus dem Land geholt und fertig. Bis die Bundeswehr kommen darf, sind die Taliban bestens informiert und können ein Gegenwehr vorbereiten. Das ist ein schwerer Systemfehler, dass die Bundeswehr nur eingreifen kann, wenn die Formalien erledigt sind, aber die Zeit dafür fehlt.

orangsaya antworten
1 Antwort
Orangsaya
(@orangsaya)
Beigetreten : Vor 7 Jahren

Beiträge : 2985
Veröffentlicht von: @orangsaya

Ein Flugzeug der Bundeswehr ist gelandet und hat ganze sieben Menschen evakuiert.

Es waren fünf Deutsche, ein Niederländer und jemand der wahrscheinlich Afghane ist. Vom Gesetz her müssten die deutschen Staatsbürger auf der Prioritätenliste stehen, denn für diese Menschen hat die Regierung einen Auftrag.

orangsaya antworten
ALF.MELMAC
Beiträge : 2157

In einer Woche war alles weg

Was lernen wir daraus?

alf-melmac antworten
2 Antworten
Orangsaya
(@orangsaya)
Beigetreten : Vor 7 Jahren

Beiträge : 2985
Veröffentlicht von: @alf-melmac

In einer Woche war alles weg

Nein, es war nicht alles weg. Teilweise sind in den Provinzen dieselben Gouverneure im Amt, auch das Personal ist zu einem großen Teil geblieben. Sie erledigen jetzt die Verwaltung für die Taliban.

Veröffentlicht von: @alf-melmac

Was lernen wir daraus?

Wahrscheinlich nichts. Als es eng wurde, dass war schon vor dem Abzug der Bundeswehr so, war es das Kalkül in der Not, dass die Menschen auch Deutsche in tödliche Bedrängnis kommen. Ob nun in vier Wochen, oder jetzt. Es war für die Regierung, wie auch für die meisten von uns absehbar, dass das kommt.-

Es ist wie wie mit der Flut. Damals nahmen sich private Helfer Urlaub, um den Menschen zu helfen. Das machen einige bis heute und die Bundespolitiker machten Urlaub. Nur das Programm für eine Katastrophe lief automatisch. Die Ministerpräsidenten in Rheinlandpfalz und NRW waren teilweise deswegen hilflos. Ich habe den Eindruck, dass die Große Koalition auf die letzten Meter regierungsverdrossen. Der Wahlkampf ist wichtiger und das ist es für die CDU und SPD wichtiger Gegensätze aufzuzeigen anstelle eine geschlossene Einigkeit zu finden. Warten wir erst mal ab und schauen was dann kommt. Bis zur Wahl wird sich nicht viel tun.

orangsaya antworten
Helmut-WK
(@hkmwk)
Beigetreten : Vor 20 Jahren

Beiträge : 7435
Veröffentlicht von: @alf-melmac

In einer Woche war alles weg

Es fing schon vorher an. Sag lieber: In ein bis zwei Monaten.

Aber so was entwickelt sich exponentiell: Jeder Erfolg vergrößert die zahl derer, die an keinen Sieg mehr glauben und deshalb aufhören zu kämpfen - was den nächsten Erfolg bedeutet, und noch mehr Leute davon überzeugt, dass der Kampf sinnlos ist ...

Zu lernen:

* Ein korruptes Regime bedeutet nie echte Stabilität.

* Demokratie muss von unten aufgebaut werden. nach 1945 wurde ja in D (West) auch erst eine Regierung gebildet, als es funktionierende Städeteverwaltungen und Landesregierungen gab. Man stelle sich vor, 1945 hätte es Parlamentswahlen gegeben, und die Bundesregierung hätte dann die Ministerpräsidenten der Länder ernannt ...

* Wer selber nicht kämpfen und sein Leben riskieren will, sondern v.a. auf Drohnnen und Verbündete Hilfstruppen setzt, darf sich nicht wundern, wenn die Hilfstruppen dem Beispiel folgen und ihr Leben lieber schonen als sich totschießen zu lassen.

Tausende afghanische Regierungssoldaten sind gefallen nur 59 Deutsche. Und dann ziehen die Deutschen (und die Amis und alle anderen) ab, obwohl es noch keinen Friedensvertrag mit den Taliban gibt ...

* Und etwas, was wir schon längst hätten lernen können (z.B. in Vietnam): Wer in erster Linie militärisch denkt und die Bevölkerung aus dem Blick verliert, der wird verlieren. Denn im Zweifelsfall wollen Leute lieber unter ihren Landsleuten leiden als unter fremden Besatzern.

Helmut

hkmwk antworten


Sternenbluete
Beiträge : 866

Furchtbar das ganze.
Und ich schäme mich. 🙁

sternenbluete antworten
Seite 2 / 5
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