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Warum mir gläubige Menschen Angst machen

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Lucan-7
Themenstarter
Beiträge : 21584

Tja, das ist doch mal eine Überschrift... man darf gespannt sein, zumal es mir damit durchaus ernst ist.

Aber was meine ich jetzt damit? Es ist ja nicht so, dass ich schreiend Reißaus nehme, wenn ich irgendwelchen Christen oder Moslems begegne. Eigentlich komme ich da ja ganz gut klar. Aber es gibt auch ein gewisses Unbehagen, das ich bisher nie so recht formulieren konnte... aber inzwischen denke ich, dass ich langsam dahinterkomme, woher dieses Unbehagen kommt.

Mir wurde das bewusst durch einen anderen Beitrag von mir, bei dem es um Musik ging, die manche Christen für bedenklich halten. Den Beitrag findet man hier.

Kurz gesagt geht es um eine Rock-/Metalband, die das Thema "Satanismus" als Konzept für ihre Musik und Bühnenshow gewählt hat. Der Gründer der Band sieht sich als humanistischer Atheist, ihm geht es nach eigener Aussage um Freiheit und Nächstenliebe, der Teufel ist für ihn nur ein gesellschaftliches Symbol, das er für seine Musik und teils kritischen Texte verwendet.

Dem trat (nicht zum ersten Mal) ein Pastor entgegen, der von sich sagt, dass er ganz selbstverständlich an Gott glaubt und deshalb auch zwangsläufig an den Teufel. Er unterstellt der Band, bewusst dem Satan zu huldigen und damit böse Mächte herauf zu beschwören. Deshalb wollte er mit einem Gebetskreis gegen das geplante Konzert vorgehen... und das war noch recht harmlos, anderswo gab es auch Demonstrationen (Wobei mir da nichts Gewalttätiges bekannt wäre...).

Der Sänger der Band äußerte sich später zu dem Thema und sagte, dass er durchaus bereit gewesen wäre, mit dem Pastor zu sprechen... dass sie aber aufgrund ihres unterschiedlichen Weltbildes wohl auf keine gemeinsame Ebene gekommen wären, auf der sie sich hätten verständigen können.

Klar, der eine hält den Teufel für echt und gefährlich, der andere für eine amüsante Märchenfigur... wie will man da einen Kompromiss finden und sich verständigen...?

Und ich denke, genau das ist der Knackpunkt hier... dass es da eine Ebene gibt, über die keine Verständigung mehr möglich ist. Und das halte ich für eine große Gefahr heutzutage, nicht nur bezogen auf den Glauben.

Nun ist es in der Realität zumindest mit den Christen ja so, dass ich da meist keine großen Probleme sehe... die Christen wollen halt sonntags in den Gottesdienst und singen und Lobpreis machen... und ich bin froh, dass ich mich nochmal grunzend auf die Seite legen und länger schlafen kann. Kein Problem, da hat halt jeder seine Prioritäten. Und mit Vergebung und Nächstenliebe habe ich auch kein Problem, das scheinen mir sehr erstrebenswerte Dinge zu sein.

Aber es bleibt halt trotz allem eine Ebene, auf der keine Verständigung möglich ist. Das ist zwar im Alltag hierzulande kaum von Bedeutung... dennoch bleibt hier ein Befremden und ein gewisses Unbehagen. Denn die Verständigung auf eine gemeinsame Ebene kann von entscheidender Bedeutung sein. Ob man an die Gefahr eines Vulkanausbruches glaubt oder nicht und auf welcher Basis man das tut kann sehr konkrete und drastische Auswirkungen haben... es ist also wichtig, dass man hier auf eine gemeinsame Ebene kommt.

Die Tatsache, dass es hier etwas gibt, mit dem ich mit gläubigen Christen auf keine gemeinsame Ebene kommen kann macht es für mich etwas unheimlich. Ich will das jetzt nicht übermäßig dramatisieren, weil ich keinen konkreten Anlass zur Sorge habe... aber es lässt sich eben auch nicht völlig leugnen.

Und vielleicht geht es vielen hier ja umgekehrt genau so? Der Pastor aus meinem Beispiel hatte jedenfalls definitiv Grund zur Sorge, und er wäre bei einem Austausch mit der Band vermutlich ähnlich verzweifelt... wie kommt man da zusammen, wenn man doch so völlig unterschiedliche Voraussetzungen und Sichtweisen hat?

 

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maggie.x
Beiträge : 55
Veröffentlicht von: @lucan-7

Und mit Vergebung und Nächstenliebe habe ich auch kein Problem, das scheinen mir sehr erstrebenswerte Dinge zu sein.

Ich lese hier nur sehr selten mit und habe nur deinen Eingangspost angeschaut. Wenn es um unterschiedliche Realitäten geht, dann finde ich die Realität von "Vergebung und Nächstenliebe" die radikal andere. Eine Lebensweise, die du wie nebenbei und nennst.  Hier liegt der Unterschied in der Auffassung von Wirklichkeit....  Wie jemand von der Wirklichkeit des Bösen spricht: dafür gibt es meiner Meinung nach viele Bilder, Methaphern. Und ich finde, man kann sich darüber verständigen. Auch wenn jemand ein deutlich anderes Weltbild hat, kann ich mich darüber verständigen mit ihm.

Muss weiter ... LG

maggie-x antworten
1 Antwort
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@maggie-x 

Und ich finde, man kann sich darüber verständigen. Auch wenn jemand ein deutlich anderes Weltbild hat, kann ich mich darüber verständigen mit ihm.

Man kann sich darüber verständigen, indem man das jeweils andere Weltbild zur Kenntnis nimmt, das ist richtig. Wenn mir jemand erzählt, dass er glaubt, dass Gott dieses oder jenes will, dann mag das für mich nicht nachvollziehbar sein - ich kann es aber zumindest zur Kenntnis nehmen.

So lange es da keine Berührungspunkte gibt sollte es da auch keine Probleme geben. Aber es kommt ja immer wieder vor, dass man aufgrund dieser unterschiedlichen Sichtweisen mit irgendetwas aneinandergerät. Und dann kann es sehr problematisch werden.

Denn es ist eine Sache, wenn man gemeinsam ein Problem erkennt und dann verschiedene Ansichten zu dessen Lösung hat. Darüber kann man dann diskutieren.

Es ist aber sehr viel schwieriger, wenn eine Seite ein Problem sieht - und die andere Seite sagt: "Da ist überhaupt kein Problem!".

Denn dann gibt es auch nichts, über das man diskutieren könnte... und überzeugen kann man den jeweils anderen aufgrund der gegensätzlichen Weltbilder auch nicht.

lucan-7 antworten


Irrwisch
Beiträge : 3481

@lucan-7 Frage (n)

 

Lieber Lucan

 

Ich bin begeistert davon, dass sich in unserem Land Tausende von Menschen aufmachen, um in den Strassen unserer Städte gegen Rechtsextreme und Rechtsextremismus zu demonstrieren.

Gehe ich Recht in der Annahme, dass auch dudich darüber freust?

Ich persönlich würde auch sehr  gerne dabei mitmachen.

Leider zwingt mich eine chronische Erkrankung dazu, nicht so weit laufen zu können.

Aber ich finde andere Wege, gegen die braune Flut in unserem Land gegenzuhalten. Und  sei es nicht zuletzt auch hier.

 

Wie breits in meinem ersten Posting hier möchte ich betonen, dass ich nichts gegen Rockmusik habe.

Peter Maffay ist mir da besonders lieb.

 

Allerdings sind mir Bands, die meinen, dem Satan fröhnen zu müssen, mehr als suspekt.

Zu sehr weiss ich um Rituale der Satanistenszene, die Menschen, und da noch besonders Kinder zerstören und kaputt machen.e

Warum also sollte ein Christ nicht gegen solche Bands auch klare Kante zeigen?

Warum irritiert dich das so und das Aufstehen gegen Rechts ist OK?

 

 

 

 

irrwisch antworten
1 Antwort
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@irrwisch 

Ich bin begeistert davon, dass sich in unserem Land Tausende von Menschen aufmachen, um in den Strassen unserer Städte gegen Rechtsextreme und Rechtsextremismus zu demonstrieren.

Gehe ich Recht in der Annahme, dass auch dudich darüber freust?

Das tue ich in der Tat.

 

Allerdings sind mir Bands, die meinen, dem Satan fröhnen zu müssen, mehr als suspekt.

Zu sehr weiss ich um Rituale der Satanistenszene, die Menschen, und da noch besonders Kinder zerstören und kaputt machen.e

Warum also sollte ein Christ nicht gegen solche Bands auch klare Kante zeigen?

Warum irritiert dich das so und das Aufstehen gegen Rechts ist OK?

Weil das genau so wäre, als würde man Bands wie Rammstein oder Slayer als "Nazis" bezeichnen (Beide Bands sahen sich bereits mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert). Denn bevor man gegen eine Band zu Felde zieht, sollte man sich genau informieren, inwiefern diese Vorwürfe zutreffen.

Denn es ist immer noch ein Unterschied, ob sich eine Band lediglich mit einer bestimmten Thematik befasst - oder ob sie dieses Thema bewusst fördern will. Soll heissen: Ein Lied, das von Tod und Leid handelt, ist noch kein Aufruf zum Mord.

Wie ich hier ja bereits mehrfach schrieb gibt es in der Tat Bands, die eine Ideologie verbreiten, gegen die ich mich auch ganz klar selbst positioniere und deren Auftritte ich selbst ablehne, weil hier etwa die Ideologie des Nationalsozialismus verherrlicht wird. Und manche Mitglieder diverser Bands werden auch für reale Morde bewundert, die sie begangen haben - das ist ein höchst zweifelhaftes Umfeld, das man ganz sicher nicht weiter unterstützen sollte.

Die Band "Ghost" gehört allerdings nicht dazu. Und das kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, weil ich mich mit dieser Band schon recht intensiv auseinandergesetzt habe und auch etliche Interviews dazu gelesen habe, wie welcher songtext denn nun genau gemeint ist und welche Symbolik dahintersteckt. Der Sänger vertritt auch in den Konzerten allgemeinen Respekt und Nächstenliebe und nutzt die Figur des Satan, um aufzuzeigen wo das nicht der Fall ist oder wo Menschen den falschen Wegen folgen oder in der Geschichte gefolgt haben (Um es mal ganz grob zu beschreiben).

Das kann man mit den "echten" Satanisten Bands nicht vergleichen.

lucan-7 antworten
Jack-Black
Beiträge : 3635

@lucan-7 Mir machen weniger (individuelle) Gläubige Angst, als vielmehr die Grundstruktur des ideologischen, insbesondere des religiös-ideologischen Glaubens.

Mir wurde dies so richtig bewußt am Tag des WTC-Anschlags, bzw. in den Tagen danach. Der "Ach-du-je!"-Moment, als mir klar wurde: die glauben das wirklich! Die glauben das soo felsenfest, dass sie entgegen allen "normalen" Instinkten  (wie z.B. Selbsterhaltungstrieb) entsprechend handeln.

Dein Beispiel mit dem Statanisten-Konzert erscheint mir daher nicht sonderlich zielführend hinsichtlich des Kernproblems. Für Dich war die Beschäftigung mit dieser Causa zwar der Anlaß, diesen Thread zu starten, aber ein Anlass muss ja nicht stets das allerbeste Beispiel sein.

So haben wir, weil Du ein spezifisch christliches Beispiel vorangestellt hast, nun hier im Thread wieder die Tendenz, dass nicht mehr der religiöse Glaube allgemein, sondern nur dessen christliche Variante im Blickpunkt ist - und wie willst Du da argumentativ vorankommen, wenn Du hier überwiegend Christen hast?

Ich weiß nicht, ob Dir vielleicht mehr Verständnis entgegengebracht würde, wenn Du statt des Hinterwäldler-Ereignisses irgendwo im ländlichen Amerika zuerst mal eines als Beispiel gebracht hättest, in dem Christen überhaupt nicht auftauchen: beispielsweise Hexengläubige in Afrika, die gern mal ihren Verdächtigen brennende Autoreifen überstreifen. Oder "Schüler" (aka Taliban), die in Afghanistan Frauen das In-Erscheinung-Treten in der Öffentlichkeit notfalls gewaltsam verunmöglichen, weil sie glauben, dass Allah es so will.

Du hättest sogar sich aufdrängende Beispiele wie Hamas-Kämpfer, die israelische Kibbuz-Bewohnerinnen zur höheren Ehre ihres Gottes vergewaltigen, beiseitelassen können, weil sie zu arg triggern könnten, ebenso wie radikal orthodoxe, streng gläubige Juden, die kriegstreibend illegale Siedlungen auf Palästinensergrund errichten...

Es gibt nun wahrlich weltweit ausreichend religiös motivierte beängstigende Ereignisse: wenn da ein paar eher sonderliche Christen gegen ein Rockkonzert beten, dann macht das keine Angst und dann kann so ein Beispiel auch nicht sonderlich dazu taugen, derartige Ängste nachvollziehbar zu machen.

Der großartige Rhetoriker Christopher Hitchens - Ehre sei seinem Angedenken! - hatte es in einigen seiner Debatten (mit vorwiegend christlichem Publikum) mal nachvollziehbar auf den Punkt gebracht: "Wenn Ihnen eine Gruppe laut redender, offenkundig emotional aufgeheizter junger Männer entgegenkommt, deren Sprache Sie nicht verstehen - was würde Sie mehr beunruhigen: der Hinweis darauf, dass die gerade von einem Fußballspiel zurückkommen - oder von einem Freitagsgebet?"

Man könnte es noch deutlicher auf den Punkt bringen:

Wenn da vor Dir einer steht, den Finger am Zünder der Sprengstoff-Weste um seinen Bauch und laut Allahu akbar! brüllend... Was würde Dich eher beruhigen: das Wissen, dass er wirklich und ernsthaft an Allah glaubt - oder dass er nur so tut und eigentlich atheistische Überzeugungen hegt?

jack-black antworten
5 Antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@jack-black 

Mir machen weniger (individuelle) Gläubige Angst, als vielmehr die Grundstruktur des ideologischen, insbesondere des religiös-ideologischen Glaubens.

Richtig, darum geht es im Kern hier.

Mir wurde dies so richtig bewußt am Tag des WTC-Anschlags, bzw. in den Tagen danach. Der "Ach-du-je!"-Moment, als mir klar wurde: die glauben das wirklich! Die glauben das soo felsenfest, dass sie entgegen allen "normalen" Instinkten (wie z.B. Selbsterhaltungstrieb) entsprechend handeln.

Dein Beispiel mit dem Statanisten-Konzert erscheint mir daher nicht sonderlich zielführend hinsichtlich des Kernproblems.

Ganz im Gegenteil! Hätte ich hier so dramatische Beispiele gebracht, dann hätte sich hier mit Sicherheit niemand angesprochen gefühlt. Warum auch? Sind ja erst einmal Muslime, und dann noch mit so menschenverachtenden Absichten... was bitte soll das hier mit den Menschen im Forum zu tun haben?

Für Dich war die Beschäftigung mit dieser Causa zwar der Anlaß, diesen Thread zu starten, aber ein Anlass muss ja nicht stets das allerbeste Beispiel sein.

Eigentlich bedauere ich, dass ich das Beispiel nicht noch mehr hervorgehoben habe. Denn dahinter steckt ja auch nichts anderes als religiös-ideologischer Glaube. Ich möchte jetzt nicht missverstanden werden, wenn ich schreibe, dass doch im Grunde dasselbe sei wie bei den Terroristen, denn das ist es natürlich nicht - eine derartig menschenverachtende Ideologie findet sich in meinem Beispiel nicht, im Gegenteil.

Aber das Problem, nicht auf eine gemeinsame Kommunikationsebene zu kommen... das ist in der Tat das gleiche. Denn man kommt hier nicht mehr auf einen Nenner, auf dem ein Kompromiss möglich wäre. Entweder finstere Mächte existieren, die sich durch so ein Konzert angelockt fühlen... oder sie existieren nicht. Da kann es keinen Kompromiss geben wie etwa: "Also gut, wir lassen nur die Hälfte der finsteren Mächte rein, und die andere Hälfte existiert nicht!".

Es hat sich hier ja auch niemand dazu geäußert, wie in einem hypothetischen Gespräch zwischen dem Sänger und dem Pastor eine Verständigung hätte aussehen können. Denn der Sänger hat völlig recht: Selbst wenn man mit viel gutem Willen aufeinander zugegangen wäre, hätte sich an den verschiedenen Positionen nichts geändert. Man wäre auf keine gemeinsame Ebene gekommen, auf der man hätte diskutieren können.

Ich hatte eigentlich erwartet, dass man hier zumindest Verständnis für die Ansicht des Pastors hat und darauf eingeht, wie man eine Lösung hätte finden können... aber da habe ich jetzt wohl nicht explizit danach gefragt.

Es hätte sich jedenfalls herausgestellt, dass sich das Phänomen unterschiedlicher Ebenen, also des religiös-ideologischen Glaubens, auch bei den Christen hier im Forum findet - und es auch andere Ebenen gibt, eben bei Nicht-Christen, die dann in bestimmten Bereichen eine Verständigung unmöglich machen.

Religiöse Fanatiker sind dann die extreme Ausbildung dieses Problems... das sehe ich allerdings hier im Forum nicht, deshalb hielt ich das auch für kein geeignetes Beispiel.

 

 

lucan-7 antworten
Gelöschtes Profil
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Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@lucan-7 Vielleicht sollte man bei dem Thema eine Ebene tiefer gehen. Wenn jemand zum Fanatiker wird, hat das ja psychologische Gründe. Letzten Endes kann man fast alles Außergewöhnliche, was Menschen tun, auf einen Mangel an Selbstwertgefühl zurückführen (meine Überzeugung). Auch alles Selbstzerstörerische. Die Frage ist dann, wie man so was heilen kann. Und da sehe ich eigentlich im christlichen Glauben ein großes Potenzial. Wenn man sich von Gott ganz und gar angenommen fühlt, kann man sich auch selbst lieben. Dann ist man ein zufriedener Mensch und wird nicht zum Fanatiker werden.

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Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@suchender_2-0 

Wenn jemand zum Fanatiker wird, hat das ja psychologische Gründe. Letzten Endes kann man fast alles Außergewöhnliche, was Menschen tun, auf einen Mangel an Selbstwertgefühl zurückführen (meine Überzeugung). Auch alles Selbstzerstörerische.

Mit einfachen Erklärungen und Verallgemeinerungen sollte man natürlich immer vorsichtig sein... aber klar, das mag oft in diese Richtung gehen.

 

Und da sehe ich eigentlich im christlichen Glauben ein großes Potenzial. Wenn man sich von Gott ganz und gar angenommen fühlt, kann man sich auch selbst lieben. Dann ist man ein zufriedener Mensch und wird nicht zum Fanatiker werden.

Zweifellos, ich habe ja auch positive Auswirkungen im christlichen Glauben gesehen. Das kommt hier immer etwas kurz, wenn ich mich irgendwo beteilige.

Aber auch bei solchen Christen gibt es irgendwo eben diese Ebene, auf der keine Verständigung möglich ist.

Nur dass das dann weitaus weniger ein Problem darstellt.

lucan-7 antworten
Jack-Black
(@jack-black)
Beigetreten : Vor 4 Jahren

Beiträge : 3635

@lucan-7 Ganz im Gegenteil! Hätte ich hier so dramatische Beispiele gebracht, dann hätte sich hier mit Sicherheit niemand angesprochen gefühlt. Warum auch? Sind ja erst einmal Muslime, und dann noch mit so menschenverachtenden Absichten... was bitte soll das hier mit den Menschen im Forum zu tun haben?

Naja: zuerst einmal sollte man ja ehrlich sein, wenn man einen fruchtbaren Diskurs möchte. Und dazu gehört halt für mich, dass man, wenn man Angst zum Thema macht, als illustrierendes Beispiel etwas aussucht, dass einem wirklich Angst macht. Ob Dich dieses Pastor-vs-Rockband-Beispiel nun geängstigt hat, kann ich nicht beurteilen. Mich beängstigen solche Beispiele weniger, als dass ich sie einfach als lächerliche Angelegenheiten durchwinke.

Selbstverständlich ist in Deinem Beispiel der Aspekt einer Verständnis-Unmöglichkeit enthalten. Aber es macht halt - zumindest mir - im konkreten Fall keine Angst.

Es gibt auch Beispiele aus dem christlichen Bereich, die mich ängstigen. Ich meine: der Inhalt des gesamten Buchs von Annika Brockschmidt, das ich hier im Forum schon öfters erwähnte: "Amerikas Gotteskrieger" strotzt nur so von Beispielen. Es müssten also keine Muslim-Beispiele sein, wenn Du verhindern möchtest, dass die reflexhafte Reaktion "Sind doch eh keine Christen, was haben wir damit zu tun?!" kommt. Ich hatte ja nicht umsonst auch z.B. die streng gläubigen jüdischen Siedler gebracht...

Man könnte Beispiele von Hindus bringen (das gesamte Kastenwesen ist doch ein jahrtausende alter ethischer Wahnsinn) oder Buddhisten oder irgendwelchen religiösen Sekten... Sowohl absurde wie auch zutiefst erschreckende Beispiele religös-motivierten Handelns findest Du bei allen mir bekannten Religionen.

Das Grundproblem ist dabei - meiner Auffassung nach immer dasselbe: Unter religiöser Fahne wird der vernunftbasierte Diskurs als bloß optional hingestellt. Hinsichtlich des jeweils Geglaubten (der jeweiligen Konfession) werden logisch zwingende Argumente nicht anerkannt und logisch ungültige Argumente - allen voran das Autoritätsargument - akzeptiert oder gar bevorzugt behandelt.

Darin: dass nicht die Vernunft, die nach der Wahrheit* fragt, das Primat hat, sondern das Dogma - darin besteht die Grundstruktur alles Religiösen, die mir Angst** macht. Das ist ja auch der Grund, weswegen ich hier im Forum immer und immer wieder einzelne Argumente herausgreife, die falsch sind, die auf Basis der Vernunft nicht gültig sind: ich will die anderen weniger davon überzeugen, dass meine Meinung in der jeweiligen Angelegenheit richtig sei. Sondern ich will sie nur darauf hinweisen, dass sie - unabhängig davon, ob sie in der Sache richtig liegen oder nicht - ein ungültiges Argument verwenden. Wenn überhaupt eine Hoffnung auf Verständigung besteht, die mehr ist als bloße (Zweck-)Toleranz gegenüber dem Anderen - dann ist dafür die Voraussetzung, dass die Gültigkeit und Ungültigkeit von Argumenten eingesehen wird.

Vor individuellen Gläubigen hier in Deutschland brauche ich keine Angst zu haben, denn die momentanen rechtstaatlichen Verhältnisse sehen so aus, dass sie mir persönlich nicht gefährlich werden können: Häresie oder "Gottesleugnung" werden nicht verfolgt in Deutschland, Danke dafür an die Aufklärer vergangener Jahrhunderte! Aber solange maßgebliche Teile der Gesellschaft  logisch falsche Argumente als gültig akzeptieren, besteht nach wie vor die Gefahr, dass dieses Reservoir unaufgeklärten Bewußtseins unter Umständen wieder "aktiviert" werden kann. Was mich z.B. erschreckte, war die erstaunliche Solidarität, welche die durch Mohammed-Karikaturen beleidigten Muslime auch hierzulande vor ein paar Jahren erhielten, nicht zuletzt auch ausdrücklich von Sprechern christlicher Kirchen, die mit ihrem Einerseits-Andererseits-Geschwurbel die Solidarität, die eine aufgeklärte Gesellschaft mit den Karikaturisten hätte demonstrieren müssen,  unterminierten. Die Vorstellung, dass religiöse Gefühle nicht gekränkt werden dürften (und die Mitarbeiter von Charlie-Hebdo oder die dänischen Karikaturisten es sich letztlich eben doch selbst zuzuschreiben hätten, wenn sie von solcherart Gekränkten dann auf's Maul kriegten oder halt auch mal ermordet wurden), erwies sich als weiter verbreitet, als man hätte meinen sollen. Immerhin würde jede Aufforderung, politische Gefühle ("Was soll das bitteschön denn sein?" - "Tja, was wohl, gut, dass ihr fragt...") nicht zu kränken, üblicherweise einfach ausgelacht; dabei handelt es sich letztlich in beiden Fällen um Gefühle, die jemand hinsichtlich seiner weltanschaulichen Ideologie empfindet.

 

 

 

 

 

*Immer wieder muss ich den Kopf schütteln, wenn ausgerechnet Christen, deren zentrale Figur Jesus von sich aussagte, sie sei die Wahrheit (und das Licht - eine Metapher für die Erhellung des unaufgeklärten Dunkels), sich so wenig an tatsächlichen Wahrheiten interessiert zeigen, sobald sich andeutet, dass diese Wahrheiten "der Schrift"  widersprechen könnten. Eigentlich, so sollte man meinen, müßte doch, wer sich in der Nachfolge Christi sieht, sich immer zuerst um intellektuelle Redlichkeit bemühen und nach wahren (statt nach beruhigenden oder frohen oder angenehmen) Antworten auf beliebige Fragen suchen. Aber nein: bevor man etwas auf die Unfehlbarkeit seiner "Heilige Schrift" kommen läßt, werden sämtliche erlaubten und unerlaubten Register der Eristik gezogen und im Rahmen apologetischer Auslassungen ist jeder Fehlschluss erlaubt, solange das Heimpublikum nur klatscht.

 

**Denn sozio-phänomenologisch betrachtet, verstehe ich ja durchaus, wie das funktioniert: Religiöser Glaube dient der Gruppenbildung einerseits und der Distinktion zu anderen Gruppen andererseits: weswegen Nationalismus und verwandte Wagenburgmentalitäten einerseits und religiöser Glaube andererseits auch so hervorragend miteinander harmonieren: Unvergessen bleibt mir ein langer SPIEGEL-Artikel (mag sein, dass der sogar mehrteilig war), in welchem im Gefolge des Abu-Ghraib-Skandals die Erinnerungen eines irakischen Folteropfers mit den (per Tagebucheintragungen belegten) Erfahrungen eines der us-amerikanischen Folterschergen kontrastiert wurden: Beide sahen in ihrer jeweiligen Situation eine Prüfung Gottes, beide beteten zu ihrem jeweiligen Gott, dass er ihnen genug Stärke verleihen möge, diese Prüfung zu bestehen. Während es bei dem Folteropfer schlicht darum ging, dass Gott ihm die Kraft schenken möge, all die Schmerzen und Erniedrigungen zu überleben ohne wahnsinnig zu werden, betete der US-Soldat darum, dass Gott ihm beistehen möge, diese unschöne Arbeit, zu der er nun mal an diese Stelle "gesetzt" worden war, tapfer und pflichtgetreu zu erfüllen. Er verglich seine Situation dabei allen Ernstes mit der Sitution Hiobs: Gott prüfte ihn. Aber er sah die Prüfung nicht darin, dass sein Gewissen ihm irgendwann hätte klar machen müssen, dass es falsch war, Wehrlose auf Befehl hin zu foltern. Sondern er sah hier eine Prüfung seines Glaubens, durch die er in dem Moment gerasselt wäre, in welchem er die Befehle, die man ihm gegeben hatte, hinterfragt und verweigert hätte. Darin besteht das Mindset des "festen Glaubens": was auch immer ihn potentiell zu erschüttern schiene, ist stets als Prüfung (durch den Teufel, Satan usw.) zu verstehen. Gott hatte den Folterschergen an diese Stelle gesetzt, um die dreckige Arbeit im Auftrag des Guten und Gerechten zu erledigen. Und die Weigerung, da täglich die Folteropfer zu drangsalieren, hätte eine Abkehr von Gott bedeutet.

So kann religiöser Glaube funktionieren, und: auf's Kollektiv bezogen ist das ein Erfolg zeitigendes Funktionieren. Mit Ungläubigen wie mir ließen sich keine Foltergefängnisse organisieren, aber übrigens auch keine revolutionären Widerstandsgruppen: denn sowenig, wie ich fähig wäre, täglich mein Gewissen zu überwinden und Menschen zu foltern, so wenig wäre ich fähig, in Gefangenschaft geraten auch nur eine halbe Stunde Folter "dicht haltend" über mich ergehen zu lassen. Diese Einsicht: dass der religiöse Glaube Menschen zu Verhaltensweisen befähigt, zu denen ich nicht fähig bin - die macht mir Angst.

jack-black antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@jack-black 

Und dazu gehört halt für mich, dass man, wenn man Angst zum Thema macht, als illustrierendes Beispiel etwas aussucht, dass einem wirklich Angst macht. Ob Dich dieses Pastor-vs-Rockband-Beispiel nun geängstigt hat, kann ich nicht beurteilen. Mich beängstigen solche Beispiele weniger, als dass ich sie einfach als lächerliche Angelegenheiten durchwinke.

Eigentlich war es ja eher ein positives Beispiel, weil der Pastor ja lediglich einen Gebetskreis organisiert hat... und keinen Mob mit Sturmgewehren, wie er in den USA, noch dazu in Texas, sehr wohl machbar gewesen wäre. Und auf der Gegenseite, in den verschiedenen Metal-Magazinen, hat man sich darüber eher amüsiert.

Aber eben genau wegen dieser vermeintlichen Harmlosigkeit habe ich das Beispiel ja gewählt. Natürlich hätte ich irgendwo etwas weitaus extremeres finden können, irgendetwas, wo womöglich aufgrund von religiösem Fanatismus Menschen ums Leben kamen.

Aber davon hätte man sich im Forum inhaltlich schnell distanzieren können: "Wir sind ja nicht so extrem, also ist alles in Ordnung!"

Nun ist es aber nicht Extremismus allein, den ich hier thematisieren will, sondern eine bestimmte Denkweise.

Hier beschreibst du ja auch ein weiteres grundsätzliches Problem:

 

Immer wieder muss ich den Kopf schütteln, wenn ausgerechnet Christen, deren zentrale Figur Jesus von sich aussagte, sie sei die Wahrheit (und das Licht - eine Metapher für die Erhellung des unaufgeklärten Dunkels), sich so wenig an tatsächlichen Wahrheiten interessiert zeigen, sobald sich andeutet, dass diese Wahrheiten "der Schrift" widersprechen könnten. Eigentlich, so sollte man meinen, müßte doch, wer sich in der Nachfolge Christi sieht, sich immer zuerst um intellektuelle Redlichkeit bemühen und nach wahren (statt nach beruhigenden oder frohen oder angenehmen) Antworten auf beliebige Fragen suchen. Aber nein: bevor man etwas auf die Unfehlbarkeit seiner "Heilige Schrift" kommen läßt, werden sämtliche erlaubten und unerlaubten Register der Eristik gezogen und im Rahmen apologetischer Auslassungen ist jeder Fehlschluss erlaubt, solange das Heimpublikum nur klatscht.

Und das führt eben zur Frage: Inwieweit kann man sich, wenn es hart auf hart kommt, auf gläubige Menschen verlassen?

Natürlich ist das individuell noch einmal sehr verschieden, aber in gewissen Fällen wird das Interesse an der Wahrheit den eigenen Glaubensvorstellungen untergeordnet. Mit der Begründung, Jesus sei ja selbst die Wahrheit, andere "Wahrheiten" seien daher abzulehnen.

Es ist diese Denkweise, die für mich etwas Unheimliches hat.

 

lucan-7 antworten


Zoro
 Zoro
Beiträge : 95

Mir machen Christen Angst, wenn sie alles mögliche glauben und damit in die Krise geraten. 

zoro antworten
2 Antworten
Gelöschtes Profil
(@deleted_profile)
Beigetreten : Vor 2 Jahren

Beiträge : 18002

@zoro Also ich bin mal in eine Krise geraten, weil ich versucht habe alles zu glauben, was Christen eben so glauben. Angst musste deshalb aber niemand vor mir haben.

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tristesse
(@tristesse)
Beigetreten : Vor 2026 Jahren

Beiträge : 19099

@zoro 

Mir machen Christen Angst, wenn sie alles mögliche glauben und damit in die Krise geraten. 

Empfindest Du solche Christen als Bedrohung oder warum machen sie Dir Angst?

tristesse antworten
Murphyline
Beiträge : 1562
Veröffentlicht von: @lucan-7

Öffentlichkeitswirksame Äusserungen seitens christlicher Organisationen, die sich davon klar distanzieren sind mir kaum bekannt.

Stimmt, habe ich so noch nie gesehen.

 

murphyline antworten


MrOrleander
Beiträge : 2217

@lucan-7 

Das ist zwar im Alltag hierzulande kaum von Bedeutung.

Das ist der Punkt. Solange Gläubige zur Durchsetzung ihrer Glaubensinhalte nicht nach politischer Macht streben und die hiesigen C-Parteien sich auf 'Das Kreuz gehört in die Amtsstube'-Folklore beschränken, läßt sich hierzulande freundlich - und m.E. auch angstfrei - nebeneinander her leben (Zumindest, solange Du nicht erkennbar als Jude oder schwul unterwegs bist).

wie kommt man da zusammen, wenn man doch so völlig unterschiedliche Voraussetzungen und Sichtweisen hat?

Gar nicht. Man kann dann nur hoffen, in einem politischen System zu leben, das daraus erwachsende Konflikte nicht anheizt, sondern moderiert und nach Kompromissen sucht, die für alle Seiten akzeptabel sind. 

mrorleander antworten
7 Antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@mrorleander 

Gar nicht. Man kann dann nur hoffen, in einem politischen System zu leben, das daraus erwachsende Konflikte nicht anheizt, sondern moderiert und nach Kompromissen sucht, die für alle Seiten akzeptabel sind. 

Eben das ist ja hier nicht möglich.

In der Politik kann man auf die Probleme schauen (Beispiel: viele Arbeitslose), man kann Lösungsvorschläge machen (die einen sagen: "Fortbildungen!", die anderen sagen: "Betriebe subventionieren!") und dann nach Kompromissen suchen (Ein Teil des Geldes wird für Subventionen, der andere Teil für Subventionen).

Wenn man sich aber gar nicht darüber einig ist, ob überhaupt ein Problem vorliegt oder nicht, so wie in meinem Beispiel (entweder finstere Mächte existieren, oder sie existieren nicht), dann ist auch kein Kompromiss möglich.

Dann muss das politische System zwar auch für Ordnung sorgen, aber diese besteht dann darin, dass eine Partei zurückstecken muss und das Ergebnis für diese dann nicht akzeptabel sein wird...

lucan-7 antworten
MrOrleander
(@mrorleander)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 2217

@lucan-7 

"Eben das ist ja hier nicht möglich."

In so einem politischen System zu leben? Doch, das denke ich durchaus. Nehmen wir als Beispiel das Thema 'Abtreibung'. Finden (die meisten) Christen nicht gut, mit einem kompletten Verbot können sie sich (zumindest in Deutschland, in den USA sieht's ja gerade ganz anders aus) nicht durchsetzen, erhalten als Zugeständnis aber eine verbindliche Beratung der abtreibungswilligen Mutter, außerdem dürfen Ärzte nicht damit werben, daß sie Abtreibungen vornehmen (so war es jedenfalls mal, ich weiß nicht, was der aktuelle Stand ist). Das ändert natürlich nichts daran, daß die meisten Christen immer noch gegen Abtreibungen sind, aber mit dem Kompromiss läßt sich leben (der ja nicht verhindert, daß man sich auf anderen Wegen um einen gesellschaftlichen Wandel bemühen könnte, an dessen Ende dann womöglich doch ein Verbot von Abtreibungen stünde). Auch mit religiösen Menschen läßt sich verhandeln. 

Böse wird es erst dann, wenn Gläubige vom Gottesstaat träumen, in dem sie nicht mehr verhandeln müssen. 

mrorleander antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@mrorleander 

In so einem politischen System zu leben? Doch, das denke ich durchaus. Nehmen wir als Beispiel das Thema 'Abtreibung'.

Meine Bemerkung "Eben das ist nicht möglich" bezog sich nicht auf das politische System, sondern darauf, Kompromisse zu finden, die für alle Seiten akzeptabel sind.

Wer Abtreibung für Mord hält, der wird nicht eher ruhen, bis alle Möglichkeiten dafür unterbunden werden. Beratungen und Erschwerungen werden in so einem Fall nur als erste Schritte zu einem endgültigen Verbot gesehen... nicht als akzeptabler Kompromiss. Es sei denn, es bestehen eben doch Zweifel an dem Vorwurf des "Mordes" und die Sache wäre eben doch nicht dasselbe.

Denn das Problem, das ich hier hier sehe, ist ja eben, dass keine echten Kompromisse möglich sind. Wenn sich zwei Positionen nicht mehr auf derselben Ebene der Realität verhandeln lassen, dann geht es nicht mehr um eine Verständigung, sondern nur noch darum, dass eine Seite zurückstecken muss und die andere Seite gewinnt.

Das macht es ja auch in der Politik gerade so schwierig... und das dürfte in seinen Auswirkungen noch wesentlich schwerwiegender sein.

lucan-7 antworten
MrOrleander
(@mrorleander)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 2217

@lucan-7 

Wer Abtreibung für Mord hält, der wird nicht eher ruhen, bis alle Möglichkeiten dafür unterbunden werden.

Wo siehst Du das denn in der bundesdeutschen Realität? Du schlußfolgerst eine Kompromisslosigkeit (und in der Theorie würde ich Dir da auch zustimmen), die im Alltag so m.E. nicht existiert.

dass eine Seite zurückstecken muss und die andere Seite gewinnt.

Das macht es ja auch in der Politik gerade so schwierig

Wenn in meiner Nachbarschaft 3 Windkrafträder gebaut werden, ich aber der Ansicht bin, daß dadurch der Rotmilan geschreddert wird, gibt es auch keinen Kompromiss mehr: Entweder, es wird gebaut, oder nicht. Das also jemand "zurückstecken" muß, betrifft nicht nur den Interessensausgleich mit Gläubigen. Und es ist ja auch nicht so, daß die Interessen von Gläubigen stets dem gesunden Menschenverstand widersprechen. 🙂 Solange die Bereitschaft da ist, den (wegen mir als von Gott eingesetzten) Staat  als von religiösen Glaubenssätzen weitgehend unabhängige Instanz zu akzeptieren und sich dem Ergebnis des demokratischen Meinungsbildungsprozesses zu unterwerfen, sehe ich da gar nicht so große Probleme. 

Wer hat denn in den letzten Jahrzehnten gewaltsam versucht, seine Partikularinteressen durchzusetzen? Das waren Extremisten von Links und Rechts. Sicher wird es auch den einen oder anderen Christen gegeben haben, der Morddrohungen an Abtreibungsärzte verschickt hat - das will ich nicht kleinreden. Aber in der Masse sind es nicht die Gläubigen, die sich kompromisslos und gewaltbereit zeigen. 

Bislang jedenfalls nicht. Wie es ausschaut, sollte der Islam hierzulande einmal Mehrheiten bilden können, möchte ich mir nicht ausmalen. Aller Wahrscheinlichkeit werde ich das aber auch nicht mehr erleben. 

mrorleander antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@mrorleander 

Wo siehst Du das denn in der bundesdeutschen Realität? Du schlußfolgerst eine Kompromisslosigkeit (und in der Theorie würde ich Dir da auch zustimmen), die im Alltag so m.E. nicht existiert.

Nochmal: Es sind nicht unterschiedliche Meinungen, die mir an dieser Stelle unheimlich sind, sondern unterschiedliche Realitäten, in denen Menschen zu leben glauben. Abtreibung ist insofern ein schlechtes Beispiel, weil es sehr schwer ist, dafür eine objektive Beurteilungsbasis zu finden.

 

Wenn in meiner Nachbarschaft 3 Windkrafträder gebaut werden, ich aber der Ansicht bin, daß dadurch der Rotmilan geschreddert wird, gibt es auch keinen Kompromiss mehr: Entweder, es wird gebaut, oder nicht.

Der Rotmilan wird aber nicht deshalb gefährdet, nur weil du dieser Ansicht bist. Dafür braucht es eine belastbare Begründung. Wenn Studien belegen, dass die Windkrafträder vermutlich tatsächlich für den Tod einer bestimmten Menge an Vögeln verantwortlich sein werden, darunter auch der Rotmilan, dann haben wir eine Ebene, auf der wir diskutieren können. Dann können wir abwägen, was wichtiger ist: Die Energieversorgung oder der Schutz der Vögel. Und darüber werden Menschen sicher geteilter Meinung sein. Aber wir reden zumindest von derselben Realität.

Wenn dir aber ausschließlich am Rotmilan gelegen ist, das Tier in der fraglichen Gegend aber überhaupt nicht vorkommt, dann reden wir nicht mehr von derselben Realität. Dann ist auch keine Diskussion möglich.

Das Endergebnis mag dann genau so aussehen. Aber auch wenn es mit demokratischen Mitteln erreicht wurde wäre es nicht dasselbe.

 

Wer hat denn in den letzten Jahrzehnten gewaltsam versucht, seine Partikularinteressen durchzusetzen? Das waren Extremisten von Links und Rechts. Sicher wird es auch den einen oder anderen Christen gegeben haben, der Morddrohungen an Abtreibungsärzte verschickt hat - das will ich nicht kleinreden. Aber in der Masse sind es nicht die Gläubigen, die sich kompromisslos und gewaltbereit zeigen.

Es geht nicht ausschließlich um Gewalt. Auch die AfD versucht ja mit demokratischen Mitteln gewählt zu werden. Aber die Gründe für ihre Wahl beruhen zu einem großen Teil nicht auf der Realität... sie phantasieren Dinge und Gefahren herbei, die in dieser Weise nicht zutreffen.

Und das führt unter Umständen dazu, dass Politiker gewählt werden, die Lösungen für Probleme anwenden wollen, die gar nicht existieren.

Und das kann dann am Ende tatsächlich zur Gewalt führen... auf unterschiedliche Weise.

 

lucan-7 antworten
MrOrleander
(@mrorleander)
Beigetreten : Vor 21 Jahren

Beiträge : 2217

@lucan-7 

Nochmal: Es sind nicht unterschiedliche Meinungen, die mir an dieser Stelle unheimlich sind, sondern unterschiedliche Realitäten, in denen Menschen zu leben glauben.

Dann gesellen sich zu den Gläubigen aber auch alle Anhänger von Homöopathie und Bachblüten etc., oder? 🙂 

Die Energieversorgung oder der Schutz der Vögel. Und darüber werden Menschen sicher geteilter Meinung sein. Aber wir reden zumindest von derselben Realität.

Schon, im Endergebnis wird aber jemand zurückstecken müssen (aktuell eher der Rotmilan und seine Verteidiger, vermute ich). Solange alle das Ergebnis (vielleicht zähneknirschend) akzeptieren und niemand anfängt, Windkraftanlagen zu sabotieren, wäre das ein normaler demokratischer Prozeß. 

Und der ist in meinen Augen das Wesentliche. In der Demokratie dürfen alle Bürger mitspielen (auch die mit den interessanten Ansichten), was dazu führt, daß im Meinungsbildungsprozeß und der anschließenden Abstimmung auch solche Ideen zum Zuge kommen können, die vielleicht nicht die Schlausten sind. Solange dieser Mechanismus akzeptiert wird, und zwar sowohl von den Gläubigen, als auch von denjenigen, die Demokratie nur so lange gut findet, wie sie die gewünschten Ergebnisse erzielt, ist ein gefahrloses Zusammenleben möglich. Dafür brauchst Du nicht in allen Bereichen des Lebens mit allen anderen in der selben "Realität" zu leben.

Gefährlich wird es für Dich und mich von Seiten der Links- und Rechtsextremen, nicht vom Freikirchler, der an den Teufel glaubt. 

mrorleander antworten
Lucan-7
(@lucan-7)
Beigetreten : Vor 13 Jahren

Beiträge : 21584

@mrorleander 

Dann gesellen sich zu den Gläubigen aber auch alle Anhänger von Homöopathie und Bachblüten etc., oder?

Richtig.

 

Gefährlich wird es für Dich und mich von Seiten der Links- und Rechtsextremen, nicht vom Freikirchler, der an den Teufel glaubt.

Ich habe geschrieben, dass mir Gläubige (gelegentlich) Angst machen... aber nicht, dass das meine größte Angst ist.

 

lucan-7 antworten
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